28.11.2023

“Lösung wieder sehr österreichisch”: Stimmen aus der Startup-Szene zur FlexKap

Lange gefordert, nun knapp vor dem Beschluss: Die FlexKap ist in der Zielgeraden. Doch wurde das Erhoffte geliefert? Wir haben dazu Stimmen aus der Startup-Szene eingefangen.
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Stimmen aus der Startup-Szene zur FlexKap (vlonru.) Hannah Wundsam, Johannes Braith, Laura Raggl, Berthold Baurek-Karlic, Christiane Holzinger, Christof Strasser
Stimmen aus der Startup-Szene zur FlexKap (vlonru.) Hannah Wundsam, Johannes Braith, Laura Raggl, Berthold Baurek-Karlic, Christiane Holzinger, Christof Strasser

Erst Jahre lang Forderungen durch die Startup-Szene und andere Akteur:innen, dann ein jahrelanger Entwicklungsprozess, nun ist es soweit. Die neue Kapitalgesellschaftsform FlexKap – oft auch FlexCo genannt – steht vor dem Beschluss im Parlament. Dabei gibt es in der Fassung, die nun beschlossen werden soll, noch einige Änderungen im Vergleich zum Erstentwurf aus dem Mai, bei denen tendenziell Forderungen aus der Startup-Szene entgegengekommen wurde – brutkasten berichtete.

Dennoch konnten bei weitem nicht alle Forderungen durchgesetzt werden, mit denen die Startup-Szene ursprünglich in den Prozess eingestiegen ist. Vor allem bei der neuen Mitarbeiter:innenbeteiligung gibt es einige Punkte, die in der Szene nach wie vor skeptisch gesehen werden.

FlexKap: Kompromisse bei Mitarbeiter:innenbeteiligung

So wurden die geltenden Fristen im Vergleich zum Erstentwurf zwar verkürzt, aber nicht auf die von Startup-Vertreter:innen geforderten Zeiträume. Ursprünglich war vorgesehen, dass Mitarbeiter:innen für die neue Beteiligung zumindest drei Jahre im Unternehmen sein müssen, dann sollte eine verpflichtende Mindesthaltedauer von fünf Jahren gelten. Hier wurde auf zwei bzw. drei Jahre herabgesetzt. Verhandlungsbasis seitens der Startup-Community waren aber jeweils ein Jahr gewesen. Ebenfalls kritisiert wird die Beschränkung der Mitarbeiter:innenbeteiligung auf Unternehmen mit maximal 100 Mitarbeiter:innen und 40 Millionen Euro Jahresumsatz.

Was sagt die Startup-Szene also zum FlexKap-Gesetz, das nun beschlossen werden soll? Ist es der erhoffte große Wurf? Wird es zu mehr Startup-Gründungen führen? Wir haben uns bei eingen bekannten Vertreter:innen der Szene umgehört.


Hannah Wundsam, Co-Managing Director AustrianStartups

Es ist ein wichtiger Schritt, dass die FlexCo jetzt tatsächlich kommt. Einige Gründer:innen haben die Unternehmensgründung aufgeschoben, um von der neuen Rechtsform profitieren zu können. Besonders die Neugestaltung der Mitarbeiter:innenbeteiligung kann in diesen wirtschaftlich herausfordernden Zeiten ein wesentliches Anreizinstrument darstellen. Sie motiviert Talente, sich Startups anzuschließen und fördert deren langfristige Bindung.

Obwohl die FlexCo vielleicht nicht den umfassenden Durchbruch darstellt, den wir ursprünglich erhofft hatten, ist sie doch ein bedeutender erster Schritt.

Seitdem wir den Austrian Startup Monitor umsetzen, ist eine der Top 3 Forderungen österreichischer Startups, eine bessere Möglichkeit Mitarbeiter:innen am Unternehmenserfolg zu beteiligen. Die neue Regelung für Mitarbeiter:innenbeteiligungen ist ein großer Schritt in diese Richtung, da sowohl die Dry-Income-Problematik gelöst wird, als auch ein verbesserter pauschaler Steuersatz angewandt wird.

Obwohl die FlexCo vielleicht nicht den umfassenden Durchbruch darstellt, den wir ursprünglich erhofft hatten, ist sie doch ein bedeutender erster Schritt. Sie zeigt, dass Veränderungen im Gesellschaftsrecht möglich sind und die österreichische Wirtschaft positiv beeinflussen können.

Die Senkung des Mindeststammkapitals und die Erleichterung der Formvorschriften sind ein wichtiges Signal für angehende Gründer:innen. Auch wenn ich nicht erwarte, dass diese Änderung unmittelbar zu einem Anstieg von Neugründungen führen werden, bin ich überzeugt, dass die erleichterte Mitarbeiter:innenbeteiligung Unternehmertum weiter fördern wird. Wenn auch Mitarbeiter:innen von den Erfolgen eines Exits profitieren, werden wir mehr Gründungen von ehemaligen Startup-Mitarbeiter:innen sehen.

Johannes Braith, Co-Founder und CEO Storebox

Es ist grundsätzlich sehr gut, dass etwas gemacht wird. Dass die Unternehmensgründung vereinfacht, das Mindeststammkapital auf 10.000 Euro herabgesetzt wird und die Mitarbeiter:innenbeteiligung in dieser Form ermöglicht wird, ist positiv hervorzuheben. Dass die Mitarbeiter:innenbeteiligung auf Unternehmen mit höchstens 100 Mitarbeiter:innen und höchstens 40 Millionen Euro Jahresumsatz beschränkt ist, kann ich allerdings nicht nachvollziehen.

Grundsätzlich positiv, aber in Klein-klein-Österreich gefangen.

Insgesamt muss man auch sagen, dass die Lösung wieder sehr österreichisch ist. Eine neue Rechtsform wird auch nicht die Antwort auf alle großen Probleme sein, die wir haben. Und man hat auch wieder einmal gesehen, wie komplex so ein Vorgang hierzulande ist – Stichwort: Notariatskammer, die sich in einigen Punkten quergelegt hat, weil der verpflichtende Notariatsakt teilweise wegfällt. Mein Fazit: Grundsätzlich positiv, aber in Klein-klein-Österreich gefangen.

Laura Raggl, Gründerin ROI Ventures und Startup-Rat-Mitglied

Es ist eine große Erleichterung, dass es nun wieder in die richtige Richtung geht und der 1.1.2024 wieder realistisch ist – grundsätzlich eine sehr positive Entwicklung für die Startup Szene. Allerdings wurden auch einige Kompromisse geschlossen, wie bei den Haltefristen, Anzahl der Mitarbeiter:innen, etc. Nun wird es spannend, wie die FlexKap in der Praxis angenommen wird und wir werden uns weiterhin dafür einsetzen weitere Verbesserungen der neuen Rechtsform zu erreichen. Speziell die Thematik der Mitarbeiter:innenbeteiligung wurde bereits wesentlich verbessert und wird auch der primäre Treiber für FlexKap Gründungen sein.

Berthold Baurek-Karlic, Business Angel of the Year 2023

Ich persönlich freue mich darüber, dass alle Expert:innen in diesem langen Prozess durchgehalten haben und das Österreich einen vorsichtigen innovativen Schritt nach vorne wagt. Eine neue Rechtsform entsteht in Österreich nicht jeden Tag. Auf der anderen Seite stimmt es mich nachdenklich, dass wir einmal mehr Zeuge eines Balanceakts in Perfektion geworden sind bzw. werden. Ich vermisse in der Politik mutige Entscheidungen, schnellere Handlungen, ein besseres Verständnis für unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit, und letztlich die Umsetzung vieler wichtiger Forderungen des Startup Ökosystems – die seit mehr als einem Jahrzehnt gefordert werden.

Ich hätte viele kleine Reformen der FlexKap vorgezogen

Bei allem Verständnis für die Interessensgruppen fürchte ich, dass wir uns solche Reform-Ballett-Vorstellungen nicht mehr leisten können! Ich hätte das Firmenbuchgericht abgeschafft, Notare mit echter Verantwortung zur Eintragung gestärkt, die GmbH und AG reformiert, und ein paar andere kleine Maßnahmen wie einen Investitionsfreibetrag und viele weitere kleine Reformen der FlexKap vorgezogen.

Christiane Holzinger, Business Angel of the Year 2023

Ich freue mich sehr, dass es die Politik doch noch geschafft hat sich zu einigen. Wir haben wirklich jahrelang gekämpft und es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Für mich sind die Veränderungen in Ordnung, aber eben kein Meilenstein. Aus meiner Sicht wird es dadurch nicht zu mehr Gründungen von Kapitalgesellschaften kommen. Diejenigen, die gründen, haben aber finanzielle Erleichterungen und auch im Handling gibt es Verbesserungen.

Für mich sind die Veränderungen in Ordnung, aber eben kein Meilenstein.

Die Mitarbeiter:innenbeteiligung war mehr als notwendig. Diese Einführung begrüße ich sehr, da damit die Rahmenbedingungen für Mitarbeiterbindung wesentlich verbessert wurden. Damit wurde auch auf die Anliegen des Arbeitsmarktes reagiert, nicht nur in der Startup-Community, sondern gesamtwirtschaftlich gesehen. Jeder Schritt, der engagierte, leistungsbereite Mitarbeiter:innen steuerlich entlastet, ist ein Schritt für einen zukunftssicheren Arbeitsmarkt!

Christof Strasser, Startup-Anwalt

Gesetze gibt es seit 4.000 Jahren, das FlexKap-Gesetz ist eines davon.  Ob hierdurch Unternehmer glücklicher und erfolgreicher werden, hängt davon ab, was wir daraus machen.

Man wird sehen, was in den nächsten Wochen noch ergänzend auf den Markt kommt und dann geht’s schon los.

Sehen wir das Gesetz als Business Opportunity für Anwälte und eine Gelegenheit für Content-Marketing von Startup-Kanzleien? Oder schaffen wir es – wie das ja eh schon bisher möglich war – auch die neuen Regelungen ideenreich, ergebnisorientiert und hoffentlich mit erfrischender Legal Tech-Unterstützung auf den Boden zu bringen?

Ohne Frage enthält das Gesetz ein paar gut gemeinte Ideen, die mal mehr, mal weniger zu Ende gedacht wurden. Man wird sehen, was in den nächsten Wochen noch ergänzend auf den Markt kommt und dann geht’s schon los.

Nora Frizberg, Operating Partner bei Speedinvest

Wir freuen uns sehr, dass die FlexCo sowie auch das steuerliche Paket zu Mitarbeiter:innenbeteiligungen nun endlich auf der Zielgeraden sind! Der Weg dorthin war ja doch sehr steinig… 

Die FlexCo bringt ein paar sehr wichtige Änderungen (z.B. stimmrechtslose Anteile, split voting, bedingtes und genehmigtes Kapital, Abbau von Formvorschriften für einige wenige Fälle), bleibt aber hinter den ursprünglichen Erwartungen an eine „Austria Limited“ (die der UK Limited nachgebildet sein sollte, und damit um ein Vielfaches flexibler gewesen wäre, als die FlexCo) zurück.

Unserer Einschätzung nach ist die FlexCo zwar eine Verbesserung im Vergleich zum Status Quo in Österreich. Gleichzeitig wird sie aber im internationalen Standortwettbewerb (z.B. verglichen mit UK, FR, NL, CH, DE) keinen positiven Effekt für Österreich haben. Dafür sind die vorgenommenen Flexibilisierungen bei weitem nicht weitgehend genug (und hinter diesen Ländern bleibt Österreich daher auch mit der FlexCo weit zurück).

Das gleiche gilt übrigens auch für das Paket zur Besteuerung von Mitarbeiter:innenbeteiligungen: Eine Verbesserung für Österreich im Vergleich zum Status Quo; aber keine Verbesserung im internationalen Wettbewerb (wenn man bedenkt, dass man in Österreich immer noch auf einen Steuersatz von ca. 34 Prozent kommt, statt wie in anderen Ländern auf einen KESt-Steuersatz von zwischen 10 und 25 Prozent).

Dennoch: Wir sehen die gesetzten Maßnahmen als den ersten Schritt und einen wichtigen Meilenstein, auf den über die nächsten Jahre hoffentlich noch viele Verbesserungen für die heimische Technologie-Wirtschaft folgen werden.

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Die Geschäftsführer der cycoders GmbH: CTO – DI (FH) Martin Guess, CEO – Thomas Mörth Bildrechte: cycoders GmbH
(c) cycoders GmbH - Die Geschäftsführer von cycoders Martin Guess und CEO Thomas Mörth.

Getuschel. Hinter vorgehaltener Hand wird geflüstert, Gespräche erst fortgesetzt, wenn die Führungskraft außer Hörweite ist. Man mutmaßt, man nimmt an. Man glaubt, dass die Firma Probleme hat und sich womöglich von Leuten trennen muss. Die Sorge wächst und man fürchtet, dass es einen treffen könnte. Und an die Arbeit zu denken, ist mit einem solchen Gefühl nur schwer möglich. So ähnlich geht es zu Krisenzeiten in Unternehmen zu, weiß Lolyo Co-Founder und CEO Thomas Mörth, der auch gemeinsam mit Martin Guess Geschäftsführer von cycoders ist. Er möchte mit seiner App Ängste von Mitarbeiter:innen lindern.

Lolyo mit direktem Draht

Die Idee dazu kam ihm vor ein paar Jahren, als er in seiner Werbeagentur kundenseitig den Wunsch verspürte, eine verbesserte digitale und interne Kommunikation zu entwickeln. “Es gab am Markt bereits einige Lösungen, aber die waren zu teuer oder zu kompliziert”, erzählt er. “Also haben wir entschieden, das wir uns der Sache annehmen.”

Heraus kam Lolyo, eine Mitarbeiter:innen-Mitmach-App als Kommunikationstool, das man aufs eigene Smartphone laden kann und so direkten Zugang zum Führungsteam erhält.

“Wenn man Mitarbeiter binden möchte, mitteilen, was man alles tut, dann war das bisher mit klassischen Kanälen schwierig”, so Mörth weiter. “So ein Tool ist heutzutage jedoch unverzichtbar und funktioniert nicht bloß einseitig, sondern auch umgekehrt. Es ist ein direkter Draht zur Unternehmensführung.”

Das Zeitalter der Verunsicherung

Gerade jetzt, wo Unternehmen Personal abbauen müssen oder zumindest die Gefahr dazu groß sei, herrsche in der Regel große Verunsicherung, weiß der Founder. “Das schlägt sich negativ in der Produktivität nieder, denn ängstliche Personen können nicht motiviert arbeiten.”

Die Folgen dieser negativen Gefühle können für alle Seiten verheerend sein: Die Arbeitsmoral verschlechtert sich und eine sinkende Produktivität, erhöhter Stress und Burnout-Gefahr schleichen sich ein und lähmen den täglichen Betrieb.

Mit den psychischen Folgen für die verbleibenden Mitarbeiter:innen hat sich Alexander Ahammer mit seinem Team vom VWL-Institut der Johannes Kepler Universität Linz in einer Studie beschäftigt. Eine der Erkenntnisse: Innerhalb eines Zeitraums von eineinhalb Jahren nach dem Personalabbau der untersuchten Firmen erfolgten 6,8 Prozent mehr Medikamentenverschreibungen sowie 12,4 Prozent mehr Krankenhaustage, erwähnte der Ökonom 2022 in einem APA-Gespräch. Dass diese Ängste Arbeitgeber:innen viel Geld kosten können, wurde auch in einer Studie der FH Köln aus dem Jahr 2000 belegt, wie Mörth erwähnt. “Diese Angst kann man aber mit den richtigen Instrumenten wegnehmen.”

Lolyo als mobiles Intranet

Lolyo ist im Detail ein mobiles Intranet, das Mitarbeitende miteinander vernetzt. Die drei primären Kanäle – News, Pinnwand und Chat – sollen dabei einen optimalen Informationsfluss garantieren. Zudem enthält die App eine Vielzahl an Features, die das Engagement erhöhen und interne formelle Abläufe wesentlich vereinfachen soll. Im Idealfall soll sie für alle Mitarbeitenden den Zugang zu allen digitalen Services des Unternehmens anbieten.

Insgesamt gibt es 30 verschiedene Features, die von Terminen, Formularen, Umfragen über automatische Übersetzung bis hin zum Start eines eigenen Podcast-Kanals verschiedene Angebote parat halten. Der Mitmach-Booster von Lolyo ist zudem als Anreiz gedacht, aktiv zu bleiben. Wenn man sich Nachrichten durchliest, liked oder kommentiert, erhält man Punkte, die dann in einem vom Unternehmen aufgesetzten “Goodies Store” eingelöst werden können. “Das ist unser USP”, sagt Mörth. “Wir haben diese Art von ‘Gamification’ von Anfang an integriert.”

300 Kunden

Seit dem Beginn im Jahre 2018 konnte Lolyo 300 Kunden (Anm.: darunter Liebherr, Efco, Recheis, Wutscher Optik) aus 15 Ländern für sich gewinnen. “Corona war für uns ein glücklicher Fall, denn die Unternehmen mussten umdenken”, erinnert sich Mörth. “Der Bedarf nach guter Kommunikation hat sich ja damals plötzlich erhöht.”

Auch die Mundpropaganda war für das 16-Personen starke Team wesentlich. “Wir sind ein kleines Unternehmen und nicht investorengetrieben”, erklärt der Founder. “Und haben keine Millionen an Marketing-Budget. Der Erfolg kam über unsere ‘Word of Mouth-Taktik’. Damit konnten wir bisher unseren Umsatz jährlich verdoppeln.”

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