11.03.2022

FlexKap als GmbH-Alternative: Startup-Komitee kritisiert Entwurf der Regierung

Die FlexKap soll für Startups zu einer attraktiven Alternative zur GmbH werden. Aus der Startup-Szene kommt aber massive Kritik am Entwurf.
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Alma Zadić bei einer Podiumdsidkussion im März 2022 © BMJ
Alma Zadić bei einer Podiumdsidkussion im März 2022 © BMJ

Die GmbH ist in Österreich für Startups die am häufigsten gewählte Rechtsform. Sie hat aber viele Schwächen und ist insbesondere bei der Beteiligung von Mitarbeiter:innen und Investor:innen zu unflexibel. Die Regierung hat das Problem im Grundsatz verstanden und die Entwicklung einer neuen Rechtsform im Regierungsprogramm vorgesehen. Seit Monaten wird nun intensiv an der Umsetzung gearbeitet und mittlerweile gibt es einen endgültigen Entwurf für die GmbH-Alternative, die nun unter dem Titel FlexKapGG läuft. Aus der Startup-Szene, für die die Rechtsform im Wesentlichen geschaffen wird, kommt nun aber scharfe Kritik.

“Der vorliegende Entwurf adressiert zwar einige Punkte, die für den Erfolg einer neuen Rechtsform – im Sinne der oben genannten Fragestellungen – relevant sind. Essentielle Aspekte, die für eine deutliche Verbesserung der Situation von Gründer:innen, Mitarbeiter:innen und Investor:innen notwendig sind, wurden jedoch weiterhin nicht ausreichend berücksichtigt”, heißt es in dem Brief, in dem sich das “Startup Komitee” an die zuständige Justizministerin Alma Zadić richtet. Gezeichnet ist der Brief, der dem brutkasten vorliegt, von der aktuellen Startup-Beauftragten der Regierung, Lisa Fassl (Female Founders), sowie den Komitee-Mitgliedern Bernadette Frech (Instahelp), Stefan Haubner (Apex Ventures), Markus Raunig (AustrianStartups), Werner Wutscher (New Venture Scouting) und Nora Frizberg (Speedinvest)

“Finanzierung digitaler Leitbetriebe von morgen unmöglich”

Ein erster Entwurf zur FlexKap wurde bereits im November 2021 in “informeller Runde” vom Justizministerium präsentiert, wie dem Schreiben zu entnehmen ist (brutkasten berichtete). Das Startup Komitee hatte damals auf Basis von Expertenmeinungen eine Liste an problematischen Punkten erstellt. Von den neun “Red Flags” seien nur vier oberflächlich behandelt worden und ähnlich sei das auch bei den acht “Yellow Flags”. Schlimmer noch: Das Komitee habe im aktuellen Entwurf zwei neu “Red Flags” entdeckt, die “die Finanzierung der digitalen Leitbetriebe von morgen durch Investor:innen de facto unmöglich machen”.

Steuerliche Erleichterung bei Mitarbeiterbeteiligung gefordert

Die Kritik bezieht sich also genau auf jenen Kern der neuen Rechtsform, der die Beteiligung von Mitarbeiter:innen und Investor:innen erleichtern soll. Zusätzlich weist das Komitee in dem Brief darauf hin, dass die Beteiligung von Mitarbeiter:innen nach wie vor steuerlich nicht attraktiv sei in Österreich. Zur Erinnerung: Die direkte Beteiligung von Mitarbeiter:innen ist in Österreich lohnsteuerpflichtig und als Bemessungsgrundlage dient die Bewertung eines Startups, die allerdings in vielen Fällen nicht einfach festzustellen ist. Bisher umgehen Startups das Problem oft mit “Phantom Shares”. Eine steuerliche Lösung sei “für die Gesamtbeurteilung dieser Beteiligungsprogramme, auch im Sinne der im FlexKapGG dargestellten Unternehmenswertanteile, essentiell und sollte daher schnellstmöglich zur Beurteilung vorgelegt werden”.

Der vorliegende Entwurf für die FlexKapGG sei ein erster richtiger Schritt aber noch kein großer Wurf, versucht das Komitee den Brief versöhnlich zu schließen: “Es ist noch nicht zu spät das FlexKapGG zu einem echten Meilenstein in der Geschichte der österreichischen Wirtschaft zu machen”.

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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer)
Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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