04.04.2024

FlexCo: Ist die neue Gesellschaftsform der große Wurf?

Ein Jahrzehnt lang gefordert, jahrelang erarbeitet und abgespeckt realisiert: Die FlexCo ist seit Anfang 2024 da. Aber ist sie so gut wie erhofft?
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FlexCo - ist die neue Gesellschaftsform der große Wurf? vlnr. Philipp Kinsky, Christof Strasser, Maria Thierrichter, Keyvan Rastegar und Thomas Kulnigg
vlnr. Philipp Kinsky, Christof Strasser, Maria Thierrichter, Keyvan Rastegar und Thomas Kulnigg | (c) Herbst Kinsky / 42law / Julia Dragosits / Armin Muratovic / Schönherr

Dieser Artikel erschien zuerst in unserem aktuellen brutkasten-Printmagazin (Download-Möglichkeit am Ende des Artikels).


Gesellschaftsformen gibt es in Österreich einige. Für typische Startups, die eine Wachstumsstrategie verfolgen und dazu Eigenkapitalinvestments aufnehmen wollen, gab es bis vor Kurzem aber de facto nur eine brauchbare Option: die GmbH. Doch bei allen offensichtlichen Vorteilen, die die Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegenüber den anderen Rechtsformen hat, konnte sie die heimische Startup-Szene nie so recht überzeugen. Über ein gutes Jahrzehnt hinweg stand der Wunsch nach einer neuen, auf Startups zugeschnittenen Gesellschaftsform daher ganz oben in allen Forderungskatalogen der heimischen Organisationen in diesem Bereich.

Letztlich kam im Zuge eines jahrelangen Prozesses die “Flexible Kapitalgesellschaft” heraus, kurz “FlexKapG” – oder auch “FlexCo”, ein Anglizismus, der im internationalen Kontext attraktiv wirken soll. Wichtiger als der Name ist aber das Ergebnis: Die neue Gesellschaftsform ist ein Kompromiss. Einige zentrale Anliegen der Startup-Szene haben es in den Gesetzestext geschafft, andere aber nicht – oder nur abgespeckt.

“Gewissermaßen ein Jahrhundertereignis”

Ist die FlexCo dennoch eine signifikante Neuerung? “Natürlich, das ist schon gewissermaßen ein Jahrhundertereignis – nach der GmbH im Jahr 1906 erstmals eine neue private Kapitalgesellschaftsform. Es war auch wirklich höchste Zeit und es sind einige komplett überfällige und selbstverständliche Reformen in der FlexCo aufgegangen“, meint Keyvan Rastegar. Der Wiener Anwalt war selbst im Prozess hin zur neuen Rechtsform involviert und hatte sich schon davor öffentlich als Fürsprecher positioniert.

“Es gibt im Wesentlichen drei Gruppen an Verbesserungen: Entbürokratisierungen, Flexibilisierungen und Kapitalisierungsmaßnahmen”, erklärt Rastegar. Die neue anwaltliche und notarielle Privaturkunde, die bei Anteilsübertragungen und Übernahmeerklärungen anstatt eines Notariatsakts gewählt werden kann, bringe Beschleunigung, Kostenreduktion und sei deutlich wirtschaftsfreundlicher. “Dazu wurden Beschlussfassungen entschlackt, und es wurden Selbstverständlichkeiten wie das Halten eigener Anteile, genehmigtes und bedingtes Kapital und ‘Venture Debt’ wie Wandeldarlehen und SAFE-Vereinbarungen (SAFE = Simple Agreement for Future Equity, Anm. d. Red.) endlich gesetzlich verankert”, so der Anwalt.

Doch er räumt ein: “Das sind schon alles signifikante Veränderungen, auch wenn sie nicht für sich genommen alle Standortprobleme auf einmal lösen können. Diese Reform war der erste Schritt in die richtige Richtung, aber es gehört noch unglaublich viel gemacht, und zwar besser heute, als wieder Jahrzehnte vergehen zu lassen.”

Ähnlich sieht das Philipp Kinsky, der wie Rastegar zu den bekanntesten heimischen Startup-Anwälten zählt. “Die Einführung einer neuen Rechtsform in Österreich ist ein bemerkenswerter Schritt, auch wenn dieser längst überfällig war”, meint er. “Die FlexCo ist jedenfalls eine signifikante und positive Änderung, auch wenn ich persönlich finde, dass der Gesetzgeber noch mutiger hätte sein können.”

“Ein Gamechanger für Startups ist die FlexCo leider nicht”

Doch nicht jeder sieht die FlexCo so positiv. Ein weiterer in der Startup-Szene gut bekannter Anwalt äußert sich skeptisch: Christof Strasser, der selbst gleich zu Jahresbeginn eine FlexCo zu Versuchszwecken gründete. “Ein Gamechanger für Startups ist die FlexCo leider nicht”, meint er. “Die in der Praxis relevanteste Neuerung besteht sicherlich in Erleichterungen bei der Mitarbeiterbeteiligung. Das geht vom Prinzip her in die richtige Richtung, auch wenn es in der Umsetzung teilweise unausgegoren, teilweise wiederum ‘over-engineered’ ist. Daneben gibt es ein paar viel diskutierte Punkte, die aber nur für Juristen spannend sind. Ein CEO hat am Ende Wichtigeres zu tun, als sich über das Thema Anwalts- versus Notarurkunde Gedanken zu machen”, so Strasser. Die große Frage sei letztlich: “Hat es wegen dreier nützlicher Paragrafen wirklich einer neuen Rechtsform bedurft?”

“Es ist noch nichts ausjudiziert”

Sollten neue Startups es nun also mit einer FlexCo versuchen – oder doch besser eine GmbH gründen? Während Keyvan Rastegar und Philipp Kinsky in diesem Fall klar die neue Gesellschaftsform empfehlen, sieht das Maria Thierrichter, Notarsubstitutin in Wien, differenziert: “Ich empfehle die FlexCo nur einer sehr spezifischen Gruppe von Startups, nämlich jenen mit ganz kleinen Strukturen, die planen, größer zu werden, und daher eine sehr volatile Gesellschafterstruktur haben. Wenn sie Kapital aufnehmen und eine Mitarbeiterbeteiligung umsetzen wollen, kann die FlexCo Sinn ergeben.”

Klassischen Unternehmen mit einer stabilen Gesellschafterstruktur würde sie aber weiterhin die GmbH empfehlen. Zudem bestehe bei der FlexCo aktuell noch eine gewisse Unsicherheit, so Thierrichter: “Es ist noch nichts ausjudiziert.” Das könne auch für potenzielle Investor:innen abschreckend wirken.

Thomas Kulnigg, Partner bei Schönherr Rechtsanwälte, äußert sich ähnlich: “Eine konkrete Empfehlung kann nur auf Basis und unter Berücksichtigung der konkreten Umstände erfolgen”, stellt er klar. Grundsätzlich gebe es bei Neugründungen zwar nur wenige Gründe, die gegen eine FlexCo sprechen, weil diese in den Ausgestaltungsmöglichkeiten einfach flexibler sei. Aber: “Die FlexCo ist neu und im Geschäftsleben noch unbekannt. Man wird erst in den nächsten Monaten sehen, ob sie in der Praxis – vor allem im Ausland – gut angenommen wird”, so Kulnigg, der auch auf offene Rechtsfragen hinweist. Zudem könne die im Vergleich zur GmbH niedrigere Schwelle für die Einrichtung eines zwingenden Aufsichtsrats abschreckend wirken, meint der Anwalt.

Keyvan Rastegar bezeichnet diese Schwelle als “einzigen Nachteil” der FlexCo. Dennoch sieht er hier bei Neugründungen kein Problem, weil die Regelung für diese noch nicht schlagend werde. Skeptisch ist auch in dieser Frage Christof Strasser: “Wenn die Mitarbeiterbeteiligung das wichtigste Thema ist, sollte man es durchaus mit der FlexCo versuchen. Wenn das aber weniger wichtig ist, liegt in der GmbH zumindest mittelfristig eine Variante mit weniger Rechtsunsicherheit, niedrigeren Implementierungskosten und einer im Wirtschaftsleben etablierten Reputation.”

Langfristig könne die FlexCo dann “der sinnvolle Standard für Neugründungen werden”, wenn sie nicht “imagemäßig verunglückt”, so Strasser: “Ich glaube, es wird nicht unerheblich sein, ob es in den nächsten zwei bis drei Jahren zumindest eine FlexCo schafft, ihre Gründer:innen reich und berühmt zu machen – oder ob die größere Story eine FlexCo sein wird, die unternehmerisch und medienwirksam scheitert. Das klingt irrational, ist aber so.”

Wie sinnvoll ist eine Umgründung von GmbH zu FlexCo?

Analog herrscht unter den Jurist:innen auch in der Frage Uneinigkeit, unter welchen Umständen eine Umgründung von einer GmbH in eine FlexCo sinnvoll ist. Thomas Kulnigg erklärt die Rahmenbedingungen: “Eine Umwandlung erfordert im Wesentlichen einen Gesellschafterbeschluss mit Dreiviertelmehrheit. Der Beschluss muss notariell beurkundet werden. Der Vorgang muss jedenfalls von einer breiten Gesellschafterbasis unterstützt werden.” Als möglichen guten Zeitpunkt dafür sieht er den Abschluss einer Finanzierungsrunde, denn diese sei “oft mit einem allgemeinen Umbruch verbunden”. Doch der Anwalt warnt: “Unter Umständen nutzen Gesellschafter den Umbruch für Nachverhandlungen oder um offene Rechnungen zu klären. Diese ‘politischen’ Umstände müssen auch berücksichtigt werden.”

Philipp Kinsky rät vor allem Startups, die schon länger bestehen, vor einer möglichen Umwandlung zu prüfen, ob sie die Voraussetzungen für die Mitarbeiterbeteiligung überhaupt noch erfüllen und wie sich die verschärfte Aufsichtsratspflicht auf ihr Unternehmen auswirken würde. Maria Thierrichter hält eine Umgründung nur dann für sinnvoll, wenn das Startup vorhat, mehrere weitere Gesellschafter:innen aufzunehmen, und das Thema Mitarbeiterbeteiligung eine große Rolle spielt. “Wenn aber ein Unternehmen schon sehr gut dasteht und in absehbarer Zeit einen Börsengang anstrebt, würde ich gleich zur Umwandlung in eine AG raten”, ergänzt sie.

Während Keyvan Rastegar “viele Gründe, eine GmbH in eine FlexCo umzuwandeln” ortet, meint Christof Strasser: “Du hast ja schon eine funktionierende Rechtsform. Da muss dein Unwohlsein schon sehr stark sein, dass du dich für eine Umwandlung entscheidest.”

Für Gründer:innen bedeutet das alles jedenfalls: Ob ihnen eine FlexCo-Gründung bzw. die Umwandlung einer GmbH zur FlexCo empfohlen wird, hängt nicht nur von den Umständen, sondern auch von den Jurist:innen ab, mit denen sie sprechen. Mehrere Meinungen einzuholen dürfte also ratsam sein. In einer Sache sind sich aber alle von uns befragten Expert:innen – egal, ob sie eher optimistisch oder eher skeptisch sind – einig: Bei der FlexCo gibt es seitens des Gesetzgebers noch einige Verbesserungsmöglichkeiten.

Gesellschaftsformen im Vergleich:

FlexCo - GmbH - AG - Vergleich Tabelle Flexkap
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Die Verwendung von Kohlefaser in der Industrie hat in den letzten Jahren stark zugenommen – insbesondere in Bereichen wie der Luft- und Raumfahrt, dem Automobilbau und der Windenergie. Kohlefaser überzeugt durch ihre hohe Festigkeit bei geringem Gewicht, doch ihre Herstellung ist ressourcenintensiv und teuer. Ein großes Problem stellt der hohe Verschnitt bei der Produktion dar: In der Industrie landen im Durschnitt bis zu 30 Prozent der Rohstoffe im Abfall. Diese Materialverluste sind nicht nur ökonomisch ineffizient, sondern auch aus ökologischer Sicht problematisch, da Kohlefaser biologisch nur schwer abbaubar ist.

Carbon Cleanup setzt auf KI

Das 2020 gegründete Linzer Startup Carbon Cleanup rund um Gründer Jörg Radanitsch hat sich diesem Problem angenommen und zum Ziel gesetzt, Kohlenstofffasern aus Industrieabfällen aufzubereiten und wiederverwendbar zu machen. Konkret hat das Startup eine mobile Aufbereitungsanlage entwickelt, um Carbonfasern direkt vor Ort beim Kunden aufzubereiten. 

Zum Herzstück der Anlage gehört nicht nur die mechanische Aufbereitung der Kohlenstofffasern. Im Hintergrund läuft auch eine Software, die eine KI-gestützte visuelle Erkennung der zugeführten Rohstoffe ermöglicht.

“Wir haben ein KI-generiertes Datenblatt entwickelt, das automatisch die Charakteristika von eingehendem Material erkennt und den Wert des Rezyklats bestimmt“, so Radanitsch. “Bevor das Material in unsere Anlage kommt, wissen wir schon, welche mechanischen Eigenschaften es haben wird. Das ist entscheidend für die Qualität und den Marktwert des Endprodukts.”

Gründer Jörg Radanitsch | (c) Carbon Cleanup

Entwicklung der zweiten Generation an Anlagen

Während die erste Anlage des Unternehmens für R&D-Zwecke dient und über eine Kapazität von 30 Tonnen pro Jahr verfügt, konnte das Unternehmen über den Sommer eine zweite Anlage in Betrieb nehmen. „Unsere zweite Anlagengeneration ist im August fertiggestellt worden. Die Produktionskapazität ist dreimal so hoch wie bei unserer ersten Anlage. Damit sind wir jetzt in der Lage, deutlich mehr und auch verschiedene Kompositabfälle zu verarbeiten.“

Besonders stolz ist Radanitsch auf die gestiegene Materialqualität: „Das neue Aggregat ist viel stärker, was uns mehr Flexibilität bei der Verarbeitung der Materialien gibt. Wir können jetzt eine Vielzahl an Abfällen effizienter recyceln, was die Qualität der Produkte erheblich verbessert.“

Ein wichtiger Baustein für den Erfolg von Carbon Cleanup war die Unterstützung durch die Austria Wirtschaftsservice (aws). “Das Seed-Financing der Austria Wirtschaftsservice hat uns erlaubt, nicht nur unsere Forschung und Entwicklung voranzutreiben, sondern auch in Marketingaktivitäten zu investieren, die für uns als Hardware-Startup besonders wichtig sind“, erklärt Radanitsch.

Luftfahrtindustrie und Kooperation mit KTM Technologies

Eine der spannendsten Entwicklungen bei Carbon Cleanup ist der Einsatz ihrer recycelten Materialien im 3D-Druck, besonders in der Luftfahrtindustrie. “Wir liefern im Tonnenmaßstab Kunststoffgranulate, die mit unserer Rezyklatfaser verstärkt sind. Diese werden in großen 3D-Druckern verwendet, um Formen zu bauen, die dann für die Produktion von Flugzeugteilen genutzt werden”, so der Gründer.

Zudem arbeitet Carbon Cleanup mit dem österreichischen Motorradhersteller KTM zusammen. Gemeinsam arbeiten beide Unternehmen an einem geschlossenen Materialkreislauf, bei dem Post-Consumer- und Post-Industrial-Abfälle von KTM Technologies recycelt und für die Herstellung neuer Bauteile genutzt werden. Spezifisch handelt es sich um das Recycling der Teile des Rennmodells “X-Bow GT2”, dessen Rahmen zu 100 % aus Carbonfasern besteht. Durch Unfälle entsteht eine große Menge an beschädigtem Material, das normalerweise als Abfall betrachtet wird. Mit der Partnerschaft von KTM und Carbon Cleanup wird dieses Material zurück in den Kreislauf gebracht. 

(c) Carbon Cleanup

“KTM Technologies war von Anfang an ein Vorreiter. Sie testen unsere recycelten Materialien bereits erfolgreich in ihren Motorrädern“, betont Radanitsch.

Das Besondere an dieser Kooperation ist das sogenannte Closed-Loop-Material, das zu 100 Prozent aus dem Abfallstrom von KTM Technologies besteht. „Die Herausforderung ist, die Materialien zirkulär zu sammeln und in die Produktion zurückzuführen. Das Sammeln und die Qualität sind dabei entscheidend. Aber wir haben gezeigt, dass wir sogar leistungsfähigere Materialien aus Abfall herstellen können”, so der Gründer.

(c) Carbon Cleanup

Die nächsten Schritte von Carbon Cleanup

Das Geschäftsmodell von Carbon Cleanup basiert derzeit auf zwei Einnahmequellen: Zum einen bietet das Unternehmen Kunden einen Recycling-Service an, bei dem diese für die umweltgerechte Entsorgung des Materials bezahlen. Dafür wurde eine eigene Logistikstruktur aufgebaut. Zum anderen werden die Faserverbundkunststoffe an weitere Abnehmer verkauft. Derzeit liefert das Startup 98 Prozent der aufbereiteten Granulate ins Ausland. “Für eingehendes Material sind die Hauptmärkte neben Österreich vor allem Deutschland und Italien. Der Materialzufluss ist für uns derzeit jedoch kein Engpass, sodass wir gezielt das für uns passende Material auswählen können”, so der Gründer abschließend.


*Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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