19.10.2018

FinTech-Startups: Zwischen Angriff und Kooperation

Analyse. Noch vor kurzer Zeit wurde in kühnen Voraussagen der Untergang der etablierten Banken heraufbeschworen. Doch diese haben eine Waffe gegen "Challenger-Banken" gefunden: Startups. Denn FinTech-Startups gehen längst nicht mehr nur auf Angriff.
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FinTech-Startups und Challenger-Banken - zwischen Angriff und Kooperation
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Anfang 2016. Mehr als 80 Prozent der etablierten Banken haben Angst. Sie befürchten laut einer PwC-Studie mit 544 Top-Managern aus 46 Ländern, “einen Teil ihres Geschäfts an unabhängige FinTechs zu verlieren”. Sie sehen 23 Prozent ihres Kerngeschäfts gefährdet. Befragte FinTech-GründerInnen gehen in der Studie sogar davon aus, dass FinTech-Startups den Etablierten ein Drittel des Geschäfts abknöpfen können. Kühne Propheten sind sich zu diesem Zeitpunkt sicher: Es wird nicht lange dauern, bis die ersten Traditionsbanken dran glauben müssen.

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Angriff und Verteidigung

Der Tenor in der öffentlichen Diskussion ist zu diesem Zeitpunkt: Angriff und Verteidigung. N26-Co-Founder Valentin Stalf gibt, wie viele andere, das Motto dieser unabhängigen FinTechs, sogenannter “Challenger-Banken” aus: Man wolle “die Bankenlandschaft nachhaltig umkrempeln”. Das Rezept: “Transparenz und ein intuitives Nutzererlebnis im Banking”. Es sind Merkmale, die man zu dieser Zeit vor rund zweieinhalb Jahren und teilweise noch heute tatsächlich bei vielen Großbanken vermisst. Und es sah für die Challenger gut aus. Die Investmentvolumina hatten sich von 2014 auf 2015 in etwa verdoppelt. Die PwC-Studie ging von globalen FinTech-Investitionen in der Höhe von 150 Milliarden US-Dollar innerhalb von drei bis fünf Jahren aus.

Paradigmenwechsel

Was diese Investments anbelangt, sollten die Erwartungen der StudienautorInnen sich zumindest bestätigen, wenn nicht übertroffen werden. Rund 30 Milliarden US-Dollar wurden weltweit 2016 in FinTechs investiert. Knapp unter 40 Milliarden US-Dollar waren es 2017. Ein Rekord, der 2018 bereits zur Jahreshälfte gebrochen war, als schon fast 42 Milliarden US-Dollar an globalen FinTech-Investments zu Buche standen. Was die FinTech-Startups, in die investiert wurde, und die “Angst” der Banken anbelangt, fand in der Zwischenzeit aber – zumindest teilweise – ein Paradigmenwechsel statt.

Challenger-Banken spielen (noch) nicht in Oberliga

Zwar sind Challenger-Banken weiterhin auf einem guten Weg und holten sich auch 2018 große Investments. Die oben erwähnten N26 stellten im Frühjahr satte 160 Millionen US-Dollar unter dem Lead vom Corporate VC Allianz X und dem chinesischen Megakonzern Tencent auf. Der größte Konkurrent des Berliner FinTechs – Revolut aus London – zog wenig später mit einer 250 Millionen US-Dollar Runde durch DST Global aus Hong Kong nach. KundInnen- und Umsatzzahlen der beiden größten europäischen Challenger-Banken zeigen aber: Von den großen europäischen Finanzinstituten ist man derzeit noch entfernt. Mit (konstant wachsenden) User-Zahlen jenseits der Millionengrenze spielen N26 und Revolut momentan in einer Liga mit den kleineren Banken ihrer Heimatmärkte, obwohl sie beide europaweit agieren.

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Die Zeichen stehen auf Kooperation

Wie lange das rapide Wachstum noch anhält, wird von mehreren Faktoren abhängen. Einer davon ist der oben angesprochene Paradigmenwechsel. Denn die Angst der Banken vor den FinTechs ist inzwischen längst einem neuen Verständnis gewichen. Die Zeichen stehen bei vielen auf Kooperation.

“Wir wollen eine Skalierungsplattform für Startups sein”, sagt etwa Hannes Cizek, Head of Group Digital Banking der Raiffeisen Bank International (RBI), im Gespräch mit dem Brutkasten. Das Startup-Programm der Bankengruppe, das “Elevator Lab”, ging dieses Jahr in die zweite Runde. Das Ziel des hauseigenen FinTech-Accelerators ist klar: Über Kooperationen, die beiden Seiten nutzen, die Banken-Digitalisierung in die eigene Hand nehmen. Die Vorgehensweise ist dabei sehr klar strukturiert. “Wir haben schon in der Auswahl der Startups die Geschäftsbereiche ganz stark eingebunden”, erzählt Cizek über den ersten Batch des Elevator Lab. “Wir wussten daher bei unseren fünf teilnehmenden Startups, dass hier ein ganz klarer Business- oder Customer-Need da ist, den wir bedienen wollen. Dementsprechend stark war das Commitment der Fachbereiche. Elevator Lab wurde ihnen nicht aufoktroyiert, sondern sie haben genau in diesen Bereichen Lösungen gesucht. Ich glaube, das war und ist für das gesamte Projekt kriegsentscheidend”.

“Kulturvermittler zwischen Startup- und Corporate-Welt”

Voll und ganz auf Kooperation setzt auch F10, der größte Schweizer FinTech-Accelerator. Hinter dem als Verein organisierten Programm stehen unter anderem drei Banken und drei Versicherungen. “Wir sind quasi der Kulturvermittler zwischen Startup- und Corporate-Welt”, sagt F10-Co-Founder Markus Graf. Als größte Herausforderung der Bankenwelt sieht er nicht die Implementierung neuer Technologien. “Am wichtigsten ist es zu verstehen, dass sich das Kundenverhalten momentan extrem ändert. Damit tun sich Corporates derzeit sehr schwer – Startups fällt das leichter. Für uns stehen daher neue Geschäftsmodelle im Zentrum. Ob hinter der Lösung die Blockchain, Machine Learning oder sonst etwas steht, ist letztlich egal, wenn es funktioniert”, sagt Graf.

“Wir helfen Startups, ihre Value Proposition so zu schärfen, dass das Kundenproblem der jeweiligen Banken und Versicherungen richtig verstanden wird”, ergänzt Thomas Landis, Leiter des F10-Accelerators. “Wir unterstützen sie dabei, tatsächliche Marktbedürfnisse zu erfüllen und helfen ihnen nebenbei, Investment-ready zu werden”.

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Gepostet von DerBrutkasten am Donnerstag, 18. Oktober 2018

Corporate VCs auf dem Vormarsch

Stichwort Investment. Das Kapital für FinTechs kommt auch nicht mehr nur von unabhängigen VCs. Denn Banken und Versicherungen wollen es immer häufiger nicht bei Kundenverhältnissen zu Startups belassen. Warum nicht doppelt an ihren Lösungen mitverdienen? Bei der RBI passiert das seit einigen Monaten in Form einer eigenen Investment-Gesellschaft, die mit 25 Millionen Euro Kapital startete: Elevator Ventures. Man wolle damit “die Kapitallücke am Markt schließen”, sagt Hannes Cizek. Er spricht damit einen großen Painpoint in der österreichischen Startup-Landschaft an: Anschlussfinanzierung. Man suche nach “Startups, die bereits in einer späteren Entwicklungsphase sind, erste Markterfahrung gesammelt haben und nun Kapital brauchen, um weiter erfolgreich zu wachsen”.

Etablierte Bank investiert in Challenger-Bank?

Um Tickets in entsprechender Größe zu gewährleisten, setzt Elevator Ventures dabei auf eine Co-Investment-Strategie. Die wurde unter dem Namen “Speedinvest f” gemeinsam mit dem Wiener VC Speedinvest und Uniqa Ventures, dem Investment-Vehikel des Wiener Versicherungsriesen, in Form gegossen. Während zwischen Uniqa und RBI traditionell enge Bande bestehen, ist die Kooperation mit dem unabhängigen VC Speedinvest neu. Die Schlagrichtung dabei ist klar: Man will die Expertise der Investment-Gesellschaft nutzen, um auch in FinTechs zu investieren, mit denen man (noch) nicht kooperiert. Potenziell auch in Challenger-Banken.

Challenger dringen ins Offline-Geschäft

Also Friede, Freude, Eierkuchen im FinTech-Bereich? Nicht ganz. Denn auch die Konfrontationsstrategie gibt es nach wie vor. Einerseits natürlich von den Challenger-Banken, die ihre Ziele in der Zwischenzeit nicht geändert haben. N26 expandierte in Österreich zuletzt sogar eingeschränkt in die Offline-Welt. Mit “Cash26” können KundInnen nun in Filialen der Drogeriekette DM täglich bis zu 900 Euro Bargeld einzahlen. Denn, so N26 Österreich-Chef Georg Hauer: “Dass man bislang kein Bargeld einzahlen konnte war für manche Kunden der Hauptgrund dafür, dass sie N26 noch nicht als Hauptkonto verwendet haben”.

Auch Etablierte setzen auf Konfrontation

Noch stärker, als Challenger-Banken in Service-Felder der Etablierten eindringen, passiert es jedoch umgekehrt. Voll – und erfolgreich – auf Konfrontation mit FinTech-Startups setzt in Österreich etwa seit Jahren die größte Bank des Landes: Die Erste Group. “Unsere größten Konkurrenten sind N26 und ING”, sagt Erste-Vorstand Peter Bosek. Freilich ein Seitenhieb auf die etablierte Konkurrenz im Inland. Mit dem E-Banking Service George kopiert man viele Features der Challenger-Apps – und bringt in großem Tempo weitere dazu.

Das funktioniert über einen Plattform-Ansatz, der Offenheit für Plugins weiterer Player, etwa auch FinTech-Startups schafft. “Wir haben den Anspruch, der iTunes Store des europäischen Finanzmarktes zu werden”, sagt Bosek dazu großspurig. Doch der bisherige Erfolg gibt ihm Recht. Bereits zu Beginn des Jahres verzeichnete man 1,5 Millionen NutzerInnen alleine in Österreich – mehr als irgendeine Challenger-Bank zu diesem Zeitpunkt europaweit hatte. Und auch George expandiert – zunächst in die Slowakei und nach Tschechien, später in den ganzen CEE-Markt. “Das erste Mal nach vielen Jahren fühlt es sich für mich wieder gut an, eine Bank zu sein”, sagt Bosek.

FinTech-Startups sind da angekommen, wo sie hinwollten

Geht es nun um Angriff oder Kooperation. Ein Befund lässt sich für den Finanzbereich im Jahr 2018 jedenfalls treffen: FinTech-Startups sind voll und ganz da angekommen, wo sie hinwollten. Ob doch noch die eine oder andere etablierte Bank an der Digitalisierung scheitern wird? Ob es der eine oder andere Challenger tatsächlich in die Reihen der ganz großen schafft? Ob irgendein weiterer Player auftritt, den man jetzt noch nicht kennt, der all das über den Haufen wirft? Wir wissen es nicht.

Dieser Beitrag erschien in gedruckter Form im brutkasten Magazin #7 “Die Welt in 5 Jahren”

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Rituale, Rituale der Startup-Welt, Ritual, Howard, Factinsect, Hadia, Storebox, Instahelp, monkee, Dental Armor, Coinpanion
(c) Hello Again/zVg/Hadia/Die Abbilderei/Storebox/schon nice gmbh/Victor Malyshev - (o.v.l.) Franz Tretter von Hello Again, Romana Dorfer von Factinsect, Anna Lauda von Hadia, Bernadette Frech von Instahelp/ Johannes Braith von Storebox, Saad Wohlgennannt von Dental Armor und Martin Granig von monkee.

Dieser Artikel ist im brutkasten-Printmagazin von Dezember 2024 erschienen. Eine Download-Möglichkeit des gesamten Magazins findet sich am Ende dieses Artikels.


Ein Pythonkopf aus Stein ragt aus der Dunkelheit hervor. In Kreisen angeordnete, farbenfrohe Speerspitzen verzieren den kalten Höhlenboden; manche davon stammen aus Hunderte Kilometer entfernten Gegenden. Am Ende der Höhle erstreckt sich ein kleiner, versteckter Raum, der Platz für eine Person bietet; üblicherweise versteckt sich ein Schamane darin und spricht zu seinem Stamm, sodass es scheint, die steinerne Schlange selbst lasse donnernde Worte erklingen.

Diese Verehrung des majestätischen Reptils fand vor rund 70.000 Jahren in der Kalahari-Wüste am Fuße der Tsodilo Hills im heutigen Botswana statt. Dies hat im Jahr 2012 die Archäologin Sheila Coulson herausgearbeitet und, so heißt es, damit das älteste wissenschaftlich belegte Ritual der Welt entdeckt.

Seitdem haben sich Rituale in Gesellschaften im Großen und Kleinen gehalten und weiterentwickelt – von religiösen Gepflogenheiten über politisches Zeremoniell bis hin zu privaten, sich wiederholenden Gewohnheiten sind sie in tausendfacher Weise etabliert. Das Küssen des Balls im Sport, das Aufstehen mit dem „richtigen Fuß“, Salz über die Schulter werfen, auf Holz klopfen, Dinge nicht verschreien, Braut und Bräutigam nicht vor der Hochzeit sehen, zu bestimmten Jahreszeiten fasten, den Jahreswechsel laut feiern oder die zum Ritual gewordene Morgen-Rou­tine wiederholen.

Spiritualität und Ordnung

All dies lässt sich komprimiert und per Definition in zwei Bedeutungen unterteilen: in eine spirituelle Handlung und in ein „wiederholtes, immer gleichbleibendes, regelmäßiges Vorgehen nach einer festgelegten Ordnung“. Exakt diese Ordnung (also die zweite Definition) ist es, die auch manchen Startup-Gründer:innen dabei hilft, den stressigen Joballtag zu bewältigen, Klarheit zu schaffen und Erfolge zu erreichen.

Sohlen und Poster

So zeigt sich etwa Johannes Braith vom österreichischen Scaleup Storebox als großer Anhänger davon, sich klare Ziele zu setzen und diese zu visualisieren.

„Dabei halte ich es für wichtig, einerseits eine große Vision zu definieren und diese in kleinere Meilensteine herunterzubrechen“, sagt er. „Diese verhältnismäßig kleinen Meilensteine sind leichter zu erreichen, greifbarer und man kann entsprechend auch früher Erfolge verbuchen. Das Wichtigste ist, konstant dranzubleiben. Erfolg ist kein Sprint, sondern ein Marathon.“

Das Visualisieren definierter Ziele wurde bereits früh als Ritual bei Storebox eingeführt: Im Office des Logistikunternehmens prangen Vision und Werte als Poster an der Wand und OKRs (Objectives and Key Results) werden in Echtzeit mittels Soll/Ist-Vergleich auf Bildschirmen angezeigt.

Zudem gibt Braith noch eine weitere Besonderheit aus seiner Ritualwelt preis: „Habe ich ein Etappenziel für mich definiert, schreibe ich es mir auf die Sohlen meiner Schuhe“, sagt er. „Das hilft mir, mich daran zu erinnern, dass jeder kleine Schritt zählt.“

Der Knopf des Erfolgs

Franz Tretter, Gründer des Kundenbindungs-Startups Hello Again, nutzt Rituale dazu, um Ziele und Kultur in seinem Team zu verankern. Dazu gehört ein „Global Success Button“, der bei jedem neuen Kunden gedrückt wird, mit anschließender Feier im Büro. Mitarbeiter:innen, die remote arbeiten oder unterwegs sind, werden per Mail oder Smartphone ebenso informiert; „einfach, damit man Bescheid weiß“, sagt Tretter.

Auch etwas namens „Howard 1000“ gehört zum regelmäßigen Ritual des Linzer Teams dazu. Dabei handelt es sich um eine Wand bestehend aus 1.000 Kästchen mit einer besonderen Bedeutung. „Wir haben diese aufgebaut, als wir 120 Kunden hatten. Mit jedem Kunden, den wir gewonnen haben, haben wir ein Logo hinzugefügt und haben nun knapp 900 Kästchen voll“, erklärt Tretter.

Und zu guter Letzt sind bei Hello Again die „Compliment Cards“ ein weiteres internes Ritual: „Wertschätzung ist total wichtig bei uns“, erklärt Tretter. „Wir haben eigene Kärtchen beim Eingang, da schreibt man gelegentlich etwas Nettes drauf und legt es am Abend Kollegen auf den Tisch. Die freuen sich am nächsten Morgen.“

An diesen beiden Beispielen bemerkt man bereits eine kleine Gemeinsamkeit, die zwischen den Zeilen mitschwingt: Wiederkehrendes, etwas Konstantes ist nicht bloß eine Orientierungshilfe für Startup-Gründer:innen, sondern kann als einer von mehreren Bausteinen eines spezifischen Mindsets gesehen werden; eines Mindsets, das von einem ruhigen Leadership-Skill zeugt und deutlich zeigt, dass manchmal das wilde Gefüge in einem selbst sowie auch das Äußere, das sich unter Mitarbeitenden am Arbeitsplatz entwickelt, gepflegt werden muss.

Gemeinschaft fördern

Das weiß auch Anna Maria Lauda von Hadia, einem Wiener Verein, der weibliches Unternehmertum in Afghanistan fördert. Ihr hilft eine tägliche zehnminütige Meditation, den Tag entschleunigt, entspannt und fokussiert zu beginnen.

„Dadurch kann ich klarere Prioritäten setzen und produktiver arbeiten“, sagt sie. „Früher lag mein Schwerpunkt vor allem auf individuellen Praktiken wie dem Selbstmanagement und der strikten Zeitplanung durch To- do-Listen. Doch im Laufe meiner Reise als Gründerin habe ich erkannt, dass Flexibilität und der wertvolle Austausch mit dem Team genauso entscheidend sind. Heute schätze ich Rituale, die nicht nur den persönlichen Fokus stärken, sondern auch das Gemeinschaftsgefühl fördern.“

Daher veranstaltet Lauda wiederkehrende Onlinemeetings mit ihren Weberinnen in Afghanistan. „Regelmäßige Check-ins mit den Frauen sind inspirierend und motivierend. Allzu leicht verliert man in der Hektik des Alltags den Bezug zu den Menschen, für die man arbeitet. Und diese Gespräche erinnern mich daran, was unser gemeinsames Ziel ist und wie viel wir schon erreicht haben“, sagt sie.

Saad Wohlgenannt, Gründer und CEO des Zahn-Startups Dental Armor und der Kryptobörse Coinpanion, hatte im Lauf der Zeit verschiedene Rituale, die er jedoch mittlerweile fast alle ab- gelegt hat; darunter eine wöchentliche „Rückschau“, um zu überlegen, was er besser machen könnte, oder Journaling (Anm.: Blick nach innen mit schriftlicher Aufzeichnung, was in einem vorgeht).

Heute plant er an jedem Geburtstag, was er im kommenden Jahr erreichen möchte. Meistens setzt sich der Founder dabei ein monetäres Ziel für sein Business sowie ein paar persönliche Ziele, wie etwa einen neuen Sport zu erlernen, ein Land zu bereisen oder ein bestimmtes Problem zu lösen.

„Die wichtigsten Rituale, die mir langfristig helfen, meine Ziele zu erreichen, haben meistens den Effekt, mich kurzfristig vom Arbeiten abzuhalten“, sagt er. „Zum Beispiel beginne ich meinen Tag mit ein paar Mobility-Übungen, Liegestützen, Klimmzügen und einer kalten Dusche – erst danach schaue ich in meine E-Mails und starte richtig durch. Ab 20.30 Uhr ist mein Handy auf ‚Nicht stören‘, und dann bin ich nur noch schwer erreichbar.“

Drei und nicht mehr

Romana Dorfer beschäftigt sich mit ihrem Startup Factinsect damit, die Fülle an Fake News im Netz aufzulösen und User:innen gesicherte Informationen zur Verfügung zu stellen. Sie selbst hat sich früher oft viele, unspezifische und große Ziele vorgenommen, die jedoch innerhalb eines Tages kaum zu erreichen waren. Dabei waren Fortschritte nur schwer messbar und am Ende des Tages wurde kein Ziel erledigt, wie sie gesteht. Dadurch ist oft das Gefühl entstanden, wenig erreicht zu haben.

Heute greift sie maximal auf drei Vorhaben pro Tag zurück. „Der Vorteil ist, dass ich fast immer alle Ziele für den Tag erreiche und dadurch meine Motivation steigt. Meistens arbeite ich dann noch an weiteren Themen“, sagt Dorfer.

Bei Martin Granig, Gründer der Spar-App monkee und Vater einer siebenjährigen Tochter, sehen die Morgen oftmals chaotisch aus. Um dem entgegenzuwirken, hat er eine Morgenroutine entwickelt: „Ich stehe meist 30 Minuten früher auf. Das gibt mir die Gelegenheit, mich in Ruhe im Bad fertig zu machen“, sagt er. „Während des Zähneputzens mache ich ein paar Übungen, um den Kreislauf in Schwung zu bringen, bevor ich Frühstück für meine Tochter und Kaffee für meine Frau und mich zubereite. So habe ich noch ein paar ruhige Momente für mich, bevor der Trubel beginnt.“

Am Ende seines Arbeitstags führt der Gründer einen kurzen Check-in durch und klärt für sich, was er heute schaffen möchte, was er tatsächlich geschafft hat und was er noch anpassen muss.

„Das hilft mir, mein Time-Boxing im Kalender zu optimieren, gerade für die Aufgaben, die zwar wichtig sind, aber erst in der Zukunft anstehen“, erklärt er. „Ich habe gelernt, dass es notwendig ist, solche Dinge bewusst zu planen, bevor sie von den dringenden, aber weniger wichtigen Aufgaben verdrängt werden.“

Raus aus der Bubble

Für Granig gibt es zudem noch ein persönliches Highlight der Woche: Freitagabend-Basketball. „Das mag zwar kein typisches Gründer-Ritual sein, aber für mich ist es essenziell. Es hilft mir, Stress abzubauen, den Kopf frei zu bekommen und in einer entspannten Atmosphäre mit Freunden zu lachen. Danach starte ich erfrischt ins Wochenende – und am Montag wieder voller Energie in die neue Woche“, so der Tiroler, der früher oft von „dringenden Dingen“ stark getrieben war, die dazu führten, dass wichtige strategische Aufgaben oftmals zu kurz kamen.

„Man arbeitet in so einem Fall zu viel ‚in the business‘ statt ‚on the business‘“, sagt er. „Heute habe ich meine Timeboxing-Routine deutlich verbessert, damit genau diese wichtigen Dinge nicht untergehen. Früher musste ich auch keine Rücksicht auf Familie und Kind nehmen. Das hat sich natürlich geändert, und ich musste Wege finden, trotz all der Verantwortung auch noch Zeit für mich zu schaffen. Daher meine Morgenroutine und mein Freitagabend-Basketball. Dort geht es einfach nur ums Spielen und um entspannte Gespräche über deutlich unkompliziertere Dinge als Startups, Karriere oder Business. Das tut gut und gibt mir Energie.“

Ankerpunkte fürs Wesentliche

Ähnlich ergeht es Instahelp-Founderin Bernadette Frech. Für die Gründerin des Grazer Health-Startups sind Rituale bewusste Ankerpunkte, um den Fokus auf dem Wesentlichen zu halten – im Beruf wie im Privatleben.

„Eines der wichtigsten Rituale habe ich mit meinen Kindern: Jeden Morgen beginnen wir den Tag mit einer vollen Minute Umarmung, ohne Worte, nur Nähe. Das stärkt unsere Bindung und gibt uns einen liebevollen Start in den Tag“, sagt Frech. „Abends reflektieren wir gemeinsam: Beim Rückenkraulen sprechen wir über Belastendes, bei der kitzligen Fußmassage teilen wir schöne oder lustige Momente und bei der Kopfmassage besprechen wir, wofür wir dankbar sind und was uns gut gelungen ist.“

Ambition vs. Balance

Auch bei ihr haben sich Rituale über die Jahre verändert und sich immer wieder ihren Lebensumständen angepasst. Früher, als berufliche Ambitionen im Vordergrund standen, hatten Frechs Rituale viel mit persönlicher Effizienz und beruflicher Zielerreichung zu tun. Heute, als dreifache Mama und Unternehmerin, haben sich die Prioritäten verschoben.

„Es geht mir jetzt viel stärker darum, eine Balance zwischen Karriere und Familie zu finden, ohne den Fokus auf meine eigene mentale Gesundheit zu verlieren“, erklärt sie. Das Ritual mit ihren Kindern sei ein Beispiel dafür, wie sich Rituale an neue Lebensphasen anpassen.

„Früher hätte ich vielleicht nicht gedacht, dass eine Umarmung am Morgen oder ein Ritual vor dem Schlafengehen so kraftvoll sein könnten. Heute sind es genau diese Momente, die mich erden und mir und meinen Kindern Energie geben“, erzählt sie. „Was sich jedoch nie geändert hat, ist meine wöchentliche psychologische Beratung. Sie ist seit Jahren eine Konstante, die mich sowohl beruflich als auch persönlich auf Kurs hält, auch wenn sich die Themen im Laufe der Zeit wandeln.“

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