27.05.2021

Fiktive Eigenkapitalverzinsung: “löst das Kernproblem nur sehr bedingt”

Nach dem Vorstoß von Finanzminister Gernot Blümel zu einer fiktiven Eigenkapitalverzinsung fallen die Reaktionen sehr unterschiedlich aus.
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Geteilte Meinung zur fiktiven Eigenkapitalverzinsung (vlnr.): Markus Raunig, Lisa Fassl, Kambis Kohansal Vajargah, Karin Doppelbauer, Jan Krainer
Geteilte Meinung zur fiktiven Eigenkapitalverzinsung (vlnr.): Markus Raunig, Lisa Fassl, Kambis Kohansal Vajargah, Karin Doppelbauer, Jan Krainer

Finanzminister Gernot Blümel ließ heute mit einem Vorschlag zur steuerlichen Absetzbarkeit von fiktiven Eigenkapitalzinsen aufhorchen – der brutkasten berichtete. Diese soll Unternehmer dazu motivieren, mehr Eigenkapital aufzubauen, um unabhängiger und krisenfester zu werden, meint der Minister. Die Reaktionen auf den Vorstoß fallen – wie gewohnt – gemischt aus. Im Kern stehen dabei – je nach politischer Ausrichtung – die Fragen, wie stark die Maßnahme überhaupt zum Aufbau von mehr Eigenkapital in heimischen Unternehmen beitragen kann und wie sehr auch kleine Unternehmen von der fiktiven Eigenkapitalverzinsung profitieren können.

“Ende der steuerlichen Diskriminierung”

Verhalten positiv reagieren in einer Aussendung die NEOS. “Das Ende der steuerlichen Diskriminierung von Eigenkapital ist ein guter erster Schritt”, meint NEOS-Budget- und Finanzsprecherin Karin Doppelbauer. Die Maßnahme müsse nun aber möglichst ambitioniert umgesetzt werden sagt die Abgeordnete und bekrittelt das Fehlen “echter, ehrlicher Ambitionen, Eigenkapital zu stärken” bei der Regierung. Außerdem sei jene Maßnahme nur eine von vielen, die zudem sehr langsam wirke und vor allem die aktuell profitablen Unternehmen unterstütze. Die NEOS liefern dazu einen Katalog mit fünf Maßnahmen für mehr Eigenkapital.

Ähnlich äußert sich AustrianStartups CEO Markus Raunig auf Anfrage des brutkasten in konkretem Bezug auf Startups: “Der Vorschlag einer fiktiven Verzinsung macht Sinn und sollte Startups im Falle einer effektiven Umsetzung entlasten. Wenn man das im Finanzressort mit steuerlich attraktiven Mitarbeiterbeteiligungsmodellen, einem Beteiligungsfreibetrag und einem Dachfonds für institutionelle Investoren kombiniert, dann wird das den Standort Österreich massiv stärken”.

“Kein Ersatz, sondern viel mehr eine Ergänzung”

Lisa Fassl, Startup-Beauftragte im Wirtschaftsministerium schlägt zwar auf Anfrage des brutkasten in die selbe Kerbe, wird aber was die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen anbelangt, noch konkreter: “Das ist definitiv eine wichtige Maßnahme, um die Eigenkapital-Kultur in Österreich zu stärken, weil hier viele Unternehmen sehr schwach aufgestellt sind – und das ist problematisch. Die Maßnahme kann auch durchaus relevant für die Startup-Szene sein. Allerdings löst das unser Kernproblem nur sehr bedingt: Nämlich, dass es zu wenig Anreize gibt, in diese Form von Unternehmen überhaupt zu investieren”. Eine fiktive Eigenkapitalverzinsung sei kein Ersatz, sondern viel mehr eine Ergänzung zu Anreizen wie dem Beteiligungsfreibetrag, stellt Fassl klar.

Fiktive Eigenkapitalverzinsung nur für große Unternehmen sinnvoll?

Gänzlich ablehnend zu Blümels Vorstoß äußert sich die SPÖ. Als “umgekehrte Vermögenssteuersteuer” und “Millionärsbonus” bezeichnet Finanzsprecher Jan Krainer die fiktive Eigenkapitalverzinsung in einer Aussendung. Denn für die Zahlungen müssten auch “kleine” Steuerzahler und Sparer aufkommen. Zudem helfe die Maßnahmen nur großen Unternehmen wirklich, meint der Abgeordnete. “So könnte ein Unternehmen mit 2,3 Milliarden Eigenkapital bei der fiktiven Eigenkapitalverzinsung von einem Prozent, dann 23 Millionen Euro davon gewinnmindernd geltend machen. Das Unternehmen hätte eine Steuersubvention von rund sechs Millionen Euro pro Jahr. Für kleine Unternehmen rechnet sich die ÖVP-Idee hingegen kaum. Eine GmbH mit einem Eigenkapital von 50.000 Euro würde unter diesen Bedingungen, also mit einem fiktiven Zinssatz von einem Prozent, eine Steuersubvention von 125 Euro im Jahr bekommen”, rechnet die SPÖ vor.

Dieses Argument entkräftet WKÖ-Head of Startup Services Kambis Kohansal Vajargah in einem Statement gegenüber dem brutkasten zumindest teilweise, denn es sein eine Deckelung vorgesehen. “Die Ergebnisse der EcoAustria Studie berufen sich in ihrem Hauptszenario auf eine Deckelung von einer Millionen Euro, wovon besonders kleinere Unternehmen profitieren. Deswegen ist die Maßnahme sehr wohl für Startups geeignet”, so Kohansal Vajargah. Auch er bekräftigt jedoch weitere Forderungen wie den Beteiligungsfreibetrag und die neue Rechtsform.

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vlnr.: Verena Handler-Kunze. Peter Buchroithner, David Pflügl und Thomas Schranz | (c) Waffle
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Viele haben es versucht und nur die Allerwenigsten haben es geschafft: Ein neues soziales Medium zu etablieren ist wohl so etwas wie die Königsklasse im Startup-Bereich. Und das, obwohl das Lamento über die Riesen am Markt allgegenwärtig ist. Auch Peter Buchroithner, Thomas Schranz, David Pflügl und Verena Handler-Kunze sind mit dem bestehenden Angebot nicht zufrieden. Mit Rakun, das eine App für neurodivergente Menschen betreibt, haben die vier erst dieses Jahr ein neues Startup gegründet, wie brutkasten berichtete. Nun kommt mit Waffle ein weiteres dazu.

Waffle: “Back to the roots der sozialen Medien”

“Bei Waffle geht es sozusagen back to the roots der sozialen Medien. In den letzten Jahren habe ich das Gefühl, dass die Verbindung zu den Menschen, mit denen ich eigentlich Kontakt haben will, bei den gängigen Social-Media-Plattformen verloren gegangen ist. Facebook ist voller Werbung und Memes, auf Instagram sieht man Gelegentlich eine Hochzeit, aber es ist dominiert von Influencern, die dir etwas verkaufen wollen, und auf TikTok sind Leute, die tanzen und dich unterhalten”, sagt Peter Buchroithner im Gespräch mit brutkasten.

Auch auf Messaging-Apps wie WhatsApp und Telegram sei man zusehends mit Werbung konfrontiert und private und berufliche Kontakte würden sich mischen. “Jeder, der irgendwann einmal deine Nummer gehabt hat, kann dir einfach schreiben”, sagt Buchroithner. Das Team habe aber einen Ort schaffen wollen, wo man wirklich nur mit seinen besten Freund:innen kommuniziert.

Kein “Geschwafel” bei Waffle

Beziehungsweise “von ihnen hört”. Denn Waffle setzt auf Voice-Messages. “Man hat nicht immer Zeit, mit seinen Freunden zu telefonieren, aber es ist schön und man fühlt sich mehr verbunden, wenn man ihre Stimme hört. So sind wir auf das Thema Voicenotes gekommen”, sagt Buchroithner. Nicht nur im Namen setzt das Startup beim Social-Media-Trend “Wednesday Waffle” an, bei dem User:innen einer ausgewählten Gruppe an Leuten einmal in der Woche ein Update über sich geben.

(c) Waffle

Wer bei der Kombination aus “Social” und “Audio” also an die ebenso schnell aufgestiegene wie untergegangene “Social-Audio-App” Clubhouse gedacht hat, kann beruhigt sein – das Konzept ist ein völlig anderes. Bei Waffle sind die Voice-Messages auf eine Minute beschränkt und User:innen sind dazu aufgefordert, dazu jeweils ein Bild hochzuladen. Maximal drei dieser Nachrichten können pro Tag gesendet werden, um “Geschwafel” zu verhindern, wie man es aus überlangen WhatsApp-Voice-Messages kennt. Und nach 24 Stunden verschwinden diese wieder von selbst.

Ungefilterte Kommunikation mit Filtern

Doch das ist nicht die einzige bewusste Einschränkung. Wer sich bei der App, die aktuell nur für iOS verfügbar ist, registriert, kann genau acht Kontakte auswählen, um seine Messages mit diesen zu teilen. Weil man auch von anderen Menschen ausgewählt werden kann, kann man dennoch in mehreren solchen Neun-Personen-Kreisen sein. “Es geht darum, nur den Leuten Updates zu geben, denen man wirklich alles erzählen kann. Es geht um ungefilterte Kommunikation”, so Peter Buchroithner.

(c) Waffle

Wobei: Filter sind bei Waffle durchaus geplant, erzählt der Gründer. “So, wie man bei Snapchat Filter über Fotos und Videos legen kann, wird man das bei uns mit dem Ton machen können – also etwa mit Darth-Vader-Stimme sprechen.” Generell wolle man im Thema Voice noch “sehr, sehr vieles dazubauen”.

“Ich denke, das Produkt hat das Potenzial, dass es von 100 Millionen Menschen verwendet wird”

Neben der Produktentwicklung geht es in den kommenden Monaten aber natürlich vor allem auch darum, viele User:innen in die App zu bekommen. Eine Android-Version soll daher bald folgen und die Plattform Product Hunt soll für Aufmerksamkeit sorgen. Firmenseitig befindet sich Waffle gerade als GmbH in Wien in Gründung. “Und wir planen auch eine Investment-Runde”, verrät Buchroithner.

In Sachen Monetarisierung werde man, wie andere soziale Medien, auf Werbung setzen. “Das ist in diesem Fall natürlich ein sehr sensibles Thema. Die Leute werden bei Waffle wohl nicht so tolerant sein wie etwa auf Facebook. Wir werden also mit ausgewählten Marken über eine Zusammenarbeit sprechen”, räumt der Gründer ein. Das sei aber “aktuell nicht wirklich hoch in der Priorität”. Denn zuerst gelte es, viele User:innen zu bekommen. “Ich denke, das Produkt hat das Potenzial, dass es von 100 Millionen Menschen verwendet wird. Und wenn man sowas schafft, dann ist die Monetarisierung nie ein Problem.”

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