21.12.2023

Female Funding: Der große Gap zur Gleichberechtigung

Neun von zehn investierten Euros fließen in rein männliche Gründungsteams und 95 Prozent der Business Angels sind Männer. Drei Gründerinnen erzählen, wie es ihnen mit dem Gender Funding Gap geht.
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Sophie Bolzer von Audvice (c) Audvice | Katharina Herzog von money:care (c) Julia Oberhauser | Anna Greil von uptraded (c) uptraded

Dieser Artikel erschien zuerst in unserem neuen Printmagazin in der Ausgabe Dez/2023. Mehr darüber könnt ihr hier erfahren.

Anzug, Krawatte und frisches Kapital für mein Startup: ein Szenario, das den Gründerinnen Österreichs sehr oft vorenthalten wird. Hierzulande werden Finanzierungsrunden nämlich fast ausschließlich von Männern getragen, und deren frisches Kapital wandert ebenso fast ausschließlich in die Geldbörsen rein männlicher Gründungsteams – ein nachgewiesenes Phänomen mit dem Namen „Female Funding Gap“.

Der Begriff besagt, dass Female Startups, also Jungunternehmen mit rein weiblichen oder diversen Gründungsteams, weniger Investments bekommen als rein männliche. Davon können die Länder der EU, und leider auch Österreich, ein Lied singen: Zwar zählt Österreich im EU-Vergleich die verhältnismäßig meisten Female Startups (39 Prozent laut ASM 2022, S. 10); dennoch ist der österreichische Venture-Capital-Markt männlich dominiert.

„Seit 2010 ist die Zahl der Female Startups in der EU um 64 Prozent gestiegen. Das ist großartig, da auch mehrere Studien zeigen, dass Female Startups einen weit höheren Return on Investment als rein männliche Startups erreichen. Die in unserem Report dokumentierten Performanceunterschiede liegen je nach Entwicklungsphase zwischen 25 und 250 Prozent“, sagt Monique Schlömmer, Head of Operations am WU Entrepreneurship Center. Schlömmer ist Co-Autorin des letzten Female Startup & Investing Reports des WU Gründungszentrums und selbst als Researcher am Institut für Entrepreneurship & Innovation der WU Wien tätig.

Nur jeder neunte investierte Euro geht an ein Female Startup.

Monique Schlömmer, Head of Operations des WU Entrepreneurship Centers
Monique Schlömmer (c) WU Vienna

Die Expertin weiß auch, dass für Female Startups hierzulande wenig Kapital übrig bleibt: „Obwohl die Anzahl der Female Startups in der EU und in Österreich stark ansteigt, gibt es einen Geschlechter Gap, wenn es um den Erwerb von Risikokapital geht. Die Chancen, Venture Capital zu erhalten, sind zwar für Female und Male Startups fast gleich hoch – nämlich 44 und 46 Prozent – dennoch sehen wir im tatsächlich investierten Volumen einen großen Unterschied. Nur jeder neunte investierte Euro geht an ein Female Startup.“

Der Gender Funding Gap ist in den letzten Jahren größer geworden: 2022 flossen nur elf Prozent des EU-weit zur Verfügung stehenden Risikolkapitals in Female Startups; 2010 waren es noch 15 Prozent. Ähnliche Ergebnisse zeigt der Female Startup Funding Index der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY) aus diesem Frühjahr: Fast 90 Prozent des bundesweiten Finanzierungsvolumens gingen in rein männliche Gründungsteams.

Die Männer-Frage

Schlömmer zufolge kann es dafür mehrere Gründe geben. Zwei davon sind der Überschuss an Männern in der VC-Szene und ein unbewusster Gender Bias. Beides äußert sich in heimischen Finanzierungsrunden unter anderem durch geschlechterdiskriminierende Fragestellungen. „Investoren reagieren und fragen anders, je nachdem, ob ein Female Startup oder ein rein männliches Gründungsteam vor ihnen sitzt“, erklärt Schlömmer.

„Es gibt zwei Fragetypen in VC-Runden: promotion-focused und prevention-focused questions. Erstere drücken Interesse und Vertrauen an der geplanten Umsetzung aus. Zweitere, also prevention-focused questions, drängen ihr Gegenüber in eine eher defensive Haltung“, so die Expertin.

Dem jüngsten WU-Report zufolge bekommen rein männliche Gründungsteams eher promotion-focused-Fragen gestellt, während Frauenteams viel eher in defensive Positionen gedrängt werden. „Außerdem sind Investorinnen in Österreich sehr rar gesät“, führt die Expertin weiter aus – ganze 95 Prozent der österreichischen Business Angels sind nämlich Männer; auf EU-Ebene sind es 87 Prozent.

„Hinzu kommt noch der sogenannte Similarity Bias: Gleich und Gleich gesellt sich gern“, sagt Schlömmer. Dieser Bias besagt nichts anderes, als dass Menschen gerne in Menschen investieren, mit denen sie sich identifizieren. Investor:innen stecken ihr Kapital also gerne in jüngere, charakterähnliche Versionen ihrer selbst. Da rund 80 Prozent der EU-weiten VC-Runden von rein männlichen Partnerteams geführt werden, lässt sich die Schlussfolgerung schon erkennen, ohne sie aussprechen zu müssen: Frauen bleibt das Kapital weg.

Drei Gründerinnen erzählen

Wie es drei Gründerinnen mit dieser Situation am Venture-Capital-Markt geht? Sophie Bolzer, Katharina Herzog und Anna Greil berichten von ihren nicht ganz übereinstimmenden Erfahrungen in der Gründungs- und Funding-Phase, klären Gerüchte und reden Klartext über Fragetypen und den Gender Bias unserer Gesellschaft.


Sophie Bolzer von Audvice

Sophie Bolzer, CEO von Audvice
(c) Audvice

Die Salzburgerin Sophie Bolzer hat im August 2018 ihr Startup Audvice gegründet, mit dem sie ein internes Podcasting-Tool für Unternehmen mit dezentralen Teams entwickelt. „Ich komme aus einer Familie, in der Selbstständigkeit ein großes Thema war“, sagt sie. Während des Studiums wurde ihr klar: „Ich will mein eigenes Team leiten. Ich wusste aber: Will ich das als Frau in einem Konzern machen, dauert das ewig. Ich wollte keine Nummer sein und meine Ideen auch wirklich umsetzen – also habe ich mein Startup gegründet.“

brutkasten: Wie war die Funding- und Gründungsphase für dich?

Sophie Bolzer: Um ehrlich zu sein: Das erste Investment zu bekommen ist das Schwierigste. Obwohl der Anfang schwer war, war ich schon in der Pre-Seed-Phase der Meinung: Lieber Smart Money als Geld um jeden Preis.

Meine erste Angel-Investorin war Heike Thiele. Das war damals auch ihr erstes Startup-Investment, und sie meinte zu mir: „Du taugst mir, ich investiere, egal wer noch dabei ist.“ So etwas hatte ich bis dahin noch nicht erlebt.

Alle anderen Angel-Investoren meinten bis dato, sie warten lieber, bis ich noch andere an Bord habe. Heike hat den Bann gebrochen, den Anfang gemacht und nach ihrem Investment haben auch andere Investoren nachgezogen – und auch bei ihnen bin ich mit einem durchwegs respektvollen Umgang konfrontiert worden.

Lieber Smart Money als Geld um jeden Preis.

Sophie Bolzer von Audvice

Der Female Startup & Investing Report der WU sagt: Frauen werden in Gesprächen mit Investoren eher in defensive Positionen gedrängt. Wie stehst du dazu?

Bolzer: Grundsätzlich habe ich eine ähnliche Erfahrung mit Venture-Capital-Unternehmen gemacht: Die ersten Gespräche mit Investmentmanagern oder Analysts laufen ja meist sehr unpersönlich ab; da geht es primär darum, Zahlen, Daten und Fakten abzufragen. Oft hatte ich das Gefühl, dass ich schon eher negativ konnotierte Fragen gestellt bekomme. Das kann aber auch an der Datengetriebenheit der Erstgespräche liegen.

Was mir allerdings in Gesprächen mit Business Angels aufgefallen ist: Männer und Frauen hatten ganz andere Fragestellungen für mich parat. So fragte mich Heike etwa, wie mein soziales Umfeld aussieht – sie wollte also wissen: Bin ich sozial stabil genug, um ein eigenes Unternehmen aufzubauen? Das hat andere Investoren gar nicht interessiert.

Was sind deiner Meinung nach die Ursachen für den Gender Funding Gap?

Bolzer: Ein großer Punkt ist der Gender Bias in unserer Gesellschaft. Im Endeffekt bevorzugen wir das, womit wir uns am ehesten identifizieren, ob bewusst oder unterbewusst. Die Venture-CapitalSzene ist nun mal voll mit Männern, da ist es klar, dass die sich eher mit jungen Gründern als mit Gründerinnen – oder zumindest mit bestimmten Charakterzügen – identifizieren und dementsprechend investieren. Gleichermaßen neigen Frauen dazu, eher in Frauen zu investieren. Leider gibt es weit weniger weibliche als männliche Investoren, weshalb weniger oft in Frauen investiert wird.

Dazu kommt noch, dass es weniger Gründerinnen als Gründer gibt. Ich glaube, ein Grund dafür ist, dass Frauen meistens einfach anders erzogen werden und weit seltener beruflich erfolgreiche und ambitionierte weibliche Role Models haben, mit denen sie sich identifizieren können. Klar kann man versuchen, als Individuum in Kindergarten, Schule und Uni diese Gender-Stereotype aufzubrechen, aber im Endeffekt liegt ein Großteil der Prägung ganz stark im Elternhaus.

Ich habe den Vorteil gehabt, dass meine Mama selbstständig war und eine ganz besondere Vorbildwirkung für mich hatte. Meine Eltern haben mir beide immer das Gefühl gegeben, dass es in dem, was ich erreichen kann, kein Limit gibt. Sie haben mich immer dazu ermutigt, es einfach mal zu probieren.

Inwiefern bist du in deiner Gründungs- und Fundraising-Phase mit Gender Biases konfrontiert worden?

Bolzer: Ich habe Audvice ursprünglich mit einem CoFounder gegründet, ich war CEO und er CTO. Ich erinnere mich an ein Angel-Investor-Gespräch, bei dem klassische CEO-Fragen allerdings immer erst an ihn gerichtet wurden, selbst nachdem die Rollenverteilung klar war. Auch bei Veranstaltungen wurde bei Fragen die Aufmerksamkeit auto matisch zuerst auf ihn gerichtet.

Neben männlichen Co-Foundern muss man als Frau seine Position leider extra betonen und immer wieder erneut klarstellen, dass man „die“ CEO ist, was natürlich oft frustrierend ist. „Frau CEO“ ist offensichtlich noch nicht in den Köpfen der Leute angekommen. Das fängt meiner Meinung nach bereits bei der Kindererziehung an – und hat viel damit zu tun, welche Rollenbilder wir schon früh vermitteln.

Was würdest du ändern, um den aktuellen Female Funding Gap zu schließen?

Bolzer: Ich glaube, wir brauchen weit mehr weibliche Business Angels und weibliche Partnerinnen in Venture-Capital-Funds. Genauso wie Männer dazu tendieren, in Männer zu investieren, neigen Frauen dazu, in Frauen zu investieren. Haben wir mehr Investorinnen, werden wir auch automatisch mehr Investments in frauengeführte Startups sehen.

Auf der anderen Seite brauchen wir mehr Frauen, die sich zutrauen, zu gründen und ein Unternehmen aufzubauen. Zum Gründen braucht es immer Mut, und den sollten wir nicht nur Männern, sondern auch Frauen von klein auf antrainieren.

Hattest du je Zweifel in deiner Fundraising-Phase?

Bolzer: Ich hatte nie das Gefühl, dass ich es nicht kann, weil ich eine Frau bin. Wenn mir etwas nicht gelungen ist, ist mir nie mein Geschlecht als Grund in den Sinn gekommen. Meine ersten Fundraising-Versuche waren definitiv auch nicht erfolgreich.

Meine Erkenntnis daraus war, dass ich besser verstehen muss, wie Investorinnen und Investoren ticken, was sie sich erwarten und wie sie Investment-Entscheidungen treffen. Wenn man das versteht, muss man es nur noch schaffen, sein ganzes Selbstbewusstsein auf Knopfdruck auszupacken, was man definitiv üben kann. Das lege ich jedem und jeder ans Herz, egal ob Mann oder Frau.


Katharina Herzog von money:care

Katharina Herzog von money:care
(c) Julia Oberhauser

Eine weitere Female-Stimme aus der Startup-Szene ist Katharina Herzog. Sie ist CEO und Co-Founderin von money:care, einer KI-gestützten Plattform für nachhaltiges Investieren. Ende Oktober hat die Unternehmerin die Beta-Version ihrer Plattform mit ihren Co-Foundern Timo Nothdurft und Ulrich Penitz gelauncht, die GmbH-Gründung erfolgte bereits im Sommer.

Ihre Startup-Idee verfolgte Katharina mit ihren Kollegen schon länger. „Zusammen zu gründen ist wie eine Eheschließung – das Team muss passen“, sagt die Gründerin mit einem Augenzwinkern, bevor sie von ihrer Gründungsphase erzählt.

brutkasten: Wie war die Funding- und Gründungsphase für dich?

Katharina Herzog: Unsere Anknüpfungspunkte waren Förderungen, Inkubatoren und Acceleratoren. Dort kam ich auch das erste Mal in Kontakt mit Geldgebenden, und dabei hatte ich schon ein bisschen das Gefühl, in einer Bubble zu sein. Wir waren unter anderem beim Social Impact Award und im Impact Hub Vienna; dort waren gefühlt überdurchschnittlich viele gemischte und diverse Gründungsteams. Auch beim Hightech-Inkubator INiTS sucht man jetzt aktiv danach – es war ein Bonus, wenn man als gemischtes Team gegründet hat.

Bist du bei der Gründung oder bei Förderprogrammen mit Gender Biases konfrontiert worden?

Herzog: Das ist schwer zu sagen und immer sehr subjektiv. Wenn wir jetzt an Finanzierungsrunden denken, dann sind da oft einfach drei Dudes auf dem Foto, die Millionen geraist haben. Man weiß aber nie: Was steckt wirklich dahinter?

Ich hatte schon ein paarmal das Gefühl, dass die Tatsache, dass ich eine Frau bin und im Fintech- und Nachhaltigkeitsbereich tätig bin, in Gesprächen mit Investoren mehr Fragen und eventuell auch mehr Zweifel aufwirft. Das kann aber auch am Inhaltlichen liegen, also an dem außergewöhnlichen Geschäftszweck, den wir mit money:care verfolgen.

Das Gründen als Frau ist einfach eine andere Reise als bei Männern – vielleicht auch ein bisschen herausfordernder.

Katharina Herzog, CEO von money:care

Wie waren Gespräche mit Investor:innen für dich als Female Founder?

Herzog: Wir wollen ein Startup sein, das nach gendergerechten Prinzipien lebt, das Frauen an die Spitze bringt. Uns war das allen von Anfang an klar. In Gesprächen mit Investor:innen habe ich dann gemerkt, dass sich ein Bild abzeichnet: Mit männlichen Investoren habe ich eine andere Gesprächsdynamik vernommen als mit Frauen. Das war nicht per se ein Hindernis, aber ein ganz anderes Gefühl.

In Gesprächen mit Investorinnen ging es sehr um uns als Personen, um die Menschen und die Idee, nicht so sehr aber um das Ausfragen. Ich hatte das Gefühl, ich konnte mit weiblichen Investorinnen mehr ich selbst und selbstbewusster sein – und ich habe mich öfter gesehen gefühlt.

Was sind deiner Meinung nach Ursachen für die Gender-Unterschiede im Gründen und Investieren?

Herzog: Ich glaube, ein Riesenfaktor ist dieses “Sich-Identifizieren”. Am Ende des Tages ist das alles ja Vertrauenssache. Da liegt es, wenn es vorwiegend männliche Investoren gibt, auf der Hand, dass diese sich eher mit männlichen Gründungsteams als mit Frauen identifizieren. Wenn zudem noch Erfahrungswerte mit Female Startups fehlen, dann entsteht schnell eine höhere Skepsis auf der Investorenseite.

Andererseits kann das auch an der Art und Weise liegen, wie wir aufgewachsen sind: Männern wurde in unserer Gesellschaft einfach sehr lange eine andere Autorität zugesprochen. Natürlich ist in Startup-Investor:innen-Gesprächen immer ein gewisses Machtgefälle vorhanden. Aber an sich ist es eine Beziehung, die von zwei Seiten ausgeht und zu der beide etwas beitragen – und dadurch, dass nicht viele Frauen Investorinnen sind, ist die Chance viel größer, männlich geprägte Gesprächsdynamiken zu entwickeln.

Welche Tipps gibst du Gründerinnen (to be) mit?

Herzog: Ich rate allen, sich auf jeden Fall eine Möglichkeit zum Austauschen und Vernetzen zu suchen. Wir müssen es schaffen, dass wir Frauen uns gegenseitig noch mehr unterstützen. Das Gründen als Frau ist einfach eine andere Reise als bei Männern, vielleicht sogar ein bisschen herausfordernder. Deshalb: Gehen wir öfter mal auf einen Kaffee und reden über unsere Erfahrungen!


Anna Greil von uptraded

Anna Greil von uptraded (c) uptraded

Anna Greil ist Founderin und CEO des 2020 in Innsbruck gestarteten und in Wien gegründeten Startups uptraded. Mit ihrem Team hat Greil eine digitale Plattform für Kleidertausch entwickelt, die auf das Prinzip Swipe and Match, wie es von Datingplattformen bekannt ist, setzt.

brutkasten: Warum hast du dich dazu entschlossen, ein Startup zu gründen?

Anna Greil: Ich habe uptraded gegründet, weil ich zur Transformation Richtung Kreislaufwirtschaft in der Modeindustrie beitragen wollte. Außerdem wollte ich das Problem, das mit dem klassischen Fast-Fashion-Modell unserer Modeindustrie einhergeht, lösen – oder zumindest einen Beitrag zur Problemlösung leisten. Ich habe uptraded also gegründet, um meine eigene Vision umzusetzen. Ich wollte etwas erschaffen, das wirklich einen Impact hat.

Wie war deine erste Finanzierungsrunde für dich?

Greil: Wir haben im Jänner 2022 mit dem Fundraising gestartet. Zu Beginn war ich sehr optimistisch, dass wir innerhalb kürzester Zeit einen passenden Investor oder eine passende Investorin finden können; nach und nach stellte sich aber heraus: Fundraising ist ein aufregender und zugleich stressiger Vollzeitjob. Man muss Beziehungen aufbauen, und das braucht Zeit. Wir haben sehr viel Ressourcen in die Vorbereitung gesteckt und mussten anfangs sehr viel Überzeugungsarbeit leisten – ich musste lernen, Investor:innen zu verstehen.

Hattest du im Gründungs- und Fundraising-Prozess Zweifel?

Greil: Ich hatte sicherlich jeden Tag Zweifel und Ängste. Ich denke aber, dass es vielen im Gründungsprozess so geht. Wenn ich an mir zweifle, versuche ich, mich an den Purpose, also an den Grund, warum ich uptraded gegründet habe, zu erinnern: Es geht mir darum, die Kreislaufwirtschaft in der Modeindustrie voranzutreiben. Wenn man sich den Purpose ständig ins Gedächtnis ruft, dann übertrifft der Tatendrang die Zweifel.

Wie waren die Gespräche mit Investor:innen für dich?

Greil: Meine Gespräche mit Investor:innen waren großteils konstruktiv und hilfreich. In vielen Gesprächen wurde mir bewusst, wo die größten Schwächen, aber auch die Stärken meines Startups liegen. Andererseits gab es auch Gespräche, die mich eher entmutigt haben. In manchen Fällen habe ich eine sehr konservative Einstellung wahrgenommen; nach dem Motto „Das schaffst du nie“ oder „Du denkst viel zu groß“.

Hast du in Gesprächen mit Investor:innen Gender Biases wahrgenommen?

Greil: In manchen Gesprächen ja, meist in Form von skeptischen Fragen oder Unsicherheiten. Das hat sich grundsätzlich aber in Grenzen gehalten; vielleicht auch deshalb, weil ich in der Fashionbranche – und damit eher in einem klassischen Frauenbereich – tätig bin.

In Investorengesprächen lag der Fokus der kritischen Fragen immer sehr stark auf der Skalierbarkeit unseres Geschäftsmodells, unabhängig vom Geschlecht der fragenden Person. Das kann aber auch daran liegen, dass ich hauptsächlich mit Impact-Investor:innen in Gesprächen war, die sehr gut über Genderungleichheit im Funding- und Startup-Bereich Bescheid wissen und sich auch für mehr Gerechtigkeit diesbezüglich einsetzen.

Laut Female Startups & Investing Report werden Frauen bei Investitionsgesprächen meist in eine defensive Position gedrängt. Wie ist dein Empfinden dazu?

Greil: Bei sehr vielen Pitch-Events habe ich gemerkt, dass mehrere Investor:innen im Publikum kritische Fragen stellten, die mich oft in defensive Positionen gedrängt haben. Da sind mir Gender Biases sowie der Unterschied von „männlichen“ und „weiblichen“ Fragestellungen viel eher aufgefallen. Bei One-on-one-Meetings mit Angels war das eher nicht so.

Was könnten die Ursachen für den Gender Funding Gap sein?

Greil: Grundsätzlich glaube ich, dass es daran liegt, dass wir auch im 21. Jahrhundert noch in einem Patriarchat leben, in dem der Mann in vielen Gesellschaftsbereichen eine höhere Autorität genießt als die Frau. Vorurteile und veraltete Rollenbilder spielen dabei auch eine Rolle. Deshalb bin ich der Meinung, dass es viel mehr Vielfalt in der Funding- und Investor:innen-Branche braucht. Erst, wenn mehr Frauen investieren und der Markt diverser wird, kann sich etwas ändern.

Welche Tipps würdest du Gründerinnen (to be) mit geben?

Greil: Ein starker Purpose ist fundamental – nur so könnt ihr den Startup-Rollercoaster überstehen. Außerdem: Das richtige Team ist key!


“Frauen gehören vor den Vorhang, weil sie großartige Dinge bewegen.”

Die Gespräche mit drei ausgewählten Gründerinnen zeigen durchaus unterschiedliche Gründungs- und Fundraising-Erfahrungen. Dennoch sind sich die drei Female Founders in einer Sache einig: Es braucht mehr Frauen in der Gründungs- und Funding-Szene.

Erfahrungs- und Umfragewerte zeigen, dass genderdiverse Teams deutlich höher performen als nicht diverse Teams, bestätigt Monique Schlömmer vom WU Entrepreneurship Center: „Verschiedene Talente führen besser zum Ziel. Es gilt, Vielfalt und Unterschiede – sowohl in Bezug auf Kultur und Ausbildung als auch in Bezug auf das Geschlecht – wertzuschätzen und positiv zu nutzen. Dadurch entstehen spannende Projekte, die die Chancengleichheit und unser Ökosystem nachhaltig wachsen lassen.“

Schlömmer meint weiter: „Wir brauchen mehr Diversität auf Investor:innenseite und mehr Role Models vor dem Vorhang. Es passiert in dieser Hinsicht zwar schon viel, das volle Maß haben wir aber noch nicht ausgeschöpft. Female Startups gehören nicht nur vor den Vorhang, weil Frauen dahinter stehen, sondern weil sie wirklich großartige Dinge bewegen.“

Schlömmer fordert im selben Atemzug das Aufbrechen klassischer Rollenbilder und appelliert an ein ganzheitliches Umdenken: „Am Ende des Tages ist es wichtig, Rahmenbedingungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik zu schaffen, sodass jede Person für sich frei entscheiden kann, wie sie ihr Leben gestalten will, ohne durch ihr Geschlecht benachteiligt oder bevorzugt zu sein.“

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Rechtsanwalt Christian Nordberg | (c) Nordberg

Mitten in der österreichischen Startup-Szene sorgte das Quantencomputing-Unternehmen ParityQC im April diesen Jahres für Aufsehen: Das Unternehmen rund um Wolfgang Lechner und Magdalena Hauser sicherte sich ein Investment der B&C Innovation Investments GmbH, die mit einem nicht genannten Betrag beim Spin-off einstieg. Laut einer Aussendung der Uni Innsbruck und der Österreichische Akademie der Wissenschaften erreichte ParityQC eine Bewertung vergleichbar mit US-börsennotierten Quantenunternehmen. Diese Bewertungen bewegten sich zum damaligen Zeitpunkt meist im niedrigen neunstelligen Bereich. (brutkasten berichtete).

Aber wie läuft ein solcher Deal ab, insbesondere wenn es um hochsensible Technologien wie Quantencomputing geht? brutkasten hatte die Gelegenheit, mit Christian Nordberg, dem Rechtsanwalt, der die Transaktion rechtlich begleitet hat, zu sprechen. Nordberg liefert Einblicke in die Dynamik einer solchen Finanzierung, die Rolle der IP-Rechte und die rechtlichen Rahmenbedingungen. Zudem liefert Nordberg auch Tipps für Startups, die sich in einer Finanzierungsrunde befinden.

Die Ausgangslage im Fall von ParityQC

Das 2019 gegründete Unternehmen ParityQC hat sich in kürzester Zeit einen Namen in der internationalen Quantencomputing-Szene gemacht. Die Gründer Wolfgang Lechner und Magdalena Hauser entwickelten ein einzigartiges Architekturmodell für Quantencomputer, das speziell auf Optimierungsprobleme ausgerichtet ist. Diese Technologie ist in der Lage, komplexe Probleme schneller und effizienter zu lösen als herkömmliche Systeme – ein entscheidender Vorteil in Bereichen wie Logistik, Energienetzwerken und Finanzmärkten.

Anders als viele Startups, die oft Jahre brauchen, um profitabel zu werden, hatte ParityQC in der Phase der Finanzierungsrunde bereits eine starke finanzielle Basis. Dank renommierten Kunden wie NEC ist das Unternehmen nach eigenen Angaben seit 2023 profitabel – eine Seltenheit in der Quantenbranche (brutkasten berichtete).

“Ein Unternehmen wie ParityQC, das bereits operativ erfolgreich ist, hat natürlich eine viel bessere Verhandlungsposition gegenüber Investoren als ein Startup in der Frühphase, das dringend Kapital benötigt,“ erklärt Nordberg. Die Profitabilität und die bereits bestehende Kundenbasis gaben dem Unternehmen eine gewisse Unabhängigkeit und Verhandlungsmacht.

Die Bedeutung von IP-Rechten

In der hochspezialisierten Welt des Quantencomputings kommen rechtliche Herausforderungen, wie die Bewertung und Absicherung geistigen Eigentums, besonders stark zum Tragen. Bei einer Due-Diligence-Prüfung wird das gesamte Unternehmen auf Herz und Nieren geprüft – von den finanziellen Aspekten über das Geschäftsmodell bis hin zu den IP-Rechten.

Nordberg erklärt: „Für den Investor steht die Frage im Vordergrund, wie gut die einzigartigen Technologien von ParityQC rechtlich geschützt und risikominimiert werden können.“ IP-Rechte, insbesondere bei einer technologischen Innovation, die wie bei ParityQC eine Zukunftsbranche vorantreibt, sind ein entscheidender Faktor, um das Investment langfristig abzusichern.

In diesem Fall wurde ein technischer Berater hinzugezogen, der die Patente und Technologien im Detail analysierte. Neben dem rechtlichen Schutz ist es hier wichtig, dass der Inhalt und die Funktionsweise der Technologie verstanden werden. “Bei Quantencomputing war das auch für uns als Kanzlei eine besondere Herausforderung, da es sich um hochkomplexe technologische Entwicklungen handelt”, so Nordberg.

Weit mehr als reine Paragraphen

Die Rechtsberatung spielte in der Verhandlungsphase von ParityQC eine zentrale Rolle. Neben der Prüfung der rechtlichen Aspekte war es für Nordberg und sein Team essenziell, das Unternehmen durch die Verhandlungen zu begleiten und strategisch zu beraten. Der Unterschied zu größeren Unternehmen besteht oft darin, dass Startups keine eigenen Rechtsabteilungen oder Corporate-Strukturen besitzen. “Bei ParityQC war das zwar nicht der Fall, Startups in der Frühphase benötigen allerdings oft nicht nur rechtliche, sondern auch strukturelle Unterstützung, um den Anforderungen von Investoren gerecht zu werden“, betont Nordberg.

Die Anforderung an den Rechtsberater ist nicht nur eine klassische Rechtsberatung zu liefern, sondern auch ein Verständnis für unternehmerische Abläufe mitzubringen. “Wenn Startups Unterstützung bei Verhandlungen benötigen, dann geht es häufig auch darum, die Verhandlungsposition zu stärken und sicherzustellen, dass das Startup langfristig von der Partnerschaft mit dem Investor profitiert,“ erklärt Nordberg.

Ein zusätzlicher, oft unterschätzter Aspekt sind dabei die vertraglichen Feinheiten, die sich aus der Investmentrunde ergeben. Hierzu zählt etwa der Gesellschaftsvertrag, der neu aufgesetzt wird, um Investoren Mitsprache- und Vetorechte einzuräumen, ohne dabei die Gründungsgesellschaften in ihrer zukünftigen Geschäftsentwicklung zu stark einzuschränken.

Tipps für Startups in Finanzierungsphasen

Nordberg gibt zudem auch Ratschläge für Startups, die sich in einer Finanzierungsphase befinden. „Investoren wollen sehen, dass ein Startup eine gewisse Struktur aufweist, da dies Vertrauen schafft“, betont er. Dabei gehe es keinesfalls darum, die Atmosphäre eines Konzerns zu simulieren, sondern vielmehr darum, grundlegende Prozesse und Abläufe klar zu definieren. “Wenn ein Startup strukturiert auftritt und den genauen Finanzierungsbedarf kennt, zeigt das den Investoren, dass sie es mit einer professionellen Organisation zu tun haben,“ so Nordberg.

Ein weiterer Tipp des erfahrenen Anwalts betrifft die Wahl des Investors. Hier sollten Gründer:innen darauf achten, dass der Investor zur Unternehmenskultur und den Zielen passt. Neben dem finanziellen Beitrag sind es oft die Netzwerke, Branchenkenntnisse und die Unterstützung bei der Weiterentwicklung des Produkts oder der Dienstleistung, die ein Investor bieten kann. “Ein Startup sollte sich gut überlegen, ob der Investor lediglich Kapital bereitstellt oder auch strategischen Mehrwert bringt,“ erklärt Nordberg.

Arbeit mit Startups erfordert Dynamik und Flexibität

Nordberg teilt zudem auch seine persönlichen Learnings. Für Rechtsanwälte, die sich mit Startup-Beratung beschäftigen, bringt diese Arbeit eine besondere Dynamik und Flexibilität mit sich. Die oft noch jungen Gründer:innen sind stark auf die Entwicklung ihrer Produkte und Ideen fokussiert, und Rechtsberatung muss daher effizient und verständlich sein. „Die Gründer haben selten die Zeit und Kapazität, sich in komplexe juristische Details einzuarbeiten. Da ist es unsere Aufgabe, sie praxisnah und lösungsorientiert zu unterstützen,“ sagt Nordberg.

Abschließend betont Nordberg, dass es für die österreichische Gründerszene ein positives Signal sei, dass ein so komplexes Thema wie Quantencomputing in Österreich erfolgreich im Zuge einer Eigenkapitalrunde finanziert werden konnte. Der Anwalt ist überzeugt, dass derartige Deals dazu beitragen, den Innovationsstandort Österreich zu stärken. Mit seiner Kanzlei sieht er sich gut aufgestellt, um weiteren Startups den Weg durch die komplexe Welt der Investorengespräche zu ebnen – eine Rolle, die in einer wachsenden Startup-Landschaft immer wichtiger wird.


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