23.12.2021

“Vom Startup meines Sohnes würde ich schon Aktien kaufen”

Der eine ist Banker, war Österreich-Chef der Deutschen Bank und leitet nun das Privatkundengeschäft bei der deutschen Privatbank Quirin; der andere ist einer der erfolgreichsten Startup-Unternehmer Österreichs, der mit dem Edu-Tech GoStudent ein Unternehmen hochgezogen hat, das von Investoren mittlerweile mit 1,4 Milliarden Euro bewertet wird. Und sie sind Vater und Sohn: Christian und Felix Ohswald.
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Felix und Christian Ohswald
Felix und Christian Ohswald | Foto: brutkasten

brutkasten: Startup-Unternehmer und Banker – das klingt nach einem Gegensatz. Ist das tatsächlich so oder gibt es auch Gemeinsamkeiten?

Christian Ohswald: Die DNA ist grundverschieden. Bei Startup-Unternehmen geht es darum, Dinge auszuprobieren, Fehler zu machen und diese schnell zu korrigieren. Sie sind 100 Prozent auf den Kunden ausgerichtet und nehmen hohes Risiko. Banken dagegen sind von ihrer Ausrichtung her Risikovermeider, weil sie mit dem Geld ihrer Kunden arbeiten. Die Finanzbranche war immer eine Erfolgsgeschichte.

Aber durch diesen Erfolg ging die Ausrichtung auf den Kunden manchmal etwas verloren. Es wurden Produkte gebaut, die niemand braucht oder versteht. So kam es zur Finanzkrise, die aber gleichzeitig auch eine Chance für Neues war. So sind beispielsweise Neobanken und Neobroker entstanden. Hier haben wir wieder eine Nähe zum Startup-System. Auch, wenn die klassischen Banken nicht so dynamisch erscheinen: Die Ausrichtung auf den Kunden und das schnelle Reagieren auf Veränderungen in der Umwelt verbindet Felix und mich.

Felix, was können Banken von Startups lernen, und was Startups von Banken?

Felix Ohswald: Neue Finanzdienstleister arbeiten extrem kundenorientiert. Das zeichnet viele digitale Geschäftsmodelle aus, da kann man sich einiges abschauen. Auf der anderen Seite sind Startups auf Banken angewiesen, wenn sie größer werden – etwa wenn es um Finanzierungen von Akquisitionen geht oder um einen Börsengang. Startups die der Frühphase entwachsen, können von der Finanzbranche einiges lernen, was das Grundgerüst angeht, das man braucht, um als große Firma erfolgreich zu sein.

Hat es dich geprägt, als Sohn eines Bankers aufzuwachsen?

Felix Ohswald: Ja, das hat eine große Rolle gespielt. Banken beschäftigen sich mit dem Thema Geldanlage, und das ist mir als Kind schwergefallen – ich habe immer gleich das gesamte Taschengeld ausgegeben. Außerdem ist Risiko ein zentrales Thema für Banken. Wenn man wie mein Vater seit Jahren bei Banken arbeitet, entwickelt man eine gewisse Zurückhaltung, was Risiko angeht. Bei mir hat das aber auf die andere Seite ausgeschlagen: Ich wurde extrem risikofreudig. Wenn es darum geht, ganz neue Ideen zum Leben zu erwecken, ist das auch etwas, das einen auszeichnet. Für mich war schon früh klar, dass ich Dinge neu denken und mir neue Geschäftsmodelle überlegen will. Ich habe auch vor GoStudent schon mehrere Projekte ausprobiert, und bei GoStudent hat es dann sehr gut funktioniert.

Im Studium hast du dich auf den Bereich Finanzmathematik spezialisiert. Wäre ein Job in der Finanzbranche, wie ihn dein Vater macht, für dich auch denkbar gewesen?

Felix Ohswald: Ich finde den Bereich Finanzmathematik bis heute extrem spannend, weil er sich mit der Frage auseinandersetzt, wie man Risiko minimieren oder besser bewerten kann. Es gab schon auch die Überlegung, in der Branche den einen oder anderen Job auszuprobieren, aber der Drang, eine eigene Idee zu verwirklichen, war dann größer.

War dieser Antrieb dann auch ausschlaggebend dafür, eine unternehmerische Karriere einzuschlagen?

Felix Ohswald: Ja, es ist einfach diese extreme Neugierde und Begeisterung, Dinge neu zu denken, den Status quo herauszufordern und sich immer wieder die Frage zu stel­ len, warum wir etwas so machen müssen, wie wir es immer gemacht haben, wenn man es doch besser machen könnte. Wenn man sich anschaut, wie bestimmte Dienstleistungen funktionieren, ist man konstant unzufrieden damit – die einzige Art und Weise, das zu lösen, ist, dass man sie selbst neu baut.

Christian Ohswald: Man kommt nicht auf die Welt und sagt: Ich werde jetzt Unternehmer. Aber was Felix aus­ zeichnet, ist seine ausgeprägte Neugierde und auch die Disziplin, Dingen auf den Grund gehen zu wollen. Wer das in sich hat, erkennt auch um eine Spur früher Problem­ stellungen, Zusammenhänge und auch Lösungen. Felix wollte immer schon Dingen auf den Grund gehen – sei es beim Pokémon­-Spiel auf dem Gameboy mit sechs Jahren, in der Mathematik oder beim Schach. Ich glaube, das ist eine Fähigkeit, die einen Unternehmer erfolgreich macht.

Wie hast du reagiert, als dir Felix gesagt hat, dass er ein Startup gründen will?

Christian Ohswald: Tatsächlich fühlt es sich immer noch unwirklich an, dass ich hier in einem riesigen Büro sitze, Felix rund 1.000 Mitarbeiter hat und sich das so entwickelt hat. Als Felix mit seinem Bruder Moritz im Wohnzimmer an­ gefangen hat, über Nachhilfe zu sinnieren, haben wir nicht an Startups oder Millioneninvestments gedacht.

Aber es hat sich nach einem spannenden Projekt mit einer konkreten Problemstellung angehört, die wir alle für sehr plausibel gehalten haben. Ideen haben viele, aber auf die Umsetzung kommt es an. Ich habe Felix tief vertraut, dass er wirklich ein Problem damit löst – ohne annähernd zu erahnen, was für eine unglaubliche Dynamik das annehmen wird.

Du hast einmal gesagt, Österreich sei ein gutes Land, um ein Unternehmen zu gründen. Aber bekommt die junge Generation unternehmerisches Denken ausreichend vermittelt?

Felix Ohswald: In der Schule ist es sicher nicht im Lehrplan verankert. Ausnahmen bestätigen die Regel; es gibt sicher auch Lehrkräfte, die Schülern inspirierend zeigen können, welche tollen Unternehmen es in Österreich gibt. Aber je mehr Erfolgsgeschichten wir auch bei jungen Digital­unternehmen schreiben werden, desto stärker wird das auch in der Gesellschaft und bei jungen Menschen ver­ankert. Vor zehn Jahren war es für viele Menschen in etab­lierten Unternehmen noch unvorstellbar, zu einem Startup zu wechseln. Heutzutage haben viele junge digitale Player signifikante Größen erreicht, stellen Hunderte Arbeitsplätze zur Verfügung – und plötzlich ist das extrem attraktiv.

Christian Ohswald: In unserer Gesellschaft wird das klassi­ sche Unternehmertum und das Interesse am Kapitalmarkt in der Schule leider zu wenig vermittelt und ist oft eher negativ behaftet. Ich war viele Jahre im Firmenkunden­ geschäft und habe beobachten können, welche Leiden­ schaft und wie viel harte Arbeit, aber auch wie viel Un­ sicherheit dahintersteckt. Deshalb konnte ich für Felix hier auch ein Sparringspartner sein und habe mit ihm Chancen und Risiken diskutieren können – immer mit positivem Denken.

Insbesondere seit dem vergangenen Jahr ist das Interesse an Geldanlagethemen gestiegen, gerade auch bei jungen Menschen. Laut einer Umfrage der Erste Bank und Sparkassen ist der Anteil der 15- bis 29-Jährigen, die Wertpapiere besitzen, von 23 Prozent im Jahr 2019 auf 31 Prozent im Jahr 2020 gestiegen. Bewegt sich da etwas?

Christian und Felix Ohswald | Foto: brutkasten

Christian Ohswald: Im kollektiven Denken der Bevölkerung setzt sich langsam durch, dass Lebensversicherungen, Bausparverträge oder Sparbücher nicht die perfekten Geld­ anlageformen sind, um langfristig Kapital zu sichern oder sogar aufzubauen. Aktuell tut sich was bei Aktien und auch im Kryptobereich

Aber da braucht es eine gewisse Differenzierung. Der 21-Jährige, der heute auf Trade Republic oder Bitpanda gambelt, hat wahrscheinlich nicht die Pensionsversicherung im Kopf, sondern den Traum vom schnellen Geld. Ich war ja selbst so in jungen Jahren. Da ist wohl eher das Spielerische im Vordergrund, das diese Plattformen sehr gut bedienen. Aber ein positiver Zugang zum Kapitalmarkt ist jedenfalls besser als ein Verweigern, ein Ablehnen – oder Angst davor zu haben.

Felix Ohswald: Ich habe schon das Gefühl, dass es bei den Jungen mehr und mehr wird, weil der Zugang einfacher wird. Wie intensiv sich die Leute damit tatsächlich aus- einandersetzen, kann ich schwer beurteilen. Ich glaube, man möchte häufig dabei sein, um auch sagen zu können, dass man sich jetzt online dieses oder jenes Produkt gekauft hat. Aber es ist ja auch sinnvoll, zu diversifizieren und nicht beispielsweise alles in Cash zu Hause zu haben.

In der Startup-Szene sehe ich auch, dass viele, die Unternehmen gegründet haben oder unter den ersten Mitarbeitern waren und damit sehr gut verdient haben, in andere junge Unternehmen investieren wollen. Das gab es vor 15 Jahren noch nicht. Da war in Österreich ein Hansi Hansmann einer der wenigen, die das gemacht haben. Auf diese Weise sind auch Startup-Ökosysteme wie Berlin, London oder Paris entstanden. Mein Mitgründer und ich haben uns jetzt auch an zwei Firmen im Bildungsbereich beteiligt. Das ist noch nicht öffentlich, aber das ist etwas, womit man starke Gründerteams unterstützen kann.

Abgesehen von Startup-Investments – was ist dein persönlicher Ansatz bei der Geldanlage?

Felix Ohswald: Ich denke so über das Thema: Man hat einen Teil in klassischen Fondsprodukten wie etwa Exchange Traded Funds (ETFs, Anm. der Red.), weil das langfristig eine sehr stabile und renditefreundliche Anlageform ist. Immobilien sind ebenfalls etwas, das langfristig gedacht ist. Und neben spannenden Firmen, in die man investiert, kann man durchaus auch einen Teil in ausgefallenere Sachen stecken – das kann auch ein NFT-Stein sein (mit Non-Fungible Token verknüpfte digitale Bilder von Steinen, sogenannte EtherRocks, wurden diesen Sommer zu gefragten Anlageobjekten, Anm.). Auch bei Kryptowährungen gibt es interessante Projekte, die man sich anschauen kann. Aber am wichtigsten ist Diversifizierung.

Christian, du hast bereits erzählt, dass du in jungen Jahren durchaus auch spekulativ an der Börse unterwegs warst. Wie legst du heute an?

Christian Ohswald: Bei der Quirin Privatbank ist unser Geschäftsmodell darauf ausgerichtet, in den gesamten Markt zu investieren, unabhängig vom Timing. Der Markt hat am Ende immer recht und das Herausselektieren einzelner Werte ist oft extrem schwierig und braucht mehr Glück als Verstand. Daher ist es sicher eine intelligente Form der Geldanlage, über ETFs in den Markt zu investieren. Aber Menschen müssen sich mit ihrer Geldanlage auch wohlfühlen – und manche fühlen sich nur mit Bausparvertrag und Sparbuch wohl. Für mich selbst war aber ein Investment mit Abstand das beste: Zeit, Geld, Liebe und Nachsicht in die Jugend zu investieren. Das hat die meiste Rendite gebracht. Vom Spekulanten, der ich als 23-jähriger Student war, bin ich jetzt weit entfernt. Aber wenn GoStudent an die Börse ginge, würde ich schon Aktien kaufen.

Hat es die Generation von Felix deiner Wahrnehmung nach heute schwerer, als du es in deiner Jugend hattest?

Christian Ohswald: Ich bin in einer begünstigten Zeitperiode groß geworden – da konnte man mit mittelmäßigen Noten jedes Studium ansteuern. Es gab weniger Ablenkung, was rückblickend kein Nachteil war. Und man hatte die Überzeugung in sich, dass die nächste Generation die Welt wieder um eine Spur besser machen würde. Einerseits hat der Leistungsdruck zugenommen, andererseits auch der Grad der Ablenkung, etwa über soziale Medien. Daher ist es heute ganz besonders wichtig, sich fokussieren zu können. Das ist beispielsweise etwas, das Felix auszeichnet.

Felix, GoStudent hat eine junge Zielgruppe. Wie nimmst du das Thema Leistungsdruck wahr?

Felix Ohswald: Der Leistungsdruck hat zugenommen, weil wir in einer globalisierten Welt leben. In der Vergangenheit hat alles lokal in einem Land stattgefunden, etwa die Mitarbeiterrekrutierung, heutzutage kannst du global rekrutieren. Alleine dadurch, dass du einen globalen Pool von Talenten zur Verfügung hast, entsteht ein höherer Wettbewerb. Das verursacht bei vielen jungen Menschen auch Druck.

Auf der anderen Seite muss man umso fokussierter sein und Rückschläge wegstecken. Wenn es zwei-, dreimal nicht funktioniert hat, musst du es eben vier-, fünfmal ausprobieren, und dann wirst du auch belohnt.

Ein Thema, das manchmal auch als Generationenkonflikt interpretiert wird, ist der Klimawandel. Wie blickt ihr darauf?

Christian Ohswald: Es ist ein hohes Maß an Verantwortung, das wir für die Gesellschaft haben. Es liegt aber auch in der Natur des Bankers, dass wir zu jenen gehören, die selten aufgeregt sind. Ich traue mir nicht zu, zu sagen, dass wir in sechs Monaten ein gesamtes Gesellschaftsverhalten verändern können oder dass jetzt schon bestehende Technologien wie Elektroautos die perfekte Lösung für das Problem des Klimawandels sind. Aber verantwortungsvoll mit den Ressourcen umzugehen ist natürlich für jeden vernünftigen Menschen eine Vorgabe.

Felix Ohswald: Meine Generation kann sich glücklich schätzen, in dieser Zeit geboren zu sein. Wir sollten auch der Generation davor dafür dankbar sein, was aufgebaut wurde. Das ist nicht selbstverständlich, wenn man in der Geschichte zurückblickt. Wir verfügen über gute medizinische Versorgung, über eine sehr gute Infrastruktur in der Stadt, gute Mobilität und gute Zugänge zu Bildung.

Jetzt ist es aber auch in der Verantwortung der jungen Generation, dafür zu sorgen, noch innovativer zu sein und die Dinge noch nachhaltiger zu gestalten. Man hat auch bei der Entwicklung der Covid-19-Impfstoffe gesehen, wie schnell starke Innovation entstehen kann, wenn die Welt globalisiert an einem Projekt zusammenarbeitet. Wir brauchen einen stärkeren globalen Zusammenhalt, um die vielen großen Fragestellungen beantworten zu können.

Unternehmen wie GoStudent haben dazu beigetragen, zu verändern, wie die heutige junge Generation lernt. Wie aber wird die nächste Generation lernen?

Felix Ohswald: Das Prinzip des Lernens ist immer Inspiration. Wenn ich als Kind auf die Welt komme, habe ich meine Eltern als Inspirationsquellen. Alles, was die machen, schaue ich mir als Kind ab: Wenn die Erwachsenen gehen, möchte ich auch auf zwei Beinen stehen; mit der Sprache ist es ähnlich. Dieses Grundprinzip wird auch in Zukunft gleich sein, aber die Quellen, woher ich mir die Inspiration hole, werden andere sein. In zehn Jahren werden Kinder über Virtual Reality Zugang zu Lehrkräften auf der ganzen Welt bekommen, was heute unvorstellbar ist. Schulunterricht in einer Gemeinschaft wird als Grundprinzip bestehen bleiben. Aber was unterrichtet wird, wie unterrichtet wird, von wem unterrichtet wird – da wird in den nächsten Jahrzehnten viel Innovation stattfinden. Und mit GoStudent werden wir da an vorderster Front dabei sein.

Christian Ohswald ist seit 2019 Leiter des Privatkundengeschäfts bei der deutschen Privatbank Quirin. Zuvor war er seit 2015 Vorstandsvorsitzender und Leiter des Wealth Managements für die Deut- sche Bank Österreich. Davor hatte er verschiedene Positionen in der Raiffeisen-Gruppe inne.

Felix Ohswald hat GoStudent 2016 gemeinsam mit Gregor Müller gegründet und führt das Unterneh- men weiterhin als CEO. Im Juni wurde das Wiener Edu-Tech in einer 205 Mio. Euro schweren Finan- zierungsrunde mit 1,4 Mrd. Euro bewertet; es ist damit nach Bitpanda das zweite Unicorn Österreichs. Der 1995 geborene Gründer hatte bereits mit 14 ein Mathematikstudium an der Universität Wien be- gonnen und dieses 2013 abgeschlossen.

Dieser Beitrag erschien in gedruckter Form im brutkasten-Magazin #13 „Generations“.

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Rechtsanwalt Christian Nordberg | (c) Nordberg

Mitten in der österreichischen Startup-Szene sorgte das Quantencomputing-Unternehmen ParityQC im April diesen Jahres für Aufsehen: Das Unternehmen rund um Wolfgang Lechner und Magdalena Hauser sicherte sich ein Investment der B&C Innovation Investments GmbH, die mit einem nicht genannten Betrag beim Spin-off einstieg. Laut einer Aussendung der Uni Innsbruck und der Österreichische Akademie der Wissenschaften erreichte ParityQC eine Bewertung vergleichbar mit US-börsennotierten Quantenunternehmen. Diese Bewertungen bewegten sich zum damaligen Zeitpunkt meist im niedrigen neunstelligen Bereich. (brutkasten berichtete).

Aber wie läuft ein solcher Deal ab, insbesondere wenn es um hochsensible Technologien wie Quantencomputing geht? brutkasten hatte die Gelegenheit, mit Christian Nordberg, dem Rechtsanwalt, der die Transaktion rechtlich begleitet hat, zu sprechen. Nordberg liefert Einblicke in die Dynamik einer solchen Finanzierung, die Rolle der IP-Rechte und die rechtlichen Rahmenbedingungen. Zudem liefert Nordberg auch Tipps für Startups, die sich in einer Finanzierungsrunde befinden.

Die Ausgangslage im Fall von ParityQC

Das 2019 gegründete Unternehmen ParityQC hat sich in kürzester Zeit einen Namen in der internationalen Quantencomputing-Szene gemacht. Die Gründer Wolfgang Lechner und Magdalena Hauser entwickelten ein einzigartiges Architekturmodell für Quantencomputer, das speziell auf Optimierungsprobleme ausgerichtet ist. Diese Technologie ist in der Lage, komplexe Probleme schneller und effizienter zu lösen als herkömmliche Systeme – ein entscheidender Vorteil in Bereichen wie Logistik, Energienetzwerken und Finanzmärkten.

Anders als viele Startups, die oft Jahre brauchen, um profitabel zu werden, hatte ParityQC in der Phase der Finanzierungsrunde bereits eine starke finanzielle Basis. Dank renommierten Kunden wie NEC ist das Unternehmen nach eigenen Angaben seit 2023 profitabel – eine Seltenheit in der Quantenbranche (brutkasten berichtete).

“Ein Unternehmen wie ParityQC, das bereits operativ erfolgreich ist, hat natürlich eine viel bessere Verhandlungsposition gegenüber Investoren als ein Startup in der Frühphase, das dringend Kapital benötigt,“ erklärt Nordberg. Die Profitabilität und die bereits bestehende Kundenbasis gaben dem Unternehmen eine gewisse Unabhängigkeit und Verhandlungsmacht.

Die Bedeutung von IP-Rechten

In der hochspezialisierten Welt des Quantencomputings kommen rechtliche Herausforderungen, wie die Bewertung und Absicherung geistigen Eigentums, besonders stark zum Tragen. Bei einer Due-Diligence-Prüfung wird das gesamte Unternehmen auf Herz und Nieren geprüft – von den finanziellen Aspekten über das Geschäftsmodell bis hin zu den IP-Rechten.

Nordberg erklärt: „Für den Investor steht die Frage im Vordergrund, wie gut die einzigartigen Technologien von ParityQC rechtlich geschützt und risikominimiert werden können.“ IP-Rechte, insbesondere bei einer technologischen Innovation, die wie bei ParityQC eine Zukunftsbranche vorantreibt, sind ein entscheidender Faktor, um das Investment langfristig abzusichern.

In diesem Fall wurde ein technischer Berater hinzugezogen, der die Patente und Technologien im Detail analysierte. Neben dem rechtlichen Schutz ist es hier wichtig, dass der Inhalt und die Funktionsweise der Technologie verstanden werden. “Bei Quantencomputing war das auch für uns als Kanzlei eine besondere Herausforderung, da es sich um hochkomplexe technologische Entwicklungen handelt”, so Nordberg.

Weit mehr als reine Paragraphen

Die Rechtsberatung spielte in der Verhandlungsphase von ParityQC eine zentrale Rolle. Neben der Prüfung der rechtlichen Aspekte war es für Nordberg und sein Team essenziell, das Unternehmen durch die Verhandlungen zu begleiten und strategisch zu beraten. Der Unterschied zu größeren Unternehmen besteht oft darin, dass Startups keine eigenen Rechtsabteilungen oder Corporate-Strukturen besitzen. “Bei ParityQC war das zwar nicht der Fall, Startups in der Frühphase benötigen allerdings oft nicht nur rechtliche, sondern auch strukturelle Unterstützung, um den Anforderungen von Investoren gerecht zu werden“, betont Nordberg.

Die Anforderung an den Rechtsberater ist nicht nur eine klassische Rechtsberatung zu liefern, sondern auch ein Verständnis für unternehmerische Abläufe mitzubringen. “Wenn Startups Unterstützung bei Verhandlungen benötigen, dann geht es häufig auch darum, die Verhandlungsposition zu stärken und sicherzustellen, dass das Startup langfristig von der Partnerschaft mit dem Investor profitiert,“ erklärt Nordberg.

Ein zusätzlicher, oft unterschätzter Aspekt sind dabei die vertraglichen Feinheiten, die sich aus der Investmentrunde ergeben. Hierzu zählt etwa der Gesellschaftsvertrag, der neu aufgesetzt wird, um Investoren Mitsprache- und Vetorechte einzuräumen, ohne dabei die Gründungsgesellschaften in ihrer zukünftigen Geschäftsentwicklung zu stark einzuschränken.

Tipps für Startups in Finanzierungsphasen

Nordberg gibt zudem auch Ratschläge für Startups, die sich in einer Finanzierungsphase befinden. „Investoren wollen sehen, dass ein Startup eine gewisse Struktur aufweist, da dies Vertrauen schafft“, betont er. Dabei gehe es keinesfalls darum, die Atmosphäre eines Konzerns zu simulieren, sondern vielmehr darum, grundlegende Prozesse und Abläufe klar zu definieren. “Wenn ein Startup strukturiert auftritt und den genauen Finanzierungsbedarf kennt, zeigt das den Investoren, dass sie es mit einer professionellen Organisation zu tun haben,“ so Nordberg.

Ein weiterer Tipp des erfahrenen Anwalts betrifft die Wahl des Investors. Hier sollten Gründer:innen darauf achten, dass der Investor zur Unternehmenskultur und den Zielen passt. Neben dem finanziellen Beitrag sind es oft die Netzwerke, Branchenkenntnisse und die Unterstützung bei der Weiterentwicklung des Produkts oder der Dienstleistung, die ein Investor bieten kann. “Ein Startup sollte sich gut überlegen, ob der Investor lediglich Kapital bereitstellt oder auch strategischen Mehrwert bringt,“ erklärt Nordberg.

Arbeit mit Startups erfordert Dynamik und Flexibität

Nordberg teilt zudem auch seine persönlichen Learnings. Für Rechtsanwälte, die sich mit Startup-Beratung beschäftigen, bringt diese Arbeit eine besondere Dynamik und Flexibilität mit sich. Die oft noch jungen Gründer:innen sind stark auf die Entwicklung ihrer Produkte und Ideen fokussiert, und Rechtsberatung muss daher effizient und verständlich sein. „Die Gründer haben selten die Zeit und Kapazität, sich in komplexe juristische Details einzuarbeiten. Da ist es unsere Aufgabe, sie praxisnah und lösungsorientiert zu unterstützen,“ sagt Nordberg.

Abschließend betont Nordberg, dass es für die österreichische Gründerszene ein positives Signal sei, dass ein so komplexes Thema wie Quantencomputing in Österreich erfolgreich im Zuge einer Eigenkapitalrunde finanziert werden konnte. Der Anwalt ist überzeugt, dass derartige Deals dazu beitragen, den Innovationsstandort Österreich zu stärken. Mit seiner Kanzlei sieht er sich gut aufgestellt, um weiteren Startups den Weg durch die komplexe Welt der Investorengespräche zu ebnen – eine Rolle, die in einer wachsenden Startup-Landschaft immer wichtiger wird.


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