19.09.2022

Fed-Entscheidung: Crasht Ethereum jetzt?

Viele Stimmen aus der Kryptoszene sind sich sicher: Der Ethereum-Merge war ein historischer Moment. Starken Einfluss auf den Preis hatte der Wechsel auf Proof of Stake allerdings noch nicht. Könnten weitere Entwicklungen am Markt die Branche, die sich ohnehin bereits im Kryptowinter befindet, weiter crashen lassen? Der brutkasten hat mit mehreren Expert:innen gesprochen und sie nach ihrer Meinung zum Merge und dessen Folgen befragt.
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Nach dem Ethereum-Merge: Das sagt die Kryptoszene © Akif/Adobe Stock
Nach dem Ethereum-Merge: Das sagt die Kryptoszene © Akif/Adobe Stock

Der lang diskutierte Ethereum-Merge wurde vergangene Woche endgültig durchgeführt. Die zweitgrößte Kryptowährung der Welt hat damit den Wechsel von Proof of Work zum Proof of Stake-Mechanismus umgesetzt und damit nicht nur die Krypto-Szene aufhorchen lassen. Eine positive Preisentwicklung von Ethereum blieb allerdings aus. Kommt jetzt die Ernüchterung?

(De-) Zentralisierung, Skalierung und Energie

Florian Wimmer und Andreas Freitag gaben sich bereits letzte Woche im brutkasten-Interview positiv und bewerteten den Ethereum-Merge nicht nur als einen wichtigen technologischen Schritt, sondern auch als Vorläufer für andere Kryptoprojekte. Der Proof of Stake-Konsensmechanismus hätte zwar Einschränkungen in punkto Sicherheit und (De-)Zentralisierung zur Folge, einen klaren Vorteil erkennen die beiden Blockchain-Experten allerdings mit Blick auf die Energiefrage. 

Ulli Spankowski, CEO und Founder der Krypto-Plattform Bison App (Gruppe Börse Stuttgart) ergänzt in einem offiziellen Statement die Sichtweisen von Wimmer und Freitag zum Merge. Einen klaren Vorteil sieht der CEO, ebenso wie Florian Wimmer, in der Skalierbarkeit: “Der Merge bereitet die Ethereum-Blockchain auf eine höhere Skalierbarkeit in der Zukunft vor. Derzeit sind im ETH-Netzwerk zwischen 15 und 45 Transaktionen pro Sekunde möglich. Nach der Umstellung auf PoS für das gesamte ETH-Hauptnetz sollen in weiterer Folge bis zu 64 Shared Chains angebunden werden. Dadurch könnte Ethereum bis zu 100.000 Transaktionen pro Sekunde abwickeln”, meint Spankowski. Ebenso hofft er im Zuge des Merges auf ein besseres Image der Kryptobranche, nachdem der Proof of Stake-Mechanismus weniger energieintensiv sei. 

Nachteile erkennt Spankowski wiederum bei den bereits erwähnten Faktoren Dezentralisierung und Verfügbarkeit. “Diejenigen, die eine große Menge an Coins besitzen, haben zukünftig noch mehr Einfluss auf den Konsensprozess als diejenigen mit weniger Münzen. ‘The Merge’ kann zu einer “neuen” Zentralisierung im DeFi-Raum führen, wenn ETH-Stacking-Knoten bei nur einer Handvoll von Cloud-Anbietern oder Hostern eingesetzt werden”, erklärt Spankowski hierzu.  

Folgen für die gesamte Krypto-Community

Der erfolgreiche Wechsel von Proof of Work auf Proof of Stake hat keine unmittelbare Reaktion auf den Preis von Ethereum ausgelöst. Sofia Surma, Head of Block and Wine, zeigt sich hierzu allerdings nicht überrascht. Der Merge wäre in gewisser Weise “priced in” gewesen, weshalb man die Auswirkungen der verringerten Issuance von neuen Ether-Token vermutlich erst längerfristig bemerken könnte. Sicher ist laut Surma allerdings, dass der Merge nicht nur die Ethereum-Crowd betreffe, sondern auch Auswirkungen auf das gesamte Blockchain-Ökosystem und dessen Weiterentwicklungen haben werde.

Während Surma überzeugt ist, dass Bitcoin nicht in absehbarer Zeit zu Proof of Stake wechseln wird, hat sie einen anderen Blick auf weitere Währungen: “Grundsätzlich sind sehr viele Blockchains bereits Proof of Stake-Protokolle. Besonders in den letzten Jahren entstandene Netzwerke haben von Beginn an nicht auf PoW-Mining gesetzt. Dass der Merge ein Gewinn für den Klimaschutz ist, ist klar. Die Kryptobranche hat hier aber trotzdem in manchen Bereichen noch Aufholbedarf. Natürlich ist zu hoffen, dass andere Protokolle nun nachziehen”. Während das Bewusstsein für die Klimakrise wachse und die Auswirkungen der Energiekrise zu spüren sei, habe Ethereum hier eine wichtige Vorreiterrolle übernommen. Surma hoffe dabei auf noch mehr zukunftsorientierte Debatten in der Community.

Fed-Entscheidung könnte den Markt crashen

Diese Ansicht ergänzt Kryptoexperte Christopher Obereder und betont die Wichtigkeit des Gesamtmarktes. Seiner Meinung nach, handele es sich beim Ethereum-Merge um einen historischen Moment, allerdings seien die Entwicklungen am Gesamtmarkt ausschlaggebender als kleinere Schritte, wie jene in der Kryptoszene. “Das ganze hängt vom Markt, der aktuellen Zinslandschaft und vor allem von den Entscheidungen in Washington ab. Die für diese Woche geplante Fed-Sitzung zur Zinserhöhung wird ausschlaggebend sein. Eine Erhöhung des Leitzinses um 75 Basispunkte ist erwartet. Wenn sie sich aber bspw. doch auf 100 Basispunkte einigen sollten, wird der Markt crashen”, so Obereder. Nasdaq, Tech-Aktien und die Krypto-Szene korrelieren dabei stark – somit sei nicht zuletzt auch Ethereum von diesen Entscheidungen stark abhängig. Wenn der Markt crasht, werde auch Ethereum crashen, ist sich Obereder sicher. 

“Heutzutage sind diese Entscheidungen der Fed in Amerika noch ausschlaggebender als alles andere und man sieht, wie die Amerikaner den weltweiten Tech- und Kryptomarkt beeinflussen. Alle spekulativen Anlageklassen schwanken da extrem mit.“

Eine weitere Folge der Fed-Entscheidung könne zudem einen klare Kapitulationsphase im Kryptomarkt sein. Durch den Merge habe es schließlich viel Hoffnung für die Preisentwicklungen gegeben, welche durch eine deutliche Erhöhung des amerikanischen Leitzinses zerstört werden könnte. “Wenn es keine Hoffnungen mehr gibt und die Zinspolitik dies bestärkt, könnten viele aufgeben”, vermutet der Krypto-Experte. 

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Rechtsanwalt Christian Nordberg | (c) Nordberg

Mitten in der österreichischen Startup-Szene sorgte das Quantencomputing-Unternehmen ParityQC im April diesen Jahres für Aufsehen: Das Unternehmen rund um Wolfgang Lechner und Magdalena Hauser sicherte sich ein Investment der B&C Innovation Investments GmbH, die mit einem nicht genannten Betrag beim Spin-off einstieg. Laut einer Aussendung der Uni Innsbruck und der Österreichische Akademie der Wissenschaften erreichte ParityQC eine Bewertung vergleichbar mit US-börsennotierten Quantenunternehmen. Diese Bewertungen bewegten sich zum damaligen Zeitpunkt meist im niedrigen neunstelligen Bereich. (brutkasten berichtete).

Aber wie läuft ein solcher Deal ab, insbesondere wenn es um hochsensible Technologien wie Quantencomputing geht? brutkasten hatte die Gelegenheit, mit Christian Nordberg, dem Rechtsanwalt, der die Transaktion rechtlich begleitet hat, zu sprechen. Nordberg liefert Einblicke in die Dynamik einer solchen Finanzierung, die Rolle der IP-Rechte und die rechtlichen Rahmenbedingungen. Zudem liefert Nordberg auch Tipps für Startups, die sich in einer Finanzierungsrunde befinden.

Die Ausgangslage im Fall von ParityQC

Das 2019 gegründete Unternehmen ParityQC hat sich in kürzester Zeit einen Namen in der internationalen Quantencomputing-Szene gemacht. Die Gründer Wolfgang Lechner und Magdalena Hauser entwickelten ein einzigartiges Architekturmodell für Quantencomputer, das speziell auf Optimierungsprobleme ausgerichtet ist. Diese Technologie ist in der Lage, komplexe Probleme schneller und effizienter zu lösen als herkömmliche Systeme – ein entscheidender Vorteil in Bereichen wie Logistik, Energienetzwerken und Finanzmärkten.

Anders als viele Startups, die oft Jahre brauchen, um profitabel zu werden, hatte ParityQC in der Phase der Finanzierungsrunde bereits eine starke finanzielle Basis. Dank renommierten Kunden wie NEC ist das Unternehmen nach eigenen Angaben seit 2023 profitabel – eine Seltenheit in der Quantenbranche (brutkasten berichtete).

“Ein Unternehmen wie ParityQC, das bereits operativ erfolgreich ist, hat natürlich eine viel bessere Verhandlungsposition gegenüber Investoren als ein Startup in der Frühphase, das dringend Kapital benötigt,“ erklärt Nordberg. Die Profitabilität und die bereits bestehende Kundenbasis gaben dem Unternehmen eine gewisse Unabhängigkeit und Verhandlungsmacht.

Die Bedeutung von IP-Rechten

In der hochspezialisierten Welt des Quantencomputings kommen rechtliche Herausforderungen, wie die Bewertung und Absicherung geistigen Eigentums, besonders stark zum Tragen. Bei einer Due-Diligence-Prüfung wird das gesamte Unternehmen auf Herz und Nieren geprüft – von den finanziellen Aspekten über das Geschäftsmodell bis hin zu den IP-Rechten.

Nordberg erklärt: „Für den Investor steht die Frage im Vordergrund, wie gut die einzigartigen Technologien von ParityQC rechtlich geschützt und risikominimiert werden können.“ IP-Rechte, insbesondere bei einer technologischen Innovation, die wie bei ParityQC eine Zukunftsbranche vorantreibt, sind ein entscheidender Faktor, um das Investment langfristig abzusichern.

In diesem Fall wurde ein technischer Berater hinzugezogen, der die Patente und Technologien im Detail analysierte. Neben dem rechtlichen Schutz ist es hier wichtig, dass der Inhalt und die Funktionsweise der Technologie verstanden werden. “Bei Quantencomputing war das auch für uns als Kanzlei eine besondere Herausforderung, da es sich um hochkomplexe technologische Entwicklungen handelt”, so Nordberg.

Weit mehr als reine Paragraphen

Die Rechtsberatung spielte in der Verhandlungsphase von ParityQC eine zentrale Rolle. Neben der Prüfung der rechtlichen Aspekte war es für Nordberg und sein Team essenziell, das Unternehmen durch die Verhandlungen zu begleiten und strategisch zu beraten. Der Unterschied zu größeren Unternehmen besteht oft darin, dass Startups keine eigenen Rechtsabteilungen oder Corporate-Strukturen besitzen. “Bei ParityQC war das zwar nicht der Fall, Startups in der Frühphase benötigen allerdings oft nicht nur rechtliche, sondern auch strukturelle Unterstützung, um den Anforderungen von Investoren gerecht zu werden“, betont Nordberg.

Die Anforderung an den Rechtsberater ist nicht nur eine klassische Rechtsberatung zu liefern, sondern auch ein Verständnis für unternehmerische Abläufe mitzubringen. “Wenn Startups Unterstützung bei Verhandlungen benötigen, dann geht es häufig auch darum, die Verhandlungsposition zu stärken und sicherzustellen, dass das Startup langfristig von der Partnerschaft mit dem Investor profitiert,“ erklärt Nordberg.

Ein zusätzlicher, oft unterschätzter Aspekt sind dabei die vertraglichen Feinheiten, die sich aus der Investmentrunde ergeben. Hierzu zählt etwa der Gesellschaftsvertrag, der neu aufgesetzt wird, um Investoren Mitsprache- und Vetorechte einzuräumen, ohne dabei die Gründungsgesellschaften in ihrer zukünftigen Geschäftsentwicklung zu stark einzuschränken.

Tipps für Startups in Finanzierungsphasen

Nordberg gibt zudem auch Ratschläge für Startups, die sich in einer Finanzierungsphase befinden. „Investoren wollen sehen, dass ein Startup eine gewisse Struktur aufweist, da dies Vertrauen schafft“, betont er. Dabei gehe es keinesfalls darum, die Atmosphäre eines Konzerns zu simulieren, sondern vielmehr darum, grundlegende Prozesse und Abläufe klar zu definieren. “Wenn ein Startup strukturiert auftritt und den genauen Finanzierungsbedarf kennt, zeigt das den Investoren, dass sie es mit einer professionellen Organisation zu tun haben,“ so Nordberg.

Ein weiterer Tipp des erfahrenen Anwalts betrifft die Wahl des Investors. Hier sollten Gründer:innen darauf achten, dass der Investor zur Unternehmenskultur und den Zielen passt. Neben dem finanziellen Beitrag sind es oft die Netzwerke, Branchenkenntnisse und die Unterstützung bei der Weiterentwicklung des Produkts oder der Dienstleistung, die ein Investor bieten kann. “Ein Startup sollte sich gut überlegen, ob der Investor lediglich Kapital bereitstellt oder auch strategischen Mehrwert bringt,“ erklärt Nordberg.

Arbeit mit Startups erfordert Dynamik und Flexibität

Nordberg teilt zudem auch seine persönlichen Learnings. Für Rechtsanwälte, die sich mit Startup-Beratung beschäftigen, bringt diese Arbeit eine besondere Dynamik und Flexibilität mit sich. Die oft noch jungen Gründer:innen sind stark auf die Entwicklung ihrer Produkte und Ideen fokussiert, und Rechtsberatung muss daher effizient und verständlich sein. „Die Gründer haben selten die Zeit und Kapazität, sich in komplexe juristische Details einzuarbeiten. Da ist es unsere Aufgabe, sie praxisnah und lösungsorientiert zu unterstützen,“ sagt Nordberg.

Abschließend betont Nordberg, dass es für die österreichische Gründerszene ein positives Signal sei, dass ein so komplexes Thema wie Quantencomputing in Österreich erfolgreich im Zuge einer Eigenkapitalrunde finanziert werden konnte. Der Anwalt ist überzeugt, dass derartige Deals dazu beitragen, den Innovationsstandort Österreich zu stärken. Mit seiner Kanzlei sieht er sich gut aufgestellt, um weiteren Startups den Weg durch die komplexe Welt der Investorengespräche zu ebnen – eine Rolle, die in einer wachsenden Startup-Landschaft immer wichtiger wird.


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