27.02.2024

Europa wird für Investor:innen aus den USA und China unattraktiver

US-amerikanische und chinesische Investor:innen tun sich aus unterschiedlichen Gründen schwer mit europäischen Startups.
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Yuan Dollar Europa
(c) Eric Prouzet via unsplash

Um 57 Prozent ging das Deal-Volumen von US-VCs in Europa 2023 im Vergleich zu 2022 zurück. Bei der Anzahl der Deals waren es 39 Prozent. Diese Zahlen stehen einem allgemeinen Rückgang von 46 Prozent bzw. 31 Prozent gegenüber. Allein mit der schlechteren wirtschaftlichen Lage lässt der Rückgang bei US-amerikanischen Kapital also nicht erklären – er ist klar überproportional. Die Angaben stammen von der Plattform Pitchbook und werden im US-Magazin TechCrunch zitiert. Dort beschäftigt sich eine Analyse mit der Frage, warum Europa so ein schweres Pflaster für US-VCs ist, ja warum manche sich sogar wieder ganz vom alten Kontinent zurückziehen.

Es ist nicht die einzige derartige Meldung dieser Tage. EY veröffentlichte eine Analyse zu sinkenden Zahlen chinesischer Firmenübernahmen in Europa (Anm. hier geht es nicht nur, aber auch um Startups). Die Zahl ist mit 119 Transaktionen im Jahr 2023 demnach auf dem niedrigsten Stand seit 2012. Im Gegensatz zu den Europa-Deals von US-VCs, bei denen der Peak wenig überraschend im Boom-Jahr 2021 lag, hatten die chinesischen M&A-Transaktionen ihren Höhepunkt übrigens bereits 2016.

Weniger Kapital aus den USA und China

Daran lässt sich bereits erahnen: Es sind zwei sehr unterschiedliche Entwicklungen, mit denen Europa hier zu tun hat. Die Gemeinsamkeit ist aber klar: Es fließt weniger Kapital in den alten Kontinent. Und im Gegenzug verlässt ihn weniger Technologie, IP und Co Richtung USA und China. Das muss hier auch erwähnt werden, weil eben das ein Ziel der EU ist. Eine entsprechende Verordnung wurde hierzulande vor einigen Jahren in das in der Startup-Szene viel-kritisierte Investitionskontrollgesetz gegossen.

Ist die Regulatorik schuld?

Aber ist es die scharfe Regulatorik der EU, die Investor:innen aus den USA und China – teilweise willentlich – abschreckt? Oder gibt es andere Gründe? Es herrsche eine strategische Zurückhaltung chinesischer Unternehmen in Europa vor, analysiert EY-Partnerin Eva-Maria Berchtold in einer Aussendung. “Das ist vor allem auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in China sowie die Priorisierung der Konsolidierung eigener Geschäftsbereiche vor Expansion durch M&A zurückzuführen”, sagt sie.

Dann kommt seitens EY aber doch auch die Regulatorik zur Sprache. Der ausbleibende Aufschwung bei den chinesischen Transaktionen in Europa nach der EU sei teilweise darauf zurückzuführen, “dass chinesische Firmen in zahlreichen europäischen Staaten erheblichen politischen Hindernissen gegenüberstehen.” Die Hürden für ausländische Beteiligungen – gerade in bestimmten kritischen Branchen – seien inzwischen vielfach so hoch, dass schon in einem frühen Stadium von einer Übernahme abgesehen werde, selbst, wenn sie strategisch sinnvoll wäre. “Die zunehmenden regulatorischen Hürden, die wir heute in Europa sehen, erfordern von den Unternehmen eine neue Herangehensweise an internationale Partnerschaften und Investitionen, die über traditionelle M&A-Aktivitäten hinausgeht“, meint Berchtold.

Regulatorik als Vorteil Europas gegenüber US-VCs?

Und gilt dasselbe für die USA? Die TechCrunch-Analyse kommt – wohl durchaus mit einer gewissen politischen Färbung – sogar zum gegenteiligen Ergebnis. Die stärkere Regulierung in Europa sei ein guter Grund, auch dort aktiv zu sein, heißt es im Beitrag. Warum? “Heiße Startup-Kategorien wie KI und Krypto agieren in den USA weiterhin in grauen Bereichen der Regulierung, und es ist keine wirkliche Klarheit in in Sicht. Das macht es für Startups schwieriger, etwas aufzubauen, und für Investor:innen schwieriger, zu wissen, welche Unternehmen gesetzeskonform arbeiten – und noch mehr, ob das auch in Zukunft Bestand hat”, so die TechCrunch-Journalistin. Auch in Europa sei zwar nicht alles fertig reguliert, aber es herrsche viel mehr Klarheit seitens der Behörden, was wiederum für VCs attraktiv sei.

Aber was ist dann das Problem hinter dem überproportionalen Rückgang der US-VC-Investitionen in Europa? Die Analyse kommt zum einen mit einer recht simplen Erklärung daher: Der alte Kontinent mit seinen vielen Ländern mit vielen Sprachen und teilweise noch unterschiedlichen Währungen ist einfach zu komplex. “Sowohl in Rumänien als auch in Italien zu investieren, ist etwas anderes, als sowohl in Texas als auch in Kalifornien zu investieren”, so die Journalistin.

Weiters gebe es mittlerweile zumindest im Early-Stage-Bereich mehr VC-Konkurrenz aus Europa selber – und diese sei oftmals für Startups attraktiver, weil sie sich im jeweiligen Heimatmarkt besser auskenne. Und drittens: Viele US-VCs würden ihren Schritt nach Europa mit der Gründung einer Niederlassung in London setzen, um dann festzustellen, dass ihnen das im Rest Europas wenig bis gar nichts bringt.

Wie reagieren?

Die Conclusio: Es ist – wie so oft – alles sehr kompliziert. Und in Europa muss man sich wohl Gedanken machen, wie man mit den sinkenden Investitionen von außen umgehen will. Weil das halten von Technologie und IP am Kontinent ist das eine. Die Verringerung von Wachstumsmöglichkeiten für europäische Scaleups ist ein anderes Thema. Denn wenn sie mangels Kapital den Markt nicht erobern, tun es stattdessen Scaleups aus den USA und China. Und das kann Europa dann wohl wirklich nicht als Sieg verbuchen.

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Anekdoten - Das brutkasten-Team und seine Weggefährten haben in den vergangenen zehn Jahren viel erlebt | (c) Marko Kovic
Das brutkasten-Team und seine Weggefährten haben in den vergangenen zehn Jahren viel erlebt | (c) Marko Kovic

Dieser Artikel ist im Dezember 2024 in der Jubiläumsausgabe des brutkasten-Printmagazins – “Wegbereiter” – erschienen. Eine Download-Möglichkeit des gesamten Magazins findet sich am Ende dieses Artikels.


Es gibt bekanntlich für alles ein erstes Mal – und in einem Startup gibt es diese ersten Male noch ein bisschen häufiger. Gründet man ein Medien-Startup, das sich mit Startups beschäftigt, sollte man etwa erst einmal die bekannten Gesichter der Startup-Szene kennenlernen. Aber wie?

“Am Anfang, als ich das Ganze begonnen habe und es mich so fasziniert hat, habe ich erst einmal versucht herauszufinden, wie ich Andreas Tschas (Anm.: damals Gründer und CEO Pioneers Festival) kennenlernen kann. Das war für mich so, als ob ich es schaffen muss, einen Superstar kennenzulernen”, erzählt brutkasten-Gründer und -CEO Dejan Jovicevic. “Auch Hansi Hansmann war für mich weit weg und unerreichbar.” Schließlich schaffte er es bekanntlich, und nach Tschas vor ein paar Jahren ziert nun Hansmann das aktuelle brutkasten-Cover.

Ein besonderer allererster Live stream

Leichter – vielleicht sogar etwas zu leicht – fiel es Redakteur Martin Pacher anfangs, an so richtig bekannte Persönlichkeiten zu kommen. “Es war Anfang 2019; ich war gerade erst zwei Wochen in meiner fixen Position bei brutkasten und hatte noch nie einen Video-Talk moderiert”, erzählt Pacher. “Und dann hat es sich ergeben, dass Dejan kurzfristig die Moderation eines sehr hochkarätig besetzten Livestream-Interviews nicht machen konnte, und ich war der Einzige, der Zeit hatte, einzuspringen.”

Die Gesprächspartner:innen für Pachers allererstes Video-Interview waren keine Geringeren als die damalige Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck, der damalige Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny, Business-Angel-Legende Hansi Hansmann und “Future Law”-Gründerin Sophie Martinetz; natürlich alles in einem Take und live in den Social-Media-Kanälen von brutkasten.

Martin Pachers (l.) erster Live-Video-Talk mit (vlnr.) Ewald Nowotny, Margarete Schramböck, Hansi Hansmann und Sophie Martinetz | (c) brutkasten

“Ich habe eigentlich immer den Ansatz, zu sagen: ‘Ja, mach’s einfach!’ – auch wenn es wenig Vorbereitungszeit gibt und man ins kalte Wasser springen muss“, erzählt der Redakteur. In der Situation sei er dann aber doch sehr aufgeregt gewesen. “Haris, unser damaliger Head of Video, hat mir dann positiv zugeredet. Er hat mich schön in Szene gesetzt, die Lichter eingeschaltet und heruntergezählt: ‘3, 2, 1, go!’ Und ja, dann kam es zu meiner ersten Anmoderation. Die hätte ich rückblickend betrachtet vielleicht noch ein bisschen flüssiger machen können“, räumt Pacher ein.

Es sollten noch Dutzende weitere Video-Interviews werden – “ich weiß nicht, wie viele Video-Talks ich in all der Zeit moderiert habe, aber es ist definitiv im dreistelligen Bereich!”, so Pacher. Unter seinen Interviewpartnern waren Leute wie Wikipedia-Gründer Jimmy Wales oder Formel-1-Legende Jean Todt. Letzterer habe mitten im Interview sein Handy abgehoben und zu telefonieren begonnen, erzählt der Redakteur. “Das hat mich dann doch ein bisschen aus dem Konzept gebracht. Aber es ist dann alles gut gegangen und wir konnten die Aufnahme fortführen, nachdem Todt dann noch einen großen Schluck Kaffee genommen hatte.”

Martin Pacher im Gespräch mit Jean Todt | (c) brutkasten

Exit während der Weihnachtsfeier

Manchmal hat man den Kontakt zu den wichtigen Persönlichkeiten schon erfolgreich hergestellt, und dann kommen einem aber andere Hindernisse in die Quere, weiß Redakteur Momcilo Nikolic. Er hatte bei KI-Koryphäe Sepp Hochreiter um ein Interview angefragt – “und er hat sich auch gemeldet. Es war der erste Schultag meines Sohns und wir sind gemeinsam mit anderen Eltern vor der Schule gestanden. Da ruft Hochreiter an und sagt, er hätte jetzt ein paar Minuten Zeit”, erzählt Nikolic. Und dann? “Ich habe festgestellt: Auch das geht. Ich bin kurz auf die Seite gegangen, habe inmitten von nervösen Eltern auf der Straße ein komplexes Interview über KI geführt und war glücklicherweise rechtzeitig wieder fertig.”

Generell ist Nikolic der Mann für solche Fälle bei brutkasten. “2021 hatten wir – noch coronabedingt – eine Remote-Weihnachtsfeier. Kurz nach neun Uhr abends kam die Meldung zum Durchblicker-Exit; einer der größten Exits der österreichischen Startup-Geschichte. Ich habe mir ein Glas Whiskey gegönnt und das runtergetippt”, erzählt der Redakteur.

Die legendäre “gemischte Platte”

Ein halbes Jahr später war die Coronazeit halbwegs überwunden, das brutkasten-Sommerfest konnte in Präsenz stattfinden – und eine brutkasten-Tradition wurde eingeführt, wie sich Conny Wriesnig, Lead Media Consulting und Begründerin dieser Tradition, erinnert: “Damals ist die ‘gemischte Platte’ entstanden.“ Dabei handelt es sich um ein Tablett mit unterschiedlichsten alkoholischen Getränken bzw. Shots – first come, first serve. “Das war praktisch eine neue Sales-Taktik: Erst wollten ein paar Leute nichts trinken, dann habe ich die gemischte Platte gepitcht, und zack: Auf einmal hatte jeder ein Getränk in der Hand”, erzählt Wriesnig.

Gemischte Platte bei der brutkasten-Weihnachtsfeier 2023 | (c) brutkasten

“Mein Highlight war aber am nächsten Morgen: Wir haben alle fast durchgefeiert und höchstens drei Stunden geschlafen und hatten gleich um neun ein Meeting. Dort hat Dejan erzählt: Als seine Frau ihn gefragt hat, was er frühstücken will, hat er instinktiv gesagt: ‘Eine gemischte Platte’. Ab dem Moment wusste ich: Es wird keine Feier mehr ohne die gemischte Platte geben!”. Und tatsächlich sollte das nicht die einzige Anekdote mit Beitrag des besonderen Getränketabletts bleiben.

Folgenreiche Aprilscherze

An dieser Stelle sollte betont werden, dass man es bei brutkasten auch ohne Alkohol lustig haben kann, etwa am 1. April, wie Aprilscherz-und-Weihnachtslied-Beauftragter Dominik Perlaki, Autor dieser Zeilen, weiß. “Der ‘Standard’ ist einmal auf einen meiner Aprilscherz-Artikel hereingefallen und hat den Inhalt zwei Tage später in einem ernst gemeinten Beitrag verarbeitet. Hansi Hansmann, um den es ging, fand das dann leider nicht mehr so lustig”, erzählt Perlaki.

“Ich habe im Laufe der Jahre die brutkasten-Wochenzeitung ‘im Kasten’ erfunden und Sebastian Kurz zum ‘2 Minuten 2 Millionen’-Investor gemacht. Mein Highlight war aber ein Scherz, den hiMoment-Gründer Christoph Schnedlitz, der damals im Büro im weXelerate ein paar Meter entfernt saß, mit mir umsetzte.” Schnedlitz, der sich stets sehr skeptisch zum Konsum sozialer Medien äußerte, wurde im Aprilscherz-Artikel ein 100-Millionen-Euro-Exit an Facebook angedichtet. „Kurze Zeit später hat mir Christoph erzählt, dass es richtig anstrengend für ihn wurde: Sein Steuerberater hat ihn gefragt, wie er so etwas machen kann, ohne es mit ihm zu besprechen, und noch Wochen später haben sich regelmäßig Leute bei ihm gemeldet, mit denen er ewig keinen Kontakt hatte, um zu fragen, wie es ihm denn so geht.“

Titelbild zum HiMoment-Exit-Aprilscherz mit Christoph Schnedlitz | (c) brutkasten

Im Railjet erkannt werden

Mit Prominenz muss man eben umgehen können. Dazu kann auch Dejan Jovicevic etwas erzählen: “Ich bin einmal im Railjet gesessen und bei der Fahrscheinkontrolle kommt die Schaffnerin zu mir und sagt: ‘Du bist doch Dejan vom brutkasten!’ Ich dachte: ‘Jetzt bin ich schon so bekannt, dass mich alle kennen!’ Aber es stellte sich heraus: Sie war ÖBB-Vorständin und quasi undercover unterwegs – und hatte mich kurz zuvor bei einem Event gesehen.”

Zumindest für eine Zeit lang in Erinnerung geblieben dürfte auch Dominik Perlaki einmal einigen Event-Teilnehmern sein, wie er erzählt: “Es war AustrianStartups-Stammtisch im später leider geschlossenen Wiener Coworkingspace sektor5; Stargast war der damalige Kanzler Christian Kern.” Am Ende des Programms habe Moderator Daniel Cronin gesagt, Kern könne nur mehr eine Frage aus dem Publikum beantworten, bevor er gehen müsse. “Und Cronin erklärte, die Frage dürfe derjenige stellen, der auf drei am höchsten hüpft und am lautesten schreit. In einem gestopft vollen Raum mit mehreren Hundert Leuten war ich der Einzige, der gehüpft ist und geschrien hat – und zwar ziemlich hoch und laut”, erzählt Perlaki. An die Frage könne er sich aber nicht mehr erinnern.

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