17.06.2025
STARTUP-FINANZIERUNG

„Europa geht weltweit das größte Risiko ein, nämlich nichts zu tun“

Was braucht es, um mehr Kapital von Institutionen und Corporates für die Startup- und Scaleup-Finanzierung zu mobilisieren? Auf einem von AKELA gehosteten Panel beim Event "The Venture Mindset" wurde darüber und über die Risikoaversion in Europa diskutiert.
/artikel/europa-geht-weltweit-das-groesste-risiko-ein-naemlich-nichts-zu-tun
(v.l.) Kambis Kohansal Vajargah, Stefan Fürnsinn und Matthias Leibetseder diskutierten am Event
(v.l.) Kambis Kohansal Vajargah, Stefan Fürnsinn und Matthias Leibetseder diskutierten am Event "Venture Mindset" | (c) The Alpha Omega Foundation

Die brutkasten-Serie „Corporate Venturing“ is powered by AKELA, Raiffeisen Bank International AG, UNIQA Insurance GroupMavie NextVerbund, whataventure — New business. Powered by entrepreneurs. und Wien Energie GmbH.


Die Statistik ist bekanntlich eindeutig: Europa liegt bei den Risikokapital-Volumina weit abgeschlagen hinter den USA und China. Und innerhalb Europas gelang es Österreich zumindest in der Spätphasen-Finanzierung bislang nicht, zur Spitzengruppe aufzuschließen. Die Folge: Heimische Startups müssen sich Later-Stage-Investments meist im Ausland – sehr oft in Übersee holen. Nicht wenige verlegen dazu auch ihren Hauptsitz.

Doch wie kann hierzulande mehr Risikokapital mobilisiert werden? Und welche Rolle spielen dabei Institutionen und Corporates? Das diskutierten Stefan Fürnsinn, Executive Director der ÖBAG und Co-Founder des Quanten-Startups QUBO, Kambis Kohansal Vajargah, Head of Startup Services der Wirtschaftskammer, und Matthias Leibetseder, Investment Manager bei WaVe-X, dem Corporate-VC der Walter Group, beim Event „Venture Mindset“. Gehostet wurde das Panel „Fund of Funds, Tibi Plan, and Beyond: Mobilising Institutional and Corporate Capital for Venture“ von AKELA attorneys-at-law. Es moderierte Alexander Schultmeyer, Partner bei AKELA.

Alexander Schultmeyer (l.) moderierte das Panel mit (v.l.) Kambis Kohansal Vajargah, Stefan Fürnsinn und Matthias Leibetseder | (c) The Alpha Omega Foundation

Dachfonds: Es geht auch um die Nachfrageseite

Ein zentraler Diskussionspunkt war dabei natürlich der im aktuellen Regierungsprogramm verankerte „rot-weiß-rot Dachfonds“. Er soll als „Fund of Funds“ institutionelles und Corporate-Kapital mobilisieren, das wiederum nicht direkt in Startups und Scaleups, sondern in VC-Fonds investiert wird, um eine möglichst breite Risikostreuung zu erreichen. Die VC-Fonds sollen wiederum für eine Stärkung der Spätphasenfinanzierung im Inland sorgen.

Stefan Fürnsinn sieht das als „einen guten Schritt, aber nicht genug“. Tatsächlich gebe es viele Corporates, die noch gar nicht in Startups investiert sind und die so viel Potenzial böten. Aber: „Das ist die Angebotsseite. Ich denke jedoch, dass es sehr wichtig ist, auch an der Nachfrageseite zu arbeiten. Wir brauchen Fonds, die ein Ökosystem schaffen, und wir brauchen die Scaleups, die tatsächlich das Kapital nachfragen. Denn sonst besteht die Gefahr, dass das Geld einfach ins Ausland geht“, so Fürnsinn.

Haftung statt viel Budget-Einsatz

Auch Kambis Kohansal Vajargah sieht den Dachfonds als „eines der Instrumente in einem gut strukturierten, gut funktionierenden Startup-Ökosystem, aber nicht das Einzige, was benötigt wird“. Angesichts des aktuellen Haushaltsdefizits der Republik plädiert er zudem dafür, dass die Regierung gar nicht zu viel Budget dafür in die Hand nehmen sollte – und müsse. „Eines der möglichen Fund-of-Funds-Modelle besteht darin, nur die Haftung im Falle eines Ausfalls zu decken“, erklärt Kohansal Vajargah. Schon damit ließe sich viel Kapital mobilisieren.

„De-risken“ für mehr Kapital von Corporates

Matthias Leibetseder stimmt zu. Er sieht das „de-risken“ als wichtigste Aufgabe, um Unternehmen Risikokapital-Investitionen schmackhaft zu machen, denn: „Das Hauptproblem ist nicht, dass Unternehmen nicht innovativ sein wollen. Es ist nur ein Risikothema“, so Leibetseder. „Wenn man also beim Fund of Funds nachweisen kann: Wenn man darin investiert, steht die österreichische Regierung dahinter und man hat eine gewisse Sicherheit, dann ist es einfacher, Geld dafür einzusetzen, wenn das Unternehmen sich vor Aktionären, Eigentümern oder wem auch immer rechtfertigen muss.“

Auch Handlungsbedarf an europäischen Börsen

Doch Europas Rückstand in der Bereitstellung von Risikokapital geht über VC-Finanzierungen hinaus, wie Kambis Kohansal Vajargah betont. So würden auch viele europäische Scaleups, wenn sie soweit kommen, ihren Börsengang in den USA und nicht am Heimatkontinent machen, denn es warte potenziell mehr Kapital und damit mehr Wachstum. „Was wäre, wenn wir die Börsen aufeinander abstimmen und tatsächlich zusammenführen könnten, um auf diese Weise einen viel attraktiveren und größeren Börsenmarkt zu schaffen? Das wäre ein Grund für Startups, auch hier zu bleiben und nicht in den USA zu listen“, meint Kohansal Vajargah und wiederholt die immer wieder gestellte Forderung nach der Realisierung der Kapitalmarktunion in der EU.

„Die Lücke ist groß genug, um viele Hebel zu betätigen“

Matthias Leibetseder bringt zusätzlich die bekannte Forderung nach einer Entbürokratisierung in der EU ein – auch um es Corporates zu erleichtern, Kunden von Startups zu werden – Stichwort: Venture Clienting – und damit die Finanzierungslage zu verbessern. Auch Stefan Fürnsinn erneuert die Forderung nach Deregulierung und fasst den vielschichtigen Zugang zur Mobilisierung von Kapital markant zusammen: „Ich meine, die Lücke ist groß genug, um viele Hebel zu betätigen. Ich würde keinen auslassen.“

Europa: Risikoaversion als größtes Risiko?

Gemäß dem Titel des Events – „Venture Mindset“ – bringt er auch noch einen weiteren – durchaus bekannten – Punkt in die Diskussion ein: das Mindset. Leibetseder greift den Punkt auf und meint: „Europa ist sehr auf die Geschichte fixiert. Aber das macht uns risikoavers gegenüber der Zukunft.“ Es gelte „nach vorne zu schauen, ein bisschen aggressiver zu sein“. Doch man habe in Europa nicht das Bedürfnis, „da wir reiche Länder sind“.

Stefan Fürnsinn dreht den Spieß rhetorisch um: „Europa geht weltweit das größte Risiko ein, nämlich nichts zu tun. Ich denke, dieses Risiko, nichts zu tun, ist größer, als jenes etwas falsch zu machen. Und ich glaube, wir haben das nicht erkannt.“

Deine ungelesenen Artikel:
29.10.2025

Quantenelektronenoptik made in Austria: Das Haslinger Lab zoomt bis zum Atom

Einzelne Atome lassen sich mit moderner Elektronenmikroskopie zwar schon seit langer Zeit abbilden. Doch ihre Quanteneigenschaften, insbesondere der Spin, können bislang nicht direkt beobachtet werden. Die Forschungsgruppe um Professor Philipp Haslinger an der TU Wien arbeitet daran, das zu ändern – mit dem Ziel, eine Art „Magnetresonanztomografie im Nanomaßstab“ zu entwickeln, die Spin-Informationen sichtbar macht. Die dafür notwendigen Technologien finden sich auch auf der "Innovation Map" der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ).
/artikel/quantenelektronenoptik-made-in-austria-das-haslinger-lab-zoomt-bis-zum-atom
29.10.2025

Quantenelektronenoptik made in Austria: Das Haslinger Lab zoomt bis zum Atom

Einzelne Atome lassen sich mit moderner Elektronenmikroskopie zwar schon seit langer Zeit abbilden. Doch ihre Quanteneigenschaften, insbesondere der Spin, können bislang nicht direkt beobachtet werden. Die Forschungsgruppe um Professor Philipp Haslinger an der TU Wien arbeitet daran, das zu ändern – mit dem Ziel, eine Art „Magnetresonanztomografie im Nanomaßstab“ zu entwickeln, die Spin-Informationen sichtbar macht. Die dafür notwendigen Technologien finden sich auch auf der "Innovation Map" der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ).
/artikel/quantenelektronenoptik-made-in-austria-das-haslinger-lab-zoomt-bis-zum-atom
vl.: Michael Seifner, Antonín Jaroš und Philipp Haslinger | Foto: Philipp Haslinger
vl.: Michael Seifner, Antonín Jaroš und Philipp Haslinger | Foto: Philipp Haslinger

0,045 Nanometer – das ist aktuell die Auflösungsgrenze der leistungsstärksten Transmissionselektronenmikroskope. Ein großes Virus mit bis zu 150 Nanometern Durchmesser kann man damit schon recht gut erkennen, aber wenn es um die Untersuchung von einem DNA-Strang mit rund 2,5 Nanometer Durchmesser geht, sieht man nicht mehr viel – und das obwohl man im Prinzip einzelne Atome mit etwa 0,1 Nanometer Durchmesser sehen kann. Das Problem ist, dass der Elektronenstrahl die biologischen Bindungen, die die Atome zusammenhalten, zerstört.

Zukunftstechnologie Quantenoptik

Hier kommen der TU-Wien-Professor Philipp Haslinger und sein Team ins Spiel. „Mit klassischer Elektronenmikroskopie stößt man irgendwann an die Grenzen. Zudem werden organische Samples wie etwa Viren durch die Elektronenstrahlen zerstört“, erklärt Haslinger im Gespräch mit brutkasten. Seine Antwort: Quantenoptik – übrigens eine von 105 Zukunftstechnologien, die sich auf der neuen Innovation Map der WKÖ finden.

Genauer und „zerstörungsfrei“

Konkret ist es Quantenelektronenoptik, an der Haslinger und sein Team arbeiten. Dabei kombinieren sie zwei Technologien: Das Elektronenmikroskop (konkret: Transmissionselektronenmikroskopie) und die Spinresonanzspektroskopie, die aus der Magnetresonanztomografie (MRT) bekannt ist. “MRT ist eine nicht-invasive, also zerstörungsfreie Methode“, erläutert Haslinger. „Unsere Vision ist es, diese Idee auf die Nanowelt zu übertragen und damit kleinste Objekte sichtbar zu machen. Damit könnte man beispielsweise Protein-Strukturen auslesen, ohne sie zu beschädigen.“

Ungeahnte Möglichkeiten

Das ist aber nur eine von vielen potenziellen Anwendungsmöglichkeiten. Auch für die Materialforschung oder Energiespeichertechnologien könnte die Methode neue Perspektiven eröffnen. „Wir wissen heute noch gar nicht, welche Türen sich damit öffnen werden“, sagt Haslinger. „Im Grunde verleihen wir der Elektronenmikroskopie eine neue Charakterisierungmöglichkeit, eine neue Farbe. Sie liefert dann Informationen, die bisher unsichtbar waren. Das kann zu vielen neuen Erkenntnissen führen.“

Es sei vergleichbar mit dem Erkenntnisgewinn, den MRT gegenüber klassischer Computertomografie auf Röntgenbasis bringe: „Man sieht Dinge, die man vorher nicht gesehen hat“, so Haslinger, „als der erste Computer gebaut wurde, war auch noch nicht klar, dass einmal das Internet und später Künstliche Intelligenz folgen würden.“

„Können schon jetzt Dinge machen, die vorher nicht möglich waren“

Noch ist die Forschungsgruppe aber nicht am Ziel. „Mit unserem Prototypen können wir schon jetzt Dinge machen, die vorher nicht möglich waren, etwa die quantenmechanischen Eigenschaften von mikroskopischen Objekten mit dem Elektronenstrahl vermessen“, sagt der Forscher. Die angestrebte atomare Auflösung habe man aber noch nicht erreicht. Dafür brauche es weitere Prototypen, für die erst kürzlich unter anderem eine Förderung im Rahmen des Programms „Transfer.Science to Spin-off“ der „Christian Doppler Forschungsgesellschaft“ eingeworben wurde – brutkasten berichtete.

Antonín Jaroš am Prototyp im Labor der Forschungsgruppe | Foto: Philipp Haslinger

Diese Förderung schaffe Raum dafür, weiterzuforschen und gleichzeitig bereits an einer Spin-off-Ausgründung zu arbeiten, sagt Haslinger. Denn er forscht nicht alleine, sondern mit einem starken Team: Antonín Jaroš (PhD-Student) und Michael Seifner (PostDoc) sollen weiter die Möglichkeit haben, auch wissenschaftlich auf hohem Niveau zu arbeiten. Dennoch soll bereits in zwei bis drei Jahren gegründet werden – hierbei wird Haslingers Team auch mit den neu geschaffenen Spin-off-Strukturen innerhalb der TU Wien, zu denen unter anderem Noctua Science Ventures (brutkasten berichtete) zählt, unterstützt.

Mikroskopie als Milliardenmarkt

Und für die Zukunft gibt es durchaus große Pläne. „Elektronenmikroskopie ist ein Milliarden-Dollar-Markt mit weltweit zehntausenden Geräten – jedes große Krankenhaus, wie zum Beispiel das Wiener AKH, hat so ein Gerät“, sagt Haslinger. Und er gehe davon aus, dass die von seinem Team entwickelte Technologie in Zukunft neue Anwendungen in dem Bereich ermöglichen wird. „Es gibt jetzt schon mehrere Gruppen, die unser Produkt für die Forschung haben wollen“, so der Wissenschaftler.

Mit dem nächsten Prototypen werde man dann bereits erste Kooperationen umsetzen können. Und in weiterer Folge soll in einigen Jahren der Rollout der Technologie folgen. Ob man dann selber die Technologie herstellen werde, oder Lizenzen an Partner vergeben werde, sei aktuell aber noch nicht klar, so Haslinger. „Erst einmal müssen wir sehen, wie gut die nächsten Prototypen wirklich funktionieren und wie groß das Interesse dann tatsächlich ist.“


Entdecke die Innovation Map

Die Forschung von Philipp Haslinger und seinem Team steht exemplarisch für die Innovationskraft, die an Österreichs Universitäten steckt – und dafür, wie wissenschaftliche Erkenntnisse Schritt für Schritt ihren Weg in die Anwendung finden. Technologien wie die Quantenelektronenoptik zeigen, dass der nächste große Durchbruch oft dort entsteht, wo Grundlagenforschung auf Unternehmergeist trifft.

Wer mehr solcher Zukunftsprojekte kennenlernen möchte – von neuen Energiespeicherlösungen über MedTech-Innovationen bis zu Quantentechnologien – findet auf der „Innovation Map“ der Wirtschaftskammer Österreich einen Überblick über mehr als 100 Forschungs- und Entwicklungsvorhaben. Die interaktive Plattform macht sichtbar, wo bereits heute an der Zukunft gearbeitet wird – und lädt dazu ein, selbst einzutauchen in die Welt der Innovation.

👉 Jetzt entdecken, welche Technologien Österreichs Innovationslandschaft prägen: innovationmap.at

Toll dass du so interessiert bist!
Hinterlasse uns bitte ein Feedback über den Button am linken Bildschirmrand.
Und klicke hier um die ganze Welt von der brutkasten zu entdecken.

brutkasten Newsletter

Aktuelle Nachrichten zu Startups, den neuesten Innovationen und politischen Entscheidungen zur Digitalisierung direkt in dein Postfach. Wähle aus unserer breiten Palette an Newslettern den passenden für dich.

Montag, Mittwoch und Freitag

AI Summaries

„Europa geht weltweit das größte Risiko ein, nämlich nichts zu tun“

AI Kontextualisierung

Welche gesellschaftspolitischen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

„Europa geht weltweit das größte Risiko ein, nämlich nichts zu tun“

AI Kontextualisierung

Welche wirtschaftlichen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

„Europa geht weltweit das größte Risiko ein, nämlich nichts zu tun“

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Innovationsmanager:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

„Europa geht weltweit das größte Risiko ein, nämlich nichts zu tun“

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Investor:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

„Europa geht weltweit das größte Risiko ein, nämlich nichts zu tun“

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Politiker:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

„Europa geht weltweit das größte Risiko ein, nämlich nichts zu tun“

AI Kontextualisierung

Was könnte das Bigger Picture von den Inhalten dieses Artikels sein?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

„Europa geht weltweit das größte Risiko ein, nämlich nichts zu tun“

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Personen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

„Europa geht weltweit das größte Risiko ein, nämlich nichts zu tun“

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Organisationen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

„Europa geht weltweit das größte Risiko ein, nämlich nichts zu tun“