Es wird ernst: Dem Ethereum-System steht eines der wichtigsten Upgrades in den vergangenen Jahren bevor: Der “London Hard Fork” soll am morgigen Donnerstagnachmittag mit Block #1296500 am Ethereum-Mainnet live gehen. Auf den Test-Netzwerken Ropsten, Goerli und Rinkeby wurde er bereits umgesetzt. Klingt nach einer hochtechnischen Angelegenheit – und ist es auch. Aber ein Teil des Upgrades hat weitreichende Auswirkungen: Er wird das Gebührensystem von Ethereum von Grund auf verändern.

Im Zuge des Upgrades werden fünf sogenannte EIP, Ethereum Improvement Proposals, implementiert. Vier davon sind dabei weniger spektulär, doch eines hat es in sich – und ist auch dementsprechend umstritten: EIP-1559. Das ursprünglich von Ethereum-Gründer Vitalik Buterin selbst vorgeschlagene Proposal wird verändern, wie Transaktionsgebühren, die sogenannten Gas Fees, bei Ethereum festgesetzt werden. Derzeit läuft das System auktionsbasiert: User entscheiden selbst, wie viel sie bieten, damit Miner ihre Transaktionen validieren. Je nach Betrag und Auslastung des Netzwerks dauert es kürzer oder länger, bis dies geschehen ist.

Setzt man die Gebühr zu niedrig an, kann es sich stark verzögern, bis eine Transaktion durchgeht. “User müssen da oft gamblen, wenn sie eine Transaktion einreichen. Sie bezahlen regelmäßig zu viel, damit garantiert ist, dass ihre Transaktionen inkludiert werden”, erklärt Ethereum-Experte Anthony Sassano.

Grundgebühr und Trinkgelder

Dies soll sich mit EIP-1559 nun aber anders werden: Künftig gibt es eine fixe Grundgebühr, eine sogenannte Base Fee, für Transaktionen. Das Protokoll ermittelt einen Preis – und der User entscheidet, ob er diesen bezahlen will oder nicht. Doch es gibt noch einen zweiten wesentlichen Punkt: Diese Grundgebühr geht nicht mehr an die Miner – sondern wird vom Protokoll vernichtet.

Allerdings können User eine Aufzahlung auf die Grundgebühr vornehmen, damit ihre Transaktion priorisiert wird. Diese Aufzahlungen werden häufig als “tips”, also Trinkgelder, bezeichnet. Zusätzlich können User die maximale Gebühr festlegen, die sie bereit sind zu bezahlen – also eine Art Limit.

Miner befürchten Nachteile

Die Änderung an der Gebührenstruktur ist auch der Punkt, warum EIP-1559 so umstritten ist – denn viele Miner befürchten, unter dem neuen System schlechter auszusteigen. Unberührt von EIP-1559 bleibt der generelle Mining-Reward: Miner bekommen also weiterhin neugeschaffenes Ether für das Validieren von Transaktionen. Aber darüber hinaus erhalten sie nicht mehr die vollständigen Transaktionsgebühren, sondern nur mehr die “Tips”, während die Grundgebühr vernichtet wird.

Noch bevor diesen März beschlossen worden war, EIP-1559 im Sommer zu implementieren, kam es bereits zu scharfen Protesten bei den manchen Minern: “Die Veränderung wird die Gewinne von Minern dramatisch senken – von Menschen, die ihre Ersparnisse in das Unterstützen des Ethereum-Netzwerks gesteckt haben”, hieß es etwa in einem Protestaufruf. Eine Miner-Gruppe drohte sogar eine 51-Prozent-Attacke an – also eine feindliche Übernahme des Ethereum-Netzwerks. In den folgenden Wochen entspannte sich der Konflikt jedoch wieder etwas.

Die größere Veränderung für Miner steht ohnehin erst noch bevor: Mit dem für das kommende Jahr geplanten Umstieg auf Ethereum 2.0 wird auch der auf Mining basierende “Proof of Work”-Konsensmechanismus verschwinden – und durch den energieeffizienteren “Proof of Stake”-Ansatz ersetzt werden.

“Deflationärer Druck”

Doch zurück zu EIP-1559: Weil mit der Implementierung des London-Upgrades die Grundgebühr künftig vernichtet wird, könnte sich die Ethereum-Währung Ether ganz grundlegend verändern – und zwar von einer inflationären zu einer potenziell deflationären Kryptowährung. Bei Bitcoin beispielsweise gibt es eine Obergrenze, wie viele Bitcoin jemals geschaffen werden können: Das maximale Bitcoin-Angebot ist auf 21 Millionen beschränkt. Bei Ether gibt es dagegen kein solches Limit.

Mit dem Vernichten der Grundgebühr entsteht nun aber zumindest ein Gegengewicht zu den neu geschaffenen Ether. So entstehe ein “deflationärer Druck auf das Netzwerk”, wie es Tim Beiko, ein führender Entwickler der Ethereum-Foundation gegenüber Decrypt formuliert. Ethereum-Experte Anthony Sassano weist allerdings darauf hin, dass dieser deflationäre Druck nicht unbedingt bedeute, dass Ether pe se deflationär werde – weil dies auch davon abhänge, wieviele neue Ether geschaffen werden. Jedenfalls aber wird die Inflationsrate der Kryptowährung durch EIP-1559 abgeschwächt.

Dies sollte den Wert von Ether theoretisch langfristig erhöhen. Kurzfristig ist der Kurs in den vergangenen beiden Wochen vor dem Upgrade jedenfalls von 1.700 auf rund 2.500 Dollar gestiegen – was allerdings grob im Einklang mit den Bewegungen anderer großer Kryptowährungen steht und nicht unbedingt in einen Zusammenhang mit dem Upgrade gebracht werden muss.

Gebühren sinken nicht unmittelbar

Eine andere Frage ist, wie sich die veränderte Gebührenstruktur auf die Höhe der Gebühren auswirkt. Hohe Transaktionsgebühren gelten als eines der größten Probleme von Ethereum. Im Mai, als Ether ein Rekordhoch von über 4.000 Dollar erreichte, stiegen auch die Transaktionengebühren stark an und erreichten zwischenzeitlich sogar einen durchschnittlichen Wert von 70 Dollar pro Transaktion.

Mittlerweile sind die Gebühren wieder deutlich gesunken – einerseits aufgrund des Kursrückgangs, andererseits aber auch, weil es zunehmend Layer-2-Lösungen gibt. Diese ermöglichen schnellere und günstigere Transaktionen, indem sie zwar auf der Ethereum-Blockchain aufbauen, aber keine Änderungen an dieser erfordern. Dazu zählen unter anderem Optimism, Polygon (Matic) oder Arbitrum.

Per se senken wird EIP-1559 die Transaktionskosten nicht, allerdings durchaus indirekt: EIP-1559 helfe, dass man im Vorfeld besser abschätzen könne, wie hoch die notwendige Gebühr für eine Transaktion sei, sagt Ethereum-Entwickler Beiko. Dies sollte dazu führen, dass User nicht mehr bezahlen als notwendig – was im Auktionssystem regelmäßig vorkommt. Beiko erwartet von der Änderungen zwar einen durchaus nennenswerten, aber keinen revolutionären Effekt: Man müsse sich eher eine Reduktion um 20 Prozent vorstellen als eine Reduktion ums Zwanzigfache, erläutert der Entwickler.

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