25.08.2017

Es muss nicht immer Hongkong, Singapur oder Tokio sein, auch Taipei ist spannend für Startups

Interview. Seit mittlerweile vier Jahren ist Christian Fuchssteiner nun schon Wirtschaftsdelegierter in Taipei. Der Brutkasten hat ihn kürzlich getroffen und über die dortige Startup-Szene als auch Möglichkeiten für Startups aus Österreich in Taiwan gesprochen. Fünf essentiellen Tipps für eine Expansion nach Taiwan hat uns Christian Fuchssteiner überdies für euch verraten.
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Wie wird man Trade Commissioner in Taiwan und welche Aufgaben verfolgst du dort? Stelle dich bitte selbst unserer Community vor.

Gerne! Ich bin Christian Fuchssteiner und seit 2013 als Wirtschaftsdelegierter zuständig für Taiwan. Zuvor war ich bereits für die Außenwirtschaft Austria – die Internationalisierungsagentur der österreichischen Wirtschaft – für jeweils drei Jahre in Kroatien, Hongkong und Russland im Einsatz. Nach einem kurzen Zwischenstopp in Wien habe ich mich für die jetzige Position in Taipei beworben und hatte Glück, dass es gleich auf Anhieb mit meiner Wunschdestination geklappt hat! In meinem sehr abwechslungsreichen Arbeitstag dreht sich alles um österreichische Firmen: von Gütern, die im Zoll stecken bleiben, über die Suche neuer Vertriebspartner für eine innovative Augmented Reality-Lösung bis hin zu der Betreuung von Wirtschaftsmissionen oder Zukunftsreisen österreichischer Unternehmen und offizieller Delegationen; wir unterstützen und fördern hands-on Unternehmer, die in Taiwan Fuß fassen wollen – egal welche Branche oder Unternehmensgröße.

+++ Gastbeitrag: Pitching-Contest in Peking mit österreichischer Beteiligung +++

Taiwan ist in Europa vor allem durch große Unternehmen aus dem Elektronikbereich, wie HTC, Acer oder Asus, bekannt. Gibt es vor Ort eine lebendige Startup Szene?

In Taiwan gibt es – getrieben durch die weltbekannten Elektronikkonzerne wie HTC, Acer, BenQ, Asus, aber auch Auftragsfertiger Foxconn oder den weltgrößten Chiphersteller TSMC – ein dynamisches Startup-Ecosystem. Zudem forciert die Regierung in Taipei mit attraktiven Programmen junges Unternehmertum und investiert stark in Rahmeninfrastruktur, wie Accelerators, Co-Working Spaces, ausreichend Venture Capital, usw. Dazu kommt das Großprojekt „Asia Silicon Valley“: Auf einem riesigen Gelände in der Nähe des internationalen Flughafens soll gemeinsam mit etablierten Multinationals und Startups ein weltweites Kompetenzzentrum für Internet of Things (IoT) entstehen.

Welchen USP hat Taiwan für Startups im Vergleich mit anderen asiatischen Ländern?

Taiwan punktet vor allem durch seine Größe; die ist nämlich relativ überschaubar, was nicht nur Reisen auf der Insel extrem erleichtert, aber vor allem dazu führt, dass die High-Tech-Industrie sehr stark in Clustern organisiert und ausgezeichnet vertikal integriert ist. Taiwan ist deshalb heute eine hochleistungsfähige Produktionsplattform und unverzichtbarer Bestandteil der globalen Elektronik-Supply-Chains. Ein zusätzliches Asset sind die vergleichsweise geringen Mengenanforderungen und eine starke Kernkompetenz bei Prototyping. Kurzum: Wer Produktideen aus dem IoT-Bereich zu einem fertigen ICT-Produkt reifen lassen will, ist in Taiwan an der absolut richtigen Adresse. Last but not least, Taiwan und seine Hauptstadt Taipei bieten eine beeindruckende Lebensqualität. Die Vorteile einer modernen & sicheren Großstadt gepaart mit beeindruckenden Naturlandschaften und einer vielfältigen kulturellen Tradition findet man selten in dieser Kombination in asiatischen Metropolen. Jeder, der schon einmal hier war, weiß die Handschlagqualität, Freundlichkeit und ausgeprägte Leidenschaft der Taiwanesen für gutes Essen zu schätzen.

Hongkong, Singapur, Peking oder Tokio – in welcher Liga spielt Taipei?

Eines ist klar: Taipei steht nicht so stark im internationalen Rampenlicht wie die vier oben genannten Städte. Das hat vor allem mit der fehlenden Anerkennung Taiwans als eigenständiges Land zu tun. Ein riesiger Vorteil ergibt sich aber daraus: Kosten. Als „Asian Tiger“ ist Taiwan wirtschaftlich und infrastrukturell ähnlich gut entwickelt wie Hongkong oder Singapur – Top-Platzierungen in internationalen Rankings bestätigen dies Jahr für Jahr – die Lebenserhaltungskosten machen in Taipei aber nur einen Bruchteil anderer asiatischer Metropolen aus, deren Immobilienpreise seit Jahren exorbitant steigen. Die bereits erwähnte hohe Lebensqualität gepaart mit einer authentischen kulturellen Tradition macht es deshalb für viele Insider zu einem „Hidden Gem“. Viele Unternehmen entscheiden sich deshalb, Taiwan als „Sprungbrett“ und Testmarkt für andere asiatische Länder, vor allem aber China, zu verwenden. Die gut ausgebildeten Arbeitskräfte und kompetitiven Löhne machen es bei Unternehmen aus dem Silicon Valley als „BackOffice“-Hub bzw. im Bereich der Softwareentwicklung attraktiv.

Gibt es schon Startups aus Österreich, die in Taiwan aktiv geworden sind, oder den Sprung in Kürze wagen?

Es gibt Startups, die bereits in Taiwan mit ihrer Geschäftsidee angeklopft und potenzielle Partner gescoutet haben Beachtliche Erfolge gibt es vor allem bei Zulieferern für die Halbleiterindustrie. Für viele österreichische Unternehmen ist die Pazifikinsel aber oft ein „unbeschriebenes Blatt“. Es ist auch unsere Aufgabe als AußenwirtschaftsCenter auf die Vorzüge und Geschäftschancen in Taiwan aufmerksam zu machen. Ein Highlight und wichtiger Grundstein in diesem Zusammenhang war sicher der Besuch von 8 österreichischen Startups im Juli 2017, die im Rahmen des goHongKong Programms von GIN Austria und der WKO für 2 Tage zu einer „BreakOut Session“ nach Taipei gekommen sind.

Welche Möglichkeiten bestehen in Taiwan für Startups aus Österreich und für welche Branchen ist der dieser Markt tatsächlich spannend?

Besonders interessant ist Taiwan, wie oben bereits erwähnt, für Unternehmen aus dem Hardwarebereich, die entweder noch daran arbeiten, ihren Prototypen zur Marktreife zu bringen, oder Hardwarehersteller, die ihre Prozesse und Lieferketten internationalisieren wollen. Übrigens bezieht sich Hardware nicht nur auf den Elektronikbereich: Taiwan ist mit Marken wie Giant oder Merida auch Weltmarktführer in der Herstellung von Fahrrädern. Auch bei anderen Sportgeräten, Maschinenwerkzeugen, Autoteilen oder der Textilindustrie – Stichwort „Smart Textiles“ – ist Taiwan Weltklasse. Es gibt übrigens sehr interessante Taiwan Startup Boot Camp–Programme, im Rahmen derer internationalen Startups sämtliche Flug- sowie Reise- & Aufenthaltskosten in Taiwan bezahlt werden. Aktuell z.B. gibt es dazu eine Ausschreibung des Accelerators Garage+. Ein anderes Programm, das Taiwan Rapid Innovation Prototyping League for Entrepreneurs (TRIPLE), verbindet ausländische Unternehmen mit OEM/ODM-Produzenten, Forschungsunternehmen und spezialisierten Start-Up-Accelerators in Taiwan. Für Exporte nach Taiwan sind die Bereiche Zulieferungen zur Halbleiterindustrie, Life Sciences & MedTech, Smart & Green City oder innovative & spannende F&B-Produkte besonders interessant.

Bitte zum Abschluss um fünf essentielle Tipps für Startups aus Österreich die in Taiwan aktiv werden wollen.

  1. Komm her und mach dir selbst ein Bild: Die eigene Erfahrung und das „Bauchgefühl“ sind oft besser als Reports oder umfangreiche Analysen. Nimm an einem dafür passenden Startup-Programm teil – die Konditionen sind hier meist sehr attraktiv!
  2. Überleg dir genau, was du in Taiwan erreichen willst: Produkte & Services für den taiwanesischen Markt oder Taiwan als Ausgangspunkt für andere asiatische/ globale Märkte, nach dem Motto „from Taiwan to the World“.
  3. Plane am Anfang Zeit zur Kontaktpflege ein: Die Startup-Community ist sehr gut vernetzt und bietet in der Regel viel Unterstützung und Tipps an. Oft kann dich das in die richtige Richtung bzw. zum passenden Kontakt führen.
  4. Klingt wie eine Binsenweisheit, führt aber immer wieder zu Missverständnissen und Problemen: Nimm dir Zeit, um lokale Kultur und Geschäftspraktiken zu verstehen. Taiwanesen sind generell sehr umgänglich, business-minded und sehr westlich-geprägt; das täuscht manchmal darüber hinweg, dass Menschen hier nichtsdestotrotz anders „ticken“ und kulturelle oder religiöse Traditionen in allen Gesellschaftsschichten stark verwurzelt sind.
  5. Schreib uns unter [email protected]: Wir helfen dir bei einer ersten Geschäftseinschätzung, suchen für dich die passenden Kontakte und begleiten dich bei Bedarf zu konkreten Terminen. Das Außenwirtschafts Center Taipei ist dein erster Ansprechpartner in allen wirtschaftlichen Fragen in Taiwan.

+++ Startups auf dem richtigen (Export)Weg +++

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Lanbiotic, Neurodermitis
(c) Oliver Wolf - Patrick Hart und Katrin Susanna Wallner von Lanbiotic.

Das Grazer Startup Lanbiotic stellt medizinische Hautpflege-Produkte mit lebensfähigen Bakterien speziell für die von Neurodermitis geplagte Haut her. Dabei verwenden die beiden Gründer:innen Patrick Hart und Katrin Wallner den zum Patent angemeldeten Bakterienstamm “Lactococcus Lanbioticus“.

Lanbiotic: “Skalierung als neue Normalität”

“Mit unseren probiotischen Hautanwendungen bringen wir gesundheitsfördernde Bakterien direkt auf die Haut, um die natürliche Balance des Hautmikrobioms wiederherzustellen und Hautprobleme gezielt an der Ursache zu bekämpfen”, erklärt Wallner.

Das letzte Jahr fühlte sich für die Gründerin an, als sei ein Traum nicht nur wahr, sondern sogar übertroffen worden. Andererseits sei es eine “neue Normalität” an der Skalierung des Unternehmens zu arbeiten.

“Wir haben weitere Produkte mit unserem einzigartigen Bakterienstamm ‘Lactococcus Lanbioticus’ entwickelt, um umfassender auf die Bedürfnisse von Menschen mit zu Neurodermitis neigender Haut eingehen zu können. Neu hinzugekommen sind Flora Bath und Flora Sun”, erklärt Wallner.

Flora Bath ist ein spezieller Badezusatz, der für Menschen entwickelt wurde, die großflächig oder an der Kopfhaut von Ekzemen betroffen sind – ein Bereich, in dem Pflegecremen oft an die Grenzen ihrer Praktikabilität stoßen.

“Der Fokus liegt wie immer bei Lanbiotic auf der Ergänzung des Hautmikrobioms, also ‘der lebende Teil’ der natürlichen Schutzbarriere der Haut, die den gesamten Körper bedeckt, mit probiotischen Bakterien”, so Wallner weiter. “Eine Ausgewogenheit des Hautmikrobioms ist, wie auch im Darm, entscheidend, um die Gesundheit der Haut zu bewahren und Beschwerden zu lindern.”

Flora Sun hingegen ist ein weiteres Produkt, das auf die besonderen Herausforderungen empfindlicher Haut unter UV-Strahlung eingeht. Studien hätten gezeigt, dass das Hautmikrobiom die natürliche Fähigkeit der Haut verbessern kann, mit den Effekten – und häufig auch Schäden – durch Sonneneinstrahlung umzugehen.

EHI-Siegel für Onlineshop

“Parallel dazu haben wir auch international expandiert: Der Eintritt in den deutschen Markt war ein großer Schritt, der mit der Anpassung unserer Produktions- und Logistikkapazitäten verbunden war, um langfristig weitere internationale Märkte beliefern zu können. Unser Webshop wurde außerdem mit dem EHI-Siegel zertifiziert, um unseren Kund:innen einen sicheren und vertrauenswürdigen Einkauf zu ermöglichen.”

Auch das Team wuchs 2024, zudem konnte durch zahlreiche Medienauftritte und Messeteilnahmen Aufmerksamkeit für die eigenen Produkte und die Marke gewonnen werden.

“Als weiteres Highlight wurden wir von der Apothekerkammer mit unserer Fachfortbildung akkreditiert, was Apotheker dazu motiviert, unsere Fortbildungen zu besuchen und mehr über das noch recht ‘nischige’ Thema Hautmikrobiom zu erfahren”, sagt Wallner.

Neue Märkte im Fokus

Aktuell arbeitet das Startup intensiv daran, Lanbiotic als Unternehmen und Marke weiterzuentwickeln, strategisch zu positionieren und zu skalieren. Das oberste Ziel ist es, die Lebensqualität von Menschen mit Neurodermitis über ihre mikrobiombasierten Produkte zu verbessern.

“Wir möchten Lanbiotic in weiteren Märkten etablieren, insbesondere natürlich in Ländern, wo die Prävalenz für Neurodermitis hoch ist. Dafür arbeiten wir an effizienten Marketingprozessen, um unsere Markenbekanntheit zu steigern, und bauen unsere Vertriebsstrukturen aus”, erklärt die Founderin. “Um diesen Schritt bestmöglich zu unterstützen, suchen wir gezielt nach vertrauenswürdigen Partnern für den internationalen Vertrieb, die unsere Werte und Qualitätsansprüche teilen. Die Kooperationen sollen es uns ermöglichen, unsere Produkte nachhaltig in weiteren europäischen und außereuropäischen Ländern anzubieten und das Thema Hautmikrobiom international bekannter zu machen.”

Daneben optimiert das Team Produktionsprozesse, um der wachsenden Nachfrage nachkommen zu können. In der Produktentwicklung liegt dabei der Fokus auf der Entwicklung weiterer wissenschaftsbasierten probiotischen Pflegeprodukten, die speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Neurodermitis und empfindlicher Haut zugeschnitten sind. Dazu steht man intensiv mit Industrie und Spitzenforschung in Kontakt.

Lanbiotic: Strukturen und Prozesse schaffen

Intern sei man vor allem stark mit dem Aufbau der Organisation beschäftigt. Man arbeitet daran, Strukturen und Prozesse zu schaffen, die das Wachstum langfristig stützen können. Ziel sei es, eine gesunde Organisation aufzubauen, die den Expansions- und Innovationszielen gerecht werde und das Unternehmen flexibel in die nächsten Entwicklungsstufen führt.

Lanbiotic wurde in der Vergangenheit unter anderem auch von der Austria Wirtschaftsservice (aws) unterstützt. So absolvierte das Unternehmen den aws First Incubator und erhielt über aws Innovationsschutz eine Förderung, um sein geistiges Eigentum zu schützen. Später folgte eine Preseed- und Seed-Förderung über aws Innovative Solutions. Mit diesem Seed-Förderprogramm unterstützt die aws innovative Gründungsideen, die über die Unternehmensgrenzen hinaus einen positiven gesellschaftlichen Impact bewirken. Der Fokus liegt auf skalierbaren Geschäftsmodellen. Im Fall von Lanbiotic war die Förderung essentiell, um die Produktentwicklung und Markteinführung zu finanzieren und sich allgemein zu professionalisieren.

“Eine bessere Förderung als aws Seed Innovative Solutions könnte es derzeit, meiner Meinung nach, für uns nicht geben”, sagt sie. “Es handelt sich um einen nicht rückzahlbaren Zuschuss von 400.000 Euro, der für unterschiedlichste Aktivitäten in der Markteinführung und Produkteinführung verwendet werden kann. Naturgemäß ist das Programm sehr kompetitiv, aber wenn man für die Finanzierung ausgewählt wird, hat man wirklich einen gewaltigen Booster, um ein nachhaltiges Unternehmen aufzubauen.”

Die weiteren Ziele von Lanbiotic

Im Allgemeinen habe ihnen das Programm bereits jetzt weit mehr gebracht als Geld. “Ich empfand den Bewerbungsprozess per se als wertvolle Erfahrung, um mir unser Business Model noch einmal ganz genau anzusehen und unsere Ziele zu definieren”, präzisiert die Grazerin. “Dass wir sie jetzt so scheinbar ‘locker’ übertreffen konnten, ist natürlich die Draufgabe.”

Durch die positive Resonanz der stetig wachsenden Stammkundenbasis sieht sich Wallner in ihrer Mission bestätigt. “Wir wissen aber auch, dass viele Menschen Lanbiotic noch nicht kennen und Neurodermitis in vielen Ländern nach wie vor ein großes Problem darstellt”, sagt sie. “Daher wollen wir gezielt skalieren, den Umsatz und Gewinn steigern, innerhalb und außerhalb Europas expandieren und unser Produktportfolio weiter diversifizieren.”

In Sachen Umsatzentwicklung wird Lanbiotic 2024 das gesetzte Umsatzziel voraussichtlich verdoppeln, wie Wallner erzählt. “Unser für 2025 gestecktes Ziel ist ambitioniert, aber wir sind zuversichtlich, dass wir hier wieder gute Arbeit leisten. Aktuell haben wir einen sechsstelligen Nettoumsatz erreicht, und dank der Unterstützung durch die aws Seed-Förderung werden wir auch heuer, wie jedes Jahr seit unserer Gründung, noch profitabler sein.”


* Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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