11.01.2023

Wie die Reaktionen auf das neue Energiepaket der Regierung ausfallen

Die österreichische Bundesregierung präsentierte am Mittwoch im Zuge ihrer Regierungsklausur ihr Energie-Paket, das künftig den Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen soll. Die Reaktionen von Branchenvertreter:innen fallen durchwegs positiv aus.
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BKA
(c) Andy Wenzel BKA

Gleich mehrere Maßnahmen zum Ausbau erneuerbarer Energien präsentierte die Regierung im Zuge ihrer Klausur in Mauerbach am Mittwoch. Im sogenannten Energiepaket ist unter anderem die UVP-Novelle enthalten, die bereits im Sommer 2022 in Begutachtung geschickt wurde und zuletzt ins Stocken geraten ist. Gegenüber dem Begutachtungsentwurf gab es allerdings keine großen Änderungen. So sollen, wie bereits im vergangenen Jahr angekündigt, Doppelprüfungen hinsichtlich Eingriffen ins Landschaftsbild im UVP-Verfahren künftig der Vergangenheit angehören. Zudem können in Bundesländern, in denen es keine Energieraumplanung gibt, künftig auch Windkraftanlagen ohne die entsprechende Flächenwidmung gebaut werden. Dieses Vorhaben war zuletzt bei einigen Landeshauptleuten sehr umstritten, sei jedoch laut Klimaschutzministerium (BMK) verfassungskonform. Zudem soll der Bau von Windrädern oder Wasserkraftwerken künftig ein hohes öffentliches Interesse zuteil werden, wobei Beschwerden keine aufschiebende Wirkung mehr haben.

Ersten Reaktionen auf die UVP-Novelle

In einer ersten Reaktion sprach IG Windkraft von einem “Meilenstein” für die Energiewende. “Der Entwurf für eine Novellierung des UVP-Gesetzes enthält zahlreiche Punkte, die wesentlich zu einer schnelleren und einfacheren Genehmigung von Windkraftanlagen beitragen werden. Diese Novelle kann somit zu einem Meilenstein für die Energiewende werden“, so Stefan Moidl, Geschäftsführer der IG Windkraft. Auch von Seiten der Wirtschaftskammer gab es Lob zur UVP-Reform. “Wenn nachhaltige Lösungen in der Genehmigungsschleife stecken, kann die Energiewende nicht gelingen. Es ist daher erfreulich, dass die Regierung dieses Thema nicht nur erkannt, sondern im Rahmen der Regierungsklausur auch konkrete Maßnahmen vorgestellt hat”, so Generalsekretär Karlheinz Kopf.

(c) Andy Wenzel BKA

Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungs-Gesetz (EABG)

Zu den präsentierten Maßnahmen zählt neben der UVP-Novelle auch eine Ausbauoffensive für PV-Anlagen mittels des Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungs-Gesetzes (EABG). So sollen in diesem Jahr noch 600 Millionen Euro für die PV-Förderung zur Verfügungen stehen, was mehr als 200 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Zudem entfallen Genehmigungen für PV-Anlagen auf bereits versiegelten Flächen. Auch die Ablehnung von Genehmigungen alleinig aufgrund des Ortsbildes sollen künftig entfallen. “Jetzt liefern wir mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungs-Gesetz (EABG) weitere umfangreiche Verbesserungen für die Genehmigung von kleineren Anlagen. Künftig kann auch eine Förderung beantragt werden, wenn die Anlage bereits im Bau ist”, so Gewessler zum neuen Gesetz, das noch durch den Nationalrat muss.

Fragen der Netzinfrastruktur

Lob gab es auch von Vertreter:innen der E-Wirtschaft, obgleich Oesterreichs Energie Präsident Michael Strugl, den raschen Ausbau der Netzinfrastruktur einmahnte: “Wesentlich ist jedoch, dass in diesem Zusammenhang auch der Ausbau der Stromnetze forciert wird. Gerade in Zusammenhang mit dem sprunghaften PV-Ausbau sehen wir, dass sich Engpässe in der Netzinfrastruktur sonst künftig zu einer veritablen Ausbau-Hürde entwickeln könnten”.

(c) Shervin Sardari BMKÖS

Kritisch sieht Strugl hingegen die fehlende Etablierung eines „überwiegenden öffentlichen Interesses“ für Vorhaben der Energiewende, wie es die EU-Vorgaben vorsehen. In den vorliegenden Texten ist laut dem Branchenvertreter nämlich lediglich von einem „hohen öffentlichen Interesse“ die Rede. „Durch diese Relativierung erhalten Energiewendeprojekte in Österreich nicht jenen klaren rechtlichen Vorrangcharakter, auf den man sich auf europäischer Ebene geeignet hat“, so Strugl.

Auch Gerhard Christiner, technischer Vorstand Austrian Power Grid (APG), thematisiert in diesem Zusammenhang den Ausbau der Netzinfrastruktur. “Wir begrüßen die Bestrebungen der Bundesregierung die Vereinfachungs- und Beschleunigungsinstrumente zu schaffen, um Projekte im Sinne der Energiewende voranzutreiben. Dazu müssen auch Vorhaben der Netzinfrastruktur zählen, welchen eine herausragende Rolle und Bedeutung bei der Integration von Erneuerbaren zukommt.“

Ausbau der Biogasproduktion

Als dritte Maßnahme des Energiepakets präsentierte die Bundesregierung den Ausbau der Biogasproduktion in Österreich, wobei dies das “Erneuerbare-Gase-Gesetz” und die “Biogasverordnung” umfasst. Unter anderem soll die heimische Biogasproduktion in den kommenden sieben Jahren mehr als verzehnfacht werden. 2030 soll der Gasmix in Österreich zu elf Prozent aus Biogas bestehen. „Mehr und praxisnähere Maßnahmen“ hätte sich in diesem Zusammenhang WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf beim Ausbau von grünen Gasen gewünscht: “Ein Hochfahren der Kapazitäten müsse in den nächsten Jahren ein zentrales Ziel sein, da grüne Gase ein essenzieller Baustein sind, damit die Transformation auch in den Unternehmensbereichen gelingt, die für ihre Prozesse weiterhin Gas benötigen werden.”


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Wiener-Börse-CEO Christoph Boschan
Wiener-Börse-CEO Christoph Boschan | Foto: brutkasten / Wiener Börse (Hintergrund)

Die neue EU-Kommission steht. Hierzulande laufen dagegen nach wie vor die Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS mit ungewissem Ausgang. Währenddessen kommt nicht nur Österreich nicht aus der Rezession heraus und auch die Prognosen bleiben tendenziell negativ. Begleitet wird das Szenario von einer Häufung an dramatischen Appellen und Forderungen nach umfassenden Änderungen in der Wirtschaftspolitik.

Wie steht es wirklich um Österreich und die EU? Was sind nun die drängendsten Maßnahmen? brutkasten geht diesen Fragen gemeinsam mit führenden Köpfen der heimischen Innovationsszene nach, darunter etwa FFG-Geschäftsführerin Henrietta Egerth, mit PlanRadar-Co-Founder Sander van de Rijdt und mit Storebox-Co-Founder Johannes Braith.

Zum Thema Kapitalmarkt haben wir nun bei Christoph Boschan, CEO der Wiener Börse, nachgefragt.


brutkasten: Die Regierungsverhandlungen befinden sich in der entscheiden Phase. Was sind die wichtigsten Maßnahmen, die in Österreich umgesetzt werden sollten, um Kapitalmarkt und Börse zu stärken?

Christoph Boschan: Die schnellste und einfachste Maßnahme wäre die Wiedereinführung der Behaltefrist für Wertpapiere bzw. die Einführung eines Vorsorgedepots. Das lag alles fix fertig auf dem Tisch und stand im letzten Regierungsprogramm.

Gewichtiger wäre eine bessere Abstimmung des Pensionssystems auf den Kapitalmarkt, also eine teilweise Veranlagung der ersten Säule am Aktienmarkt. Da spreche ich übrigens nicht mit dem reinen Blick durch die “Kapitalmarkt-Brille”. Das würde zugleich den Staatshaushalt entlasten und die Pensionsfinanzierung nachhaltig absichern und Geld für die Innovations- und Wachstumsfinanzierung bereitstellen.

Sie haben in einem brutkasten-Studiotalk im September gefordert, “zentrale, mächtige, große Kapitalsammelstellen zu errichten”. Was genau verstehen Sie darunter, beziehen Sie sich primär auf Pensionsfonds oder verstehen Sie das Konzept breiter?

In der teilweisen Veranlagung der ersten Säule am Kapitalmarkt liegt tatsächlich das größte Potenzial, ein bis zwei Prozent machen hier auf einige Jahre gesehen bereits viel aus. Die zweite Säule könnte mit einer verpflichtenden betrieblichen Vorsorge gestärkt werden. Oder man kreiert einen Staatsfonds nach norwegischem Vorbild.

Abseits davon gibt es in Österreich 330 Mrd. Euro an niedrigverzinstem privatem Kapital, die nicht nur keine Rendite abwerfen, sondern den Unternehmen auch bei der Innovationsfinanzierung fehlen. Die Liste an Möglichkeiten ist lang, wie auch jene der schon existierenden Blaupausen in Europa.

Welche Maßnahmen bräuchte es konkret? Welche dieser Schritte können in Österreich gesetzt werden und welche nur auf europäischer Ebene?  

Die entscheidenden Schalthebel sind tatsächlich bei den Nationalstaaten. Vorlagen, die für den österreichischen Anwendungsfall angepasst werden können, gibt es genug. Norwegen mit dem Staatsfonds, Schweden mit der teilweisen Veranlagung der Pensionen am Kapitalmarkt, die Schweiz mit der verpflichtenden betrieblichen Altersvorsorge. In Deutschland kommt nun das Vorsorgedepot mit steuerbegünstigter Wertpapierveranlagung. Alles, was eine zu befürwortende Harmonisierung betrifft, etwa beim Gesellschafts-, Insolvenz- und Steuerrecht, ist auf EU-Ebene zu lösen.

Stichwort EU-Ebene. Sie sprechen auch oft von der “unvollendeten Kapitalmarktunion”. Was müsste aus Ihrer Sicht geschehen, um diese Kapitalmarktunion zu vollenden?

Das deckt sich mit den zuvor diskutierten Ansätzen, die jedoch in der langen Liste der – grundsätzlich zu befürwortenden – Ziele der Kapitalmarktunion nur unzureichend adressiert werden können, da derzeit die großen Kapitalsammelstellen nur durch die Mitgliedsstaaten geschaffen werden können. Ohne große Kapitalsammelstellen werden wir die europäische Konkurrenzfähigkeit nicht entscheidend ankurbeln können.

Inwiefern können Kapitalreserven in privaten Altersvorsorgesystemen oder Pensionsfonds als „Treibstoff“ für tiefe und liquide Märkte dienen? 

Indem sie in börsennotierte Unternehmen investieren. Damit schaffen wir die besagten großen Liquiditätspools bzw. Kapitalsammelstellen. Die Unternehmen haben somit eine umfassendere Kapitalquelle für Innovation und Wachstum. Das erklärt auch, warum wir in Europa mit Abwanderung von Listings in Richtung USA zu kämpfen haben. Wachstumsorientierte Unternehmen gehen dorthin, wo sie potenziell das meiste Kapital bekommen können.

Wenn wir wollen, dass das nächste Google, Meta oder Amazon aus Europa kommt, müssen wir hier anpacken. Volkswirtschaften mit entwickelten Kapitalmärkten wachsen schneller und erholen sich rascher von Krisen.

Sie haben bereits angesprochen, dass die nun scheidende Regierung die Wiedereinführung der Behaltefrist für Aktien im Regierungsprogramm vereinbart hatte, ohne sie dann tatsächlich umzusetzen. Für wie wichtig – verglichen mit anderen Möglichkeiten, Anreize zu schaffen – wäre diese Maßnahme, um die private Vorsorge über die Börse attraktiver zu gestalten?

Ich bin immer dafür, Individuen zu ermächtigen und zu stärken und genau das macht die Behaltefrist. Die Befreiung von der KESt (Kapitalertragssteuer) für die langfristige Altersvorsorge ist als Anreiz nicht zu unterschätzen. Sie ist längst überfällig.

Versteuertes Arbeitseinkommen wird in Unternehmen investiert, diese schütten mit Körperschaftsteuer besteuerten Gewinn aus, auf den nochmal 27,5 Prozent geltend werden. Diese steuerliche Eskalation ist immens. Wer vorausschauend agiert und für sein Alter vorsorgt, sollte dringend entlastet werden.

Sie vertreten mit der Wiener Börse die österreichische Nationalbörse. Aktuell kursieren einige Vorschläge, die einen anderen Bereich, nämlich den vorbörslichen Kapitalmarkt betreffen und diese attraktiver machen sollen, etwa die Schaffung eines Dachfonds, der in bestehende Venture-Capital-Fonds investiert, oder einen Beteiligungsfreibetrag für Business Angels und andere private Kapitalgeber. Wie blicken Sie darauf?

Ich halte Ansätze, die Innovation, junges Unternehmertum und Wachstum fördern immer für begrüßenswert. Von jungen Unternehmen, die am Beginn ihrer Reise mit genügend Kapital ausgestattet werden, wird in weiterer Folge auch die Börse, die am oberen Ende der Finanzierungsstufen steht, profitieren.


Aus dem Archiv: Christoph Boschan im brutkasten-Studiotalk (September 2024):


Aus dem brutkasten-Printmagazin: Warum ein Börsengang nicht nur etwas für Großkonzerne ist


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