01.08.2024
RESSOURCENVERBRAUCH

Earth Overshoot Day: Stimmen aus der Startup-Szene

Heute ist es wieder soweit: Die Ressourcen des Planeten sind für dieses Jahr statistisch gesehen aufgebraucht. Was muss passieren, um das Problem zu lösen? Wir haben Meinungen aus der heimischen Startup-Szene eingeholt.
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Gründer:innen zum Earth Overshoot Day - (vlnr.) Matthias Katt, Lorena Skiljan, Kilian Kaminski, Johannes Braith | (c) eFriends / Nobilegroup / refurbed / Storebox
(vlnr.) Matthias Katt, Lorena Skiljan, Kilian Kaminski, Johannes Braith | (c) eFriends / Nobilegroup / refurbed / Storebox

Rechnerisch hat die Menschheit am heutigen 1. August alle Ressourcen aufgebraucht, die die Erde in einem Jahr produzieren kann – so definiert sich der Earth Overshoot Day. Im Jahr 2022 lag der Tag am 28. Juli. 2023 gelang es der Menschheit, ihn mit dem 2. August zumindest ein paar Tage nach hinten zu bringen. Dieses Jahr liegt er wieder einen Tag früher.

Die Menschheit lebt auf Pump

Die Berechnung beruht natürlich zum Teil auf Schätzungen und lässt sich gewiss in die eine oder andere Richtung abändern, wenn man an den Parametern dreht. Dennoch steht mit Sicherheit fest: Die Menschheit lebt – bezogen auf die Ressourcen des Planenten – auf Pump. Und das konstant seit den 1970’er-Jahren, wobei das Datum des Earth Overshoot Day seitdem mit kleinen Unterbrechungen sukzessive nach vorne rückte. Von einer Lösung des Problems scheint die Menschheit also denkbar weit entfernt – allen aktuellen Bemühungen zur Eindämmung des Ressourcenverbrauchs zum Trotz.

Klares Ziel, unklarer Weg

Dass der zu hohe Ressourcenverbrauch eine ernsthafte Bedrohung für die Menschheit darstellt, ist mittlerweile im Allgemeinen anerkannt. Wie diesem Problem zu begegnen ist, ist jedoch strittig. Spielen die Politik, die Wirtschaft oder die Konsument:innen die größte Rolle? Lässt sich eine signifikante Reduktion des Ressourcenverbrauchs mit anhaltendem Wirtschaftswachstum vereinbaren? Und braucht es harte Gesetze und Verbote, oder sind Anreize der bessere Weg, um dem Ziel näher zu kommen? Wir haben zu diesen Fragen Stimmen aus der Startup-Szene eingeholt.

Lorena Skiljan: “Klares Bekenntnis zu notwendigen Änderungen und Maßnahmen notwendig”

“Alle großen Hebel in Zusammenhang mit dem Ressourcenverbrauch sind bereits bekannt. Die Wissenschaft gibt eine ganz klare Richtung vor, welche Maßnahmen geeignet sind, um einen anderen Umgang mit Ressourcen herbeizuführen”, meint etwa Lorena Skiljan, Co-Founderin des Wiener Energie-Startups Nobilegroup. Eine Änderung müsse daher auf der strukturellen Ebene herbeigeführt werden.

“Dazu ist ein klares Bekenntnis zu notwendigen Änderungen und Maßnahmen notwendig, eine klare Zielsetzung sowie Strategie und Vorgehensweise, wie die gesetzten Ziele zu erreichen sind”, so die Gründerin. Sie führt etwa das EU-Renaturierungsgesetz ins Treffen. “Die Rolle der Politik muss eine sein, die klare Vorgaben gibt, in welche Richtung wir uns im Sinne der Wirtschaftsleistung und -entwicklung bewegen sollen und wollen. Fehlende Klarheit beziehungsweise kurzfristige Richtungsänderungen schaffen viel Unsicherheit und lähmen die Wirtschaft und insbesondere die derzeit notwendigen Investitionen”, so Skiljan.

Johannes Braitrh: “Es gibt hier kein Entweder-oder”

Nicht nur sie sieht primär die Politik am Zug. “Die Politik definiert die Spielregeln und ist somit immer der wichtigste Part. Die Wirtschaft versucht, die Möglichkeiten zu nutzen”, ist Matthias Katt, Gründer des Energy-Sharing-Startups eFriends überzeugt. Für Storebox-Co-Founder Johannes Braith ist dagegen klar: “Es wird nur klappen, wenn jeder Stakeholder seinen Beitrag leistet. Egal ob es um Konsum im Privatbereich, Unternehmensstrategien im wirtschaftlichen Kontext oder um die Legislative im politischen Kontext geht.” Die politische Diskussion finde aber momentan in zu simplen Narrativen statt, meint der Gründer. “Entweder man ist für Umweltschutz oder für den Erhalt des Wohlstands von Industrienationen. Allerdings gibt es hier kein Entweder-oder. Man wird diesen globalen Herausforderungen nur gemeinsam begegnen können”, so Braith.

Kilian Kaminski: “dem ökonomischen und dem ökologischen Erfolg dieselbe Bedeutung zuschreiben”

Auch für refurbed-Co-Founder Kilian Kaminski liegt nicht nur bei den Regierungen, sondern auch bei den Unternehmen und den Konsument:innen viel Verantwortung: “Der wichtigste Hebel auf Seiten der Wirtschaft ist, dass die Unternehmen dem ökonomischen und dem ökologischen Erfolg dieselbe Bedeutung zuschreiben”, meint er. Die Politik müsse dafür die passenden Rahmenbedingungen schaffen. Als Konsument:innen seien zudem alle aufgerufen, durch ihr Kaufverhalten nachhaltige Produkte einzufordern. “Am Ende des Tages entscheidet der Markt, wohin sich Unternehmen entwickeln – und das ist dorthin, wo der meiste Profit zu machen ist. Unternehmen müssen sich nach der Nachfrage richten, ansonsten werden sie den Wettbewerb nicht überleben”, meint Kaminski.

Lorena Skiljan sieht darin eine große Chance für Unternehmen: “Ich bin der Meinung, dass die Wirtschaft von den Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Ressourcenverbrauch mittel- und langfristig profitieren wird”, erwartet die Gründerin. Denn: “Die in sich nicht nachhaltigen Systeme und Vorgehensweisen können langfristig nicht wirtschaftlich erfolgreich sein.” Kilian Kaminski führt dazu eine Studie an: “Auf Kreislaufwirtschaft zu setzen, kann Konsumgüterunternehmen in Europa laut McKinsey bis 2030 50 Milliarden Euro bringen. Alle neuen Unternehmen sind ‘born circular’.” Der Impact der Kreislaufwirtschaft sei nicht wegzureden, meint der refurbed-Gründer: “Jede:r, der:die etwas anderes sagt oder noch linearwirtschaftlich gründet, hat die Zeichen der Zeit nicht verstanden und geht komplett an der Realität vorbei.”

Matthias Katt: “Ich denke, das wachstumsbasierte Wirtschaftssystem hat noch lange nicht ausgedient”

Aber lässt sich dieser Übergang von der “Linearwirtschaft” zur Kreislaufwirtschaft mit dem wachstumsbasierten Wirtschaftssystem kombinieren? “Ein eingeschwungenes Kreislaufsystem, in dem alle Menschen miteinander zufrieden leben, wäre schön. Aber ich denke, das wachstumsbasierte Wirtschaftssystem hat noch lange nicht ausgedient. Auch wegen der menschlichen Eigenschaften scheint es recht erfolgreich und eine Alternative schwer denkbar”, meint eFriends-Gründer Katt. Gerade in seinem Metier, der Sonnenenergie, sieht er auch große Wachstumsmöglichkeiten. “Aktuell braucht die gesamte Menschheit nur ein Zehntausendstel der Energie, die die Sonne der Erde frei Haus liefert”, erklärt der Gründer. Wachstum hänge also generell von den Grenzen eines Systems ab – die bei den endlichen fossilen Energieträgern niedriger lägen.

Nobilegroup-Gründerin Skiljan sieht das ähnlich: “Mit nicht nachhaltigen Technologien kann kein Wachstum mehr geschaffen werden. Eine Umstellung auf saubere Technologien, ein geänderter Umgang mit Ressourcenverbrauch sowie ein Ende des fossilen Zeitalters bringen uns wieder in eine nächste Wachstumsphase”, ist sie überzeugt, “das alleinige festhalten an wenig nachhaltigem Ressourcenverbrauch und veralteten Vorgehensweisen kann kein neues Wachstum schaffen.”

Geht es ohne Verbote?

Bleibt noch die vieldiskutierte Frage: Geht das alles ohne Verbote und strenge Gesetze? “Verbote sind psychologisch nicht sinnvoll. Aber klare Gesetzesvorgaben sind die Voraussetzung dafür, dass uns der ökologische Wandel und damit der Kampf gegen die Klimakrise gelingt”, meint dazu refurbed-Gründer Kaminski. Auch Storebox-Gründer Braith äußert sich differenziert: “Grundsätzlich bin ich ein Verfechter von liberalen Grundwerten und unterstelle einer Gesellschaft, sich ohne Verbote oder Gesetze in die richtige Direktion zu entwickeln. Da in diesem Kontext der Schmerz allerdings nur schleichend eintritt, denke ich, dass in diesem Fall die Einsicht leider nicht ohne konkrete Gesetze eintreten wird.”

Matthias Katt äußert sich in diesem Punkt ziemlich deutlich: “Verbote sind notwendig und werden auch akzeptiert, wenn der Schaden des Verbotenen den Nutzen übersteigt und das für alle deutlich sichtbar ist.” Der eFriends-Gründer ergänzt aber: “Sind die Auswirkungen des eigenen Tuns nicht einfach fassbar, dann denke ich, dass Anreize besser sind.”

Und Lorena Skiljan beurteilt die Sache gemäß dem alten Sprichwort “des einen Leid ist des anderen Freud”. “Klare Gesetze müssen nicht als Verbote verstanden werden. Nur weil bestimmte Gruppen von Marktteilnehmern von neuen Gesetzen nicht im gleichen Maße profitieren, wie im alten System, heißt es nicht, dass dies für alle gilt”, meint die Nobilegroup-Gründerin. Der “Green Deal” der EU etwa könne zur Entwicklung neuer Märkte und damit zu Unternehmensgründungen führen. Letztlich gebe es auf alles mindestens zwei Perspektiven: “eine alte und die neue”.

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Die Projektpartner:innen: von TU Wien, Forschung Burgenland. KEBA und kW-Soltions | (c) kW-Solutions

Bidirektionales Laden eröffnet für E-Autos weitreichende Möglichkeiten, die weit über die klassische Nutzung als Fortbewegungsmittel hinausgehen. Mit dieser Technologie können Elektrofahrzeuge nicht nur Energie aus dem Netz beziehen, sondern auch gespeicherten Strom wieder zurückspeisen. Dadurch werden sie zu mobilen Energiespeichern, die flexibel in verschiedene Szenarien eingebunden werden können – so zumindest in der Theorie. In der Praxis ist bidirektionales Laden in Österreich jedoch noch Zukunftsmusik. Ein neues Forschungsprojekt, an dem das Wiener Startup kW-Solutions beteiligt ist, möchte das nun ändern.

Bidirektionales Laden: Innovationsbedarf in Österreich

Das von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) unterstützte Projekt Interoperable Communication for Bidirectional Charging (ICBC) hat sich zum Ziel gesetzt, die technischen und formalen Hürden von bidirektionalem Laden zu überwinden.

kW-Solutions-Gründer Korbinian Kasinger erläutert: “Es braucht jemanden, der den Vehicle-to-Grid-Prozess in Österreich durchmoderiert – sowohl technisch als auch formell“, so Kasinger​. Eine Herausforderung ist etwa die Zertifizierung des zurückgespeisten Stroms. “Bei einer PV-Anlage weiß man, dass es Grünstrom ist. Bei Autobatterien ist das nicht so einfach”, so der Gründer.

Technologisch ermöglicht es der Vehicle-to-Grid-Prozess (V2G), Strom aus der Batterie zu entnehmen und zurückzuverkaufen oder dem Regelenergiemarkt zur Verfügung zu stellen. Das ICBC-Projekt soll genau diese Möglichkeiten ausloten und zur Marktreife bringen​.

Das Konsortium hinter ICBC

Hinter dem ICBC-Projekt steht ein Konsortium aus kW-Solutions, der Technischen Universität Wien (TU Wien), Forschung Burgenland und KEBA​. Während die TU Wien für die Entwicklung von Kommunikationsschnittstellen sorgt, untersucht Forschung Burgenland die ökonomischen Vorteile von V2G. KEBA bringt seine Expertise in der Entwicklung von Ladeinfrastruktur-Hardware ein​.

kW-Solutions selbst arbeitet an einer flexiblen Software-Architektur, die V2G-Technologie effizient ins bestehende Netz integrieren soll. Das 2021 gegründete Startup hat sich auf die Bereitstellung intelligenter Ladelösungen für Elektrofahrzeuge spezialisiert.

Ein zentrales Produkt ist die Energiemanagement-Software “Charly”, die speziell für Mehrparteienanlagen entwickelt wurde, um ein effizientes Lastmanagement und eine automatisierte Verrechnung zu ermöglichen. 2023 konnte das Startup eine sechsstellige Finanzierungsrunde abschließen und FSP Ventures für sich gewinnen (brutkasten berichtete). Das Family Office ist an zahlreichen bekannten österreichischen Startups beteiligt, darunter Woom, Agrobiogel, Ecop Technologies oder Swimsol.

Pilotprojekte als nächster Schritt

Das ICBC-Projekt ist auf zwei Jahre angelegt und soll erste Antworten auf diese Fragen liefern. “In ein bis zwei Jahren werden wir valide Pilotprojekte in Österreich starten“, so Kasinger​. Ein flächendeckender, standardisierter Einsatz von V2G könnte allerdings noch drei bis fünf Jahre dauern​.

Das ICBC-Projekt legt laut Kasinger großen Wert auf praxisnahe Lösungen. In sechs Arbeitsbereichen werden nun Use-Cases, Schnittstellen und Systemarchitekturen entwickelt, um die Marktfähigkeit sicherzustellen​. Bidirektionales Laden könnte laut dem Gründer für Österreich nicht nur die Elektromobilität attraktiver machen, sondern auch zur Stabilisierung des Stromnetzes beitragen.


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