16.06.2021

Dtl.: Neue Steuerregeln für (Startup)-Mitarbeiterbeteiligungen – Ö unter Zugzwang

Mitarbeiterbeteiligungen sind für Startups in Deutschland aufgrund steuerlicher Verbesserungen künftig attraktiver. Warum in Österreich deshalb akuter Handlungsbedarf besteht, beleuchten die Experten von Ecovis im Gastkommentar.
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Mitarbeiterbeteiligung
© Adobe Stock/Studio Romantic

In Deutschland wurde die Besteuerung von Mitarbeiterbeteiligungen reformiert. Damit für Österreich kein Standortnachteil entsteht, muss nun auch hierzulande rasch gehandelt werden. Nachfolgend sind die wesentlichen Aspekte der Änderungen sowie die Gründe für den Call for Action in der Alpenrepublik zusammengefasst.

1. Das steuerliche Dilemma mit Mitarbeiterbeteiligungen

Unabhängig davon, ob der Beteiligungserwerb mittels Anteilsabtretung oder Kapitalerhöhung erfolgt, kann es aufgrund einer verbilligten oder unentgeltlichen Anteilsgewährung bei den Begünstigten, die Dienstnehmer sind, zu einem geldwerten Vorteil (Verkehrswert der gewährten Anteile abzüglich eines allfälligen Kaufpreises) in der Form eines steuerpflichtigen Sachbezuges kommen.

Das bedeutet, dass im Zeitpunkt der Anteilsgewährung ohne Cash-Zufluss unter Umständen hohe Steuerbeträge und Lohnabgaben abgeführt werden müssten, obwohl Beteiligungen an Startups zu diesem Zeitpunkt oftmals einem entsprechenden Werthaltigkeitsrisiko ausgesetzt sind. Dazu kommt, dass oft weder das Startup noch der Begünstigte über die notwendige Liquidität verfügen, um die entsprechenden Abgaben zu bezahlen (man spricht in diesen Fällen auch von „dry income“).

Im schlimmsten Fall wird im Zeitpunkt der Anteilsgewähr von einem geldwerten Vorteil ausgegangen, letztendlich schafft das Startup aber den Durchbruch nicht, sodass der erhoffte Liquiditätszufluss nicht eintritt. Den Mitarbeiter würde somit ein doppeltes Risiko treffen: einerseits eine Vorabbesteuerung ohne Cash-Zufluss und andererseits ein zu niedriger Cash-Zufluss im Hinblick auf den ursprünglich besteuerten geldwerten Vorteil.

Völlig ausgeklammert wird dabei auch noch die Bewertungsproblematik von Startups. Der Geschäftsidee eines Startups kann im „best case“ der wirtschaftliche Durchbruch gelingen und zu einer enormen Steigerung des Unternehmenswertes führen. Nicht ausgeschlossen werden kann jedoch auch eine genau gegenteilige Entwicklung, nämlich der „Flop“ einer Geschäftsidee bis hin zur Einstellung der unternehmerischen Tätigkeit (z.B. Liquidation des Startups) und dem Totalverlust. Im Vergleich zu bereits langfristig bestehenden Unternehmen tragen die Begünstigten eines Mitarbeiterbeteiligungsprogrammes eines Startups daher ein wesentlich höheres Risiko hinsichtlich der künftigen Wertentwicklung. Anhand dieser Bandbreite zeigt sich, dass die Wertfindung der Komponente für die Chance auf eine künftige Wertsteigerung zum Zeitpunkt der Anteilsgewährung mitunter schwierig sein kann und zu Diskussionen mit der Finanzverwaltung führen kann. Zumal das Finanzamt den Fall erst später prüft und dann die tatsächliche Entwicklung kennt und unterstellt, dass diese Entwicklung damals schon absehbar war.

2. Neue attraktive Rahmenbedingungen für Mitarbeiterbeteiligungen in Deutschland

Höhere Steuerfreibeträge und zwölf Jahre Steuerpause

Ab 1.7.2021 gibt es steuerliche Erleichterungen, die gerade für Start-ups und junge Unternehmen attraktiv sind. Der jährliche Freibetrag für die Übernahme von Firmenanteilen durch Mitarbeiter steigt von 360 Euro auf 1.440 Euro. Der übersteigende geldwerte Vorteil aus der Mitarbeiterbeteiligung bleibt zunächst zeitlich befristet steuerfrei, d.h. der geldwerte Vorteil wird zwar im Zuge der unentgeltlichen bzw. verbilligten Gewährung der Mitarbeiterbeteiligung ermittelt, die Lohnsteuer wird jedoch noch nicht erhoben. Die Sozialversicherungsbeiträge hingegen unterfallen keiner vorteilhaften Behandlung außer die Beitragsbemessungsgrenzen werden überschritten. Begünstigt werden ausschließlich Vermögensbeteiligungen iSd § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, b, f bis l und Abs. 2 bis 5 des 5. dVermBG, darunter fallen Aktien, GmbH-Beteiligungen, gewissen Wandelschuldverschreibungen, Genussrechte und stille Beteiligungen.

Von dieser Neuregelung profitieren aber nur junge KMUs. Unter jungen KMUs versteht der deutsche Gesetzgeber Unternehmen, die die folgenden Voraussetzungen erfüllen:

  • die Unternehmensgründung liegt nicht mehr als zwölf Jahre zurück
  • die EU-Kriterien für KMUs werden erfüllt (Vollzeitbeschäftigte < 250 und Jahresumsatz ≤ EUR 50 Mio bzw Jahresbilanzsumme ≤ EUR 43 Mio)

Die Vorteile werden ferner nur dann gewährt, sofern die unentgeltliche oder verbilligte Überlassung von Vermögensbeteiligungen zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn überlassen wird.

Ab wann die Steuer zuschlägt

Die Besteuerung wird in folgenden Fällen nachgeholt:

  • nach dem Verstreichen von 12 Jahren seit der Einräumung der Mitarbeiterbeteiligung oder
  • der Mitarbeiter überträgt oder verschenkt seine Beteiligung ganz oder teilweise oder
  • die Gesellschaft wird liquidiert oder
  • die Vermögensbeteiligung wird in ein Betriebsvermögen eingelegt, oder
  • der Mitarbeiter verlässt das Unternehmen (in diesem Fall gibt es aber eine äußerst attraktive Ausnahme: Übernimmt der Arbeitgeber die bisher nicht festgesetzte Lohnsteuer zum Ende des Arbeitsverhältnisses, dann führt dies zu keinem weiteren geldwerten Vorteil, welcher normalerweise bei Nettolohnvereinbarungen entsteht)

Hinweis: Findet ein Betriebsübergang iSd § 613a dBGB statt, so fällt dies nicht unter eine schädliche Maßnahme, die eine Besteuerung bewirkt.

Weitere Vorteile

Durch § 19a Abs. 1 dEStG-E wird eine etwaige Festsetzungsverjähung und damit auch die Stundungszinsen vermieden.

Daneben gibt es eine maßgebliche Begünstigung hinsichtlich einer möglichen negativen Wertentwicklung: Ist der gemeine Wert der Beteiligung abzüglich geleisteter Zuzahlungen des Mitarbeiters im Zeitpunkt der vorzunehmenden Besteuerung unter den ursprünglich nicht besteuerten geldwerten Vorteil gesunken, so unterliegt nur der (dann geringere) gemeine Wert der Beteiligung im Besteuerungszeitpunkt abzüglich einer geleisteten Zuzahlung der Besteuerung. Diese lohnsteuermindernde Wirkung entfällt nur dann, wenn die Wertminderung der Vermögensbeteiligung nicht auf eine betriebliche Maßnahme zurückzuführen ist oder diese auf einer gesellschaftsrechtlichen Maßnahme (insbesondere Ausschüttung oder Einlagerückgewähr) beruht. Kursgewinne unterliegen nur hinsichtlich des § 32d Abs. 1 dEStG bzw. des Teileinkünfteverfahrens der Besteuerung.

Ein weiteres Zuckerl hat der deutsche Gesetzgeber eingebaut: Halten Mitarbeiter die Mitarbeiterbeteiligung mindestens 3 Jahre, dann kommen Mitarbeiter mit Beteiligungen in den Genuss einer Fünftel-Regelung. Nur ein Fünftel des geldwerten Vorteils wirkt sich auf den progressiven Steuersatz aus. Somit profitieren die Mitarbeiter von einem günstigeren Steuersatz.

3. Rahmenbedingungen für Mitarbeiterbeteiligungsprogramme in Österreich – es gibt Handlungsbedarf („Call for Action“)

Unsere deutschen Nachbarn sind jetzt wirklich ordentlich „vorgeprescht“, nicht alle Themen wurden dabei angegangen (das schwierige Bewertungsthema bleibt), durch die Möglichkeit der Steuerstundung (max. 12 Jahre) und der begünstigten Besteuerung (Behaltedauer von 3 Jahren vorausgesetzt) wurde die Wichtigkeit dieses Themas für die Startup-Welt aber in Deutschland erkannt.

Auch die Möglichkeit, allfälliger Wertreduzierungen in den Folgejahren steuerlich berücksichtigen zu können, klingt vielversprechend.

Vor diesem Hintergrund führt eine Schlechterstellung von Startups und deren Mitarbeitern im Vergleich zu unmittelbar angrenzenden Nachbarländern wie Deutschland zu einem nicht gerechtfertigten Standortnachteil für Österreich. Nachdem der österreichische Gesetzgeber bislang noch nicht aktiv geworden ist, besteht ein dringender Handlungsbedarf, um derartige Standortnachteile zu vermeiden.

Dieser Gastbeitag wurde von David Gloser und Christoph Puchner, beide Partner bei Ecovis Austria sowie Martin Liepert und Carmen Hartlaub, beide Ecovis München. ECOVIS Austria & Deutschland betreuen zahlreiche Startups und verfügen über langjährige Erfahrung in der Startup-Beratung.

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Die beiden Co-Founder Dominic und Lisa Lorenz von Rendite Boutique
Die Co-Founder Dominic und Lisa Lorenz | Foto: Rendite Boutique

Im September 2021 lancierten Dominic und Lisa Lorenz eine neue Crowdinvesting-Plattform für Immobilien in Österreich. Ihr Ziel war ähnlich wie jenes weiterer Crowdinvesting-Plattformen wie Brickwise aus Graz oder Rendity aus Wien: Immo-Investments schon ab einer geringen Summe zu ermöglichen. Der Schwerpunkt von Rendite Boutique lag auf exklusiven und hochwertigen sowie auf ökologisch nachhaltigen Projekten. Dass dabei die Planung scheinbar nicht aufging, zeigte sich gestern:

Ursache wird geprüft

Weniger als drei Jahre später ging am gestrigen Donnerstag ein Konkursantrag des Unternehmens ein. Der Alpenländische Kreditorenverband (AKV) sowie der KSV1870 berichten, dass die Rendite Boutique Crowdinvestment GmbH zahlungsunfähig ist. Laut KSV1870 handelt es sich um einen Eigenantrag, laut AKV jedoch um einen Gläubigerantrag – die Angaben der Verbände sind also aktuell widersprüchlich.

Laut AKV wurde vom zuständigen Landesgericht Wiener Neustadt ein Konkursverfahren eröffnet. Ursachen der Insolvenz sowie die aktuellen Vermögensverhältnisse müssen im Zuge des Verfahrens noch überprüft werden. Aktuell werde das vorhandene Vermögen inventarisiert und geschätzt. Erst nach den laufenden Ermittlungen soll “eine Stellungnahme zu den Befriedigungsaussichten der Gläubiger möglich sein”, heißt es vonseiten des AKV. Eine Statement-Anfrage von brutkasten beim Unternehmen blieb bislang unbeantwortet.

Ambitionierter Start im Oktober 2021

Wie brutkasten berichtete, startete Rendite Boutique im niederösterreichischen Brunn am Gebirge mit der Ambition, Crowdinvestments in Immobilien ab 50 Euro zu ermöglichen. Damals stellte das Unternehmen Renditen von sechs bis acht Prozent in Aussicht. Möglich sei dies in erster Linie aufgrund einer eigenkapitalähnlichen Verzinsung. Wie die meisten heimischen Crowdinvesting-Plattformen setzte Rendite Boutique auf Mezzaninkapital, das im Bereich zwischen Eigenkapital- und Fremdkapital liegt. Für den Bauträger schaffe dies zusätzliche Liquidität und habe deshalb einen höheren Wert als Fremdkapital, erklärte Co-Founderin Lorenz dem brutkasten damals.

Bevorzugt sollten kurze Laufzeiten zwischen zwölf und 36 Monaten angeboten werden – mit dem Ziel, dass das investierte Kapital zuzüglich Zinsen rasch wieder an Anleger:innen zurückfließt. Auch in puncto Sicherheitsstandards wurden hohe Versprechen abgegeben: So sollen alle Projekte ein mehrstufiges Verfahren durchlaufen haben. Zudem sollen nur Projekte “mit einer positiven Finanzierungszusage einer österreichischen oder deutschen Bank in das Prüfverfahren von Rendite Boutique aufgenommen” worden sein, sagte Mitgründern Lisa Lorenz brutkasten im Gründungsjahr.

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