06.04.2020

Down-Rounds in der Krise? Gezielte Insolvenz gegen unliebsame Investoren

Im Gastkommentar erklärt der unter anderem auf Insolvenz und Restrukturierung sowie Startups spezialisierte Wiener Rechtsanwalt Michael Proksch einen gar nicht so selten eingeschlagenen Weg, um unliebsame Gesellschafter loszuwerden.
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bonify Down-Rounds in der Coronakrise - gezielte Insolvenz als Möglichkeit - Insolvenz-Ursachen
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Seit Beginn der Coronakrise erschienen im brutkasten mehrere Artikel, in denen die Frage behandelt wurde, ob die durch die Krise entstandene einmalige Situation als rechtfertigende Grundlage für Down-Rounds erachtet werden kann (Anm. Kapital-Runden zu einer niedrigeren Bewertung, als bei der vorigen Runde). Gilt also frei nach Stronach die goldene Regel: Wer das Gold hat, macht die Regeln – oder kann sich dieser Tabubruch zum Boomerang entwickeln?

+++ Hintergründe und News zum Coronavirus +++


brutkasten-Beiträge zu Down-Rounds in der Coronakrise:

⇒ Experten-Tipps: Das müssen Startup-Gründer in der Coronakrise beachten

⇒ Coronakrise: Down-Rounds gegen das Startup-Sterben?

⇒ Die Auswirkungen von Covid-19 auf Startup-Bewertungen


Down-Rounds oder Wandeldarlehen als einziger Weg?

Früher war in Unternehmenskrisen ein geflügeltes Wort der Banker: “Jetzt schlägt die Stunde des Eigenkapitals”. Bevor die Gläubiger nachgeben, sollen also zuerst die Gesellschafter zusätzliche Geldmittel zur Verfügung stellen. Für viele Startups hat diese Stunde nun tatsächlich geschlagen, aber ist die Beschaffung der notwendigen Geldmittel durch Down-Rounds oder Wandeldarlehen von Gesellschaftern tatsächlich der einzige Weg, oder können sich Startups hier zur Wehr setzen? Hierzu lohnt ein Blick auf eine nicht unübliche Praxis.

Gezielte Insolvenz: 3 Schritte, um unliebsame Investoren loszuwerden

Der einfachste Weg, eine Unternehmung herunterzuwirtschaften, ist ein Gesellschafterstreit. In Österreich (vor allem außerhalb der Startup-Landschaft) nicht ungewöhnlich ist, dass Unternehmen, in denen sich derartige Streitereien entwickeln, gezielt in Insolvenz geführt werden. Die geschäftsführende Seite hat dann in der Regel bereits den Plan entwickelt, das Unternehmen ohne die unliebsamen Mitgesellschafter aus dieser Insolvenz herauszukaufen. In meiner rechtsanwaltlichen Praxis ist mir das alleine im Jahr 2019 in drei konkreten Fällen – bei durchaus namhaften Unternehmen unterschiedlichster Branchen – untergekommen. In aller Regel laufen derartige Fälle nach einem einheitlichen Muster ab:

1. Liquiditätskrise

Zunächst entsteht eine Liquiditätskrise, die häufig daher rührt, dass eine Seite aufgrund unüberbrückbarer Differenzen nicht mehr bereit ist, eine bereits fix eingeplante Finanzierung zu gewähren.

2. NewCo mit Gesellschaftern nach Wahl

Bereits im Vorfeld – spätestens aber parallel dazu – orientiert sich (zumeist) der geschäftsführende Gesellschafter neu und sucht Investoren (am besten eignen sich dafür Teile der Bestandinvestoren), die bereit sind, einen Kauf aus der Insolvenz und darüber hinaus zu finanzieren. Man gründet eine NewCo, wobei die lästigen Mitgesellschafter naturgemäß weder dabei sind noch in den Plan eingeweiht werden.

3. Dankbarer Insolvenzverwalter

Ist ein Einvernehmen mit den Geldgebern gefunden, wird die Gesellschaft mit möglichst wenig verbleibender Liquidität in Konkurs geschickt. Der Insolvenzverwalter muss das Unternehmen so rasch wie möglich schließen und ist dankbar, wenn er überhaupt einen Käufer findet.

Coronakrise: Ideale Voraussetzungen für gezielte Insolvenz von Startups

Aus der Startup-Landschaft sind mir persönlich noch wenige Vorfälle bekannt, die diesem Beispiel folgen, was vermutlich damit zusammenhängt, dass die Gründer einerseits noch eine gewisse Loyalität gegenüber ihren Mitgesellschaftern zeigen und andererseits in der Regel auch nicht über ausreichend Geldmittel verfügen, um sich auf diese Art und Weise lästiger Investoren zu entledigen. Wenn aber nun schon geänderte Regeln gelten, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis diese Nische von Kapitalgebern, die sich als reine Zwischenfinanzierer sehen, abgedeckt wird. Die aktuelle Krise bietet dann ideale Voraussetzungen für Gründer, sich ihre Anteile wie folgt zurückzuholen.

Entstehen der Insolvenzvoraussetzungen:

  • Die Liquiditätskrise ist nicht hausgemacht, sondern ist in vielen Fällen durch die Coronakrise bedingt.
  • Die von der Regierung angebotenen Erleichterungen sind für Startups vielfach ungeeignet bzw. unerreichbar. Darüber hinaus sollte die Aufnahme von geförderten Darlehen und auch eine Abgabenstundung ohnehin gut überlegt werden. Potentielle Haftungen bieten den geschäftsführenden Gründern eine ausreichende Rechtfertigung, diese Erleichterungen, sofern überhaupt möglich, nicht in Anspruch zu nehmen.

Die Insolvenzvoraussetzungen beruhen daher anders als in sonstigen Praxisfällen tatsächlich auf äußeren Umständen. Das bildet nicht nur aus rechtlicher Sicht, sondern auch optisch einen nicht unwesentlichen Vorteil gegenüber “hausgemachten” Insolvenzen.

Vorteile beim Erwerb des Unternehmens aus der Insolvenzmasse:

  • Ohne den oder die Gründer ist ein Erwerb des Unternehmens aus der Insolvenzmasse kaum attraktiv, die Anzahl an Interessenten wird daher in der Regel gering sein.
  • Die Höhe des Kaufpreises stellt daher kein allzu großes Risiko dar, ist aber natürlich im Vorfeld abzuschätzen.
  • Aus dem Insolvenzverfahren ergeben sich weiters eine Reihe rechtlicher Möglichkeiten, um Managementfehler aus der Vergangenheit kostengünstig und leicht zu korrigieren.

Fazit: Down-Rounds verhindern und dabei weitere Vorteile herausholen

Mit der richtigen Strategie haben Gründer die realistische Chance, nach der Krise wieder eine höhere Beteiligung an ihren Unternehmen zu halten und im Endresultat Geldgeber und Mitgesellschafter an ihrer Seite zu haben, die auch in schwierigen Zeiten Fairness walten lassen und nicht auf Down-Rounds setzen.

Wenn Investoren daher in dieser Krisenzeit aggressive Eröffnungen wagen sollten, so müssen sie sich darüber im Klaren sein, dass selbstbewusste Gründer mit den entsprechend richtigen, disruptiven Schachzügen antworten könnten.


Zum Autor:

 

Michael Proksch - Gezielte Insolvenz gegen Down-Rounds
(c) Proksch & Partner: Michael Proksch

Dr. Michael Proksch ist Rechtsanwalt in der Wiener Kanzlei Proksch & Partner Rechtsanwälte. Zudem ist er Vorstandsmitglied von Eurojuris International, externer Lehrbeauftragter der Fachhochschule der Wirtschaftskammer Wien und Vortagender an der FH Wiener Neustadt. Seine Beratungsschwerpunkte sind Finanz- und Wirtschaftsdelikte, Gesellschaften und Transaktionen, Insolvenz und Restrukturierung, Startups, Kartell- und Wettbewerbsrecht sowie Prozessführung.

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Wiener-Börse-CEO Christoph Boschan
Wiener-Börse-CEO Christoph Boschan | Foto: brutkasten / Wiener Börse (Hintergrund)

Die neue EU-Kommission steht. Hierzulande laufen dagegen nach wie vor die Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS mit ungewissem Ausgang. Währenddessen kommt nicht nur Österreich nicht aus der Rezession heraus und auch die Prognosen bleiben tendenziell negativ. Begleitet wird das Szenario von einer Häufung an dramatischen Appellen und Forderungen nach umfassenden Änderungen in der Wirtschaftspolitik.

Wie steht es wirklich um Österreich und die EU? Was sind nun die drängendsten Maßnahmen? brutkasten geht diesen Fragen gemeinsam mit führenden Köpfen der heimischen Innovationsszene nach, darunter etwa FFG-Geschäftsführerin Henrietta Egerth, mit PlanRadar-Co-Founder Sander van de Rijdt und mit Storebox-Co-Founder Johannes Braith.

Zum Thema Kapitalmarkt haben wir nun bei Christoph Boschan, CEO der Wiener Börse, nachgefragt.


brutkasten: Die Regierungsverhandlungen befinden sich in der entscheiden Phase. Was sind die wichtigsten Maßnahmen, die in Österreich umgesetzt werden sollten, um Kapitalmarkt und Börse zu stärken?

Christoph Boschan: Die schnellste und einfachste Maßnahme wäre die Wiedereinführung der Behaltefrist für Wertpapiere bzw. die Einführung eines Vorsorgedepots. Das lag alles fix fertig auf dem Tisch und stand im letzten Regierungsprogramm.

Gewichtiger wäre eine bessere Abstimmung des Pensionssystems auf den Kapitalmarkt, also eine teilweise Veranlagung der ersten Säule am Aktienmarkt. Da spreche ich übrigens nicht mit dem reinen Blick durch die “Kapitalmarkt-Brille”. Das würde zugleich den Staatshaushalt entlasten und die Pensionsfinanzierung nachhaltig absichern und Geld für die Innovations- und Wachstumsfinanzierung bereitstellen.

Sie haben in einem brutkasten-Studiotalk im September gefordert, “zentrale, mächtige, große Kapitalsammelstellen zu errichten”. Was genau verstehen Sie darunter, beziehen Sie sich primär auf Pensionsfonds oder verstehen Sie das Konzept breiter?

In der teilweisen Veranlagung der ersten Säule am Kapitalmarkt liegt tatsächlich das größte Potenzial, ein bis zwei Prozent machen hier auf einige Jahre gesehen bereits viel aus. Die zweite Säule könnte mit einer verpflichtenden betrieblichen Vorsorge gestärkt werden. Oder man kreiert einen Staatsfonds nach norwegischem Vorbild.

Abseits davon gibt es in Österreich 330 Mrd. Euro an niedrigverzinstem privatem Kapital, die nicht nur keine Rendite abwerfen, sondern den Unternehmen auch bei der Innovationsfinanzierung fehlen. Die Liste an Möglichkeiten ist lang, wie auch jene der schon existierenden Blaupausen in Europa.

Welche Maßnahmen bräuchte es konkret? Welche dieser Schritte können in Österreich gesetzt werden und welche nur auf europäischer Ebene?  

Die entscheidenden Schalthebel sind tatsächlich bei den Nationalstaaten. Vorlagen, die für den österreichischen Anwendungsfall angepasst werden können, gibt es genug. Norwegen mit dem Staatsfonds, Schweden mit der teilweisen Veranlagung der Pensionen am Kapitalmarkt, die Schweiz mit der verpflichtenden betrieblichen Altersvorsorge. In Deutschland kommt nun das Vorsorgedepot mit steuerbegünstigter Wertpapierveranlagung. Alles, was eine zu befürwortende Harmonisierung betrifft, etwa beim Gesellschafts-, Insolvenz- und Steuerrecht, ist auf EU-Ebene zu lösen.

Stichwort EU-Ebene. Sie sprechen auch oft von der “unvollendeten Kapitalmarktunion”. Was müsste aus Ihrer Sicht geschehen, um diese Kapitalmarktunion zu vollenden?

Das deckt sich mit den zuvor diskutierten Ansätzen, die jedoch in der langen Liste der – grundsätzlich zu befürwortenden – Ziele der Kapitalmarktunion nur unzureichend adressiert werden können, da derzeit die großen Kapitalsammelstellen nur durch die Mitgliedsstaaten geschaffen werden können. Ohne große Kapitalsammelstellen werden wir die europäische Konkurrenzfähigkeit nicht entscheidend ankurbeln können.

Inwiefern können Kapitalreserven in privaten Altersvorsorgesystemen oder Pensionsfonds als „Treibstoff“ für tiefe und liquide Märkte dienen? 

Indem sie in börsennotierte Unternehmen investieren. Damit schaffen wir die besagten großen Liquiditätspools bzw. Kapitalsammelstellen. Die Unternehmen haben somit eine umfassendere Kapitalquelle für Innovation und Wachstum. Das erklärt auch, warum wir in Europa mit Abwanderung von Listings in Richtung USA zu kämpfen haben. Wachstumsorientierte Unternehmen gehen dorthin, wo sie potenziell das meiste Kapital bekommen können.

Wenn wir wollen, dass das nächste Google, Meta oder Amazon aus Europa kommt, müssen wir hier anpacken. Volkswirtschaften mit entwickelten Kapitalmärkten wachsen schneller und erholen sich rascher von Krisen.

Sie haben bereits angesprochen, dass die nun scheidende Regierung die Wiedereinführung der Behaltefrist für Aktien im Regierungsprogramm vereinbart hatte, ohne sie dann tatsächlich umzusetzen. Für wie wichtig – verglichen mit anderen Möglichkeiten, Anreize zu schaffen – wäre diese Maßnahme, um die private Vorsorge über die Börse attraktiver zu gestalten?

Ich bin immer dafür, Individuen zu ermächtigen und zu stärken und genau das macht die Behaltefrist. Die Befreiung von der KESt (Kapitalertragssteuer) für die langfristige Altersvorsorge ist als Anreiz nicht zu unterschätzen. Sie ist längst überfällig.

Versteuertes Arbeitseinkommen wird in Unternehmen investiert, diese schütten mit Körperschaftsteuer besteuerten Gewinn aus, auf den nochmal 27,5 Prozent geltend werden. Diese steuerliche Eskalation ist immens. Wer vorausschauend agiert und für sein Alter vorsorgt, sollte dringend entlastet werden.

Sie vertreten mit der Wiener Börse die österreichische Nationalbörse. Aktuell kursieren einige Vorschläge, die einen anderen Bereich, nämlich den vorbörslichen Kapitalmarkt betreffen und diese attraktiver machen sollen, etwa die Schaffung eines Dachfonds, der in bestehende Venture-Capital-Fonds investiert, oder einen Beteiligungsfreibetrag für Business Angels und andere private Kapitalgeber. Wie blicken Sie darauf?

Ich halte Ansätze, die Innovation, junges Unternehmertum und Wachstum fördern immer für begrüßenswert. Von jungen Unternehmen, die am Beginn ihrer Reise mit genügend Kapital ausgestattet werden, wird in weiterer Folge auch die Börse, die am oberen Ende der Finanzierungsstufen steht, profitieren.


Aus dem Archiv: Christoph Boschan im brutkasten-Studiotalk (September 2024):


Aus dem brutkasten-Printmagazin: Warum ein Börsengang nicht nur etwas für Großkonzerne ist


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AI Summaries

Down-Rounds in der Krise? Gezielte Insolvenz gegen unliebsame Investoren

  • Kann die durch die Coronakrise entstandene einmalige Situation als rechtfertigende Grundlage für Down-Rounds erachtet werden?
  • Der einfachste Weg, eine Unternehmung herunterzuwirtschaften, ist ein Gesellschafterstreit.
  • In Österreich (vor allem außerhalb der Startup-Landschaft) nicht ungewöhnlich ist, dass Unternehmen, in denen sich derartige Streitereien entwickeln, gezielt in Insolvenz geführt werden.
  • Die aktuelle Krise bietet dann ideale Voraussetzungen für Gründer, sich ihre Anteile zurückzuholen.
  • Die Liquiditätskrise ist dabei nicht hausgemacht, sondern ist in vielen Fällen durch die Coronakrise bedingt.

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Down-Rounds in der Krise? Gezielte Insolvenz gegen unliebsame Investoren

  • Kann die durch die Coronakrise entstandene einmalige Situation als rechtfertigende Grundlage für Down-Rounds erachtet werden?
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  • Kann die durch die Coronakrise entstandene einmalige Situation als rechtfertigende Grundlage für Down-Rounds erachtet werden?
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  • Kann die durch die Coronakrise entstandene einmalige Situation als rechtfertigende Grundlage für Down-Rounds erachtet werden?
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