20.02.2023

Neue IT-Verordnung der EU: Worauf sich die Finanzbranche jetzt einstellen muss

Gastbeitrag. Die EU hat einen neuen Rechtsrahmen für die Beaufsichtigung von IT-Systemen beschlossen. Welcher Folgen dieser hat, erläutern Markus Aigner und Helena Nyikos von der Anwaltssozietät Wolf Theiss.
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Markus Aigner und Helena Nyikos
Markus Aigner und Helena Nyikos | Foto: Wolf Theiss / Adobe Stock (Hintergrund)

Mit der am 16. Jänner 2023 in Kraft getretenen Verordnung über die digitale operationale Resilienz im Finanzsektor (Digital Operational Resilience Act, kurz DORA), hat die Europäische Union ein einheitliches europäisches Aufsichtsregime zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit von Informations- und Kommunikationstechnologie-Systemen (IKT) im Finanzsektor erlassen. Dieser weist derzeit eine starke Abhängigkeit von IKT Systemen auf, wobei die fortschreitende Digitalisierung eine noch intensivere Einbindung von IKT erwarten lässt.

Mit DORA wurde nun ein Rahmenwerk zur Überprüfung sowie Beaufsichtigung von IKT-Systemen im Finanzsektor eingeführt, welches primär darauf abzielt, einheitliche Bestimmungen für Finanzunternehmen festzulegen. Dadurch soll europaweit die IKT-Sicherheit gestärkt sowie IKT- und Cybersicherheitsrisiken entgegengewirkt werden. Die Bestimmungen der Verordnung sind allerdings erst ab 17. Jänner 2025 anwendbar, womit der Finanzbranche noch ausreichend Vorbereitungszeit bleibt.

Worauf sich die Finanzbranche jetzt einstellen muss

Doch worauf muss sich die Finanzbranche jetzt einstellen, welche Anpassungen sind notwendig und sind ausschließlich Finanzdienstleister erfasst?

DORA teilt sich im Wesentlichen in die Abschnitte IKT-Risikomanagement, Behandlung, Klassifizierung und Berichterstattung IKT-bezogener Vorfälle, Testen der digitalen operationalen Resilienz, Management des IKT-Drittparteienrisikos sowie administrative Bestimmungen.

Die Europäische Union hat den Adressatenkreis, welcher unter dem Sammelbegriff “Finanzunternehmen” zusammengefasst wird, bewusst weit gefasst, um u.a. sowohl den klassischen Finanzmarkt (z.B. Kreditinstitute, Zahlungsinstitute und Wertpapierfirmen), die Versicherungsbranche, aber auch alternative Finanzierungsanbieter (Crowdfunding und Krypto-Dienstleister) zu verpflichten. Beachtenswert dabei ist, dass auch IKT-Unternehmen selbst in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen. Dieser Schritt wurde bewusst gewählt, da die Europäische Union die Auslagerung (das “Outsourcing”) spezifisch in der Verordnung adressiert und offenbar auch als eigenes Risikofeld betrachtet.

Ein wesentlicher Eckpfeiler von DORA ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, gemäß dem Finanzunternehmen die Vorgaben angepasst an ihre Größe, ihr Risikoprofil sowie die Komplexität ihrer Tätigkeit umzusetzen bzw. anwenden müssen. Damit sollen u.a. überschießenden Verpflichtungen für kleinere Unternehmen vermieden werden.

Darüber hinaus können viele der Verpflichtungen innerhalb eines Konzerns sowie auch an externe Dritte ausgelagert werden. Die Letztverantwortung verbleibt allerdings immer beim Management des Finanzunternehmens.

Aufbau von IKT-Risikomanagementstrukturen

Finanzunternehmen sind verpflichtet eine umfassende interne IKT-Risikomanagement und -kontrollstruktur zu errichten, welche insbesondere einen Verantwortlichen für die Überwachung von ausgelagerten IKT-Dienstleistungen, eine Fortbildungsverpflichtung des Managements, aber auch Pläne für den Umgang mit IKT-Vorfällen und die Eindämmung von Schäden bzw. die Fortführung des Finanzunternehmens im Falle eines IKT-Vorfalls vorzusehen hat. Darüber hinaus müssen Finanzunternehmen im Rahmen ihres Gesamtrisikomanagements einen IKT-Risikomanagementrahmen erstellen und dokumentieren. Dieser soll dazu dienen Risiken zu erkennen und zu minimieren. Der Rahmen ist mindestens einmal jährlich zu überprüfen und anzupassen.

Generell besteht die Verpflichtung für angemessenen Schutz der IKT-Systeme zu sorgen, sämtliche verwendeten Systeme, Protokolle und Tools auf dem neuesten Stand zu halten und die IKT-Systeme laufend zu überwachen sowie potentielle Risiken zu identifizieren. Daneben müssen angemessene Back-ups und Methoden zur Wiedergewinnung und Wiederherstellung von Daten etabliert werden, wobei Zentralverwahrer einen zusätzlichen “Ausweichstandort” haben müssen, der im Bedarfsfall die Geschäftsabwicklung übernehmen kann.

Was tun, wenn die IKT-Systeme beeinträchtigt werden?

Sollte es zu einem IKT-Vorfall kommen, der erhebliche Auswirkungen auf die Systeme eines Finanzunternehmens hat, unterliegt dieses umfassenden Meldeverpflichtungen gegenüber der für das Finanzunternehmen zuständigen Aufsichtsbehörde – für Österreich in der Regel die Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA). Darüber hinaus bestehen, sofern finanzielle Interessen von Kunden betroffen sind, ebenso gegenüber diesen Meldeverpflichtungen. Auf freiwilliger Basis können auch Cyberbedrohungen gemeldet werden.

“Stresstests” für die IT

Ein Herzstück von DORA bilden die bedrohungsorientierten Penetrationstests (Threat-Led Penetration Testing – kurz TLPT). Finanzunternehmen werden verpflichtet, ihre IKT-Systeme regemäßigen Stresstests zu unterziehen, um etwaige Schwächen und Lücken aufzudecken sowie die Abläufe bei Beeinträchtigungen der IKT-Infrastruktur zu üben.

Das Konzept von Stresstests ist dem Aufsichtsrecht allerdings nicht fremd. Im Bereich der Kapitalvorschriften wurden schon also Folge der Bankenkrise 2008 die medial immer wieder präsenten Bankenstresstests eingeführt, bei denen das Kapital der Banken auf Krisenresistenz getestet wird. In Branchen, die mit sensiblen Daten arbeiten, ist die Beauftragung von professionellen Hackern zur Überprüfung der eigenen Sicherheitssysteme ohnedies bereits weit verbreitet.

Die Umsetzung dieser Vorgaben dürfte daher für die meisten Unternehmen unproblematisch sein. Auf IT-Sicherheit bzw. professionelle Hackerangriffe spezialisierte Unternehmen dürften von DORA jedenfalls profitieren.

IKT-Outsourcing

Ein weiteres Kernstück von DORA stellt das Risikomanagement von ausgelagerten IKT-Leistungen dar. Die Europäische Union hat die Definition des “IKT-Drittdienstleisters” dabei bewusst weit gefasst, um das Outsourcing von IKT-Leistungen im Finanzbereich möglichst umfassend in den Anwendungsbereich der Verordnung mitaufzunehmen. Darunter fallen z.B. auch die Cloud Anbieter und Entwickler von Banking-Apps.

Das neue Rahmenwerk sieht weitgehende Verpflichtungen für die laufende Überprüfung von Drittdienstleistern sowie verpflichtende Vertragsbestandteile und Mindeststandards für Verträge mit IKT-Drittdienstleistern vor. Geplante Neuabschlüsse von Outsourcing-Verträgen sind der Aufsichtsbehörde anzuzeigen, sofern sich diese auf kritische oder wichtige IKT-Leistungen beziehen. Weiters müssen Finanzunternehmen Notfallpläne erstellen, die eine Wiedereingliederung von ausgelagerten IKT-Leistungen in die eigenen Strukturen ermöglicht und die Betriebsstabilität im Falle des Wegfalls des IKT-Drittdienstleisters sichert.

Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang die Unterwerfung von als kritisch eingestuften IKT-Drittdienstleistern – das sind Unternehmen, die für die Funktionsfähigkeit von Finanzunternehmen wesentliche Leistungen anbieten – unter die Aufsicht der Aufsichtsbehörden. Dies stellt sowohl für die betroffenen IKT-Unternehmen, als auch für die Behörden eine große Umstellung dar, da insbesondere letztere hierfür vermehrt technisches Know-how aufbauen werden müssen.

Befugnisse der Aufsichtsbehörden

Den Aufsichtsbehörden werden umfangreiche Prüfungsbefugnisse eingeräumt, welche von klassischen Auskunftsrechten über Inspektionen, Vor-Ort-Prüfungen bis hin zu Vorladungen sowie Befragungen reichen.

Die vorgesehenen Strafen sehen u.a. Zwangsgelder in Höhe von bis zu 1 PRozent des weltweiten Tagesumsatzes (pro Tag!) sowie eine Veröffentlichung der Verstöße (Naming and Shaming) vor.

Grundsätzlich sind die Durchsetzungsbestimmungen aber weitestgehend von den Mitgliedstaaten selbst festzulegen und können auch strafrechtliche Konsequenzen umfassen.

Ausblick

Mit DORA hat der europäische Gesetzgeber ein umfassendes und sowohl für Finanzunternehmen als auch die Aufsichtsbehörden herausforderndes Regelwerk geschaffen. Ob dieses für mehr IKT-Sicherheit und Stabilität sorgen und größere Ausfälle im Finanzmarkt vermeiden wird, bleibt allerdings abzuwarten. Dass IKT-Systeme nunmehr regelmäßig verpflichtend durchleuchtet werden müssen, ist aber jedenfalls zu begrüßen, auch wenn dies weitestgehend bereits der gelebten Praxis entspricht.


Über die Autor:innen

Markus Aigner ist Banking & Finance Senior Associate bei der Anwaltssozietät Wolf Theiss. Helena Nyikos ist Banking & Finance Legal Trainee bei Wolf Theiss.

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Server KI AI
(c) Ian Battaglia via Unsplash

Es wird nicht nur geredet, sondern auch gehandelt: Der andauernde KI-Hype hat klare Auswirkungen auf Österreichs Unternehmen. Das zeigt eine aktuelle Deloitte-Studie, für die 600 heimische Führungskräfte befragt wurden. Demnach ziehen nur mehr 24 Prozent der Unternehmen die Nutzung von Künstlicher Intelligenz gar nicht in Betracht.

Bei kleinen Unternehmen mit bis zu 49 Mitarbeiter:innen ist das mit 38 Prozent noch deutlich häufiger der Fall. In mittleren (50 bis 249 Mitarbeiter:innen) und großen Unternehmen (ab 250 Mitarbeiter:innen) ist KI dafür mit 72 bzw. 66 Prozent bei einem Großteil bereits im Einsatz.

KI vorwiegend für simple Tasks genutzt

Dabei werden aktuell meist noch eher simple Tasks mit der Technologie bearbeitet. Ganz oben auf der Liste steht die Automatisierung von Routineaufgaben wie Dateneingabe und Informationsverarbeitung (19 Prozent) gefolgt von der Optimierung der Interaktionen mit Kund:innen (13 Prozent). Zur erweiterten Analytik für Prognosen und Risikobewertung (10 Prozent), zur Individualisierung von Serviceangeboten (8 Prozent) sowie zur Unterstützung bei der Entscheidungsfindung durch KI-gestützte Modelle (8 Prozent) kommt sie hingegen noch etwas seltener zum Einsatz. “Der Grund liegt auf der Hand: Diese Tools benötigen eine fundierte Datenbasis – bei dieser gibt es in Unternehmen noch viel Aufholbedarf”, kommentiert Deloitte Österreich Managing Partnerin Evrim Bakir.

Luft nach oben beim KI-Budget

Doch nicht nur bei den verfügbaren Daten sondern auch beim bereitgestellten Budget gibt es laut Deloitte-Studie Luft nach oben. 42 Prozent der Unternehmen haben demnach kein Budget für KI geplant, gefolgt von weiteren 25 Prozent, die dieses Jahr weniger als 50.000 Euro dafür ausgeben wollen. 18 Prozent der Unternehmen planen, zwischen 50.000 und 250.000 Euro für die KI-Implementierung auszugeben. Wirklich hohe Ausgaben bleiben also auch bei großen Unternehmen ein Minderheitenprogramm – mehr als zwei Millionen Euro wollen nur ein Prozent der Unternehmen ausgeben.

“Für einen langfristig erfolgreichen Einsatz wird es das Fünf- bis 20-fache benötigen”

Dazu analysiert Deloitte: “Mit den aktuellen Investitionsvorhaben der Unternehmen, die vielfach zwischen 50.000 Euro und 250.000 Euro je Unternehmensbereich liegen, sind erste Implementierungsschritte bereits abgedeckt. Für einen langfristig erfolgreichen Einsatz wird es laut Deloitte-Berechnungen aber etwa das fünf- bis 20-fache benötigen – das sind zwischen 250.000 und fünf Millionen Euro.” Dazu Josef El-Rayes, Partner und KI-Experte bei Deloitte Österreich: “Im kommenden Jahr müssen die Volumina aber dringend erhöht werden. Denn fest steht: Wer jetzt nicht entsprechende Investitionen in KI tätigt, droht angesichts der rasant fortschreitenden Entwicklung im nationalen und internationalen Wettbewerb abgehängt zu werden.”

Unklarer Return on Investment als große Herausforderung

Ein Grund für die Sparsamkeit könnte sein, dass viele der Unternehmen keinen hohen Return on Investment (ROI) durch die Technologie erwarten. So rechnen 37 Prozent der Befragten mit keinem Mehrwert für ihr Unternehmen. Sogar von 47 Prozent wird der unklare ROI in einem anderen Frageset als eine der größten Herausforderungen bei der KI-Implementierung gesehen. Nur hohe Anfangsinvestitionen liegen mit 61 Prozent Angaben noch darüber. Auch der Mangel an qualifizierten Fachkräften (36 Prozent) und Datenschutz-Bedenken (31 Prozent) sind hier große Punkte.

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