07.01.2020

Digitalisierung im Regierungsprogramm: Angst vor dem Terminator?

Die zehn letzten Seiten des türkis-grünen Regierungsprogramms sind dem Thema "Digitalisierung & Innovation" gewidmet. Neben klaren Bekenntnissen sind vor allem im Bereich künstliche Intelligenz auch große Vorbehalte herauszulesen.
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Digitalisierung im türkis-grünen Regierungsprogramm
(c) Adobe Stock - Corona Borealis

Das beste kommt zum Schluss – so könnte man die Positionierung des Unterkapitels “Digitalisierung & Innovation” im türkis-grünen Regierungsprogramm positiv darstellen. Denn tatsächlich sind es die letzten zehn Seiten des 326-seitigen Programms, die sich mit dem durchaus zentralen Thema befassen. Und noch etwas sticht ins Auge: Bereits im ersten Absatz der Präambel ist von “Chancen und Risiken” die Rede – noch vor der großen Ansage, die am Anfang des zweiten Absatzes steht: “Die Bundesregierung bekennt sich zu dem Ziel, Österreich zu einer der führenden Digitalnationen innerhalb der Europäischen Union zu machen”.

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Konkretes Eingehen auf Technologien

Im Gegensatz zum Programm der Vorgänger-Regierung, wo man das Kapitel nach Großthemen wie Forschung, Infrastruktur und Verwaltung gliederte und einzelne Technologien nur in Beispiel-Aufzählungen nannte, geht das türkis-grüne Regierungsprogramm in Unterkapiteln konkret auf Maßnahmen zu Technologien wie 5G, Blockchain und künstliche Intelligenz ein. Letzterer ist sogar ein eigenes zweiseitiges Unterkapitel gewidmet – übrigens ganz am Schluss.

“5G-Vorreiter” – aber nur mit “Technikfolgenabschätzung”

Dabei lässt sich ablesen, dass es unter den Regierungs-Verhandlern einige eher Digitalisierungs-skeptische Stimmen gab. Wie auch in anderen Bereichen des Programms folgt auf Bekenntnisse oft ein dazugehöriger Vorbehalt – Stichwort: “Chancen und Risiken”. So will man etwa die (in Eigendefinition) “5G-Vorreiterrolle” weiter ausbauen. Aber – so in einem weiteren Unterpunkt – dabei eine Technikfolgenabschätzung zu “5G Mobilfunk und Gesundheit” berücksichtigen.

“Vorausschauende Netzpolitik”

Auf die Darlegung von (teilweise altbekannten) Vorhaben zur Digitalisierung der Verwaltung (hier wurde sichtlich auch eine kürzlich veröffentlichte Studie zu möglichen Einsparungen berücksichtigt), zu Open Data, zur digitalen Wirtschaft (hier wir unter anderem ein staatlich kofinanzierter Risikokapital-Fonds genannt) und zu Zukunftstechnologien, etwa Blockchain und Quantencomputer, folgt das Unterkapitel “Netzpolitik vorausschauend gestalten”. Dort werden Vorbehalte zu den oben genannten Bereichen in einigen Punkten zusammengefasst. So soll etwa die Datenschutzbehörde gestärkt werden und es “hersteller- bzw. betreiberunabhängige Technikfolgenabschätzungen bei wesentlichen öffentlichen Digitalisierungsvorhaben” geben.

Künstliche Intelligenz als Frage der Ethik

Ausnehmend deutlich wird die Digitalisierungs-Skepsis dann im Unterkapitel “Zukunftssichere Rahmenbedingungen für künstliche Intelligenz schaffen”. Grundsätzlich will man eine KI-Strategie auf Basis eines vergangenes Jahr erstellten Expertenberichts erarbeiten. Doch geht man bei den Vorhaben auf zwei Seiten in fünf von 17 Unterpunkten auf das Thema Ethik ein. Betont wird etwa: “Ethische Reflexion hat ein immanenter Bestandteil der österreichischen KI-Politik und -Praxis zu sein”. Man “bekenne” sich in dem Zusammenhang “zum Schutz der Menschenwürde”, Entscheidungen in der Verwaltung dürfen nicht durch Maschinen getroffen werden und es soll die “Einrichtung eines Calls im Bereich Digitaler Humanismus” erfolgen sowie die Einbindung von Universitäten insbesondere im Bereich Digitalisierungsethik forciert werden.

Türkis-grünes Regierungsprogramm: Angst vor Terminator und Matrix?

Fazit: Im türkis-grünen Regierungsprogramm trifft Digitalisierungs-Enthusiasmus mit großen, aber nicht genau ausdefinierten Vorhaben, offen auf Digitalisierungs-Skepsis mit großen, aber nicht genau ausdefinierten Vorbehalten. Freilich ist es eine der aufgaben der Politik, etwaige Gefahren von Entwicklungen rechtzeitig abzuschätzen. Versteift man sich jedoch darauf, droht eine Bremsung auch in an sich sehr harmlosen Bereichen.

Während man etwa bei 5G wohl (wissenschaftlich kaum rechtzufertigenden) Ängsten in der Bevölkerung Rechnung trägt und sich bei anderen Vorhaben bei den “Vorsichtsmaßnahmen” sehr allgemein hält (was sich als im Programm eingebaute Bremse herausstellen könnte), scheinen vor allem in Sachen künstliche Intelligenz maßgebliche Sorgen zu bestehen. Die tatsächlichen Usecases von Machine Learning und Co. in der Wirtschaft, wo es vorwiegend um Prozess-Optimierung und -Beschleunigung durch Automatisierung geht, dürften hier wenig Beachtung gefunden haben. Stattdessen entsteht fast der Eindruck, die neue Regierung hat Angst vor dystopischen Zuständen à la Terminator oder Matrix.

⇒ Das Regierungsübereinkommen als Download

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Die Projektpartner:innen: von TU Wien, Forschung Burgenland. KEBA und kW-Soltions | (c) kW-Solutions

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Bidirektionales Laden: Innovationsbedarf in Österreich

Das von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) unterstützte Projekt Interoperable Communication for Bidirectional Charging (ICBC) hat sich zum Ziel gesetzt, die technischen und formalen Hürden von bidirektionalem Laden zu überwinden.

kW-Solutions-Gründer Korbinian Kasinger erläutert: “Es braucht jemanden, der den Vehicle-to-Grid-Prozess in Österreich durchmoderiert – sowohl technisch als auch formell“, so Kasinger​. Eine Herausforderung ist etwa die Zertifizierung des zurückgespeisten Stroms. “Bei einer PV-Anlage weiß man, dass es Grünstrom ist. Bei Autobatterien ist das nicht so einfach”, so der Gründer.

Technologisch ermöglicht es der Vehicle-to-Grid-Prozess (V2G), Strom aus der Batterie zu entnehmen und zurückzuverkaufen oder dem Regelenergiemarkt zur Verfügung zu stellen. Das ICBC-Projekt soll genau diese Möglichkeiten ausloten und zur Marktreife bringen​.

Das Konsortium hinter ICBC

Hinter dem ICBC-Projekt steht ein Konsortium aus kW-Solutions, der Technischen Universität Wien (TU Wien), Forschung Burgenland und KEBA​. Während die TU Wien für die Entwicklung von Kommunikationsschnittstellen sorgt, untersucht Forschung Burgenland die ökonomischen Vorteile von V2G. KEBA bringt seine Expertise in der Entwicklung von Ladeinfrastruktur-Hardware ein​.

kW-Solutions selbst arbeitet an einer flexiblen Software-Architektur, die V2G-Technologie effizient ins bestehende Netz integrieren soll. Das 2021 gegründete Startup hat sich auf die Bereitstellung intelligenter Ladelösungen für Elektrofahrzeuge spezialisiert.

Ein zentrales Produkt ist die Energiemanagement-Software “Charly”, die speziell für Mehrparteienanlagen entwickelt wurde, um ein effizientes Lastmanagement und eine automatisierte Verrechnung zu ermöglichen. 2023 konnte das Startup eine sechsstellige Finanzierungsrunde abschließen und FSP Ventures für sich gewinnen (brutkasten berichtete). Das Family Office ist an zahlreichen bekannten österreichischen Startups beteiligt, darunter Woom, Agrobiogel, Ecop Technologies oder Swimsol.

Pilotprojekte als nächster Schritt

Das ICBC-Projekt ist auf zwei Jahre angelegt und soll erste Antworten auf diese Fragen liefern. “In ein bis zwei Jahren werden wir valide Pilotprojekte in Österreich starten“, so Kasinger​. Ein flächendeckender, standardisierter Einsatz von V2G könnte allerdings noch drei bis fünf Jahre dauern​.

Das ICBC-Projekt legt laut Kasinger großen Wert auf praxisnahe Lösungen. In sechs Arbeitsbereichen werden nun Use-Cases, Schnittstellen und Systemarchitekturen entwickelt, um die Marktfähigkeit sicherzustellen​. Bidirektionales Laden könnte laut dem Gründer für Österreich nicht nur die Elektromobilität attraktiver machen, sondern auch zur Stabilisierung des Stromnetzes beitragen.


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