26.11.2018

Die Nebenwirkungen der Digitalisierung aufs Gehirn und Achtsamkeit als Gegengift

Unser Gehirn hat in der digitalen Welt von Social Media und Co. Schwierigkeiten, sich zu erholen. Durch die ständige Verfügbarkeit von Informationen haben wir Angst, etwas zu verpassen und werden süchtig. Wir sprachen mit dem Neurobiologen Bernd Hufnagl über die Nebenwirkungen der Digitalisierung und Achtsamkeit.
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Achtsamkeit
(c) Sondem / Fotolia.

Facebook, Google, WhatsApp. Drei Namen, die stellvertretend dafür stehen, inwieweit das Netz unser tägliches Leben beherrscht. Seit der Digitalisierung und dem Aufkommen sozialer Netzwerke, Darstellungsplattformen wie Instagram oder Kurznachrichtendiensten, bestes Beispiel Twitter, hat die Gesellschaft eine große Anzahl ihrer Aktivität ins „Online“ verlagert. Was die neuen Technologien und permanente Kommunikationsmöglichkeiten mit dem Menschen und dessen Gehirn anstellen, erklärt Neurobiologe und Buchautor (“Besser fix als fertig: Hirngerecht arbeiten in der Welt des Multitasking“) Bernd Hufnagl, der dabei einen Pfad für künftige Generationen aufzeigt, der noch adaptiert werden muss.

+++ Archiv: Hirnforscher Hufnagl: Nach 11 Minuten ist es mit der Konzentration vorbei +++

Das Gehirn – unendliche Weiten

86 Milliarden Nervenzellen, die durch 100 Billionen Synapsen miteinander verbunden sind. Ein Schwamm, dessen Aufnahmefähigkeit im humanoiden Dasein unendlich scheint. Bei genauerem Hinsehen gibt es über die Speicherkapazität des Cerebrums allerdings keine belegten Studien. Schätzungen darüber, wie viel der Mensch im Hirn aufnehmen kann, gehen derart weit auseinander, sodass es wenig Sinn macht, an dieser Stelle Zahlen zu nennen. Eines jedoch ist gewiss, das Gehirn kann eine Unmenge an Information speichern – was sich eigentlich als Tugend im sogenannten Informations- und Technologiezeitalter erweisen müsste.

“Die digitale Welt hat Nebenwirkungen”

„Das Gehirn passt sich allem an“, sagt Hufnagl, der zu bisher genannten Tätigkeiten zudem noch im Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) arbeitet. „Die digitale Welt ist weder krankmachend, noch im Prinzip was Schlechtes, aber sie hat Nebenwirkungen“.

Am Anfang des Gesprächs wirken Hufnagls Worte wie Oasen in einer Wüste. Er nennt die digitalen Möglichkeiten eine Innovation, die viel Schönes bringt. Lernmöglichkeiten, Kommunikation, Kontakte über Kontinente hinweg mit anderen Personen. Dem Neurowissenschaftler ist es wichtig, nicht missverstanden zu werden – er ist einer, der Technologien und ihre Möglichkeiten begrüßt. Dennoch sind die Wörter „Jedoch“ und „Aber“ zwei wichtige Ausdrücke im kontextuellen Umgang mit sozialen Medien hinsichtlich des Begriffs Achtsamkeit.

Fear of missing out

„Eines fällt auf“, erklärt Hufnagl, „Vielen fällt es immer schwerer einen Artikel zu Ende zu lesen. Oder TV-Sendungen ausschließlich zu sehen beziehungsweise ein Buch zu beenden. Alles wird zu einem Youtube-Format verkürzt. Menschen driften leicht ab und man erkennt ADHS-ähnliche Symptome“. Mit diesen Aussagen spielt der Experte nicht bloß auf die kurz aufbereiteten Inhalte einer Videoplattform oder einer „Meme-Seite“ an, sondern beschreibt zugleich den FOMO-Effekt (fear of missing out).

Die Gier nach Informationen und die Fragmentierung des Wissens

Dabei geht es um die zwanghafte Sorge, eine soziale Interaktion oder ungewöhnliche Erfahrung zu verpassen. Man „checke quer“ während man sich mit einem Thema befasse. Beispiele dafür: ein kurzes Googeln zu einer Fragestellung während einer politischen TV-Diskussion oder ein Kommentar per Nachrichtendienst. „Es herrscht eine Gier nach der Information. Man denkt, man sei auf ausschließlich ein Thema konzentriert. Leider verpasst man dabei aber tatsächlich einen Teil, während man Multitasking betreibt. Man hört etwa nicht alles, was in einer Nachrichtensendung im Fernsehen gesprochen wird. Auf diese Weise findet eine Fragmentierung der Wahrnehmung und damit des erworbenen Wissens statt“, so Hufnagl. Das gehe schlussendlich auf Kosten der Bildung.

Dabei darf Bildung nicht mit Ausbildung verwechselt werden, warnt der Forscher. Bildung sei eine Veränderung der Persönlichkeit und nicht eine Anhäufung von Faktenwissen. Man erhalte ein Gefühl und „wird sensibler für Bereiche“, sagt er. Digitale Permanenz stehe dieser Entwicklung im Weg und kreiere kontextabhängiges Wissen, gleich einer Maschine. „Wie beim Bankomatcode, der einem leichter einfällt, wenn man vor dem Geldautomaten steht, als wenn man beispielsweise am Meer liegt. Bildung ist das, was übrig bleibt, wenn man alle auswendig gelernten Fakten wieder vergisst.”

Unser Gehirn kann sich nicht mehr erholen

Die Angst etwas zu verpassen oder nicht zu partizipieren, zwingt Menschen permanent online zu sein. Dies führe sich oft als Unfähigkeit fort, noch offline gehen zu können. Damit würde effizient verhindert, dass unser Gehirn regenerieren kann. Forscher des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften (MPI CBS) in Leipzig und der Universität York in England haben 2017 herausgefunden, „dass bei Menschen, die häufig gewollt mit ihren Gedanken abschweifen, der Cortex in bestimmten präfrontalen Regionen, also im Stirnbereich des Gehirns, dicker ausgebildet ist“, erklärt Johannes Golchert, Doktorand am MPI CBS und Erstautor der zugrundeliegenden Studie, per Aussendung. Zudem habe sich gezeigt, dass zwei entscheidende Hirnnetzwerke stärker überlappen. Zum einen das sogenannte Default-Mode Netzwerks, das besonders aktiv ist, wenn die Aufmerksamkeit nach innen, auf Informationen aus dem Gedächtnis, gerichtet ist. Zum anderen das sogenannte fronto-parietale Kontrollnetzwerk, das als Teil des kognitiven Kontrollsystems den Fokus stabilisiert und etwa irrelevante Reize hemmt.

Achtsamkeit: Warum Nichtstun auch wichtig ist

Hufnagl nennt dazu das heutige Problem ständiger Informationsjagd und Online-Teilhabe: den nötigen Abstand, zum eigenen Selbst zu finden. Den Abstand, den man braucht, um über essentielle Dinge wie Partnerschaft, Zukunft oder Job nachdenken zu können. „Dies gelingt am besten im Nichtstun“, sagt er. Bei sozialen Medien und dem Online-Umgang mache die Dosis das Gift. Zuviel davon kann zu Aufmerksamkeitsstörungen führen.

Hufnagl hat in seiner Laufbahn 60.000 Daten in 17 Jahren gesammelt, wie er erzählt. Er berichtet von einem Experiment, in dem Teilnehmern gesagt wurde, sie sollen – angeschlossen an ein EKG – einfach aus dem Fenster sehen und an etwas Nettes denken. „Das Resultat war: 90 Prozent hatten eine Stressreaktion“, erinnert er sich. „Durch das Leben in der digitalen Welt, wird Erholung verhindert. Das Gehirn bekommt keine Regenerationsmöglichkeit“. Zwar seien jüngere Probanden (Generation von 15 bis 25) weniger stressanfällig als die „Nicht-digital-natives“ da sie konsumgewöhnter sind. „Statistiken zeigen aber, dass sie Probleme haben, sich länger zu beschäftigen“, so der Neurobiologe weiter.

Das Büro immer in der Hosentasche

Im Berufswesen sehe Hufnagl einen weiteren Effekt besonders in Führungspositionen. „Arbeit und Privates wird vermischt. Man hat das Büro in Form des Smartphones eingesteckt“. Dabei findet sich das typischste aller Problem-Beispiele im Urlaub. Das „Ich sehe mal nach“ und „checke“ die E-Mails am Smartphone, kann sich als Belastung im Kopf herausstellen. Vor allem, wenn es nicht beim Lesen einer einzigen Mail bleibt und der Inhalt kein positiver war. „Unser Gehirn muss sich damit beschäftigen. Man ist auch im Urlaub geistig im Beruf und denkt nur noch daran“, warnt Hufnagl.

Seine Lösung dazu, die er auch bei seiner Arbeit mit Führungsspitzen implementiert, ist eine einfache, die man jedoch durchziehen muss. Und die künftigen digital-aktiven und -arbeitenden Generationen als Anleitung dienen kann. „Man muss starre Spielregeln aufstellen. Im Urlaub sollte man nur bei Notfällen per SMS oder WhatsApp erreichbar sein“, sagt er. Und auch Langeweile mal zulassen.

Dieser Beitrag erschien in gedruckter Form im brutkasten Magazin #7 “Die Welt in 5 Jahren”

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Das Wiener Startup PowerBot automatisiert den physischen Stromhandel an Strombörsen. Damit leistet es einen Beitrag zur Energiewende. CEO Helmut Spindler hat uns vergangenen April mehr über die Technologie erzählt.

Das SaaS-Unternehmen wurde im Jahr 2020 von Felix Diwok, Manuel Giselbrecht und Helmut Spindler gegründet. Mit dem Ziel, Handelsabläufe an den europäischen Strombörsen zu automatisieren und zu verbessern. Und damit die Energiewende voranzutreiben. CEO Spindler war jahrelang als Berater für Energiemarktfragen tätig. Als Spin-off der Energiemarktberatung Inercomp GmbH entstand dann 2020 PowerBot.

Exit an norwegischen Tech-Konzern

Am gestrigen Mittwoch verkündete das Wiener Startup, vom “europäischen Marktführer für Energiesoftware, Volue, offiziell übernommen” worden zu sein. Eine konkrete Summe wird nicht genannt. Gemeinsam habe man sich das Ziel gesetzt, den Markt “im algorithmischen kurzfristigen Stromhandel” anzuführen.

Das Käufer-Unternehmen Volue positioniert sich als Technologielieferant grüner Energie. Das norwegische Unternehmen arbeitet an Lösungen zur Optimierung von Produktion, Handel, Verteilung und Verbrauch von Energie.

Co-Founder Diwok hielt bislang 37,5 Prozent, Spindler und Giselbrecht je 18,74 Prozent. Auch das Partnerunternehmen der Armstrong Consulting GmbH unter Geschäftsführer Roger Armstrong hielt bislang 25,01 Prozent der Firmenanteile.

Schrittweise Integration

Mit dem Kauf des Wiener Energy-Startups soll das bestehende Portfolio von Volue erweitert werden. Die Integration soll Schrittweise erfolgen, ab Jänner 2025 sei die PowerBot-Lösung vollständig in das Volue-Portfolio integriert.

Volue-CEO Trond Straume wird in einem LinkedIn-Post von PowerBot zitiert: „Diese Übernahme ist ein entscheidender Schritt auf unserem Weg, bis 2030 der führende SaaS-Anbieter für das globale Energiesystem zu werden. Die hochmoderne Plattform von PowerBot ergänzt den Volue Algo Trader perfekt, indem sie Quants befähigt und unsere Expansion über Westeuropa hinaus beschleunigt.“

Das Wiener Energy-Startup soll fortan die bestehende Lösung des Käufers – namentlich “Volue Algo Trader Power” ergänzen. Dabei handelt es sich um eine SaaS-Lösungen für den kurzfristigen Stromhandel, kurz für “Intraday”-Stromhandel.

“Keinen besseren Partner”

Wie PowerBot weiter vermeldet, soll die Integration die Entwicklung von traderfreundlichen Benutzeroberflächen und Lösungen für Unternehmen begünstigen. PowerBot wird dabei eng mit dem Team rund um die SaaS-Lösung Volue Algo Trader Power zusammenarbeiten.

Für das PowerBot-Team sei der Exit “nur der nächste wichtige Schritt auf dem Weg des Wachstums”, heißt es. Auch weiterhin soll das bestehende PowerBot-Team, darunter Helmut Spindler, Maximilian Kiessler und Jakob Ahrer, “die Entwicklung des Produkts weiter vorantreiben und für Kontinuität und Innovation sorgen”. Das Startup will indes bereits baldige neue Produkte auf dem Markt verkünden.

Helmut Spindler, CEO von PowerBot, kommentiert: „Wir haben in den letzten Jahren ein unglaubliches Wachstum erlebt, und um weiter zu skalieren und zu internationalisieren, brauchten wir einen starken Partner. Volue ist aufgrund seiner umfassenden Branchenkenntnisse und seiner gemeinsamen Vision die perfekte Wahl. Ich könnte mir keinen besseren Partner vorstellen“.

Stärken kombinieren

Mittlerweile soll das Wiener Energy-Startup über 85 Kunden in 26 Ländern vorweisen. Handeln soll es derzeit an neun Börsen. Das Team sei 25-köpfig und in Wien sitzend. Auch die Zertifizierungen ISO 27001 und SOC2 Typ 2 – beides Zertifizierungen für Cybersicherheit und Datenschutz – weise man vor.

Roland Peetz, SVP von Volue Energy Software, fügt hinzu: „Indem wir unsere Stärken kombinieren, schaffen wir ein unübertroffenes Angebot, das den Anforderungen des sich schnell verändernden Stromhandelsmarktes gerecht wird.“

Aus dem Archiv: PowerBot-CEO Helmut Spindler im Studio

Der PowerBot-CEO und Mitgründer Helmut Spindler war zu Gast im brutkasten Studio.

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