21.05.2021

Digitale Signatur: Wiener Startup PSPDFKit angelt sich Regierungsauftrag

Das auf PDF-Features spezialisierte Wiener Startup PSPDFKit konnte einen großen Coup landen. Peter Steinberger und sein Team wurden vom "Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort" als neuer Partner zur Umsetzung neuer Serviceleistungen des "Digitalen Amtes" ausgewählt. Konkret geht es um die "Digitale Signatur".
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PSPDF, Digitale Signatur, PSPDFKit, BMDW, BRZ, Grüner Pass, elektronisch Unterschreiben
(c) PSPDFKit - Das PSPDFKit-Team unterstützt das Digitalministerium bei der digitalen Unterschrift.

Die österreichische Regierung bietet den Bürgern mit dem “Digitalen Amt” schon länger online Zugang zu vielen Diensten. Beispiele hierfür sind das online-Anfordern von Wahlkarten, das Ummelden des Hauptwohnsitzes, das Empfangen von offiziellen Briefen per E-Mail und der Zugriff auf verschiedene Dienste für werdende Eltern. Die neueste Version der App, die im iOS App Store heruntergeladen werden kann, eröffnet die Möglichkeit PDF-Dokumente mittels der Funktion “Digitale Signatur” zu unterschreiben. Und ein Wiener Startup ist maßgeblich daran beteiligt.

Lösungen für “Digitale Signatur” gesucht

Das “Digitale Amt” ist Teil eines Projekts, das vom “Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort” in Zusammenarbeit mit dem “Österreichischen Bundesrechenzentrum” (BRZ) umgesetzt wurde. Für das neue Service wurden verschiedene Lösungen am Markt gesichtet und das SDK (Software Development Kit) vom Wiener Startup PSPDFKit ausgewählt. Gründer Peter Steinberger bootstrappte die Software bereits 2011.

Andere Zeiten

“Begonnen hat alles, als ich eine App entwickelt habe, um am iPad Magazine lesen zu können. Vor zehn Jahren war die Hardware noch sehr limitiert, ein PDF schnell und vor allem stabil zu ‘rendern’ war schwierig. Viele Apps haben hier getrickst und einfach Bilder angezeigt, jedoch kann man hier keinen Text selektieren oder suchen, und die Qualität ist auch nicht sonderlich gut, gerade wenn man Text vergrößert”, sagt er.

Es dauerte nicht lange und der Gründer bemerkte, dass es hier einen Markt gebe und hat ein SDK entwickelt, mit dem man PDFs einfach anzeigen kann, und das sich um alle Details kümmert. Mit Jonathan und Martin hat er bald zwei Co-Founder an Bord geholt. “Dropbox war einer unserer ersten großen Kunden”, erinnert sich Steinberger an die Anfänge. Das Trio hat mittlerweile das Portfolio auf Android, Windows und Web erweitert. Nun besteht das Team aus 60 Leuten in über 20 Ländern und ist Teil einer einschneidenden Neuerung im Signierbereich.

Digitale Signatur rechtssicher

“Mit der Handy-Signatur kann man in Österreich Dokumente rechtssicher unterschreiben. Bisher ging das online oder über eine relativ mühsame Java-App oder eben über Webseiten. Die ‘Digitales Amt’-App ermöglicht das ganze nun extrem benutzerfreundlich. Die App ist kostenlos und für iOS und Android verfügbar”, sagt Steinberger. “Wenn man das ganze mit einer App wie unserem PDF Viewer verbindet kann man unterwegs ein Dokument abfotografieren, in ein PDF verwandeln, das ganze via App unterschreiben und per E-Mail senden. Man spart sich die Zettelwirtschaft und den Weg zum Postamt.”

Die Möglichkeit der digitalen Signatur gibt es seit der eIDAS-Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt. Die Verordnung trat eigentlich bereits 2014 in Kraft, gilt aber überwiegend seit dem 1. Juli 2016.

Firmen akzeptieren digitale Dokumente

“Seitdem kann man überall da, wo eine Unterschrift benötigt wird, stattdessen auch ein PDF signieren und per E-Mail senden. Diese qualifizierte “Digitale Signatur” ist genauso rechtsgültig wie eine handschriftliche Unterschrift”, so Steinberger weiter. “Vor ein paar Jahren war das noch schwierig, inzwischen haben aber die meisten Firmen verstanden, dass solche Dokumente akzeptiert werden müssen. Die nächste Kündigung kann daher einfach direkt vom Handy via E-Mail geschickt werden – wesentlich bequemer als ein eingeschriebener Brief, und genauso gültig. Gibt es keine Fehlermeldung beim E-Mail-Empfang, so gilt diese als zugestellt.”

Konkret: Man braucht man für die Nutzung des PSPDFKit eine Handysignatur. Auf iOS gibt es zudem auch eine “Action-Extension”, mit der man nahezu aus jeder App heraus ein PDF aussuchen und den untersten Punkt “PDF signieren mit Digitales Amt” auswählen kann. Folglich bestimmt man wo die Signatur hin soll und hat ein signiertes PDF.

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(c) Steinberger – Screenshot PSPDFKit

Die Kooperationsmöglichkeit mit dem Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort und dem Bundesrechenzentrum ist ein großer Erfolg für Steinbergers Startup und auf ein paar entscheidende Aspekte zurückzuführen, das “Rennen gemacht zu haben”. Der Gründer dazu: “Der Markt für gute mobile Lösungen rund um PDF-Signaturen die den PAdES-Standard (Anm.: PDF Advanced Electronic Signatures) unterstützen ist sehr überschaubar. Das Bundesrechenzentrum hat die vorhandenen Produkte am Markt evaluiert und sich dann für uns entschieden. Im Gegensatz zu anderen Produkten ist unser Ansatz, dass wir uns bestmöglich ins System integrieren”, sagt er. “Die API sieht aus wie etwas, das Google oder Apple entwickelt haben – andere Player achten hier kaum auf die Konventionen der jeweiligen Plattform – das macht es für Entwickler viel einfacher, unsere Lösung zu integrieren.”

Eine offline-Lösung

Ein weiterer Aspekt des Erfolgs war die Sicherheit. Die Produkte von PSPDFKit wurden zahlreichen Sicherheits-Audits unterzogen, haben diese überstanden und das SDK würde laut dem Gründer im Gegensatz zu anderen Lösungen gänzlich offline funktionieren: “Es werden keinerlei Daten zurückgesendet. Auch die Lizenz-Verifizierung arbeitet rein offline”, erklärt Steinberger. “Das vereinfacht die Integration weiter, da wir somit keinerlei Daten von Kunden verarbeiten und es somit keine Datenschutzbedenken gibt. Selbst unser Web-SDK agiert entweder direkt im Browser via ‘WebAssembly’, oder wird ‘On-Premise’ via Docker gehostet.”

Ebenfalls wichtig für das BRZ war der direkte Zugang zu den Entwicklern des Unternehmens. Durch ihr internationales Team können bei Bedarf sowohl europäische als auch amerikanische Geschäftszeiten abgedeckt und die meisten Tickets innerhalb weniger Stunden beantworten werden. Ein Umstand, dessen Wichtigkeit auch aufgrund der Pandemie von Bedeutung war. Steinberger bemerkte hierbei im letzten Jahr einen Anstieg der Nachfrage nach ihren Produkten.

IBM, Lufthansa und PlanRadar

“PDF ist quasi immer Teil der Digitalisierungsstrategie in Unternehmen. Wir arbeiten mit einem führenden Anbieter im Education-Bereich daran, unsere Kollaborationslösung ‘instant’ einzubauen, um Dokumente ähnlich wie bei ‘Google Docs’ kommentieren zu können. Hier gibt es viele Details zu beachten. Schüler sollen ja etwa nicht die Kommentare der Lehrer verändern dürfen. Wir haben hier mit ‘Collaboration Permissions’ ein flexibles System gebaut”, erklärt der Gründer und gibt einen Ausblick auf eine weitere Zukunft seines Unternehmens.

“Mit einem weiteren führenden Anbieter von Dokument-Signaturen arbeiten wir gerade zusammen, um unseren Formular-Editor zu verbessern, ein vielfach gewünschtes Feature war ‘Undo & Redo’, um die Bedienung für den Anwender bequemer zu machen”, sagt Steinberger. “Inzwischen sind wir in unzähligen Produkten und Industrien integriert, von DocuSign, IBM, Lufthansa im Cockpit und PlanRadar bis hin zum Europäischen Patentamt.”



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High-Tech Gründerfonds: Principal Tanja Emmerling gibt im Gastbeitrag Pitching-Tipps
Tanja Emmerling ist Partnerin beim High-Tech Gründerfonds. © High-Tech Gründerfonds

Tanja Emmerling ist seit über einem Jahrzehnt erfolgreich als Investment-Managerin im Digital-Tech-Sektor aktiv. Mit einem Portfolio von 14 Unternehmen und der Begleitung von rund 30 Beteiligungen als Projektleiterin hat sie sich als Expertin im Bereich der Startup-Finanzierungen etabliert. 2018 übernahm sie eigenverantwortlich den Aufbau des Berliner Standorts des High-Tech Gründerfonds und leitet seither die Dependance in Berlin.

Der High-Tech Gründerfonds wurde 2005 ins Leben gerufen, um den damals stagnierenden Markt für Gründungsfinanzierungen neu zu beleben. Sein Fokus liegt bis heute auf Tech-Startups mit hohem Wachstumspotenzial, wobei Investitionsentscheidungen – wie es seitens des Fonds heißt – „nach rein marktwirtschaftlichen Kriterien“ getroffen werden.

Im Gespräch mit brutkasten gibt Emmerling einen Einblick in die Welt der Deep-Tech-Investitionen und die Strategie des Fonds. Zudem spricht sie über die Herausforderungen europäischer Startups beim Börsengang und notwendige Änderungen auf europäischer Ebene, um im globalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu bleiben.


brutkasten: In welchen Bereichen investiert der High-Tech Gründerfonds? Gibt es am Markt aktuell gewisse Trends oder spezifische Nischen, wo ihr einen Fokus legt?

Tanja Emmerling: Der High-Tech Gründerfonds ist als der aktivste Seed-Investor in Europa einzuordnen. Wir haben aktuell zwei Milliarden Euro unter Management, befinden uns in der vierten Fonds-Generation, verfügen über 500 Millionen im laufenden Fonds und haben zusätzlich einen Wachstumsfonds für unser eigenes Portfolio, um auch die großen Tickets im later Stage stemmen zu können.

Das ist deshalb entscheidend, weil gerade die Deep-Tech-Bereiche sehr kapitalintensiv sind, wenn die wirklich spannenden Unternehmen später entsprechend große Investments benötigen, um in die Wachstumsgrößen zu gelangen. Da in Europa und auch in Deutschland nach wie vor ein Mangel an solchen Finanzierungen besteht, können wir bei einer top Performance hier gut unterstützen. 

Dabei haben wir einen Technologiefokus, der die komplette Bandbreite abdeckt: Wir beschäftigen uns mit Life Sciences, inklusive Drug Development, Digital Tech, wo auch die digitalen SaaS-Plattformen einzuordnen sind, und einem Sektor, den wir als Industrial Tech bezeichnen. Industrial Tech umfasst Bereiche mit einem gewissen Hardware-Software-Bezug, die produktionslastig sind, aber auch Themen wie Mobility, Energiemanagement, Circular Economy, Agritech, Halbleiter, Aviation, New Space, Quantum Computing und in Teilen auch Artificial Intelligence – jeweils soweit diese in Produktionsprozesse eingebunden werden. 

Gerade in Deutschland ist dieser Bereich von großer Bedeutung, da unsere Wirtschaft vom Mittelstand lebt – den Hidden Champions, die stark produktionslastig und exportgetrieben sind, sich im Umbruch befinden, sich selbst erneuern, neue Innovationen finden und teilweise auch einen Generationswechsel durchlaufen. 

2021 boomten Startup-Finanzierungen. 2022 kühlte der Markt wegen des Ukraine-Kriegs, steigender Zinsen und anderer Faktoren ab. Wie hat sich das auf eure Investment-Strategie ausgewirkt?

Tanja Emmerling: Überraschenderweise hat sich bei uns gar nichts grundlegend verändert. Wir tätigen rund 40 Investments pro Jahr und konnten die Investitionsschlagzahl im Seed-Bereich durch alle Krisen aufrechterhalten. Das kommt zum Teil daher, dass wir selbst eine Art ‘Krisengeburt’ erlebt haben – wir stammen ja aus der Dotcom-Ära, als im Anschluss kaum ein Investor noch in Technologie und Innovation investieren wollte und Venture Capital kaum bekannt war. Damals wurde der High-Tech Gründerfonds, auch über eine Initiative von Kanzler Schröder, gegründet, um Technologie in den Markt zu bringen – in Kooperation mit Partnern wie Bosch, Siemens und anderen – und damit marktkonform die Technologieinnovation zu fördern. 

Diese Erfahrungen haben uns gelehrt, wie man Krisen bewältigen kann. Wir investieren also auch direkt in Krisenphasen. Wir wissen, wie man Unternehmen so aufbaut, dass sie schnell eine stabile Pipeline erreichen, eine ausreichende Runrate erzielen und im Fundraising gut vorbereitet sind. Seit der Corona-Phase und auch nach dem Ukraine-Konflikt waren die meisten unserer Portfoliounternehmen gut aufgestellt, weil sie wussten, dass sie ihren Runway verlängern und sich auf zusätzliche Herausforderungen im Fundraising einstellen müssen. Das hat dazu geführt, dass es nicht zu überraschend hohen Ausfällen kam und wir insgesamt sehr gut durch diese Phasen gekommen sind. 

Natürlich hat sich in dieser Zeit durch das veränderte Zinsniveau auch die Fremdfinanzierung – die ja stark in Deep-Tech-Modelle einfließt – verändert. Hier wurden teilweise andere Finanzierungsprodukte, wie Corona-Fazilitäten und Fördermittel in Deutschland, genutzt. Insgesamt wurde die Mittelallokation in den Unternehmen sehr gut gesteuert. Man könnte sagen, dass wir in diesem Deep-Tech-Bereich antizyklisch agieren. Das Risiko ist zwar hoch – gerade, weil es sich oft um langfristige Finanzierungen handelt –, aber es ist wichtig, die Schlagzahl aufrechtzuerhalten, statt abzuwarten, bis alle wieder in den Markt wollen und bei extrem hohen Bewertungen einsteigen.

Zu den Investoren High-Tech-Gründerfonds zählen auch über 40 Corporates aus unterschiedlichsten Branchen. Wie nehmt ihr hier die Investitionsbereitschaft in Deep-Tech aktuell wahr?

Tanja Emmerling: Ja, ich glaube, dass gerade in der aktuellen Situation das Bewusstsein für den Erhalt der Binnenwirtschaft in Deutschland stark gewachsen ist. Unternehmen wollen ihre eigene IP halten und ihren Forschungsstandort sichern, um sich an den Industrien und den Innovationen zu orientieren – ohne zu sehr abhängig zu werden. Das Bewusstsein und die Offenheit für Innovationen ist also deutlich gewachsen, auch bedingt durch das Marktumfeld. 

Andererseits beobachten wir, dass größere Konzerne in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit wieder stärker auf ihr Kerngeschäft setzen. Für unsere Portfoliounternehmen ist es deshalb wichtig, zu wissen, wie offen die Corporates für Kooperationen sind, wie schnell sie als Kunden agieren oder auch Zukäufe tätigen. Aktuell befinden sich viele in einer Warteposition, aber ich bin überzeugt, dass sich damit bald wieder ein neuer Impuls einstellt und die Bereitschaft in der deutschen Wirtschaft, also gerade im industriellen Bereich, deutlich steigt.

In Deep-Tech ist IP essenziell. Europa ist stark bei Patenten, aber schwach in der Kommerzialisierung. Was muss sich ändern, damit Europa im globalen Wettbewerb, besonders mit den USA, mithalten kann?

Tanja Emmerling: Ich glaube, dass ein grundlegendes Thema darin besteht, dass Forschungsinstitutionen oder Universitäten die Transformation von IPs in Unternehmen schneller vorantreiben müssen, damit diese direkt damit arbeiten können. 

Es hat sich bereits viel getan, denn Universitäten zeigen heute eine deutlich größere Bereitschaft und haben ein besseres Verständnis dafür, wie ein Startup oder ein Spin-off funktioniert und was es braucht, um exitfähig zu werden. 

Außerdem gibt es in Deutschland Initiativen, die darauf abzielen, mehr sogenannte Factory-Hubs zu schaffen, in denen Universitäten, lokale Wirtschaftsakteure und Startup-Initiativen zusammenarbeiten. Ein zentraler Baustein ist es, den klaren IP-Transfer in Unternehmen zu regeln. Zwar wird hier noch viel diskutiert – gerade weil Universitäten andere Anreizsysteme haben als Unternehmen – aber dies ist der Grundpfeiler, um weiterzukommen. Der Startup-Verband und die bestehenden Factories in Deutschland sorgen dafür, dass es durch standardisierte Prozesse und Verfahren mehr Klarheit gibt.

Laut EY Österreich hat Deutschland den Aufschwung bei Startup-Finanzierungen geschafft. Siehst du das auch so?

Tanja Emmerling: Ja und nein. Über das Jahr verteilt hat man den Eindruck, dass Gründungsinitiativen noch nicht in vollem Umfang zurückgekehrt sind. Ich hatte auch den EY-Bericht gelesen und war erstaunt, wie stark die Zahlen zum Jahresende angestiegen sind – was darauf hindeutet, dass die Gründungszahlen wieder zunehmen. 

Das liegt vermutlich vor allem daran, dass viele Gründungen aus Forschungsinstitutionen stammen, insbesondere im Biotech-Bereich, der einen starken Aufwind erlebt. Zudem gibt es regionale Förderungen, bei denen Gründungsinitiativen aus den Universitäten hervorgehen und in regionale Hubs zurückfließen. Über das Jahr hinweg war das zwar nicht immer spürbar, aber die Zahlen zum Jahresende sprechen für einen Aufwärtstrend. Dennoch sehe ich, dass noch Potenzial vorhanden ist, das weiter ausgebaut werden muss. Ich bin aber optimistisch, dass insbesondere in der zweiten Jahreshälfte ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen sein wird.

Berlin gilt als die Startup-Hauptstadt. München gewinnt jedoch zunehmend an Bedeutung – aufgrund der starken Ausrichtung auf Deep-Tech. Wie siehst du diese Entwicklung?

Tanja Emmerling: Ich denke, dass in München vor allem die Nähe zu Industrieunternehmen eine große Rolle spielt, weil bestimmte große Player direkt vor Ort sind und die passenden Kundenprofile suchen. Außerdem hat sich das Unternehmertum in München sehr gut entwickelt. Berlin ist zwar international sehr attraktiv – unter anderem, weil hier oft günstigere Büroflächen und Mitarbeiter zu finden sind, was internationale Player anzieht –, dennoch zeigt sich in München ein konzentriertes Netzwerk mit einem anderen, sehr fokussierten Profil. Beide Städte haben ihre Stärken: In Berlin fließen, was die Größe betrifft, weiterhin viele Investoren, während München durch spezialisierte Netzwerkverbindungen und die Nähe zur Industrie besticht. Insgesamt ist Deutschland aber besonders diversifiziert – es gibt beispielsweise viele Hardware-Hubs in Aachen, spezialisierte Cluster in Leipzig oder Initiativen in NRW und im Ruhrgebiet.

Lass uns über Exits und Börsengänge sprechen. Seit 2005 hattet ihr 180 erfolgreiche Exits, darunter einige IPOs. In Europa hört man oft, dass das IPO-Fenster fehlt.

Tanja Emmerling: Wenn man sich das Sentiment in den USA anschaut, so scheint sich dort der IPO-Markt wieder zu öffnen. Für uns in Deutschland besteht die Herausforderung darin, dass es hier keinen wirklich funktionierenden IPO-Markt für Startups gibt. Es gibt zwar in den nordischen Ländern Ansätze, aber in Europa ist das IPO-Fenster für Startups bislang nicht attraktiv genug – es sei denn, man strebt direkt einen Börsengang in den USA an, was mit enormen Größenordnungen und hohen Kosten verbunden ist. Das ist ein Bereich, den wir konsequent weiterentwickeln müssen, damit auch in Europa eine Perspektive für Startups entsteht, indem der Börsen- und IPO-Markt breiter aufgestellt wird und auch kleinere Unternehmen Chancen haben.

Wie siehst du die Entwicklung bei Exits?

Tanja Emmerling: Ja, Exits finden statt, allerdings häufig in sehr spezialisierten Bereichen – zum Beispiel in der IT-Security oder ähnlichen Nischen. Diese Bereiche funktionieren nach wie vor sehr gut und erzielen solide Bewertungen. Aktuell justiert sich jedoch noch vieles, was die Marktentwicklung betrifft, und es gibt ein gewisses Zukauf-Sentiment, das sich abzeichnet.

Europa denkt wieder mehr über technologische Souveränität nach – auch wegen geopolitischer Entwicklungen wie Trump und dem Russland-Ukraine-Konflikt. Wie wirkt sich das auf den Deep-Tech-Bereich aus – auch in Hinblick auf Dual-Use-Technologien?

Tanja Emmerling: Ich denke, dass sich hier ein größerer Fokus auf Dual-Use-Technologien öffnet, um diese differenzierter zu betrachten. Es herrscht eine erhöhte Dringlichkeit, denn staatliche Institutionen setzen vermehrt auf die Digitalisierung und darauf, unabhängiger zu werden. Gleichzeitig wird die Wirtschaft gezielt gefördert, um den Innovationspfad nicht zu verlieren – es fließt mehr Geld in diese Bereiche, um die Industrie in Europa zu halten. Wie schnell und erfolgreich das umgesetzt wird, werden wir sehen. Vor allem aber hat auch der Mittelstand erkannt, dass jetzt der Moment ist, in den Innovationsbereich einzusteigen, mit Startups zusammenzuarbeiten, Kundenbeziehungen aufzubauen und spannende Cluster zu formen – etwa von Energie bis hin zu Sicherheitstechnologien.

In Europa rücken Regierungen nach rechts, und Klimaschutz ist nicht mehr überall Priorität. Wie beeinflusst das den Climate-Tech-Sektor? Hängt er stark von der Politik ab oder bleibt er wirtschaftlich trotzdem stabil?

Tanja Emmerling: Ich bin der Meinung, dass Climate-Tech aus wirtschaftlichen Gründen weiterhin Sinn macht und deshalb auch auf der Agenda bleibt – unabhängig von den politischen Schwankungen. Auch wenn die politischen Szenarien nicht ganz eindeutig sind, hat das Thema Energie nach wie vor hohe Priorität. Zudem eröffnet diese Unsicherheit auch neue alternative Ansätze, wodurch sich für Unternehmen im Climate-Tech-Bereich wieder neue Chancen ergeben.

Wie nimmst du aus Investorensicht den Deep-Tech-Markt in Österreich wahr?

Tanja Emmerling: Wir investieren etwa zu 30 Prozent im Ausland, vorwiegend innerhalb der EU. Die DACH Region ist natürlich ein sehr zentraler Baustein im Sourcing für uns.  Gerne möchten wir auch noch mehr Unternehmen aus Österreich sehen, die auf den deutschen Markt gehen möchten. 


0100 Conference DACH 2025 in Wien

Bald ist es wieder soweit: Vom 18. bis 20. Februar 2025 trifft sich die Elite der Private-Equity- und Venture-Capital-Branche in Wien zur elften Ausgabe der 0100 Conference DACH. Das Event ist einer der wichtigsten Treffpunkte für Investor:innen, Fondsmanager:innen und Branchenexpert:innen im deutschsprachigen Raum, um über aktuelle Trends und Entwicklungen in der Investmentlandschaft zu diskutieren. Auch Tanja Emmerling wird als Speakerin auf der 0100 Conference auftreten.

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