18.10.2021

“Die Höhle der Löwen” mit EduTech, Fleischersatzpulver und Xylit

In dieser Folge der "Höhle der Löwen" sah man ein EduTech-Startup, das unter anderem Schüler mit Nachhilfelehrern verbindet, Seifenstreuer und eine Snus-Konkurrenz. Zudem setzte ein Gründerpaar auf ihre haltbare Fleisch-Alternative.
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Seitan, Höhle der Löwen
RTL / Bernd-Michael Maurer - Nicole und Bernd Sell überzeutten nicht bloß mit ihrem Fleischersatzpulver.
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Die ersten in der „Höhle der Löwen“ – die immer montags um 20.15 Uhr bei VOX sowie jederzeit auf Abruf über TVNOW.at zu sehen ist – waren Patrick Fuchs und Michael Gueth. Ihr Scooper ist ein Energy-Beutelchen für die Mundhöhle.

Für mehr Konzentration

Ob Autofahrer:innen, Student:innen oder Geschäftsleute – das eine Gefühl kennen viele Menschen: Die Konzentration schwindet. Oft greifen jene in solchen Momenten zu koffeinhaltigen Getränken wie Kaffee, Cola oder Energydrinks. “Aber immer dann, wenn ich einen schnellen Wachmacher brauche, ist er nicht griffbereit”, erläuterte Fuchs den Löwen. “Bei Scooper ist das komplett anders: Dose öffnen, einen Scoop entnehmen und dann entweder unter die Oberlippe oder in die Seitentasche der Backe legen. Das Geniale ist, dass man innerhalb kürzester Zeit den Energy-Boost bekommt. Zusätzlich sorgt er für einen frischen Atem und einen guten Geschmack im Mund.”

Höhle der Löwen, Scooper
(c) RTL / Bernd-Michael Maurer – Patrick Fuchs (l.) und Michael Gueth präsentierten mit Scooper ein Energy-Pad für die Mundhöhle.

Ein Scoop enthält 40 Milligramm reines, natürliches Koffein aus echten Kaffeebohnen in Pulverform. Das entspricht etwa einem Espresso, sowie Vitamin B5, Aromen, und den Zuckerersatzstoff Xylit. Durch die Aufnahme über die Mundschleimhäute gelange das Koffein direkt ins Blut und erziele damit eine sofortige Wirkung. Die Gründer bieten Scooper in den vier verschiedenen Geschmacksrichtungen “Cool Grapefruit”, “Iced Cola”, “Iced Caramel Coffee” und “Fresh Mint” an. Die Forderung: 150.000 Euro für 50 Prozent der Firmenanteile.

“Seltsames Erlebnis”

Vor der Kostprobe zeigten sich alle Löwen von den Produkten geruchlich angetan. Danach meinte Konzernchef Nils Glagau allerdings, der bittere Nachgeschmack des Koffeins wäre spürbar. Beauty-Queen Judith Williams sagte, dass es ein “seltsames Erlebnis” sei, den Scoop im Mund zu haben. Es wäre nicht sehr sexy. Sie stieg ohne Angebot aus.

Multi-Investor Carsten Maschmeyer brachte ins Spiel, dass es sehr viele Konkurrenten gebe, während Glagau einwarf, dass Scooper nicht die Energy-Revolution sei. Er kenne überlegenere Produkte. Nach dieser Absage ging auch Maschmeyer, der bereits selbst in drei “Koffein-Startups” investiert ist.

Die Gründer kämpften und argumentierten. Der LEH-Experte Ralf Dümmel lobte danach das Startup, war aber ebenso wie Maschmeyer bei ähnlichen Produkten dabei. Familien-Investorin Dagmar Wöhrl hingegen hatte Ideen, wie man mit Scooper agieren könnte. Sie bot die gewünschte Summe für 50 Prozent. Deal für Scooper.

Haltbare Fleisch-Alternative in der “Höhle der Löwen”

Die nächsten, die sich in die “Höhle der Löwen” wagten, waren Nicole und Bernd Sell. Sie präsentierten mit Early Green eine vegane Fleischalternative. Als Nicole ihre Ernährung auf fleischlos umstellte, testete sie diverse Fleischersatzprodukte. Doch die meisten davon haben die Gründerin nicht überzeugt: “Viele von denen haben keine besonders lange Haltbarkeit. Schon nach einer Woche sind sie verdorben.”

Ihr Mann nahm sich diesem Problem an und der begeisterte Hobbykoch fand in Seitan, bekannt aus der klassischen japanischen Küche, eine Alternative: “Seitan ist in der vegetarischen und veganen Küche sehr beliebt, weil es eine fleischähnliche Konsistenz hat. Aber, zubereitetes Seitan ist kühlungspflichtig, damit es nicht verdirbt.”

RTL / Bernd-Michael Maurer – Nicole und Bernd Sell haben das Fleischersatzpulver Early Green entwickelt.

Um das zu umgehen, hat das Ehepaar eine eigene Fertigmischung entwickelt, die ohne Kühlung auskommt. Die Sorten Burger, Gyros und Steak bestehen aus natürlichen Zutaten und beinhalten keine Konservierungsstoffe, Geschmacksverstärker oder Zusatzstoffe. So geht’s: Die Fertigmischung mit 150 Milliliter kaltem Wasser und zwei Esslöffel Speiseöl vermengen, umrühren und kurz durchkneten, in Form bringen und braten oder grillen. Um den Vertrieb für Early Green auszubauen, benötigten Nicole und Bernd Sell 100.000 Euro und boten dafür 20 Prozent der Firmenanteile an.

Feine Konsistenz

Judith Williams meinte beim Kosten des veganen Burgers, im Vergleich zu anderen Produkten wäre Early Green von der Konsistenz her sehr fein. Auch die Gyros-Variante kam sehr gut weg. Das Alternativ-Steak hingegen wurde größtenteils als gut empfunden, auch wenn es nicht bissfest sei, wie Maschmeyer meinte.

Medien-Investor Georg Kofler kam mit Seitan nicht klar und ging zwar mit Begeisterung für die Gründer, aber dennoch ohne Angebot. Auch Maschmeyer zeigte sich fasziniert von der Präsentation der Sells. Williams reihte sich lobend ein, strich die Saucen hervor, die das Startup ebenfalls im Sortiment führt, hatte aber ebenfalls ein Problem mit Seitan. Die Fertigmischung schmecke zu schwer, sagte sie. Sie riet zu Kichererbsen oder Lupinen und blieb ohne Offerte.

Maschmeyer fehlte das “Fleisch-Mund-Erlebnis”, daher wollte er nicht investieren. Dümmel indes bezeichnete sich als totalen Fleischesser, aber Early Green hätte ihm geschmeckt. Der Vorteil des Pulvers mit der 14-Monate-langen Haltbarkeit wäre “der Wahnsinn”. Er bot 100.000 Euro für 30 Prozent.

Glagau ging in Konkurrenz zu seinem Kollegen, versprach große Unterstützung und bot 100.000 Euro für “nur” 20 Prozent. Die Gründer, die bis dato aufgrund ihrer liebevollen Art zueinander sämtliche Sympathien gewonnen hatten, kehrten nach einem Kuss von der Beratung zurück und boten Dümmel für die 100.000 Euro 25 Prozent an. Deal für Early Green.

Sportwagen oder Baby?

Der nächste in der “Höhle der Löwen” war Nils Freyberg. Der 29-Jährige ist ein begeisterter Autofan und erfüllte sich 2018 den Traum von einem eigenen Sportwagen. Doch seine Freundin stellte ihn kurz darauf vor eine Herausforderung: “Schönes Auto, aber was machen wir, wenn wir ein Kind bekommen? Das muss dann ja wieder weg, weil da gar kein Kinderwagen reinpasst”, meinte sie.

Mit dieser Gefahr im Hinterkopf begab sich der Gründer auf die Suche nach einer Lösung und präsentierte den Löwen gemeinsam mit Partner Tiado Janis Pieperhoff die selbst entwickelte Dachbox unter der Marke Asphaltkind: “Der Fokus liegt auf Aerodynamik, Stabilität, Gewicht und Design”, erklärte er.

RTL / Bernd-Michael Maurer – Nils Freyberg (l.) und Tiado Janis Pieperhoff sind Naturfaser-Experten.

Durch den geringen Luftwiderstand soll der Kraftstoffverbrauch verringert werden. Das Gewicht von unter 20 Kilogramm ermögliche zudem ein unkomplizierteres Montieren sowie mehr Zuladung. Ein elektrisches Schließsystem sorgt per Knopfdruck für das Auf- und Zuschließen.

Problemfall Carbon

Mit dem Credo “leicht spart Energie, aber leicht und CO2-neutral spart Energie und entschleunigt den Klimawandel”, hat Freyberg bei diesem Thema auch den Umweltaspekt im Blick. Denn es werden für die Leichtbau-Dachbox Natur- statt Carbonfasern verwendet. “Flächig verarbeitet wie bei der Asphaltkind-Dachbox, können Flachsfaser-Bauteile ähnliche Eigenschaften wie jene aus Carbon erzielen”, meinten die Gründer. “Der Unterschied liegt bei geringeren Kosten für die Bauteile und keinerlei Kompromisse für unseren Planeten. Denn Carbon ist Sondermüll und unsere Bauteile können überspitzt gesagt auch im Hausmüll entsorgt werden.” Die Forderung: 230.000 Euro für 15 Prozent der Firmenanteile.

Die Löwen lobten die Verarbeitung der Dachbox und erfuhren, dass – ab Sendeaufnahme – der Markteintritt des Produkts in drei bis vier Monaten geplant sei. Kofler und die Löwen bemerkten schnell, dass zwar der Vertrieb der Dachboxen ein Geschäftsfeld des Startups sei, aber der größere Teil des Umsatzes mittelfristig aus der Expertise mit dem Werkstoff kommen würde. Dem stimmten die Founder zu.

“Wette auf Erfahrung”

Maschmeyer und Formel 1 Weltmeister Nico Rosberg trafen sich zum privaten Chat, während Judith Williams ausstieg. Dümmel erklärte darauf, dass b2b nicht sein Feld sei und ging ebenso wie Georg Kofler ohne Deal-Vorschlag.

Rosberg erkannte, dass ein Einstieg eine Wette auf den Erfahrungsvorsprung der beiden Männer wäre. Er sprach alsbald von seinen Netzwerken und bot gemeinsam mit Maschmeyer 230.000 Euro für 25,1 Prozent Anteile. Deal für Asphaltkind.

Die Seifenmühle in der “Höhle der Löwen”

Designer Stefan Hinüber folgte als nächster in der “Höhle der Löwen”. Mit Soapflaker hat er einen nachhaltigen Trockenseifenspender entwickelt. “Noch nie haben wir uns so oft die Hände gewaschen, wie in letzter Zeit. Dabei gibt es vor allem zwei Lager: auf der einen Seite die Flüssigseifen-Verwender und auf der anderen Seite der Festseifen-Nutzer”, erklärte der Gründer.

Aufgrund des unnötigen Verpackungsmülls und des hohen Transportvolumens war und ist die Flüssigseife für den jungen Mann nicht die richtige Alternative. “Durch den Transport der Flüssigseife entstehen 97 Prozent mehr CO2, Abgase und Lieferverkehr, als dies bei fester Seife passieren würde”, fuhr er fort. “Doch das feste Seifenstück kann nach mehrmaligem Benutzen unansehnlich werden und es können sich Rückstände ansammeln. Über diese Problematik habe ich mir als Designer Gedanken gemacht und den Soapflaker entwickelt, der wie eine Pfeffermühle funktioniert. Mit den herausrieselnden Seifenflocken können sie sich dann einfach und hygienisch die Hände waschen.”

RTL / Bernd-Michael Maurer – Stefan Hinüber entwickelte mit Soapflaker eine Alternative für Flüssigseife.

Der feste Seifenkern reicht für rund 500 Handwäschen und besteht aus zertifiziertem Bio-Pflanzenöl. Zudem ist der Soapflaker nachfüllbar. Für den Ausbau seines Unternehmens benötigte Stefan Hinüber 120.000 Euro und bot zehn Prozent seiner Firmenanteile an.

Maschmeyer störte sich am Preis der Nachfüllung von zwölf Euro für zwei Stück Seifenkerne. Und war der erste Löwe, der sich zurückzog. Dümmel erklärte, der “proof of concept” würde fehlen, kein Umsatz wäre da, dafür wäre die Bewertung sehr hoch. Der Gründer argumentierte mit einer gängigen Berechnungsmethode aus den USA.

Kundenanbindung?

Williams erzählte danach vom “Sausebrause” (Schaumseife in Tablettenform), bei dem sie investiert sei und ging ebenso ohne Angebot. Glagau und Wöhrl fanden Soapflaker nicht praktikabel. Wöhrl irritierte danach mit der Aussage: “man müsse ja beim Gründer Nachfüllungen nachkaufen und wäre abhängig”. Dies sah Maschmeyer nicht als Nachteil und sagte sinngemäß, man wolle doch, dass der Käufer zurückkehre.

Dümmel haderte zwar wegen der Bewertung, machte aber schlussendlich ein Angebot. Er wollte mit 120.000 Euro für 30 Prozent einsteigen. Deal für Soapflaker.

EduTech in der “Höhle der Löwen”

Der letzte Auftritt in der “Höhle der Löwen” gebührte Matthias Schadhauser und Philipp Kramer. Ihr Motto: “Aus Old School machen wir New School”. Seit über zehn Jahren gibt Schafhauser Nachhilfe und bereitet mit seinem Institut Schüler:innen auf die Mathe-Matura (Abi) vor. Dabei fiel ihm auf, dass sich ein klarer Trend zu digitalen Mitschrift-Hilfen in Form von Tablets abzeichnet. Auf kurz oder lang kam allerdings immer das gleiche Problem auf: Dokumenten-Chaos.

“Wahnsinnig viele Ordner, etliche unbenannte Dokumente und die auch noch verteilt auf ganz viele verschiedene Apps”, wusste Matthias Schadhauser aus Erfahrung mit seinen Schüler:innen. Mit wryte möchten die Gründer daher das digitale Durcheinander beenden. Die Tablet-App bündelt und automatisiert die Schulmaterialien und soll den klassischen Rucksack langfristig ersetzen.

RTL / Bernd-Michael Maurer – Matthias Schadhauser (r.) und Philipp Kramer erkannten mit Wryte, einer All-In-One Schul-App, den Trend der Zeit.

Im Detail: Zu Beginn eines Schuljahres wird der Stundeplan in der App gespeichert. Automatisch generiert wryte dann für jedes eingetragene Fach einen Ordner auf dem Schreibtisch, in dem fortan in digitalen Heften handschriftlich Mitschriften erstellt oder Arbeitsblätter und Fotos hochgeladen und bearbeitet werden können.

Nachhilfe-Feature

Zudem öffne die smarte App aufgrund des hinterlegten Stundenplans zur richtigen Zeit das richtige Schulheft. Weitere Features sind bereits in Planung. So sollen sich z.B. zukünftig die Schüler:innen bei kurzen Fragen mit einem Nachhilfelehrer verbinden, auch für wenige Minuten, und gleichzeitig mit diesen im eigenen Heft arbeiten können. Für die Weiterentwicklung der App und Marketingaktivtäten benötigten Matthias Schadhauser und Philipp Kramer 300.000 Euro und boten den Löwen zehn Prozent ihrer Firmenanteile an.

Zwei Wochen nach dem Start im App-Store nutzen bereits 200.000 Test-User die App. Williams fiel nach dieser Information mit Regierungskritik auf und meinte, dass man Eltern im “Home Schooling” allein gelassen habe. Dümmel indes fand besonders an dem Nachhilfe-Feature gefallen, könne aber bei diesem Thema nicht unterstützen, wie er meinte.

Lehrer alter Schule?

Rosberg zeigte sich nicht überzeugt, dass das Startup führend in Sachen Schul-Digitalisierung sein könne. Er und auch Wöhrl blieben ohne Angebot. Williams, die vorher sehr vehement das große Problem mangelnder politischer Unterstützung in diesem Bereich angesprochen hatte, meinte zu wissen, dass viele Lehrer für Digitales nicht bereit wären. Zudem würde sie selbst nicht wissen, wie man sich mit der App an Schulen anbinden könne. Und stieg aus.

Nils Glagau glaubte zwar an die Gründer und mochte den rebellischen Ansatz des Startups, den Druck im EduTech-Bereich von unten aufzubauen. Jedoch kenne auch er das Beamtentum, das sich weigern würde, digital zu agieren. Auch der fünfte Löwe blieb ohne Offerte. Kein Deal für wryte.

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Andreas Buchta-Kadanka, stellvertretender Sektionsleiter in der Sektion III - öffentlicher Dienst und Verwaltungsinnovation, Leitung der Gruppe III/C (c) BMKÖS 2024

Sie ist ein Trainingslager für Innovation. Sie steht für Wertschätzung und Anerkennung und hebt die Arbeit von Innovator:innen ins Rampenlicht. Und sie zeigt, wie gut sich Innovation hands-on umsetzen lässt. Die Rede ist von der Innovate 2024 – der jährlich stattfindenden Innovationskonferenz des öffentlichen Sektors.

Am 28. November 2024 dreht sich auf der Konferenz für Verwaltungsinnovation alles um die nächste Generation: “nextGen – Wer gestaltet die Zukunft der Verwaltung?” ist das Motto, unter dem diskutiert, gebrainstormed, vernetzt und gemeinsam gestaltet wird.

Im Vorfeld dazu haben wir mit Andreas Buchta-Kadanka gesprochen – tätig in der Sektion III – öffentlicher Dienst und Verwaltungsinnovation, Leitung der Gruppe III/C, die sich unter anderem mit dem wirkungsorientierten und innovativen Verwaltungsmanagement befasst.

Im Interview mit brutkasten erwähnt er einige Aspekte, warum die “nextGen” in das Rampenlicht der Verwaltungsinnovation gehört und wie es jungen Menschen gelingen kann, den öffentlichen Sektor zu transformieren.


brutkasten: Sehr geehrter Herr Buchta-Kadanka, letztes Jahr hat die Verwaltungsinnovation ihr 100-jähriges Jubiläum gefeiert. Mit welchen Erkenntnissen startet die Verwaltung nun in das nächste Jahrhundert?

Andreas Buchta-Kadanka: Ich glaube, die vielleicht charakteristischste Entwicklung der letzten 100 Jahre war der Wandel von einem Durchsetzen der Obrigkeit hin zu einer immer stärker bürgerzentrierten Verwaltung. Der Dienstleistungsgedanke hat sich sehr stark durchgesetzt. Die Verwaltung ist Dienstleister der Bevölkerung. Und die Bevölkerung nimmt das Verwaltungshandeln nicht einfach hin, sondern verdient Transparenz, Erklärung und das proaktive Beseitigen von Widersprüchen. Diese Entwicklung ist eine entscheidende in unserer Geschichte.

Welche Herausforderungen muss sich die Verwaltung angesichts dessen stellen?

Ich glaube, eine wesentliche Challenge für die Verwaltung und das Regieren generell ist die schnellere Taktzahl, die höhere Geschwindigkeit unseres Apparates. Das beginnt schon bei der Erwartungshaltung von Bürger:innen: Wir versuchen, Transparenz und Schnelligkeit so gut es geht in unser Handeln zu integrieren. Das optimieren wir auch kontinuierlich, wie internationales Benchmarking zeigt.

Das heißt: Je schneller die Verwaltung reagiert, desto besser?

Jein. Ich würde sagen, so korrekt und schnell wie möglich. Grundsätzlich besteht die mediale Erwartungshaltung, dass zu verwaltungspolitischen Themen sehr schnell Stellung genommen wird. Sei es durch Politiker:innen oder durch die Verwaltung selbst. Diese Schnelligkeit ist zumindest meiner Meinung nach eine der größten Herausforderungen: Schnell und korrekt reagieren und bei all der Schnelligkeit Qualität zu sichern. Gerade dafür wollen wir auf innovative Lösungen der nextGen setzen.

Inwiefern könnte diese Umsetzung aussehen?

Konkret geht es darum, abzuwägen: Wie schnell müssen wir sein, was wollen wir transformieren oder digitalisieren und wie machen wir das richtig. Wir wollen schlechte Prozesse nicht einfach digital machen, sondern digitalisieren und optimieren. Wir wollen “Arbeit” anders denken und technologische Vorteile mitnehmen.

Inwiefern glauben Sie, dass Ihnen die diesjährige Innovate Antworten auf diese Fragen liefert?

Ganz klar ist es der Austausch und die Inspiration voneinander. Das physische Zusammenbringen von Innovator:innen aus Wirtschaft, Wissenschaft, der Zivilgesellschaft und Verwaltung. Das Lernen voneinander, das Bilden eines Netzwerkes. Das sind Dinge, die man nicht rein online oder bilateral macht. Dafür braucht es Veranstaltungen wie die Innovate.

Wie passieren Fortschritt und Innovation?

Ich bin davon überzeugt, Innovation passiert vor allem aufgrund des informellen Austausches. Netzwerken ist etwas Persönliches. Inspiration und das Diskutieren darüber, was funktioniert und was nicht, das hat eine ganz starke zwischenmenschliche Komponente. Und diese Art von Innovation braucht keinen Frontalvortrag und keine Jubelbroschüre, sondern persönlichen Austausch.

Der persönliche Austausch soll dieses Jahr ja vor allem mit der nextGen – also der nächsten Generation – passieren. Was will die diesjährige Innovate damit bewirken?

Für uns ist das ein sehr naheliegendes Thema. Wir stehen vor massiven demografischen Umwälzungen. In den nächsten 13 Jahren werden 44 Prozent des Personals in der Verwaltung in Pension gehen. Fachkräfte am Arbeitsmarkt sind ja ohnehin schon gefragt. Es besteht bei uns großer Rekrutierungsbedarf.

Inwiefern könnte die Verwaltung mit der Pensionswelle umgehen?

Indem wir weiterhin ein attraktiver Arbeitgeber sind und unsere Stellung kontinuierlich verbessern. Auf der Nachfrageseite, aber auch für unser bestehendes Personal. Wir wollen für den Bund begeistern und personalwirtschaftliche Themen sehr stark mit dem Innovationsaspekt verbinden. Wir schauen stark darauf, Innovation nicht nur in klassischen personellen Disziplinen wie Bezahlung, Arbeitszeit und New Work zu verankern. Wir stellen als Arbeitgeber auch sicher, unser Personal aktiv in den Innovationsprozess einzubinden und generationenübergreifende Bedürfnisse zu erfüllen. Und dafür bietet die Innovate eine hervorragende Bühne.

Das heißt, auf der Innovate können Teilnehmende die Verwaltung aktiv mitgestalten?

Ganz richtig. Innovation heißt, wir sind für alle Ideen offen und wollen das auch im Personalkontext fördern. Bei der diesjährigen Innovate geht es deshalb primär um das Thema demografischer Wandel, Wissensmanagement, Recruiting und Führung. Unser Schwerpunkt ist die nextGen – und wir befassen uns intensiv damit, wie man altes Wissen sichern, weitergeben und mit den gegenwärtig verfügbaren Mitteln (Stand der Technik) aufbereiten kann.

Das klingt nach einem sehr universellen Thema.

In der Tat. Wir decken damit nicht nur die Bedürfnisse der Verwaltungscommunity, sondern auch jene der Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Wir wissen, dass Wissenstransfer und Modernisierung nicht nur Herausforderungen in unserem Feld sind, sondern sektorenübergreifend stattfinden müssen.

Welche Themenbereiche rücken zukünftig noch weiter ins Zentrum?

Ein ganz wichtiges Thema, mit dem wir uns dieses Jahr auch befassen, ist die Sinnhaftigkeit im Arbeiten. Diese Komponente ist gerade für die nextGen besonders wichtig. Junge Menschen wollen in ihrem Wirken die Möglichkeit haben, einen nachhaltigen Beitrag für Österreich und die Gesellschaft leisten zu können- und das tun sie bei der Verwaltung.

Wo braucht es besonderen Innovationsbedarf?

Kompetenzen und Skills ständig ändern. Wir wissen, Kompetenzorientierung ist auch auf europäischer Ebene ein großes Thema. Da gilt es, heute schon die Kompetenzfelder von morgen ausfindig zu machen und Entwicklungen bestmöglich zu antizipieren. Denn wenn wir jetzt falsch ausbilden oder schlecht rekrutieren, sind wir auch schlecht für die Zukunft aufgestellt.

So ganz Hals über Kopf darf man sich allerdings nicht ins Wasser stürzen. Gerade in der Verwaltung ist es uns sehr wichtig, das Vertrauen der Bürger:innen zu halten und nicht durch zu riskante Neuerung zu verspielen. Sei es in puncto Datenschutz, Rechtsstaatlichkeit, Rechtssicherheit, Fairness oder Gleichbehandlung. Wenn man in diesen Bereichen schlechte Produkte produziert, kann das Vertrauen der Bevölkerung erodieren.

Das heißt, lieber langsam und sicher als zu schnell und zu riskant?

Das Vertrauen in Institutionen ist ein derzeit sehr wichtiges Thema. Insofern muss man sich bei innovativen Prozessen als Staat schon etwas vorsichtiger und mit klaren Guidelines – auch aus ethischer Sicht – bewegen. Als konkretes Beispiel der Einsatz von KI: Wenn ich auf meiner Spotify-Playlist einen unpassenden Vorschlag erhalte, ist das etwas anderes, als wenn das bei einem Gerichtsurteil der Fall wäre – das hat eine ganz andere Dramatik.

Welche Highlights bietet die Innovate dieses Jahr?

Die Innovate soll ja nicht nur so heißen, sondern auch so sein, dass wir nicht nur Vorträge halten, sondern auch ein gestaltendes Element einbringen. Wir haben dafür heuer ein neues Format: Den sogenannten Innovate Sprint, einen interaktiven Workshop, der sich mit dem Thema nexGen & Verwaltung befasst.

Und beim Innovate Sprint können Teilnehmende aktiv “mit sprinten”?

Genau. Der Innovate Sprint ist ein Workshop-Format, bei dem Teilnehmer:innen in interdisziplinäre Teams aufgeteilt werden. So kommen viele unterschiedliche Hintergründe und Perspektiven zusammen. Die Teams entwickeln dann je eine Idee, die mit künstlicher Intelligenz visualisiert wird. Über die beste Idee wird dann im Zuge der Innovate und mit unserer Verwaltungs-Community abgestimmt und der Sieger wird prämiert.

Was bekommen die Sieger:innen des Innovate Sprint?

Die Siegergruppe wird die Möglichkeit haben, mit uns nächstes Jahr zum Creative Bureaucracy Festival nach Berlin zu fahren. Das ist eines der weltweit größten Veranstaltungen im Bereich der Verwaltungsinnovation.

Das klingt nach einem tollen Siegerpreis! Und nach einem großen Mehrwert für die Verwaltung Österreichs.

Die Teilnehmer:innen der Innovate Sprint können mit ihren Ideen Einiges bewirken. Wichtig ist uns dabei auch, dass wir als wertbasierte Verwaltung das Vertrauen in staatliche Strukturen aufrechterhalten. Das ist eine unserer Kernfunktionen.

Warum ist gerade die Innovate der richtige Ort, um diesen gemeinsamen Fortschritt zu erzielen?

Die Innovate ist wie ein Trainingslager: Natürlich kann ich meinen Sport alleine betreiben und ich kann darin alleine besser werden. Aber ich finde, es ist das Mindeste, einmal im Jahr gemeinsam zu “trainieren”, sich auszutauschen und sich gemeinsam auf zukünftige Challenges vorzubereiten.

Die Innovate ist also quasi ein Trainingslager für die Zukunft der Verwaltung?

Nicht nur: Die Innovate stellt alle, die über das Jahr an Innovation, Sicherheit und digitalem Fortschritt arbeiten, ins Rampenlicht. Die Innovate ist auch ein Stück weit ein Dankeschön für all die Arbeit, die geleistet wird. Und sie zeigt, dass tolle Konferenzen nicht nur etwas für die Privatwirtschaft sind, sondern dass es innovatives Denken und gemeinsames Schaffen auch im Bundeskontext gibt.

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