01.05.2019

Die Diktatur der Produktivität

Busy sein gehört in unserer Gesellschaft zum guten Ton. Jeder braucht seinen eigenen Side Hustle. Dadurch besteht die Gefahr, dass Burnout zur nächsten Volkskrankheit wird.
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Produktivität
(c) fotolia/elnur

Treffen sich zwei flüchtig Bekannte auf dem Gang in einem beliebigen Bürogebäude. „Ach, hallo, wie geht’s?“ – „Gut. Viel zu tun, wie immer, weißt eh.“ – „Ja, geht mir nicht anders!“ Wann immer wir Smalltalk führen, fällt das Gespräch unweigerlich darauf, wie beschäftigt wir doch alle sind, in der Startup-Szene vielleicht noch mehr als anderswo.

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Produktivität in der Freizeit

Busy zu sein ist zum gesellschaftlichen Standard geworden, gehört quasi zum guten Ton. Berichtet jemand davon, am Wochenende gar nichts gemacht zu haben, ruft das beinahe schon Irritationen hervor und sorgt für Unverständnis. Schleichend macht sich unser Arbeitsideal auch in unserem Privatleben breit. Man muss doch die Freizeit nutzen, man muss schöne Dinge erleben, man muss einem Side Hustle nachgehen. Viele Hustler wollen uns weismachen, dass man in den 24 Stunden, die ein Tag hat, ganz einfach tolle neue Projekte unterbringen kann, wie zum Beispiel ein Business aufbauen, ein Buch schreiben oder die Welt retten.

Bei acht Stunden Schlaf, acht Stunden Arbeit, zwei Stunden Essen(szubereitung) sowie zwei Stunden Sport und Self-Care würden noch immer ganze vier Stunden für das Side Hustle übrig bleiben. Soweit die schöne Theorie, aber was – um nur ein paar Beispiele zu nennen – ist mit Haushalt, Freunden, Familie, Arbeitswegen, Einkaufen oder anderen Hobbys? Es steckt eine traurige Wahrheit hinter der vorgetäuschten Leichtigkeit beim Small Talk. Diese lautet Dauererschöpfung.

38 Prozent befinden sich im Problem- oder Übergangsstadium zum Burnout

Eine repräsentative Erhebung im Auftrag des Sozialministeriums ergab, dass sich 38 Prozent der Österreicher im sogenannten Problem- oder Übergangsstadium zum Burnout befinden. Acht Prozent sind bereits erkrankt.

Daraus lässt sich ableiten, dass Burnout das Potenzial hat, zu einer neuen Volkskrankheit zu werden. Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass Publikationen zum Thema Selbstoptimierung boomen. Denn die meisten von uns wollen ihre Arbeit gut und in der vorgegebenen Zeit erledigen. In vielen Fällen bedeutet das also, mehr Arbeit in weniger Zeit zu schaffen.

Auf Amazon finden sich ca. 40.000 Bücher, die uns dabei helfen wollen, produktiver zu sein. Im Apple App Store tummeln sich über 3.500 Programme in der Rubrik „Produktivität“. Menschen dazu zu bringen, sich selbst zu optimieren, ist offenbar zu einem rentablen Geschäftsfeld geworden.

Regeneration und Schlaf wird unterschätzt

Was dabei aber völlig außer Acht gerät ist die Regeneration. Nur, wer sich regelmäßig erholt und ausreichend schläft, kann maximale Leistung bringen. Die Neurowissenschaft weiß das schon längst, doch allerorts wird diese so banale und gleichzeitig wichtige Erkenntnis beharrlich ignoriert, zum Teil sogar komplett untergraben. Heutzutage macht man beispielsweise kein Nickerchen mehr. Es muss schon ein Power Nap sein, kurz und intensiv, damit man direkt danach wieder fit für die Arbeit ist.

Auch die digitale Welt, in der wir mit Smartphone, Social Media und anderen Aspekten leben, unterbindet Regeneration effektiv. Wir sind immer und überall erreichbar und gierig nach News. Es fällt uns buchstäblich immer schwerer, abzuschalten. Selbst wenn man sich ein Zeitfenster freigeschaufelt hat: Wann war der letzte Tag, an dem du frei hattest und kein schlechtes Gewissen dafür bekamst, nichts Produktives getan zu haben? Das ist wahrscheinlich schon länger her.

Ist dieses ganze Gerede um Selbstoptimierung, Side Hustle und Produktivität also vollkommener Quatsch? Wollen wir alle vielleicht einfach nur faul auf dem Sofa liegen und netflixen? Wohl kaum. Nicht nur Regeneration ist ein Grundbedürfnis des Menschen, sondern auch, einer erfüllenden Tätigkeit nachzugehen. Wer genießt es nicht, am Ende des Tages etwas geleistet zu haben, worauf man stolz sein kann? Was spricht also dagegen, aus einem Arbeitstag viel herauszuholen, vielleicht auch, damit mehr Zeit für Dinge bleibt, die ebenfalls wichtig sind?

Vermeiden von Ablenkung und Deep Work

Ein Ansatz zielt auf das Vermeiden von Ablenkung ab. Wie eingangs erwähnt, ist das in unserer Zeit kein einfaches Unterfangen. Eines der bekanntesten Bücher zu diesem Thema ist „Deep Work” von Cal Newport.

Als Deep Work bezeichnet Newport Arbeit, die ohne Ablenkung und mit einem sehr hohen Maß an Konzentration einhergeht. E-Mails, Anrufe, Social Media und Ähnliches unterbrechen oft unsere Arbeit, was schlecht für die Aufmerksamkeit ist. Denn wenn wir schnell zwischen verschiedenen Dingen hin und her wechseln, hängt unsere Aufmerksamkeit noch beim vorherigen Task. Infolgedessen performen wir beim nächsten Task schlechter.

Anstatt jede Push-Benachrichtigung sofort zu lesen, genügt es vielleicht auch, im Zwei-Stunden-Takt E-Mails zu lesen und zu beantworten. Das ist zum Beispiel eine Maßnahme, die dabei helfen kann, die Konzentrationsspanne zu erhöhen. Ebenso wie das Verzichten auf Social Media kann das eine gute Übung für das Gehirn sein. Dieses passt sich nämlich mit der Zeit an die täglichen Anforderungen an und „verschaltet“ sich neu.

Deepwork-Training

Wie jedes Training, mit dem man neu beginnt, ist auch Deep Work zu Beginn mühsam. Rituale und Routine können helfen, Zeit für hochkonzentriertes Arbeiten einzuplanen, zum Beispiel Zeit für Deep Work immer für drei Stunden nach dem Aufstehen oder immer montags und donnerstags.

Nicht zuletzt darf die Freizeit bei alledem nicht fehlen. Diese sollte regelmäßig als fester Bestandteil in den Kalender integriert werden. Aufmerksamkeit und Konzentration sind begrenzte Rohstoffe, die nur durch Pausen wieder nachwachsen. Essenziell ist dabei natürlich, herauszufinden, welche Aktivitäten bei der Regeneration förderlich sind: sich bewegen, mit Freunden plaudern, Musik hören, lesen. Wenig erholsam und vor allem wenig konzentrationsfördernd ist hingegen Zerstreuung.

Wie man es auch dreht und wendet: Den einen richtigen Weg, den einen richtigen Ratgeber, der allen Menschen dabei hilft, zur besten Version des eigenen Selbst zu werden, gibt es nicht. Auf Dauer funktioniert es schon gar nicht, wenn man an einem Extrem festklammert. Denn Anspannung geht nicht ohne Entspannung, Einatmen nicht ohne Ausatmen und Arbeit nicht ohne Erholung. Es kommt, wie so oft im Leben, immer auf den richtigen Rhythmus und die gesunde Balance an.


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Jumug Carbon Recovery Ataleo Insolvenzen
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Das Unternehmen ilvi mit Sitz in Gleisdorf, Steiermark, digitalisiert mit seiner Hardware-Software-Kombination die Erfassung von Vitalwerten von Patient:innen. 2018 gab es dafür eine knapp siebenstellige Kapitalspritze unter dem Lead von eQventure. Wie nun der KSV (Kreditschutzverband) bekannt gab, wurde ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung am Landesgericht Graz beantragt.

ilvi: Sanierungsplanquote von 20 Prozent

Es gibt 37 Gläubiger, elf Dienstnehmer:innen und rund 165.000 Euro Aktiva, bei 1,6 Millionen Euro Passiva. Das Unternehmen bietet eine Sanierungsplanquote von 20 Prozent, zahlbar innerhalb von zwei Jahren vom Tag der Annahme des Sanierungsplanvorschlages an.

Zu den Gründen für die Insolvenz zählen, dass die Umsatzerlöse der ilvi GmbH für das Jahr 2024 nicht erzielt werden konnten. Zudem wurde ein gewährtes Darlehen schneller verbraucht als ursprünglich angenommen. Eine weitere Darlehensvergabe war nicht möglich. Gespräche mit potentiellen Investoren führten ebenfalls zu keinem positiven Abschluss.

2018 gegründet

Zur Geschichte: Die ilvi GmbH wurde am 16. August 2018 von Erwin Berger und Christoph Kauer als Spin-off der Berger Medizintechnik GmbH gegründet. Nach mehreren Wechseln an der Spitze wird das Unternehmen seit dem 14. Mai 2024 durch Geschäftsführer Franz Salomon selbstständig vertreten.

Das Medtech fokussierte sich auf Softwareentwicklung im Bereich der Medizintechnik, insbesondere im Bereich mobiler Datenerfassung im Gesundheitsbereich. Darauf basierend entwickelt, produziert und vertreibt das Unternehmen Medizintechnikprodukte.

Die mobilen Softwarelösungen hingegen zielen darauf ab, die Lebens- und Versorgungsqualität der Patient:innen zu verbessern und gleichzeitig die Gesundheitsversorgung der Zukunft sicherzustellen. Der “Personal Digital Assistant”, der Gesundheitswerte direkt am Krankenbett erfasst, via Bluetooth mit unterschiedlichen Geräten kommuniziert und Daten an das Krankenhaus-Informationssystem überträgt, soll die Arbeitsprozesse des Pflegepersonals digitalisieren und dadurch zugleich optimieren.

Fortführung von ilvi geplant

Die ilvi GmbH beabsichtigt das Unternehmen unter Umsetzung einiger Sanierungs- und Restrukturierungsmaßnahmen fortzuführen: “Der zu bestellende Insolvenzverwalter wird nunmehr zu prüfen haben, ob eine Fortführung im Interesse der Gläubiger liegt und der vorgelegte Sanierungsplan eingehalten werden kann”, sagt Brigitte Peißl-Schickmair, Leiterin Unternehmensinsolvenz Graz.

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