12.04.2020

Deja(n)-vu: Bildung, Gesundheit, Industrie-Fokus uvm.

Die Woche vor Ostern hat sich in der heimischen Wirtschaft und der Coronakrise wieder einiges getan. Dejan Jovicevic, Herausgeber des brutkasten, nimmt dies zum Anlass und kommentiert in seinem "Deja(n)-vu"-Wochenrückblick die Ereignisse.
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Coronakrise
(c) der brutkasten / AdobeStock

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Zunächst wünsche ich euch frohe Ostern und besinnliche Tage. Ihr wisst ja: Auch wenn wir alle viel lieber mit unseren Familien wären, distanced socialising bedeutet trotzdem nicht social distancing. Machen wir das Beste daraus!

Ich möchte nachfolgend wieder einige Geschehnisse und wesentliche Findings der vergangenen Woche kommentieren und analysieren. Unten blicke ich dabei unter anderem auf unsere Online Roundtables zurück:

  1. Online Roundtable mit der ehem. Bildungsministerin und derzeitigen Sektionschefin (u. a. für Digitalisierung) Iris Rauskala zum Thema E-Learning
  2. Online Roundtable mit dem neuen Generaldirektor der ÖGK (die neun fusionierten Gebietskrankenkassen) zum Thema E-Health
  3. Online Roundtable zum Status der Industrie in der Coronakrise mit den CEOs von Palfinger Global und HENN
  4. Online Roundtable zum Status Quo und Ausblick für die Wirtschaft mit Margarete Schramböck und Harald Mahrer
  5. Online Roundtable mit NOVID20

Bildungsbereich während und nach der Coronakrise

Am Montag haben wir mit Iris Rauskala, sowie den EduTechs MatheHero und eSquirrel über das Thema E-Learning gesprochen. Die ehem. Bildungsministerin und Sektionschefin Rauskala hat dabei eine neue Plattform für die Unterstützung der Lehrer bei der Verwendung der digitalen Tools vorgestellt.

Die Digitalisierung im Bildungsbereich erfährt gerade einen Turbo-Boost. Im Hintergrund stünden aber langjährige Strategien, die jetzt einfach schneller umgesetzt seien, sagt sie. Das deutet also darauf hin, dass die Änderungen von Bestand sind – es wird sich zeigen, in welcher Form.

Die beiden EduTechs in der Runde erfahren exponentielle Wachstumsraten bei den Nutzerzahlen. Das ist ein gutes Signal. Game-based Learning wird auch im Bildungsministerium als wesentlicher Bestandteil des (künftigen) Unterrichts gesehen. Startups können sich bei Iris Rauskala melden, werden vom Ministerium geprüft und kommen dann auf eine Empfehlungsliste.Tolle Entwicklung.

Ein kleiner Stimmungsdämpfer war für mich die wiederholte Betonung, dass Microsoft Office Produkte in allen Schulen ausgerollt wurden und Office 365 die Basis des E-Learnings darstellt. Keine Frage: Microsoft ist (wie andere US-amerikanische Tech-Companies) ein tolles Unternehmen. Ohne dessen Rechenzentren und Cloud-Lösungen hätten wir es in der Krise deutlich schwerer, wie es Michael Zettel, CEO von Accenture Österreich, bei unserer digitalen Wirtschaftskonferenz trefflich ausgeführt hat. Auch die Produkte und Applikationen wie Office 365 funktionieren einfach zuverlässig: Wäre Microsoft Teams nicht so gut ausgerollt worden, würden viele Schüler derzeit kein Unterricht bekommen, so Zettel abschließend.

Aber es gilt auch: Wir erziehen die Jugendlichen auf Staatskosten zu Microsoft. Mic Hirschbrich kommentierte dazu: “Dass wir jetzt in der Krise, die viel Digitalisierung braucht um bewältigt zu werden, auch auf Microsoft setzen, ist pragmatisch und legitim. Ob das “Danke” z.B. für das Bereitstellen von Lizenzen für Schüler dabei sehr laut ausfallen muss, wenn wir unsere Jungen darauf ausbilden, ist ein anderes Thema.”

+++ #zusammenstärker: Über 1700 Teilnehmer bei digitaler Wirtschaftskonferenz +++

Wir erzeugen damit jedenfalls Konsumenten für US-amerikanische Tech-Produkte, anstatt eigene europäische Lösungen zu entwickeln. Ich darf einen Tweet von Mic zitieren: “Digitale Kompetenz für Schüler vermitteln heißt nicht bloß, Handies, Tablets und Microsoft-Programme bedienen zu können. Damit erziehen wir nur mal Konsumenten. Europa muss wieder lernen, Hard- und Software zu bauen. Und das wird ein sehr harter Weg, der keine Alternativen kennt.”

Berthold Baurek-Karlic bekräftigt dies: Es sei für ihn nicht nachvollziehbar, dass wir in der Coronakrise nicht versuchen auf österreichische Software zu setzen. Und bringt damit sein Investment beim Wiener Startup Grape ins Spiel, das ein Chat-System beispielsweise auch für Schulen anbietet und nicht durchkommt. Ob es beim Grazer Startup Eyeson, für das der Investor Michael Altrichter unermüdlich wirbt, leichter geht, frage ich noch nach.

Versteht mich nicht falsch, ich finde Microsoft großartig und mir meinen Alltag ohne diese Tools und Technologien nicht vorstellen. Aber wir müssen endlich auch damit beginnen, unseren eigenen Startups und Tech Companies eine Chance zu geben. Man muss sie auch nicht gegeneinander ausspielen, vielleicht ist eine Symbiose möglich. Daran müssen wir aber proaktiv denken und es steuern. Sonst “weinen” wir auch die nächsten 100 Jahre noch, dass wir keine global relevanten Tech-Player in Europa haben.

Gesundheitsbereich während und nach der Coronakrise

Im zweiten Roundtable ging es um die Themen Gesundheit und E-Health. Es war eine spannende Runde mit Uniqa Ventures, Symptoma und Doctorly, gemeinsam mit Bernhard Wurzer, dem Generaldirektor der ÖGK (die neun fusionierten Gebietskrankenkassen). Ich habe Bernhard ohne Vorbesprechung quasi direkt im Roundtable kennengelernt. Und war dementsprechend gefesselt, als er in Fahrt gekommen ist: “Ich hätte selbst gerne eine ÖGK Venture”, oder “Ich will noch mehr mit Startups arbeiten” sind nur zwei von vielen spannenden Statements. Er dürfte für seine Offenheit für Innovation bekannt sein, aber da waren dann selbst die Insider nochmals überrascht, wie offen er war. Nach dem Roundtable wollte er übrigens sofort Kontaktdaten und alle Details von Symptoma und Doctorly haben.

Ich bin gespannt, was daraus wird. Jedenfalls freut er sich ebenso über den Digitalisierungs-Turbo in der Coronakrise. Wenn es nach ihm geht, bleiben E-Rezept und andere vorübergehende Maßnahmen weiter bestehen – denn wie wolle man es den Menschen nach Corona erklären, dass diese bestens funktionierenden Verbesserungen plötzlich nicht mehr möglich seien? Wow!

Andreas Nemeth, CEO von Uniqa Ventures, hat die Runde initiiert und die Bühne dann eher den HealthTechs überlassen. Uniqa Ventures investiert in Fintechs und Healthtechs, weil sie an die Kraft des Entrepreneurships glauben. Ihre Schützlinge geben ihnen recht.

Symptoma hat nochmals genau erklärt, wie sie auf 96%-ige Treffsicherheit bei der Corona-Diagnose kommen und Doctorly, wie sie die Ordinationen der Ärzte digitalisieren – bald auch in Österreich.

Industrie während und nach der Coronakrise

Mit weXelerate organisieren wir wöchentliche Leaders-Talks, diese Woche zum Thema Industrie mit Andreas Klauser, dem CEO von Palfinger und Martin Ohneberg, CEO von HENN. Awi Lifshitz, CEO weXelerate, hat die Runde initiiert, und es war sehr spannend.

HENN verzeichnete das beste Quartal in der Unternehmensgeschichte und hat sich nun teilweise in die Kurzarbeit verabschiedet: 40-50 Prozent Umsatzeinbruch im April. Martin bleibt aber zuversichtlich, auch in seiner Rolle als IV Präsident für Vorarlberg.

Palfinger hingegen hat nach wie vor eine tolle Auftragslage und gute Aussichten, sie sind bis 8. April auch ohne Kurzarbeit ausgekommen. Andreas bereiten einzig die Lieferketten kleine Sorgen, diese könnten in den kommenden Monaten für Einbrüche sorgen. Bei den Innovationsthemen wird Palfinger weiter am Ball bleiben und keinen Pausenknopf drücken, der neu geschaffene Unternehmensbereich für digitale Transformation, Palfinger 21st, gehöre schlussendlich zu einer der drei Strategie-Säulen des Unternehmens.

Martin hat als IV Präsident in Vorarlberg eine Blitzumfrage unter den dortigen Betrieben gemacht: es zeige sich schon, dass die Lage ernst sei. Ein Drittel der Betriebe würde in den kommenden Wochen die Produktion auf 0 – 50 Prozent herunterfahren. Aber man sei Imstande, sehr schnell wieder hochzufahren, innerhalb ein bis zwei Wochen kann volle Kapazität geschaffen werden. Ein Thema könnten aber die fehlenden Absatzmärkte werden, wenn das Corona-Problem nicht global rasch gelöst wird, ein Rebound in Österreich, wie von der Regierung geplant, sei wichtig, aber man müsse global zurückkommen.

Über seine Connections in China hat Palfinger übrigens 400.000 Masken für Österreich organisiert, eingeflogen und vorfinanziert – gelebte Corporate Social Responsibility. Bravo!

Andreas und Martin gehen übrigens nicht davon aus, dass die ausbleibenden Investitionen bis Jahresende noch nachgeholt werden können. Es geht nun um Schadensminimierung.

Status Quo und Ausblick für die Wirtschaft mit Margarete Schramböck und Harald Mahrer

Harald Mahrer hat das auch in unserem Roundtbale bei der #zusammenstärker Konferenz bekräftigt. Wenn wir im Bereich der Gesundheitsmaßnahmen weiterhin sehr diszipliniert bleiben, könnten wir uns im Inland gut erholen. Im Export hoffen wir, dass auch andere Ländern sehr konsequent bei den Gesundheitsmaßnahmen werden und auch mit der baldigen Wiederauferstehung der Wirtschaft beginnen können.

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck ließ im Rahmen dieses Roundtable anklingen, dass es nach der ersten Phase der akuten Hilfsmaßnahmen ein Konjunkturpaket brauchen wird, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Im Rahmen eines Konjunkturpakets könnten insbesondere Investitionen in die Infrastruktur und Bauwirtschaft getätigt werden, so Schramböck. Derzeit sei aber dafür noch viel zu früh, es gehe jetzt um die überlebensnotwendige Liquiditätszufuhr. Harald Mahrer verwendet dazu trefflich das Bild der Blutkonserve für den notleidenden Patienten. Es wird noch dauern, bis die Rehabilitation beginnt.

Ein Punkt, der dem Panel besonders wichtig war: Auch wenn derzeit bereits über die Zeit “nach der Coronakrise” gesprochen wird, stehe Österreich noch am Anfang. Eine klare Message, die auch Bundeskanzler Kurz am Ostersamstag in einem offenen Brief an Bevölkerung wiederholte: Der Coronavirus ist noch nicht besiegt und wird uns noch über Monate begleiten.

Harald Mahrer brachte es auf den Punkt: Wenn wir bei den gesundheitlichen Maßnahmen nachlassen, könnte es zu einem zweiten Lockdown kommen und das wäre für die Wirtschaft brutal.

Startup Hilfspaket

Für Startups wird übrigens u.a. an einem privat dotierten Runway-Fonds iHv 50 Mio mit Hochdruck gearbeitet. Dafür sollen die Garantien für Überbrückungsfinanzierungen iHv bis zu 80 Prozent vom Staat übernommen werden. Stay tuned, Details dazu – und zu weiteren Maßnahmen – bringen wir bald.

Eines aber gilt sofort: die AWS und FFG arbeiten sehr kulant und so weit es geht unbürokratisch auch an den bestehenden Förderprogrammen. Anträge in aktueller Phase lohnen sich. Das kann ebenso ein super Weg für Liquiditätsbeschaffung sein, ergänzend zu Corona-spezifischen Programmen wie Emergency Call (FFG) oder Überbrückungsgarantien (AWS).

Ebenso werden die Förderstellen bei bereits genehmigten Förderungen kulant vorgehen, was sehr zu begrüßen ist.

Bitte kein Startup Hilfspaket

Nota bene: Lediglich off-record erreichen mich Stimmen – aus der Community – die sich gegen ein Hilfspaket aussprechen. Die Investoren hätten genug Geld und wären dafür verantwortlich, ihre Startups auch in Krisen zu finanzieren, der Staat hat ohnedies bereits finanziell “ordentlich angeschoben”. Damit pflichten sie Robin Kleins “Don’t bail out the startups” bei. Im Sifted meinte er uA: “Von allen Bedrohungen, die von Covid-19 ausgehen, ist die Bedrohung für Early-Stage-Startups das Geringste, über das wir uns Sorgen machen sollten”.

Na bum! Startups sehen das natürlich anders, nach einer Blitzumfrage des Think Tanks AustrianStartups sehen sich 85 Prozent direkt von der Coronakrise betroffen und hoffen auf einen Rettungsschirm.

Wobei der angesprochene Runway Fonds genau dem Gedanke Robin Kleins folgt, wenn er meint: “Stellt sicher, dass nur die Startups und Scaleups, die weiterhin den Rückhalt der bestehenden Investoren haben, von der Unterstützung des Staates profitieren.”.  

Mir fehlen hier die marktwirtschaftlichen Grundlagen, um mir schnell eine fundierte Meinung zu bilden, deshalb sage ich “Im Zweifel für den Angeklagten” und appelliere für rasche Umsetzung des Rettungsschirms. Es scheint mir ein schlechter Zeitpunkt für Experimente zu sein, aber reden wir nochmal in einem halben Jahr darüber. 

Anti-Corona App NOVID20

Sehr spannend war auch der Deep Dive mit den Initiatoren von NOVID20. Sie bauen quasi die südkoreanische Anti-Corona App nach, diese hatte dort eine beeindruckende Wirkung erzielt. Die App wurde nach unseren Privacy- und Datenschutz-Maßstäben gebaut und in der Zwischenzeit in Georgien gelauncht. In Österreich könnten einzelne Features in die App des Roten Kreuzes eingebaut werden.

In der Woche davor haben wir einen Online Roundtable zu Tech und Datenschutz in der Coronakrise u.a. mit dem Roten Kreuz & Accenture (hat die App gebaut) organisiert und in Slido eine Abstimmung durchgeführt. Hier die Ergebnisse der 111 Stimmen:

Die Ergebnisse finde ich leider ernüchternd, ich hätte mir mehr Zustimmung gewünscht!

ETFs als Thema in der Serie “Junges Geld”

Unsere “finanzwirtschaftliche Edelfeder”, Niko Jilch, hat sich in seiner Kolumne diese Woche mit ETFs beschäftigt. Hochspannend. Twitter war begeistert, und das soll ja was heißen ;).

Digitale Wirtschaftskonferenz #zusammenstärker

Und abschließend noch ein paar Worte zu einem weiteren Highlight der Woche: unsere digitale Wirtschaftskonferenz #zusammenstärker. Über dieses Thema habe ich diese Woche bereits ein paar Mal geschrieben, daher fasse ich mich an dieser Stelle kurz: Es war großartig, und wir bleiben am Format voll dran – stay tuned.

Liebe Grüße, bleibt gesund – und so gut es geht zu Hause!

Euer Dejan
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vlonru. Hannah Wundsam, Hansi Hansmann, Laura Raggl, Sander van de Rijdt, Christiane Holzinger und Michel Hurnaus | (c) AustrianStartups / Studio KoeKart / Fabianklima.at / Martin Pacher / 360 Business Planer / Tractive

Ein weiteres Krisenjahr geht zu Ende. Noch nie in seiner zehnjährigen Geschichte musste brutkasten über so viele Startup-Insolvenzen berichten. Noch nie waren so viele Startup-Übernahmen nicht als erfolgreicher Exit, sondern als Notverkauf zu klassifizieren. Und noch nie war der Ruf nach umfassenden wirtschaftspolitischen Reformen in der heimischen Startup-Szene so laut.

Und die gesamtwirtschaftlichen Prognosen bleiben düster. Ein Ende der Rezession ist noch nicht absehbar. Dass derzeit auch viele große und etablierte Unternehmen in wirtschaftliche Schieflage geraten, verschärft die Situation zusätzlich.

Doch natürlich gab es auch 2024 Erfolgsgeschichten in der heimischen Startup-Welt. Und es wäre nicht die Startup-Szene, wenn sich nicht der für sie so typische Optimismus immer wieder seinen Weg bahnen würde – dieses Jahr vielleicht etwas leiser, als in vielen anderen Jahren. Wir haben einige der bekanntesten Gesichter der österreichischen Startup-Community um einen kurzen Rück- und Ausblick zum Jahreswechsel gebeten.


Hansi Hansmann, Business Angel

Hansi Hansmann
Hansi Hansmann | (c) Studio KoeKart

2024 ist in etwa so schwierig geworden wie erwartet, der erhoffte Lichtblick im zweiten Halbjahr ist nicht gekommen. Ich erwarte diesen Lichtblick auch 2025 nicht. Es wird also schwierig bleiben und für viele noch schwieriger werden – damit werden wir leben müssen.

Viele Scaleups werden nur noch von den Bestandinvestoren über Wasser gehalten, und denen geht einfach irgendwann das Geld aus, weil vom Markt – VCs, IPOs, etc. – kein Rückfluss kommt. Je länger die Krise dauert, desto schwieriger wird es auch für Startups, weil Funding zum Teil einfach nicht mehr funktioniert – außer, man hat ‘Dream-KPIs’, aber das haben nur die wenigsten.

Trotzdem ist es die richtige Zeit, um zu gründen. Die größten Erfolgsgeschichten haben in Krisen ihren Anfang genommen.

Hannah Wundsam, Co-Managing Director Austrian Startups

Hannah Wundsam
Hannah Wundsam | (c) AustrianStartups

Das Wahljahr 2024 hat uns noch stärker vor Augen geführt, wie entscheidend der Startup-Sektor für Europas Wohlstand und unsere Wettbewerbsfähigkeit ist. Während in Österreich die neue Flexco-Rechtsform mit über 700 Gründungen getestet wird, nimmt auf EU-Ebene die EU Inc und damit die Vereinheitlichung des europäischen Kapitalmarkts Fahrt auf.

Auch 2024 blieb das Aufstellen von Wachstumskapital eine der größten Herausforderungen für Startups. 2024 waren Finanzierungsrunden stark auf AI und Climate Tech fokussiert – die 100-Millionen-Runde von Gropyus im Herbst war die größte des Jahres.

Für uns bei AustrianStartups wurde einmal mehr klar: Ein Mindset-Wandel ist dringend notwendig – und der beginnt bei der Bildung. Initiativen wie die Youth Entrepreneurship Week an Schulen oder die Spin-off-Offensive der Regierung, die eine Verdopplung der jährlichen Spin-off-Gründungen bis 2030 anstrebt, sind wichtige Schritte.

Entscheidend wird nun, ob die neue Regierung 2024 zukunftsgerichtete Maßnahmen umsetzt – mit lang ersehnten Anreizen, wie einem Dachfonds und einem Investitionsfreibetrag, die Österreichs Startup-Ökosystem langfristig stärken könnten.

Sander van de Rijdt, Co-Founder & Co-CEO PlanRadar

PlanRadar Co-Founder und CEO Sander van de Rijdt
Sander van de Rijdt | (c) der brutkasten / Martin Pacher

2024 hat sich weithin als durchwachsenes Jahr mit anhaltenden Herausforderungen und Negativeffekten gezeigt, die sich auch in tatsächlichem Stellenabbau und massiv gebremstem Wachstum realisiert haben – Stichwort: Wirtschaftsstandort Österreich. Die Bau- und Immobilienindustrie als Hauptzielmarkt für PlanRadar schwächelt nach wie vor und zahlreiche Akteure sind den Dynamiken zum Opfer gefallen, teils unter breiter öffentlicher Wahrnehmung, teils im Stillen hinter verschlossenen Türen. Hier stehen insbesondere Österreich und Deutschland auch im europäischen Vergleich sehr, sehr schlecht da.

Bei PlanRadar sehen wir, dass das internationale Geschäft für uns in Regionen wie Spanien, Italien oder den USA bereits wieder sehr gut anspringt oder beispielsweise in den Vereinigten Arabischen Emiraten überhaupt nie negativ beeinflusst war. Wir konnten unseren Gesamtumsatz trotz der multiplen negativen Vorzeichen wieder um ca. 25 Prozent steigern, was in der aktuellen Marktlage durchaus ansehnlich ist, und weshalb mir schon öfters vorgehalten wurde, dass „ich auf sehr hohem Niveau jammere“.

Für 2025 hoffe ich auf durchdachte und nachhaltige Maßnahmen der neuen Regierung, um das Wirtschaftswachstum in Österreich wieder anzukurbeln. Auch sollten die Zinssenkungen und das Auslaufen der KIM-Verordnung (Anmerkung der Redaktion: Verordnung für nachhaltige Vergabestandards bei der Finanzierung von Wohnimmobilien) für einen ersten Aufschwung in der Bau- und Immobilienbranche in der zweiten Jahreshälfte sorgen. Mit einer richtigen Erholung rechne ich erst 2026, bin aber sehr froh, wenn ich eines Besseren belehrt werde.

Laura Raggl, Gründerin ROI Ventures

Laura Raggl (c) Fabianklima.at

2024 war unser zweites vollständiges Investmentjahr und dementsprechend spannend. Im Pre-Seed-Bereich bleibt die Dynamik ähnlich wie 2023, doch die Finanzierungsrunden sind deutlich wettbewerbsintensiver geworden. Immer mehr Gründer:innen mit Scaleup-Erfahrung oder vorherigen Exits starten neue Startups. Die Bewertungen befinden sich meiner Meinung nach auf einem angemessenen Niveau, sind jedoch im Vergleich zum Vorjahr leicht angestiegen. Insgesamt bietet der Markt für uns, mit unserem Fokus auf Neuinvestitionen, eine interessante Dynamik.

In den späteren Finanzierungsphasen sieht die Situation weniger rosig aus. M&A-Aktivitäten und IPOs befinden sich auf dem niedrigsten Stand der letzten zehn Jahre, da die Liquidität weiterhin eingeschränkt ist. Viele hochkarätige Börsengänge finden weiterhin in den USA statt, was Talent und Kapital aus Europa abzieht.

Für VCs gestaltete sich das Fundraising im Jahr 2024 besonders schwierig, dennoch wurden mehrere große Fonds mit einem Volumen von über 500 Millionen Euro angekündigt. Ein bedeutender Hebel könnte hier die stärkere Mobilisierung von Pensionskassen im DACH-Raum sein, die bisher noch viel zu wenig in Venture Capital investieren.

Mit Blick auf 2025 ist zu hoffen, dass speziell die Maßnahmen auf der Risikokapitalseite von der neuen Regierung rasch umgesetzt werden. Insbesondere die steuerlichen Erleichterungen für private Startup-Investor:innen und der geplante Rot-Weiß-Rot-Dachfonds sind nun mehr als dringend notwendig.

Michael Hurnaus, Gründer und CEO Tractive

Tractive, Hauster Versicherung, Insurance, Pet Cover
Michael Hurnaus | (c) Tractive

Für Tractive war 2024 tatsächlich ein sehr gutes Jahr, in dem wir trotz eines herausfordernden Marktumfelds deutlich wachsen konnten. Hier half uns jedenfalls ein dankbares Business-Modell und der kontinuierliche Drang nach Effizienz im Unternehmen. Cashflow war auch heuer wieder King. Unternehmen mit langen Sales-Cycles oder Cashflow-unfreundlichen Modellen kamen in vielen Branchen zum Wanken.

Viele Unternehmer waren Anfang 2024 optimistisch, dass sich die Wirtschaft schnell wieder erholt – was abgesehen vom Kryptomarkt hierzulande nicht wirklich passiert ist. Eben diese Unternehmer scheinen aktuell besonders pessimistisch für 2025 zu sein – was mich wiederum optimistisch stimmt, weil sich die Mehrheit halt oft täuscht.

Für all jene Unternehmen, die Geschäfte mit den USA machen, kommt natürlich eine spannende Zeit, die aber vor allem für Unternehmen, die nicht in China produzieren, “net positive” sein sollte. Wenn wir uns in der EU also nicht komplett mit AI-Act und Co selbstgeißeln und allesamt etwas weniger jammern, dafür mehr anpacken, dann bin ich sehr optimistisch für 2025.

Christiane Holzinger, Business Angel und Gründerin

Christiane Holzinger | (c) 360 Business Planner

2024 war ein Jahr der Konsolidierung, strategischer Investitionen und klarer Botschaften. Das Jahr 2024 war geprägt von Herausforderungen, aber auch von klaren Chancen, mutige Akzente zu setzen. Als Angel-Investor habe ich mich in diesem Jahr auf drei neue Startups fokussiert, die nachhaltige Geschäftsmodelle und innovative Technologien in den Vordergrund stellen. Gleichzeitig lag mein Augenmerk darauf, bestehende Beteiligungen zu stärken. Die anhaltende wirtschaftliche Unsicherheit hat mich dazu gebracht, Entscheidungen noch bewusster und datengetriebener zu treffen. Besonders wichtig waren dabei die Themen Team & Leadership sowie die langfristige Stabilität der Geschäftsmodelle.

2024 war für mich aber nicht nur ein Jahr des Investierens, sondern auch des Lernens und des Gestaltens. Ich habe die intensivere Auseinandersetzung mit Markt- und Teamdynamiken genutzt, um neue Perspektiven zu gewinnen und meinen Beitrag zur Startup-Szene weiterzuentwickeln. Natürlich gab es auch Hürden: Bridgerunden und schwierige Finanzierungsphasen in meinem Portfolio waren anspruchsvoll. Aber durch konsequente Priorisierung habe ich stets das Ziel vor Augen behalten: einen klaren Weg nach vorne. Ein persönliches Highlight war die Arbeit an meinem ersten Buch, in dem ich mich intensiv mit dem Thema Finanzpower für Frauen auseinandersetze.

Mit Blick auf 2025 bin ich entschlossen, meinen Fokus weiter zu schärfen: Frühphasen-Investitionen werden eine noch zentralere Rolle spielen. Ich sehe enorme Potenziale in Co-Investments mit anderen Angels und institutionellen Investoren, besonders in der heimischen VC-Szene. Ein weiterer Schwerpunkt wird die Förderung von Gründerinnen- und Gründervielfalt sein. Ich bin überzeugt, dass diverse Teams nicht nur innovativer, sondern auch erfolgreicher sind. Mein Ziel ist es, gezielt in solche Teams zu investieren und damit ein starkes Signal zu setzen.

Doch dafür braucht es auch die richtigen politischen Rahmenbedingungen. Wir müssen als Gesellschaft verstehen, dass Investitionen in Startups und Unternehmer:innen keine Nische sind – sie sind ein wesentlicher Beitrag zur Entwicklung unseres Wirtschaftsstandorts. Es braucht bessere steuerliche Anreize, einfachere Zugänge zu Kapital und mehr Bildung rund um das Thema Unternehmertum, damit Investieren als ganzheitliches Konzept in der Bevölkerung ankommt.

Johannes Braith, Co-Founder & CEO Storebox

Johannes Braith | (c) Storebox

2024 – what a ride! Nach bald zehn Jahren Unternehmertum und Startup-Erfahrung war 2024 bestimmt ein Jahr, das mir in Erinnerung bleiben wird. Wie bereits in meinem letzten Jahresrückblick prognostiziert, bin ich davon ausgegangen, dass sich die Großwetterlage 2024 gegenüber 2023 noch verschärfen wird. Das ist nach meiner Einschätzung auch eingetreten. Die globalen Krisen haben sich leider nicht beruhigt und mit dem Aufkochen des Konflikts in Gaza noch weiter zugespitzt. Die Zinswende wurde glücklicherweise vollzogen und ich denke, dass wir für 2025 einen durchaus optimistischeren Ausblick haben dürfen.

Für Storebox war das Jahr 2024 geprägt von vielen großen Meilensteinen. Wir konnten nicht nur unseren 350. Storebox-Standort eröffnen und unsere 300. Franchise-Lizenz vergeben, sondern auch über 12.000 aktive Kunden servicieren. Wir sind in den unterschiedlichen Revenue-Streams zwischen 50 und 100 Prozent gewachsen – und das trotz herausfordernder Umstände. Auch anorganisch konnten wir mit zwei M&A-Transaktionen wachsen und erfolgreich zwei Mitbewerber übernehmen.

Ich bin überzeugt, dass 2025 ein extrem spannendes Jahr wird und wir einen positiven Aufschwung erleben werden. Allerdings muss dieser von uns allen hart erarbeitet werden und es wird nicht ausreichen, an der Seitenlinie zu stehen und zu warten, bis dieser von jemandem herbeigeführt wird.

Kilian Kaminski, Co-Founder refurbed

Kilian Kaminski | (c) refurbed

Trotz der vielfältigen Herausforderungen, mit denen viele Unternehmen in diesem Jahr konfrontiert waren, konnten wir entscheidende Wachstumsschritte erzielen, auf die wir sehr stolz sind: Zum einen haben wir unsere Marke refurbed durch ein umfassendes Rebranding gestärkt und unser Nachhaltigkeitsportfolio weiter ausgebaut. Damit ist es uns gelungen, den positiven Einfluss von refurbed auf Umwelt und Gesellschaft weiter zu erhöhen. Zum anderen haben wir unsere geographische Präsenz erweitert und vier neue Märkte erfolgreich erschlossen.

Besonders freut es uns, dass wir auch in diesem Jahr erneut bedeutende Kooperationen eingehen konnten, um Refurbishment als dritte Konsumkategorie breitenwirksam zu etablieren – zuletzt durch die exklusive Zusammenarbeit mit Hofer.

Ein persönliches Highlight für mich war auch 2024 wieder die Kooperation mit Fraunhofer Austria. Diese Partnerschaft ermöglicht es uns weiterhin, die positiven Auswirkungen von Refurbishment wissenschaftlich fundiert zu quantifizieren und zu belegen.

Für 2025 erwarten wir keineswegs ruhige Zeiten. Doch wir sind davon überzeugt, dass wir unsere ambitionierten Ziele erreichen werden. Wir haben refurbed schließlich nicht gegründet, um uns auf dem Erreichten auszuruhen, sondern um langfristig etwas am Markt nachhaltig zu verändern. Entsprechend blicken wir insgesamt mit großem Optimismus und Tatendrang auf das kommende Jahr.

Berthold Baurek-Karlic, Investor (u.a. Venionaire Capital)

Berthold Baurek-Karlic © Foto Wilke
Berthold Baurek-Karlic | (c) Foto Wilke

Das Jahr 2024 war kein einfaches. Ich hoffe, dass unsere kommende Regierung den Standort durch Entlastungen stärkt und Impulse für starkes Wirtschaftswachstum setzt.

Ich persönlich sehe viel Wachstumspotenzial in der Golf-Region und in Japan. Hier legen wir einen starken strategischen Fokus, um der wirtschaftlichen Flaute in Europa etwas zu entkommen.

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