14.06.2017

Das Co-Working Potenzial ist noch lange nicht erschöpft

Beim Brutkasten-Live-Roundtable lassen die Experten keinen Zweifel daran, dass sich die Kultur des Co-Workings in Österreich noch stärker durchsetzen wird. Von Christian Scherl.
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Österreichweit entstehen immer mehr Co-Working Spaces. Viele davon sind auf Startups optimiert. Grund genug für den Brutkasten, in einem Live-Roundtable der Frage nachzugehen: „Co-Working Österreich: Hype oder nachhaltiger Trend?“ Der Brutkasten CEO und Moderator Dejan Jovicevic begrüßte Romy Sigl (Coworking Salzburg), Hassen Kirmaci (WeXelerate), Mario Mayerthaler (A1 Startup Campus & Talent Garden), sowie Wolfgang Bretschko (Cocoqaudrat).

Großbaustellen

Mit weXelerate entsteht aktuell einer der weltweit größten Startup-Campus im Design Tower mitten in Wien, an dem Corporates und jährlich 100 Startups gemeinsam an neuen digitalen Businessmodellen tüfteln sollen. „Das europaweite Scouting läuft gut“, verriet weXelerate-Chef Hassen Kirmaci, dem es darum geht, Wertschöpfung nach Österreich zu holen. Auch A1 und Talent Garden eröffnen einen riesigen Co-Working Campus für Startups, Unternehmen, Freelancer, Investoren und Agenturen, um die heimische Startup-Szene zu pushen. Die perfekte Location wird noch gesucht, denn der Umbau im vorgesehenen Gebäude entpuppte sich als zu kostenintensiv. A1 Telekom legte schon vor vier Jahren mit seinem Startup-Förderprogramm los, in dem Startups bis zu drei Jahre Unterstützung erhalten. Talent Garden betreibt bereits zahlreiche Campus-Locations in mehreren Ländern. In diesem Campus sollen die Startups nun sämtliche Services erhalten, um ihre Geschäfte abwickeln zu können, von der Infrastruktur über Beratung bis hin zum Vertrieb und im optimalsten Fall zum Investment. „Derzeit haben wir acht Startups mit über 100 Beschäftigten“, sagt Mario Mayerthaler, Innovationchef von A1 und verantwortlich für den Co-Working Campus. Der Campus soll helfen, agiler zu werden. Klar ist jetzt schon: Im Wiener Headquarter stellt A1 in den kommenden Jahren auf Sharing-Arbeitsmodelle um.

Originelle Projekte

Die garantiert gemütlichste Variante des Co-Workings bietet Cocoqaudrat – Wiens erstes Co-Working Cafe. „Wir verbinden die Annehmlichkeiten eines Kaffeehauses mit denen eines Co-Working Arbeitsplatzes“, sagte Wolfgang Bretschko. Der Ex-Vorstand des Styria-Konzerns importierte die Idee aus dem Silicon Valley. Offenbar mit Erfolg: „Wir haben bereits 2800 registrierte User und wollen weitere Standorte eröffnen, unter anderem bei weXelerate“, so der ehemalige Medienmanager. Auch abseits Wiens blüht die Co-Working-Szene. Coworking Salzburg startete 2012 als erster Co-Working Space außerhalb Wiens. Geboten werden flexible Rahmenbedingungen, vom Schreibtisch für einen Tag bis hin zum fixen Büro für einen längeren Zeitraum. „Es dauerte einige Jahre, bis sich unser Konzept in Salzburg durchsetzte. Mittlerweile haben wir 150 Einzel- und Kleinunternehmen und Startups, eingebettet im Technologiepark Techno-Z“, sagte Coworking Salzburg-Gründerin Romy Sigl. Im Unterschied zu weXelerate fokussiert sich Coworking Salzburg nicht nur auf Startups.

Redaktionstipps

Ansteckende Produktivität

Die Zusammenarbeit zwischen Corporates und Startups bündelt die Stärken. „Startups sind stark im Entwickeln neuer Businessmodelle, Corporates hingegen sind prozessorientiert“, sagte Hassen Kirmaci. „Führt man beide Welten zusammen, gewinnen Unternehmen an Innovationskraft.“ Entscheidend sei laut der Experten, dass beide Seiten sich akzeptieren und bereit sind, voneinander zu lernen.“ Bretschko sieht zwei Trends im Vormarsch: „Mobiles Arbeiten und der Drang zur Selbständigkeit.“ Spricht theoretisch auch für Home-Office – aber: „Co-Working Spaces fördern die Produktivität“, so Bretschko. „Das Umfeld an solchen Plätzen inspiriert“, ist auch Sigl überzeugt. Einen möglichen Problemherd dürfe man nicht aus dem Auge verlieren: Wenn Co-Working zum Massenthema anwächst, besteht die Gefahr, dass der Begriff missbraucht wird. „Bloß ein Raum mit Wlan ist zu wenig“, warnte Sigl.

Luft nach oben

Trotz aktueller Projekte gäbe es in Österreich noch starken Nachholbedarf an Co-Working Spaces. „Im Vergleich zu Startup-Vorreiterländern wie Israel und Schweiz sind Co-Working Flächen in Österreich rar“, betonte Kirmaci. „Mit Co-Working Spaces erhöht man die Standortattraktivität. Wien muss auf internationale Startups eine Anziehungskraft ausüben, damit auch die Wertschöpfung dieser Talente ins Land geholt wird.“ Mario Mayerthaler ergänzte: „Es ist auch notwendig, die Verzahnung mit der Forschung zu intensivieren.“ Auch auf bestehende Co-Working Spaces komme eine neue Aufgabe zu: Die Plattformen müssen sich untereinander vernetzen, in- und außerhalb Österreichs, so der Tenor. Uneinig waren sich die Experten in Sachen Wettbewerb. Sigl und Bretschko hoffen auf eine verstärkte Sharing-Economy, bei der sich die Menschen gegenseitig unterstützen, ihren Weg zu finden und damit einen Platz im Markt sichern. Kirmaci und Mayerthaler befürchten, dass Standortwettbewerb und Verdrängungswettkampf auch in Zukunft nicht ausbleiben werden.

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Christopher Helf und Constantin Dißelkamp | Bild: pagent.ai

Christopher Helf war CTO und CO-Founder beim Wiener Krypto-Trading-Startup Trality. Im August des Vorjahres musste dieses Konkurs anmelden. Bereits ein Monat zuvor musste die Trading-Plattform ihren Service einstellen. Damals sei es dem Startup “aufgrund des aktuellen Marktumfelds nicht möglich gewesen, die Plattform und Dienstleistungen weiterhin anzubieten” – brutkasten berichtete.

Mit Januar 2024 startete Helf eine neue Challenge als CTO und Co-Founder des in Bonn sitzenden AI-Startups pagent.ai – gemeinsam mit CEO und Co-Founder Constantin Dißelkamp. Am gestrigen Montag vermeldete das Startup positive Nachrichten: Nämlich den Abschluss einer Pre-Seed-Finanzierungsrunde in Höhe von 900.000 US-Dollar – umgerechnet etwa 857.000 Euro.

AI-basierte Hyperpersonalisierung

Pagent.ai befasst sich mit der “AI-basierten Hyperpersonalisierung von Websites”. Das nun frische Kapital stammt vom teilstaatlichen High-Tech Gründerfonds (HTGF) – einem der größten deutschen Seed-Investoren, ebenfalls mit Sitz in Bonn.

Mit der generativen KI von pagent.ai können personalisierte Webinhalte erstellt und damit eine bessere Nutzeransprache ermöglicht werden. Wie das deutsche Medium startbase.de berichtet, soll pagent.ai “Webseiten automatisch auf die Bedürfnisse und Vorlieben bestimmter Zielgruppen abstimmen”, wodurch diese Marketingziele effizienter erreichen können.

Die Lösung von pagent.ai eigne sich insofern für Unternehmen, als dass diese keine A/B-Testungen mehr durchführen bräuchten, so das Startup. Das AI-System des Startups soll “automatisch die effektivste Variante der Website” identifizieren und “sie den Nutzern ausspielen, was zu einer verbesserten Nutzererfahrung führt”, heißt es auf starbase.de. Die Lösung soll überdies auf die “Verbesserung von Text- und Bildelementen” setzen.

Telekom und E-Commerce im Fokus

Für das kommende Geschäftsjahr plane das Startup, die Funktionalitäten seiner Technologie auf Struktur, Design und Video-Inhalte auszudehnen. Aktuell würden Testungen mit Pilotkunden durchgeführt, wobei sie die sogenannten “pagents” von pagent.ai testen. Diese “pagents” ermöglichen es, Website-Elemente automatisiert zu optimieren und die beste Version für Nutzer:innen auszuspielen, heißt es.

“Unser langfristiges Ziel ist es, das führende AI-Modell für personalisierte Kommunikation zu entwickeln und Online-Erfahrungen völlig neu zu gestalten”, wird Co-Founder Dißelkamp von startbase.de zitiert.

Die Lösung zeige sich bislang – nach Angaben des Startups – besonders für Unternehmen aus den Bereichen der Telekom und des Mode-Online-Handels interessant. Co-Founder Helf bestätigt: “Besonders Telekommunikations- und Fashion-E-Commerce-Unternehmen zeigen großes Interesse für die Automatisierungslösung. Für jede Organisation mit Onlinepräsenz liegt großes Potenzial in der Marketingautomatisierung mit AI, um ihre Ziele besser zu erreichen.”

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