12.08.2022

Crypto Weekly #69: Datum für Ethereum-”Merge” steht – und USA verbieten bekanntes Krypto-Protokoll

Diese Woche: Der letzte Testlauf vor Ethereums Abschied vom Mining wurde diese Woche abgeschlossen. Nun gibt es auch ein Datum für den Umstieg am Mainnet. Außerdem: Warum die US-Inflationsdaten diese Woche die Kurse angetrieben haben. Und welche Auswirkungen die US-Sanktionen gegen das Krypto-Anonymierierungsprotokoll Tornado Cash haben.
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Ethereum
Foto: Nick Chong/Unsplash

Das brutkasten Crypto Weekly ist unser wöchentliches Briefing zum Kryptomarkt und kann hier als Newsletter abonniert werden. Jeden Freitag blicken wir auf die wichtigsten Kursbewegungen und Nachrichten der Krypto-Woche zurück.


Hinweis: Das Crypto Weekly legt eine Sommerpause ein. Die nächste Ausgabe erscheint am 9. September.


Die Kurstafel:

  • Bitcoin (BTC): 23.900 US-Dollar (+6 % gegenüber Freitagnachmittag der Vorwoche)
  • Ethereum (ETH): 1.890 Dollar (+17 %)
  • BNB: 324 Dollar (+4 %)
  • Solana (SOL): 43 Dollar (+11 %)
  • Avalanche (AXAX): 28 Dollar (+23 %)

Bitcoin stieg bis auf knapp unter 25.000 Dollar, Ethereum auf 1.900 Dollar

Wie immer starten wir mit einem Blick auf die Marktentwicklung – und die ist diese Woche durchaus erfreulich. Die Kurse der größten Krypto-Assets haben sich durchwegs positiv entwickelt. Bitcoin (BTC) etwa erreichte am Donnerstag mit etwas über 24.800 Dollar den höchsten Stand seit rund neun Wochen. Seit vergangenem Freitag beläuft sich das Plus aktuell auf 6 Prozent.

Noch stärker aufwärts ging es diese Woche für Ethereum (ETH): Über 17 Prozent legte der Ether-Kurs seit vergangenem Freitag zu. Hintergrund: Natürlich der Hype rund um den Umstieg auf den “Proof of Stake”-Konsensmechanismus – und dem damit verbundenen Abschied vom Mining. Dieser als “Merge” bekannte Schritt hat die Kurse von ETH (und anderen Token mit Bezug zum Ethereum-Ökosystem) schon in den vergangenen Wochen angetrieben. Seit Jahren angekündigt und immer wieder verschoben, wurden zuletzt mehrere Meilensteine bewältigt – so auch diese Woche, aber dazu später gleich mehr.

Leichter Rückgang der US-Inflationsrate treibt Krypto-Kurse an

Zuvor aber noch ein kurzer Schwenk auf die Makro-Ebene: Diese hat den Kryptomarkt insbesondere seit Ende 2021 immer wieder in Mitleidenschaft gezogen: Zunächst neue Entwicklungen rund um die Pandemie, dann der Ukraine-Krieg und immer wieder auch die Notenbanken mit ihren Zinserhöhungen – all diese Themen haben wiederholt für miese Stimmung am Markt gesorgt.

Zuletzt ist es vor allem die Geldpolitik gewesen: Die Inflation ist hoch, die Notenbanken müssen gegensteuern. Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) hat die Zinsen seit März mehrfach deutlich angehoben. Was die Kurse sämtlicher “Risk Assets” drückte – und dazu gehören neben Aktien auch Kryptowährungen. Hintergrund: Mit höheren Zinsen werden weniger riskante Anlagenformen – wie etwa Anleihen – im Vergleich wieder attraktiver.

Diese Woche wurden nun die mit Spannung erwarteten US-Inflationsdaten für Juli veröffentlicht. Die große Frage: Gibt es vielleicht erste Anzeichen auf ein Abschwächen des Preisdrucks? Oder beschleunigt sich der Anstieg der Verbraucherpreise noch weiter?

Die Antwort gab es am Mittwoch: Die Inflationsrate sank tatsächlich – und zwar von 9,1 Prozent im Juni auf 8,5 Prozent im Juli. Der Rückgang fiel damit stärker aus als im Vorfeld von Analysten erwartet.

Und obwohl eine Inflationsrate von 8,5 Prozent klarerweise weiterhin sehr hoch ist: Am Markt wurden die Zahlen bejubelt. Die wichtigsten US-Aktienindizes legten nach Veröffentlichung der Daten vorbörslich deutlich zu. Und auch am Kryptomarkt sprangen die Kurse sofort deutlich nach oben. Bitcoin etwa legte von rund 23.000 auf über 24.000 Dollar zu. Ob die US-Inflationsrate in den nächsten Monaten aber tatsächlich dauerhaft sinken wird, wird sich erst noch zeigen müssen.

“Merge” auf letztem Ethereum-Testnet umgesetzt, Datum für Mainnet-Umstieg festgelegt

Positiv aufgenommen wurden, wie eingangs erwähnt, diese Woche auch die neuesten Entwicklungen rund um den “Merge” bei Ethereum. Dieser seit Jahren geplante Abschied vom Mining wird so bezeichnet, weil dabei die schon existierende “Proof of Stake”-Chain von Ethereum mit dem Ethereum-Mainnet verschmolzen wird. Nach dem “Merge” werden Blocks nicht mehr mittels Mining zur Blockchain hinzugefügt. Stattdessen kommt Staking zum Einsatz, bei dem Validatoren Coins in einem Smart Contract hinterlegen und diese für einen bestimmten Zeitraum “gesperrt” werden.

In den vergangenen Wochen wurden bereits mehrere große Schritte in Richtung “Merge” am Mainnet geschafft:

  • Anfang Juni ging der “Merge” am Test-Netzwerk Ropsten live
  • Anfang Juli folgte mit Sepolia das nächste Test-Netzwerk
  • dann wurde auch ein Datum für den “Merge” am Goerli-Testnet festgelegt
  • und der Goerli-“Merge” wurde diese Woche nun ebenfalls umgesetzt

Das ist entscheidend: Denn der “Merge” auf Goerli war der letzte planmäßige Test, bevor es am Mainnet ernst wird. Live ging er in der Nacht auf Donnerstag (mitteleuropäischer Zeit). Stand jetzt sind keine größeren Probleme entdeckt geworden. 

Weshalb nun auch der weitere Ablauf für den “Merge” am Mainnet konkretisiert wurde – woraus sich wiederum ein einigermaßen konkretes Datum ableiten lässt. Nach derzeitigem Stand soll der “Merge” am Mainnet demnach um den 15. September live gehen. Damit dürfte er nun sogar früher kommen als angenommen: Bisher galt die Woche vom 19. bis 25. September als wahrscheinlich.

Dazu muss man festhalten: In Stein gemeisselt ist das Datum weiterhin. Sollten doch noch Probleme auftauchen, werden die Entwickler im Zweifel immer die Sicherheit des Netzwerks priorisieren. Sicher sagen lässt sich jedoch: Die Wahrscheinlichkeit für einen “Merge” im September ist höher als je zuvor.

Warum der Krypto-”Mixer” Tornado Cash auf US-Sanktionsliste gelandet ist – und was das jetzt bedeutet

In den vergangenen Wochen sind immer wieder Krypto-Unternehmen ins Visier der US-Behörden geraten. Sowohl bei Binance als auch bei Coinbase untersucht die Börsenaufsicht laut Bloomberg, ob die Unternehmen jeweils Token gelistet haben, die als illegale Wertpapiere einzustufen sind. Bei Coinbase läuft zudem eine Untersuchung gegen ehemalige Mitarbeiter wegen Insiderhandels – ebenso wie beim NFT-Handelsplatz OpenSea.

Nun kam eine weitere aufsehenerregende Maßnahme dazu: Das US-Finanzministerium hat Tornado Cash auf seine Sanktionsliste gesetzt. Tornado Cash ist ein sogenanntes Mixing-Tool, das im Wesentlichen dazu dient, Blockchain-Transaktionen anonym durchführen zu können. Das Protokoll läuft auf der Ethereum-Blockchain.

Wie Tornado Cash funktioniert: Herkömmliche Transaktionen auf den gängigen Blockchains sind öffentlich einsehbar. Weiß man beispielsweise wer hinter einer bestimmten Adresse steckt, lassen sich sämtliche mit dieser Adresse getätigten Transaktionen dieser Person zuordnen. Das ist aus Usersicht nicht immer wünschenswert – und da kommt Tornado Cash ins Spiel. 

Das Open-Source-Protokoll kann bei solchen Transaktionen – vereinfacht gesagt – zwischengeschalten werden. Tornado Cash empfängt zahlreiche Transaktionen, vermischt diese und leitet sie dann wieder an die jeweiligen Empfänger weiter. Im Regelfall führt dies dazu, dass Sender und Empfänger der Transaktion nicht mehr nachvollziehbar sind.

Nun kann es eine ganze Reihe an legitimen Gründen geben, warum Menschen nicht möchten, dass bestimmte Blockchain-Transaktionen nicht öffentlich nachvollziehbar sind. Klar ist aber ebenso, dass ein solches Tool auch für illegale Zwecke genutzt werden wird.

Und genau dies wirft das US-Finanzministerium Tornado Cash nun vor: Seit seinem Entstehen im Jahr 2019 seien mit dem Protokoll mehr als 7 Mrd. US-Dollar gewaschen worden, heißt es in der Mitteilung des Ministeriums. Tornado Cash sei außerdem von der Hackergruppe Lazarus verwendet worden, die von Nordkorea unterstützt werde und die hinter dem Hack einer Bridge der Harmony-Blockchain im Juni stand. Das Ministerium nennt zudem den Anfang August erfolgten Hack der Blockchain-Brücke Nomad – auch hier sei die Beute mittels Tornado Cash gewaschen worden.

Die unmittelbaren Folgen: Mit dem Schritt wurde die Nutzung von Tornado Cash in den USA verboten. Gleichzeitig wurde der öffentlich zugängliche Code von Tornado Cash von der Entwickler-Plattform GitHub gelöscht. Auch die GitHub-Accounts einiger Personen, die an der Entwicklung des Codes beteiligt waren, wurden gesperrt. 

Das Finanzministerium nannte zudem eine ganze Reihe von Ethereum-Adressen, die es in Verbindung mit Tornado Cash sieht – und zu denen US-Bürgerinnen und -bürger nun ebenfalls keine Transaktionen mehr durchführen dürfen.

Was der Schritt aber nicht bedeutet: Tornado Cash wurde nicht offline genommen. Das Protokoll läuft weiterhin auf der Ethereum-Blockchain und kann nach wie vor genutzt werden. EU-Bürger sind von den Sanktionen nicht direkt betroffen. Die EU hat bisher auch keine eigenen Sanktionen gegen Tornado Cash verhängt.

In der Krypto-Szene wurde das Vorgehen des Ministeriums wenig überraschend scharf kritisiert – unter anderem von Ethereum-Gründer Vitalik Buterin. Er habe selbst Tornado Cash für Spenden für Spenden an ukrainische Empfänger genutzt, deren Identität er so schützen wollte. Bitcoin-Unternehmer Erik Voorhees wiederum sieht durch die Maßnahme vor allem “gesetzestreue Amerikaner” geschädigt – weil Kriminelle Tornado Cash auch trotz des Verbots weiterhin nutzen würden. 

Die mittel- bis langfristigen Auswirkungen des Verbots sind derzeit noch nicht absehbar – klar ist nun jedenfalls, dass die US-Behörden Anonymierungsdienste für Blockchains nicht einfach so hinnehmen werden, wenn sie eine bestimmte Relevanz erreichen. Implikationen könnte dies aber weit über Mixing-Dienste hinaus haben – etwa für Anwendungen im Bereich Decentralized Finance (DeFi).


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Disclaimer: Dieser Text sowie die Hinweise und Informationen stellen keine Steuerberatung, Anlageberatung oder Empfehlung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar. Sie dienen lediglich der persönlichen Information. Es wird keine Empfehlung für eine bestimmte Anlagestrategie abgegeben. Die Inhalte von brutkasten.com richten sich ausschließlich an natürliche Personen.

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Lars Reger, CTO von NXP © NXP

Die Halbleiter-Industrie ist zu einem unverzichtbaren Faktor für die Automobilbranche geworden: Immer komplexere elektronische Systeme und softwaredefinierte Fahrzeuge treiben die Nachfrage nach leistungsfähigen, sicheren und energieeffizienten Chips in die Höhe. NXP, als einer der weltweit führenden Hersteller von Halbleitern, spielt hier eine zentrale Rolle und stärkt sein Automotive-Portfolio stetig – etwa durch die Übernahme der Autosparte TTTech Auto von TTTech Anfang Jänner. Vor diesem Hintergrund äußert sich Lars Reger, CTO von NXP, zu den aktuellen Trends, Herausforderungen und Wachstumsaussichten in der globalen Halbleiter- und Automobilindustrie.


brutkasten: Welche Wachstumsraten erwarten Sie für softwaredefinierte Fahrzeuge?

Lars Reger: Der Markt für softwaredefinierte Fahrzeuge wächst in den nächsten Jahren mit zweistelligen Wachstumsraten. Regionale Unterschiede sind groß, und auch die Autohersteller unterscheiden sich stark. Einige haben ein weißes Blatt Papier und können gleich komplett neue Architekturen aufsetzen. Andere, vor allem die etablierten europäischen und nordamerikanischen Hersteller, haben bestehende Modellreihen, die nach und nach umgestellt werden. Bei jeder neuen Modellgeneration oder Plattform wird nun diese Software-definierte Architektur eingeführt. Branchenschätzungen gehen davon aus, dass das Wachstum in diesem Bereich in den nächsten Jahren irgendwo zwischen 25 und 40 Prozent pro Jahr liegt. Das ist ein sehr, sehr schneller Umschwung.

In Europa gelten wir als besonders stark in den Bereichen Safety und Security. Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe dafür?

Das liegt daran, dass das Thema Sicherheit in unseren alten Leitmärkten historisch eine große Rolle spielt. Nehmen wir die Security: Sie kommt aus der Bankkarten-Technologie. Es gibt eigentlich nur noch zwei große Hersteller von Kryptokarten, und das sind Infineon und NXP – beide europäisch. Darauf aufbauend entstanden Bezahlsoftware-Hersteller. Für E-Health, E-Government und E-Banking nutzte man ebenfalls diese Technologie. Mobile Payment wird zu großen Teilen in Europa entwickelt, denken Sie an das Bezahlen mit der Uhr oder dem Handy.

Bei der funktionalen Sicherheit sieht es ähnlich aus: Sie wurde im automobilen Bereich entwickelt. Eine elektronische Bremse, ein Airbag-System, Steer-by-Wire oder Fly-by-Wire – das sind alles europäische Entwicklungen. Der europäische Maschinenbau und die Automobilindustrie haben dafür gesorgt, dass funktionale Sicherheit hier sehr weit fortgeschritten ist. Zusammen mit den Krypto-Fähigkeiten haben wir eine spezielle Kombination an Know-how, die für diese neuen Systeme unverzichtbar ist. Genau das ist es, was jetzt gebraucht wird, um die Roboter-Architekturen richtig zu gestalten. Darüber hinaus brauchen wir natürlich auch Energieeffizienz und Künstliche Intelligenz in der richtigen Größenordnung, damit sie auf solchen Systemen sinnvoll betrieben werden kann.

Wie schätzen Sie die zukünftige Position Europas in diesen Bereichen ein? Ist unser Alleinstellungsmerkmal gefährdet?

Niemand kann sich auf Lorbeeren ausruhen. Auch wir in Europa nicht. Die ganze Welt arbeitet mit Hochdruck daran, zu innovieren, und natürlich greifen andere unsere Wertschöpfungsmodelle an – das ist ganz normal. In der Vergangenheit hatten wir gewisse Markteintrittsbarrieren, weil es sehr schwierig war, etwa eine Abgasnachbehandlung zu kopieren. Bei Elektroautos fällt dieser Teil weg. Jetzt geht es allgemein um den Bau autonomer Systeme, in denen Europa zwar Vorreiter ist, aber nicht automatisch bleiben muss.

In den USA wurden in der Vergangenheit wiederholt Strafzölle angedroht und teilweise auch verhängt. Inwiefern hätte oder hat das Auswirkungen auf das Geschäft von NXP?

Die Halbleiterindustrie als Ganzes ist extrem global. Es gibt natürlich regionale Besonderheiten, beispielsweise viele Foundry-Fabriken in Taiwan oder den Equipmenthersteller ASML in den Niederlanden. Trotzdem ist die Branche insgesamt sehr global aufgestellt, und NXP braucht alle Märkte: Asien, die USA und Europa. Wir müssen unsere Produkte in großen Stückzahlen verkaufen. Denn nur wenn ich deutlich über 500 Millionen Stück eines Chips verkaufen kann, lohnt sich die Entwicklung.

Wenn ich den Markt fragmentiere, also mit Zöllen oder anderen Maßnahmen verkleinere, wird das zum Problem. Nehmen wir an, wir dürften unsere Produkte nur noch in Europa verkaufen. Dann würde uns zwei Drittel des Weltmarktes fehlen. Wenn wir immer 20 Prozent unserer Einnahmen in Forschung und Entwicklung stecken, sinken bei kleinerem Markt auch die Ressourcen für Innovationen. Wir könnten weniger investieren oder müssten die Kosten auf die Endkunden umlegen, was dann auch wieder die Preise hochtreibt.

Deshalb sind offene Märkte für uns enorm wichtig. Eine Fragmentierung durch Zölle oder andere Handelshemmnisse bremst die Innovation, weil wir nicht mehr in demselben Umfang wachsen können.

Wie sieht es aktuell mit den Lieferketten aus? Die Halbleiterkrise war lange ein Thema. Wie schätzen Sie die Entwicklung bei NXP ein?

NXP hat sehr viel getan, um widerstandsfähiger zu werden. Ein Faktor ist, dass die Kunden – oft Autohersteller oder andere Endgerätehersteller – mittlerweile sehr genau verstanden haben, wie die Halbleiter-Wertschöpfungskette aussieht. Man braucht etwa ein halbes Jahr von der Bestellung bis zum fertigen Chip und rund vier Jahre oder mehr, um ein neues Halbleiterwerk aufzubauen. Da kann man nicht einfach kurzfristig reagieren, wenn irgendwo plötzlich mehr Nachfrage entsteht.

Wir haben deshalb ein sogenanntes Dual-Sourcing eingeführt. Wir bauen in Dresden und in Singapur und arbeiten weltweit mit Foundries zusammen. So haben wir immer eine zweite Option in unterschiedlichen geografischen Regionen, falls es irgendwo zu einer Naturkatastrophe, einem Konflikt oder geopolitischen Spannungen kommt. Das reißt nicht sofort die ganze Kette ab.

Darüber hinaus versuchen wir, möglichst früh Bescheid zu wissen, wenn sich eine Architektur ändert. Wenn ein modernes Auto das Zehnfache an Chips braucht wie sein Vorgänger, dann muss man das rechtzeitig einplanen, damit die Kapazitäten da sind. Genau das ist bei der letzten Krise passiert: Die Anzahl der Autos blieb ungefähr gleich, aber der Halbleiterbedarf pro Auto stieg stark an – teilweise um den Faktor 10 bei bestimmten Komponenten. Viele haben das unterschätzt, weil sie dachten: „Die Stückzahlen sind ja nicht gestiegen.“ Aber die Architektur ist eben deutlich komplexer geworden.

War das also ein Fehler im Forecasting, und hat man daraus gelernt?

Ich glaube, es haben alle in der Lieferkette verstanden, dass man sich jetzt zeitnah abstimmen muss. Wenn eine neue Produktgeneration wesentlich mehr Halbleiterbedarf hat, muss das kommuniziert werden, damit wir rechtzeitig die Produktion planen können.

Sehen Sie noch weitere Faktoren, die Lieferketten limitieren könnten?

Ja, die gibt es durchaus. Im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld sind manche Unternehmen unter Druck und versuchen, ihre Lagerbestände niedrig zu halten, um möglichst wenig Kapital zu binden. Das ist verständlich. Aber sie wissen auch, dass wir lange Reaktionszeiten haben. Wenn die Nachfrage plötzlich wieder anzieht und wir das zu spät mitbekommen, kommen wir in eine ähnliche Situation wie Ende 2020, in der es wieder zu Engpässen kommt. Genau das ist unsere Paranoia im System: Wir beobachten sehr genau, wann dieser Umschaltmoment eintritt, damit wir nicht wieder in Lieferallokationen geraten.

Zum Abschluss ein Blick in die Zukunft: Welche Trends sehen Sie bis 2025 im Halbleitermarkt?

Mit einem Wort: Robotik. Und zwar nicht unbedingt in Form eines R2-D2 oder C-3PO, sondern als „Intelligent Systems at the Edge“, wie wir sagen. Die Welt entwickelt sich zunehmend in Richtung Antizipation und Automation. Sie kommen nach Hause und müssen praktisch nichts mehr tun, weil Ihr Haus schon weiß, wie es zu klimatisieren ist. Der Kühlschrank checkt, was fehlt, die Haustür öffnet sich, wenn Ihr Handy in der Nähe ist. Wir bewegen uns in eine Welt, in der viele Aufgaben und Verantwortlichkeiten durch vernetzte, smarte Systeme übernommen werden.

Damit dies gelingt, benötigen wir diese Assistenzsysteme überall. Früher begann das vielleicht mit smarten Lautsprechern, heute übernehmen solche Systeme wichtige Tasks. Das ist grundsätzlich positiv, etwa wenn man an die elektronische Patientenakte denkt, die sicherer ist als ein Papierausdruck, der irgendwo herumliegt.


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Lars Reger: Der Markt für softwaredefinierte Fahrzeuge wächst in den nächsten Jahren mit zweistelligen Wachstumsraten. Regionale Unterschiede sind groß, und auch die Autohersteller unterscheiden sich stark. Einige haben ein weißes Blatt Papier und können gleich komplett neue Architekturen aufsetzen. Andere, vor allem die etablierten europäischen und nordamerikanischen Hersteller, haben bestehende Modellreihen, die nach und nach umgestellt werden. Bei jeder neuen Modellgeneration oder Plattform wird nun diese Software-definierte Architektur eingeführt. Branchenschätzungen gehen davon aus, dass das Wachstum in diesem Bereich in den nächsten Jahren irgendwo zwischen 25 und 40 Prozent pro Jahr liegt. Das ist ein sehr, sehr schneller Umschwung.

In Europa gelten wir als besonders stark in den Bereichen Safety und Security. Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe dafür?

Das liegt daran, dass das Thema Sicherheit in unseren alten Leitmärkten historisch eine große Rolle spielt. Nehmen wir die Security: Sie kommt aus der Bankkarten-Technologie. Es gibt eigentlich nur noch zwei große Hersteller von Kryptokarten, und das sind Infineon und NXP – beide europäisch. Darauf aufbauend entstanden Bezahlsoftware-Hersteller. Für E-Health, E-Government und E-Banking nutzte man ebenfalls diese Technologie. Mobile Payment wird zu großen Teilen in Europa entwickelt, denken Sie an das Bezahlen mit der Uhr oder dem Handy.

Bei der funktionalen Sicherheit sieht es ähnlich aus: Sie wurde im automobilen Bereich entwickelt. Eine elektronische Bremse, ein Airbag-System, Steer-by-Wire oder Fly-by-Wire – das sind alles europäische Entwicklungen. Der europäische Maschinenbau und die Automobilindustrie haben dafür gesorgt, dass funktionale Sicherheit hier sehr weit fortgeschritten ist. Zusammen mit den Krypto-Fähigkeiten haben wir eine spezielle Kombination an Know-how, die für diese neuen Systeme unverzichtbar ist. Genau das ist es, was jetzt gebraucht wird, um die Roboter-Architekturen richtig zu gestalten. Darüber hinaus brauchen wir natürlich auch Energieeffizienz und Künstliche Intelligenz in der richtigen Größenordnung, damit sie auf solchen Systemen sinnvoll betrieben werden kann.

Wie schätzen Sie die zukünftige Position Europas in diesen Bereichen ein? Ist unser Alleinstellungsmerkmal gefährdet?

Niemand kann sich auf Lorbeeren ausruhen. Auch wir in Europa nicht. Die ganze Welt arbeitet mit Hochdruck daran, zu innovieren, und natürlich greifen andere unsere Wertschöpfungsmodelle an – das ist ganz normal. In der Vergangenheit hatten wir gewisse Markteintrittsbarrieren, weil es sehr schwierig war, etwa eine Abgasnachbehandlung zu kopieren. Bei Elektroautos fällt dieser Teil weg. Jetzt geht es allgemein um den Bau autonomer Systeme, in denen Europa zwar Vorreiter ist, aber nicht automatisch bleiben muss.

In den USA wurden in der Vergangenheit wiederholt Strafzölle angedroht und teilweise auch verhängt. Inwiefern hätte oder hat das Auswirkungen auf das Geschäft von NXP?

Die Halbleiterindustrie als Ganzes ist extrem global. Es gibt natürlich regionale Besonderheiten, beispielsweise viele Foundry-Fabriken in Taiwan oder den Equipmenthersteller ASML in den Niederlanden. Trotzdem ist die Branche insgesamt sehr global aufgestellt, und NXP braucht alle Märkte: Asien, die USA und Europa. Wir müssen unsere Produkte in großen Stückzahlen verkaufen. Denn nur wenn ich deutlich über 500 Millionen Stück eines Chips verkaufen kann, lohnt sich die Entwicklung.

Wenn ich den Markt fragmentiere, also mit Zöllen oder anderen Maßnahmen verkleinere, wird das zum Problem. Nehmen wir an, wir dürften unsere Produkte nur noch in Europa verkaufen. Dann würde uns zwei Drittel des Weltmarktes fehlen. Wenn wir immer 20 Prozent unserer Einnahmen in Forschung und Entwicklung stecken, sinken bei kleinerem Markt auch die Ressourcen für Innovationen. Wir könnten weniger investieren oder müssten die Kosten auf die Endkunden umlegen, was dann auch wieder die Preise hochtreibt.

Deshalb sind offene Märkte für uns enorm wichtig. Eine Fragmentierung durch Zölle oder andere Handelshemmnisse bremst die Innovation, weil wir nicht mehr in demselben Umfang wachsen können.

Wie sieht es aktuell mit den Lieferketten aus? Die Halbleiterkrise war lange ein Thema. Wie schätzen Sie die Entwicklung bei NXP ein?

NXP hat sehr viel getan, um widerstandsfähiger zu werden. Ein Faktor ist, dass die Kunden – oft Autohersteller oder andere Endgerätehersteller – mittlerweile sehr genau verstanden haben, wie die Halbleiter-Wertschöpfungskette aussieht. Man braucht etwa ein halbes Jahr von der Bestellung bis zum fertigen Chip und rund vier Jahre oder mehr, um ein neues Halbleiterwerk aufzubauen. Da kann man nicht einfach kurzfristig reagieren, wenn irgendwo plötzlich mehr Nachfrage entsteht.

Wir haben deshalb ein sogenanntes Dual-Sourcing eingeführt. Wir bauen in Dresden und in Singapur und arbeiten weltweit mit Foundries zusammen. So haben wir immer eine zweite Option in unterschiedlichen geografischen Regionen, falls es irgendwo zu einer Naturkatastrophe, einem Konflikt oder geopolitischen Spannungen kommt. Das reißt nicht sofort die ganze Kette ab.

Darüber hinaus versuchen wir, möglichst früh Bescheid zu wissen, wenn sich eine Architektur ändert. Wenn ein modernes Auto das Zehnfache an Chips braucht wie sein Vorgänger, dann muss man das rechtzeitig einplanen, damit die Kapazitäten da sind. Genau das ist bei der letzten Krise passiert: Die Anzahl der Autos blieb ungefähr gleich, aber der Halbleiterbedarf pro Auto stieg stark an – teilweise um den Faktor 10 bei bestimmten Komponenten. Viele haben das unterschätzt, weil sie dachten: „Die Stückzahlen sind ja nicht gestiegen.“ Aber die Architektur ist eben deutlich komplexer geworden.

War das also ein Fehler im Forecasting, und hat man daraus gelernt?

Ich glaube, es haben alle in der Lieferkette verstanden, dass man sich jetzt zeitnah abstimmen muss. Wenn eine neue Produktgeneration wesentlich mehr Halbleiterbedarf hat, muss das kommuniziert werden, damit wir rechtzeitig die Produktion planen können.

Sehen Sie noch weitere Faktoren, die Lieferketten limitieren könnten?

Ja, die gibt es durchaus. Im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld sind manche Unternehmen unter Druck und versuchen, ihre Lagerbestände niedrig zu halten, um möglichst wenig Kapital zu binden. Das ist verständlich. Aber sie wissen auch, dass wir lange Reaktionszeiten haben. Wenn die Nachfrage plötzlich wieder anzieht und wir das zu spät mitbekommen, kommen wir in eine ähnliche Situation wie Ende 2020, in der es wieder zu Engpässen kommt. Genau das ist unsere Paranoia im System: Wir beobachten sehr genau, wann dieser Umschaltmoment eintritt, damit wir nicht wieder in Lieferallokationen geraten.

Zum Abschluss ein Blick in die Zukunft: Welche Trends sehen Sie bis 2025 im Halbleitermarkt?

Mit einem Wort: Robotik. Und zwar nicht unbedingt in Form eines R2-D2 oder C-3PO, sondern als „Intelligent Systems at the Edge“, wie wir sagen. Die Welt entwickelt sich zunehmend in Richtung Antizipation und Automation. Sie kommen nach Hause und müssen praktisch nichts mehr tun, weil Ihr Haus schon weiß, wie es zu klimatisieren ist. Der Kühlschrank checkt, was fehlt, die Haustür öffnet sich, wenn Ihr Handy in der Nähe ist. Wir bewegen uns in eine Welt, in der viele Aufgaben und Verantwortlichkeiten durch vernetzte, smarte Systeme übernommen werden.

Damit dies gelingt, benötigen wir diese Assistenzsysteme überall. Früher begann das vielleicht mit smarten Lautsprechern, heute übernehmen solche Systeme wichtige Tasks. Das ist grundsätzlich positiv, etwa wenn man an die elektronische Patientenakte denkt, die sicherer ist als ein Papierausdruck, der irgendwo herumliegt.


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