08.07.2022

Crypto Weekly #64: Erholungsversuch am Kryptomarkt – doch die Lage bleibt schwierig

Diese Woche: Die Kryptobörse FTX holt sich eine Kaufoption auf die schwer angeschlagene Lending-Plattform BlockFi. Der Kryptobroker Voyager Digital dagegen hat ein Sanierungsverfahren beantragt - und Binance-Chef CZ kritisiert dazu FTX-Gründer Sam Bankman-Fried. Außerdem: Warum die DeFi-Lending-Plattform Aave jetzt einen eigenen Stablecoin plant.
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Foto: Adobe Stock

Das brutkasten Crypto Weekly ist unser wöchentliches Briefing zu Kryptomarkt und -branche. Es kann hier als Newsletter abonniert werden. Jeden Freitag blicken wir auf die wichtigsten Kursbewegungen und Nachrichten der Krypto-Woche zurück.


Die Kurstafel:

  • Bitcoin (BTC): 21.400 US-Dollar (+9 % gegenüber Freitagnachmittag der Vorwoche)
  • Ethereum (ETH): 1.200 Dollar (+14 %)
  • BNB: 240 Dollar (+9 %)
  • Solana (SOL): 37 Dollar (+10 %)
  • Avalanche (AVAX): 20 Dollar (+16 %)

Neuerlicher Erholungsversuch: Bitcoin zwischenheitlich über 22.000 Dollar, Ethereum bei 1.200 Dollar

Wie immer starten wir mit einem Blick auf die Kursbewegungen seit vergangenem Freitag – und die sind im aktuellen schwierigen Umfeld überraschend erfreulich: Wir sehen klar positive Performances bei fast allen großen Krypto-Assets. Bitcoin überschritt in der Nacht auf Freitag sogar wieder die 22.000-Dollar-Marke – erstmals seit Mitte Juni. Anfang der Woche hatte sich der Kurs noch entlang der 19.000 Dollar bewegt. Auch wenn er am Freitag wieder etwas fiel, auf 7-Tages-Sicht ergibt sich ein Plus von 9 Prozent.

Noch deutlicher aufwärts ging es für Ethereum (ETH): Der Ether-Kurs lag am Freitagnachmittag zuletzt 14 Prozent über dem Niveau vom vergangenen Freitag. Über den gesamten Zeitraum hielt er sich außerdem über der 1.000-Dollar-Schwelle. 

Starke 7-Tages-Performances sehen wir diese Woche außerdem bei den Token von zwei anderen großen Smart-Contract-Plattformen: Solanas SOL-Token stieg um 10 Prozent und für AVAX, den nativen Token der Avalanche-Blockchain, ging es um 16 Prozent nach oben.

Warum der US-Aktienmarkt diese Woche die Kryptokurse gestützt hat

Unterstützung kam diese Woche auch vom US-Aktienmarkt, mit dem die Kryptokurse weiterhin stark korrelieren: An der Techbörse Nasdaq zogen die Aktienkurse nach dem in den USA verlängerten Wochenende drei Tage in Folge an. Positiv aufgenommen wurde dabei das am Mittwoch veröffentlichte Protokoll zur jüngsten Zinssitzung der US-Notenbank Fed im Juni. Die Notenbanker bekräftigten darin ihr Bekenntnis zu weiteren Maßnahmen, um die hohe Inflation unter Kontrolle zu bringen. 

Allerdings: Sie wiesen auch auf das Risiko hin, dass die Zinserhöhungen stärkere Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum haben könnten als erwartet. Steigende Zinsen gelten gemeinhin als negativ für Aktien, weil andere, weniger riskante Anlageformen wie Anleihen damit relativ gesehen attraktiver werden. Das Protokoll wurde nun also so interpretiert, dass die kommenden Zinserhöhungen möglicherweise nicht ganz so drastisch ausfallen könnten wie befürchtet.

Aber trotz der dieswöchigen Erholung am Markt: Es bleibt aber weiterhin völlig offen, ob der Boden am Kryptomarkt tatsächlich schon erreicht worden ist. Wie auch in den beiden Vorwochen im Crypto Weekly thematisiert, sind Bärenmarktrallys – also kurzfristig steigende Kurse in einem mittelfristig weiterhin fallenden Markt – alles andere als ungewöhnlich. Und das Umfeld (Zinserhöhungen, Krieg in der Ukraine, Lieferketten-Probleme) bleibt schwierig. 

FTX sichert sich Kaufoption auf BlockFi – zu einem höheren Preis als erwartet

Dazu kommt natürlich noch die Situation innerhalb der Kryptobranche: Taumelnde Lending-Unternehmen, zahlungsunfähige Hedgefonds und Rettungsversuche von FTX-Gründer Sam Bankman-Fried – das waren in den vergangenen Wochen die großen Themen, auch hier im Crypto Weekly. Und diese Woche gab es wieder neue Episoden in dieser Fortsetzungsgeschichte.

Zunächst einmal bei BlockFi. Da hatte es in der Vorwoche schon recht konkrete – aber unbestätigte – Medienberichte gegeben, wonach die Lending-Plattform vor einem Notverkauf stünde. Und das nur eine Woche, nachdem FTX das Unternehmen mit einem 250-Mio.-Dollar-Kredit gestützt hatte. CNBC nannte dazu einen Verkaufspreis von 25 bis 50 Mio. Dollar. 

Ganz so schlimm kam es nun nicht: Die Vereinbarung zwischen FTX und BlockFi sieht nun einerseits einen Kredit in der Höhe von 400 Mio. Dollar vor. Andererseits erwirbt FTX die Option, BlockFi für einen “variablen Preis” von maximal 240 Mio. Dollar kaufen zu können. Der tatsächliche Preis hängt von Performance-Kennzahlen ab.

Kryptobroker Voyager Digital ist insolvent – warum Binance-Chef CZ seinen FTX-Kollegen Bankman-Fried dazu kritisiert

Ein anderes Unternehmen, das in den vergangenen Wochen immer wieder – unrühmlicherweise – zum Thema wurde, ist Voyager Digital. Der in Kanada börsennotierte US-Kryptobroker hatte die Auszahlungslimits für seine Kundinnen und Kunden zunächst deutlich gesenkt. Dann wurden sie komplett ausgesetzt. Und auch bei Voyager kam Sam Bankman-Fried ins Spiel – über seine Tradingfirma Alameda stellte er eine Kreditlinie in der Höhe von rund einer halben Milliarde zur Verfügung.

Das dürfte aber nicht gereicht haben: Denn Voyager hat diese Woche in New York einen Sanierungsantrag nach “Chapter 11” der US-Insolvenzrechts eingereicht. Das Unternehmen ist also zahlungsunfähig. Schwer getroffen wurde Voyager von der Pleite von Three Arrows Capital (3AC). Der Krypto-Hedgefonds wird, wie berichtet, liquidiert. Das Problem: Er hatte noch Verbindlichkeiten von rund 650 Mio. Dollar bei Voyager offen. Und die dürften nun weg sein.

Aus den eingereichten Unterlagen von Voyager geht hervor, dass Bankman-Fried mit Alameda tatsächlich der größte Kreditgeber des Unternehmens ist. Offen sind demnach 75 Mio. Dollar an unbesicherten Forderungen. Die 500 Mio. Dollar, die potenziell zur Verfügung gestanden wären, sind also bei weitem nicht abgerufen worden. 

Allerdings zeigten die Unterlagen noch eine weitere interessante Tatsache: Es steht nicht nur Voyager bei Alameda in der Kreide. Sondern Alameda schuldet auch Voyager etwas – und zwar einen ordentlichen Betrag von 376,8 Mio. Dollar. Nun dominierenja seit Wochen die Sorgen in der Branche vor einem dominoartigen Szenario, bei dem eine angeschlagene Kryptofirma die nächste mit in den Abgrund reißt. Und solche Erkenntnisse tragen dazu bei, diese Befürchtungen noch einmal zu verstärken.

Kein Fan von Bankman-Frieds Voyager-Deal ist übrigens Binance-Gründer CZ. In einem Podcast-Interview mit Decrypt fand er eindeutige Worte dazu: “Das hat sogar mich überrascht, um ehrlich zu sein. Ich versuche, keine Kommentare zu Konkurrenten oder Branchenkollegen abzugeben. Aber ich würde diese Art von Deal nie machen. Ich würde nie sagen: ‘Ich werde in dein Unternehmen investieren und dann leihst du mir Geld’.”

Aave: Warum das DeFi-Protokoll jetzt einen eigenen Stablecoin plant

Bärenmärkte und Kryptowinter eignen sich, um neue Dinge aufzubauen, heißt es in der Branche immer wieder. Genau diesem Grundsatz will man offenbar bei Aave folgen. Das führende Decentralized-Finance-Lending-Protokoll soll um einen eigenen Stablecoin namens GHO ergänzt werden, der 1:1 an den Dollar gekoppelt ist.

Aave Companies – das Unternehmen, das das Protokoll entwickelt hat – hat einen entsprechenden Antrag beim Aave-DAO (Decentralized Autonomous Organization) eingebracht. Die Community muss nun darüber abstimmen. Im Gegensatz etwa zum im Mai kollabierten Stablecoin TerraUSD (UST) soll GHO vollständig mit Reserven hinterlegt werden – konkret einer “diversifizierten Zusammenstellung von Kryptoassets”, die User, wenn sie den Stablecoin nachfragen, als Sicherheit hinterlegen müssen.

Der Kontext: Stablecoins werden im aktuellen Bärenmarkt besonders stark nachgefragt. Das schlägt sich auch in den Zahlen nieder: Unter den sechs größten Kryptowährungen nach Marktkapitalisierung sind derzeit drei Stablecoins: Tether (USDT), USD Coin (USDC) und Binance USD (BUSD). Mit DAI folgt auch Platz 13 ein weiterer.

Gleichzeitig hat der Zusammenbruch von TerraUSD den Anlegerinnen und Anlegern wieder deutlich in Erinnerung gerufen, dass Stablecoin nicht gleich Stablecoin ist – und das jeweilige Konzept dahinter entscheidend für die tatsächliche Stabilität des Kurses ist. Der weiterhin größte Stablecoin, Tether, ist seit Jahren mit kritischen Stimmen konfrontiert, die an der Dollar-Deckung zweifeln. Seit dem Terra-Kollaps im Mai wurden auch von Tether große Summen abgezogen: Die Marktkapitalisierung fiel von über 80 auf unter 70 Mrd. Dollar. Die 1:1-Koppelung an den Dollar konnte aber (bisher?) aufrecht gehalten werden.

Und unabhängig von der Stablecoin-Thematik haben die Auszahlungssperren von Lending-Plattformen wie Celsius oder Babel ebenfalls wieder Fragen aufgeworfen: Diese Unternehmen investieren zwar die Gelder ihrer Anlegerinnen und Anleger in DeFi-Protokolle, sind aber selbst natürlich klassische (lies: zentralisierte) Unternehmen, wie das Aussetzen der Auszahlungsmöglichkeiten wieder einmal zeigten. Dies könnte tatsächlichen DeFi-Protokollen wie Aave mittel- bis langfristig ebenfalls zugute können.


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v.l. Die beiden Founding Partner Laurenz Sim- bruner und Lukas Püspök | (c) Tina Herzl

Dieser Artikel erschien zuerst in der Jubiläumsausgabe unseres Printmagazins. Ein Link zum Download findet sich am Ende des Artikels.

Spätestens mit dem Sieg von Donald Trump bei den US-Wahlen und der angekündigten Rückkehr seiner „America First“-Politik ist die Debatte über die Technologiesouveränität in Europa neu entfacht. Unter dem Motto „Drill, baby, drill!“ hat Trump zudem angekündigt, die Förderung fossiler Energieträger wie Öl und Gas massiv ankurbeln zu wollen. Gleichzeitig ist Europa in zentralen Industrien wie der Solar- und Batterietechnologie stark von China abhängig. Angesichts dieser Herausforderungen stellt sich die Frage, welche Marktchancen europäische Climate-Tech-Startups im geopolitischen Spannungsfeld zwischen den USA und China künftig haben.

Diese Frage beleuchten wir aus Investorensicht im Gespräch mit Lukas Püspök und Laurenz Simbruner – sie sind Founding Partner des Wiener Venture-Capital-Fonds Push, der gezielt in Health-Tech- und Climate-Tech-Startups investiert. Püspök leitet zudem das gleichnamige Familienunternehmen, das einer der größten Windkraftbetreiber Österreichs ist.


Wie schätzt ihr die aktuelle Finanzierungslage für Startups aus Investorensicht ein?

Laurenz Simbruner: Die erwartete deutliche Verbesserung bei Dealchancen blieb 2024 aus. Viele hatten die Hoffnung, dass der Markt wieder stärker anzieht, aber das war eher eine vorsichtige Prognose als Realität. Stattdessen erlebten wir ein Jahr, das stark im Zeichen selektiver Investments stand – Flight to Quality und ein klarer Fokus auf Unit Economics und den Weg zur Rentabilität. Besonders Top-Teams und Serial Entrepreneurs hatten es beim Fundraising leichter. Im Bereich Climate-Tech war weiterhin Finanzierung da, vor allem von neueren Fonds, die bereits 2021 und 2022 geraist wurden. Doch auch hier gab es erste Anzeichen von Ernüchterung.

Wie äußern sich diese Anzeichen der Ernüchterung im Climate-Tech-Sektor?

Lukas Püspök: Noch vor zwei Jahren waren die Erwartungen hoch – viele Pitch Decks gingen von extremen Energiepreisen aus, und selbst kleine Einsparungen durch Softwarelösungen wurden als äußerst wertvoll angesehen. Heute sind die Energiepreise in Europa zwar leicht erhöht, aber weitgehend normalisiert. Das führt zu einer gewissen Normalisierung der Nachfrage nach spezifischen Lösungen. Doch der Megatrend Climate-Tech bleibt intakt: Lösungen im Kampf gegen die Klimakrise sind weiterhin dringend notwendig, und das Potenzial für neue Technologien ist groß. Besonders Boom-Technologien wie Batterien bleiben gefragt. Allerdings erschweren die wirtschaftliche Situation in Europa und der geopolitische Druck zwischen China und den Vereinigten Staaten die Entwicklungen in der Clean-Tech- und Climate-Tech-Branche.

Der Megatrend Climate-Tech bleibt intakt.

Laurenz Simbruner: Interessant ist auch die Entwicklung bei den Investitionsvolumina: Nach einem Anstieg über drei Quartale gab es zuletzt wieder einen Rückgang. Besonders Deals im Bereich künstliche Intelligenz ziehen hier Aufmerksamkeit auf sich, da viele Mega-Rounds ein Drittel des Investitionsvolumens in Anspruch nehmen. Unsere beiden Bereiche Klima und Gesundheit bleiben jedoch noch immer unter den Top-Verticals. Der Fokus im Climate-Tech-Bereich verschiebt sich hin zu echten Herausforderungen der Energiewende und Industrie. ESG-Monitoring oder reine Energiemonitoring-Lösungen reichen nicht mehr aus – es geht darum, die großen Probleme anzugehen. Beispielsweise spielt die Steuerung zwischen Energieproduzenten, Speichern und Abnehmern eine zentrale Rolle, und hier kann Software Effekte erzielen.

Lukas Püspök: Die Komplexität im Energiebereich steigt enorm, die neue Energiewelt ist wesentlich vielschichtiger und dynamischer als früher. Das schafft ein ideales Umfeld für neue Technologieunternehmen, die mit ihrer Agilität und Innovationskraft Lösungen bieten können, die traditionelle Akteure oft nicht schnell genug umsetzen. In diesem Feld ergeben sich fast zwangsläufig große Wachstumschancen für neue Technologieunternehmen. Die Herausforderungen und Möglichkeiten sind so groß, dass es fast nicht anders kommen kann.

Welche Chancen bestehen für Startups im Energiebereich angesichts der dominanten Marktposition Chinas im Hardwarebereich?

Lukas Püspök: Ja, tatsächlich sind die meisten wesentlichen Technologien mittlerweile fest in chinesischer Hand. Bei Wärmepumpen könnte Europa noch eine kleine Chance haben, aber auch hier zeigt sich ein ähnliches Bild wie bei den Wechselrichtern: Vor einigen Jahren hatten auch die europäischen Hersteller noch eine gewisse Relevanz am Weltmarkt, heute spricht jedoch fast jeder nur noch über Huawei und ein paar andere, die ihre Dominanz klar ausbauen konnten.

Diese Entwicklung wird sich in den nächsten Jahren nicht einfach aufhalten lassen. China hat ein enormes Production-Know-how aufgebaut. Die Unternehmen dort sind in Forschung und Entwicklung sowie im Bau großer Produktionsanlagen extrem stark geworden. In Europa wird es sehr schwierig, dieses Niveau schnell zu erreichen.

Die USA gehen einen anderen Weg: Mit dem Inflation Reduction Act fließt viel Kapital in den Aufbau von Produktionskapazitäten, was den USA möglicherweise Vorteile verschafft. In Europa fehlen vergleichbar starke Investitionsanreize und langfristige Strategien, wie sie in China und den Vereinigten Staaten umgesetzt werden.

Historisch gesehen sind industrielle Erfolge eng an günstige Energiepreise gebunden.

Das bedeutet jedoch nicht, dass es für europäische Startups im Energy-Tech-Bereich keine Chancen gibt. Es gibt zahlreiche Felder, in denen sie erfolgreich sein können – von der Ausgleichsenergie über das Energiekostenmanagement bis zur Batterieoptimierung und Implementierung, um nur ein paar zu nennen. Hier bieten sich viele Möglichkeiten zur Wertschöpfung.

Wenn jedoch jemand in Europa eine neue Solarzelle entwickeln möchte, ist Skepsis angebracht, ob eine solche Entwicklung hier wirklich konkurrenzfähig in die Massenproduktion gehen kann. Deshalb liegt unser Fokus ohnehin nicht auf Hardware. Sie kann zwar eine Rolle spielen, aber der Hauptwert sollte immer aus der Softwarekomponente kommen – auch wenn das im Energy-Tech-Bereich manchmal herausfordernd ist.

Welchen Investitionsfokus verfolgt Push im Energiebereich?

Lukas Püspök: Unser Fokus liegt immer auf Asset-Light-Ansätzen, selbst bei Projekten mit Hardwarekomponenten. Wir sind offen, auch Hardware anzusehen, aber der wesentliche Wert wird in Europa öfter durch Software geschaffen, seltener durch herausragende Hardwareentwicklung und Produktion.

Laurenz Simbruner: Das liegt auch daran, dass wir als Tech-Investoren darauf achten, wie leicht Folgefinanzierungen gesichert werden können. Bei reinen Hardware-Investments stoßen wir auf Widerstände: Rund drei Viertel der potenziellen Investoren sagen bei „Hardware only“ Nein. Das erhöht das Risiko, dass eine Anschlussfinanzierung scheitert oder man alternative Finanzierungsquellen wie strategische Investoren oder Family Offices anstreben muss.

Was muss Europa tun, um im Energiebereich Technologiesouveränität zu erlangen?

Lukas Püspök: Europa kann nur wettbewerbsfähig bleiben, wenn es langfristige, klare Policies ähnlich wie die anderen großen Wirtschaftsräume umsetzt. China hat mit seinen Fünfjahresplänen schon vor Langem begonnen, grüne Technologien und Batterien strategisch zu fördern, und unterstützt seine Unternehmen auf vielen Ebenen. Die USA setzen auf den Inflation Reduction Act, der klare Impulse für die Industrie bietet. Im Vergleich dazu wirkt Europa mit seinen Initiativen wie dem Green Industrial Deal fast zurückhaltend und politisch fragmentiert, was große Schritte erschwert.

Wir brauchen diese Klarheit in der europäischen Politik, um unsere Industrie zu halten und wettbewerbsfähige, günstige Energie zu sichern. Historisch gesehen sind industrielle Erfolge eng an günstige Energiepreise gebunden, und auch für Europa ist der massive Ausbau erneuerbarer Energien alternativlos. Manche Stimmen sprechen sich zwar für mehr Kernenergie aus, aber der gänzlich fossilfreie Ausbau bleibt das Ziel; besonders, da Europa keine großen natürlichen Ressourcen besitzt. Wir müssen so viel wie möglich selbst in Europa erneuerbar produzieren.

Der Fokus im Climate-Tech-Bereich verschiebt sich hin zu echten Herausforderungen der Energiewende und Industrie

Donald Trump hat die US-Wahlen gewonnen und setzt sich für fossile Energieträger ein. Inwiefern ist das eine Gefahr für den europäischen Climate-Tech-Sektor?

Lukas Püspök: Die aktuellen Entwicklungen in den USA stellen für den europäischen Climate-Tech-Sektor aus meiner Sicht keine allzu große Gefahr dar. Wenn die USA erneut aus dem Klimaabkommen austreten und die Schiefergas- und Schieferölproduktion steigern, wird dies zwar Auswirkungen haben, doch Europa wird weiterhin konsequent auf Zukunftstechnologien setzen. Diese klare Haltung stärkt das europäische Ökosystem und zeigt eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber globalen politischen Veränderungen. Insgesamt halte ich den Wahlausgang für die Klimabemühungen für sehr bedauerlich – für die Chancen der europäischen Climate-Tech-Unternehmen aber nicht für eine fundamentale Gefährdung.

Laurenz Simbruner: Viele Climate-Tech-Lösungen dienen primär der Kostenreduktion und der Produktivitätssteigerung. Der Kundennutzen steht dabei im Vordergrund, z. B. durch geringeren Verbrauch oder höhere Effizienz. Die Entscheidung für solche Innovationen ist oft wirtschaftlich motiviert und nicht rein ideologisch. So spielt auch in den USA der wirtschaftliche Nutzen eine entscheidende Rolle – und erneuerbare Technologien wie Photovoltaik setzen sich langfristig durch, wenn sie wirtschaftlich sinnvoll sind.

Lukas Püspök: Letztlich zeigt sich: Technologien setzen sich dauerhaft nur dann durch, wenn sie einen entsprechenden Kundennutzen bringen. In vielen Fällen sind aber Anschubfinanzierungen notwendig, um Technologien wie Photovoltaik zu etablieren und günstige, nachhaltige Lösungen weltweit zu fördern. Der große Photovoltaikboom auf österreichischen Dächern begann weniger aus Umweltgründen oder weil plötzlich jeder grünen Strom wollte; vielmehr wollen wir uns im Lichte der hohen Kosten und der Abhängigkeit von Importen wirtschaftlich absichern. Dieses Prinzip zeigt sich auch in den USA: Zwar könnte man mehr Öl und Gas fördern, und in gewissem Umfang wird das leider auch passieren, aber in vielen Fällen ergeben andere Energieformen wirtschaftlich mehr Sinn. Auch die USA werden PV, Windkraft und Batterien weiter stark ausbauen, hauptsächlich, weil sie in der Stromproduktion zu fast konkurrenzlos günstigen Technologien geworden sind.


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