03.06.2022

Crypto Weekly #59: Jobabbau bei Kryptobörsen, US-Behörde verfolgt NFT-Insiderhandel

Die US-Kryptobörse Coinbase stoppt Neueinstellungen und zieht Jobangebote zurück, Konkurrent Gemini kürzt seine Belegschaft um 10 Prozent. Außerdem diese Woche: Die US-Börsenaufsicht geht gegen einen ehemaligen OpenSea-Produktmanager wegen Insiderhandels vor. Und: Was hinter dem Kursanstieg bei Cardano steckt.
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Das Logo der Kryptobörse Coinbase auf einem Smartphone vor einem Chart
Foto: Adobe Stock

Das brutkasten Crypto Weekly ist unser wöchentliches Briefing zum Kryptomarkt und kann hier als Newsletter abonniert werden. Jeden Freitag blicken wir auf die wichtigsten Kursbewegungen und Nachrichten der Krypto-Woche zurück.


Die Kurstafel:

  • Bitcoin (BTC): 29.800 US-Dollar (+3 % gegenüber Freitagnachmittag der Vorwoche)
  • Ethereum (ETH): 1.760 Dollar (-1 %)
  • Binance Coin (BNB): 300 Dollar (-1 %)
  • Cardano (ADA): 0,55 Dollar (+20 %)
  • Solana (SOL): 38 Dollar (-9 %)

Stabilisierung am Markt – vorerst?

Die Marktentwicklung: Am Kryptomarkt geht eine unterm Strich eher wenig spektakuläre Woche zu Ende – und angesichts der Kursentwicklungen der vergangenen Wochen muss man dazu sagen: Das ist positiv, immerhin ging es nicht mehr weiter abwärts.

Bitcoin (BTC) bewegte sich seit vergangenem Freitag rund um die 30.000-Dollar-Marke: Das Tief lag am Freitagabend bei rund 28.300 Dollar, das 7-Tages-Hoch am Dienstag bei über 32.200 Dollar. Eine vergleichsweise enge Bandbreite also. Am Freitag stand Bitcoin zuletzt wieder unter der 30.000-Dollar-Marke.

Bei Ethereum (ETH) wiederum es zuletzt die 2.000-Dollar-Schwelle, um die sich der Kurs bewegte. Seit vergangenem Freitag schaffte er jedoch kaum darüber: Ether wurde über weite Strecken zwischen 1.700 und den genannten 2.000 Dollar gehandelt. Auf 7-Tages-Sicht ergibt das aber dennoch ein knappes Minus.

Allerdings: Ob die Kurse damit einen Boden gefunden haben, ist völlig offen. An der angespannten Situation am Markt hat sich noch nichts grundlegend geändert. Was kein Wunder ist: Die Zinserhöhungen der US-Notenbank, der Krieg in der Ukraine und dessen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft, die Probleme mit den globalen Lieferketten – all diese Themen sorgen nach wie vor für Unsicherheit.

Was hinter der starken Woche von Cardano steckt

Der Ausreißer nach unten unter den Top-10-Coins war diese Woche Solana (SOL) mit einem Minus von 9 Prozent. Hintergrund des Kursrückgangs: Die Smart-Contract-Blockchain ist am Mittwoch schon wieder ausgefallen. 

Sehr stark verlief die Woche dagegen für den ADA-Token von Cardano mit einem Plus von 20 Prozent. Mit dem Hard Fork “Vasil” rückt im Juni das nächste große Upgrade der Cardano-Blockchain näher. Im vergangen Sommer hatte das “Alonzo”-Upgrade den ADA-Kurs ebenfalls massiv angetrieben und Anfang September auf ein Rekordhoch von über 3 Dollar gehoben.

Mit dem Hard Fork damals wurden erstmals Smart Contracts auf der Cardano-Blockchain ermöglicht. Das “Vasil”-Upgrade soll nun die Skalierbarkeit verbessern, unter anderem wird etwa die Anzahl der Transaktionen pro Block erhöht.

Der Kontext: Cardano ist einer der vielen Ethereum-Konkurrenten. Der in der Kryptoszene nicht unumstrittene Gründer Charles Hoskinson gehörte von 2013 bis 2014 selbst zum Gründerteam von Ethereum. Cardano nimmt für sich in Anspruch, im Vergleich zu anderen Smart-Contract-Blockchains eine stärkere wissenschaftliche Fundierung zu haben – weil implementierte Ideen immer einen wissenschaftlichen Peer-Review-Prozess durchlaufen sollen. Es gibt jedoch genug Kritikerinnen und Kritiker, die dies für eine Marketing-Behauptung halten.

Was die Adaption der Cardano-Blockchain angeht, ist das Projekt jedenfalls noch nicht auf Augenhöhe mit allen Konkurrenten – etwa im Bereich Decentralized Finance (DeFi). Vergleicht man etwa die Anzahl der DeFi-Protokolle auf einigen der großen Blockchains, ergibt sich laut Zahlen der Daten-Plattform DeFi Llama folgendes Bild:

  • Ethereum: 491
  • Binance Smart Chain: 402
  • Polygon: 259
  • Avalanche: 213
  • Solana: 67
  • Cardano: 10

Hier gibt es also durchaus Aufholbedarf. Der aktuelle Kursanstieg dürfte auch von der Hoffnung auf entsprechende Fortschritte getrieben sein. Beim Total Value Locked (TVL), also dem Geld, das in Smart Contracts von DeFi-Anwendungen auf Cardano steckt, gab es in den vergangenen sieben Tagen ein Plus von 15 Prozent. Ende Mai ist zudem die Ethereum-Cardano-Bridge Iagon gestartet. Sie soll es künftig ermöglichen, Assets von der einen Blockchain auf die andere zu übertragen.

Allerdings: Ob diese Punkte tatsächlich auf eine stärkere Cardano-Adaption hindeuten, ist völlig unsicher. Trader nehmen solche Meldungen immer wieder gern zum Anlass, um auf steigende Kurse zu spekulieren. Daraus aber Rückschlüsse auf die tatsächliche fundamentale Entwicklung eines Protokolls zu schließen, wäre verfehlt. In vielen Fällen erweisen sich solche Kursanstiege nicht als dauerhaft. 

Eine ähnliche Bewegung gab es bei Cardano übrigens schon im März: Damals hatte Coinbase angekündigt, Staking für Cardanos ADA-Token anzubieten. Der Kurs zog um knapp 40 Prozent nach oben – fiel aber noch im April wieder auf das Ausgangsniveau zurück.

“Crypto Winter”: Jobabbau bei Gemini, Einstellungsstopp bei Coinbase

Apropos Coinbase. Die US-Kryptobörse stellt sich auf schwierige Zeiten ein. Bereits vor zwei Wochen hatte das Unternehmen angekündigt, weniger Leute einstellen zu wollen als bisher geplant. Recht schnell dürfte sich jedoch herausgestellt haben, dass dies nicht reichen wird. 

Diese Woche teilte Coinbase nun weitreichendere Maßnahmen mit: Das Unternehmen wird keine neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr einstellen – “solange es das Makro-Umfeld notwendig macht”, wie es in der entsprechenden Ankündigung heißt. Dies betrifft auch einen Großteil der Nachbesetzungen – ausgenommen sollen nur wenige besonders kritische Positionen sein. 

Dies ist aber noch nicht alles: Coinbase wird außerdem einige Jobangebote zurückziehen. Hier geht es also um Personen, die bereits eine Zusage erhalten haben, aber ihre Stelle noch nicht angetreten haben. 

Doch es ist nicht nur Coinbase. Noch einen Schritt weiter geht eine andere große US-Kryptobörse: Gemini hat angekündigt, 10 Prozent seines Personals abzubauen. Gemini wurde 2014 von Tyler und Cameron Winklevoss gegründet – den Zwillingen, die in Europa vor allem aufgrund ihres Rechtsstreits mit Mark Zuckerberg über die Gründung von Facebook bekannt geworden sind. Die beiden führen das Unternehmen weiterhin und sehen den Schritt als notwendigen Maßnahme aufgrund des “Kryptowinters”, auf den die Branche zusteuere, wie sie in ihrer Mitteilung schreiben.

Der Kontext: Der aktuelle Wirtschaftsabschwung macht vor der gesamten Startup- und Techszene keinen Halt. Die Finanzierungsbedingungen werden schwieriger. Jene Unternehmen, die bereits an der Börse gelistet sind, haben enorme Bewertungseinbußen hinnehmen müssen. Und all dies betrifft eben auch die Kryptobranche. Coinbase selbst ist dafür ein gutes Beispiel: Das Unternehmen hat seit vergangenem November rund 80 Prozent seines Börsenwerts verloren. Dieser liegt mittlerweile bei unter 20 Mrd. Dollar. 

Die schwache Kursentwicklung am Kryptomarkt tut ihr Übriges: Coinbase hat im ersten Quartal 2022 einen Verlust von 430 Mio. Dollar verzeichnet. Im zweiten Quartal ist es am Kryptomarkt weiter abwärts gegangen. Dazu kam auch noch der Terra/LUNA-Kollaps, der das Interesse von Privatanlegern noch weiter gedämpft haben dürfte.

Was die Klage der US-Börsenaufsicht wegen Insiderhandels bei OpenSea bedeutet

Kommen wir abschließend noch zu einem Themenkreis, der für die Branche ebenfalls von hoher Bedeutung ist: Regulierung. Hier gab es diese Woche in den USA eine durchaus interessante Entwicklung. Die US-Börsenaufsicht Securities and Exchange Commission, besser bekannt unter der Abkürzung SEC, wirft Nate Chastain Insiderhandel vor. Er wurde am Mittwoch in New York verhaftet. 

Chastain war Produktmanager bei OpenSea, dem führenden Handelsplatz für Non-fungible Token (NFTs). Die SEC wirft ihm Insiderhandel vor. Er soll gewusst haben, welche NFTs OpenSea auf seiner Startseite darstellen wird – und dann betroffene NFTs selbst gehandelt haben. Dass dies geschehen ist, ist grundsätzlich bereits seit vergangenem Herbst bekannt. Chastain hat das Unternehmen daraufhin verlassen.

OpenSea-CEO Devin Finzer hatte damals gesagt, der Produktmanager habe sich falsch verhalten, rechtlich gesehen sei es aber kein Insiderhandel gewesen. Seine Begründung: Der Begriff beziehe sich auf Finanzprodukte und NFTs fallen nach Ansicht von OpenSea nicht darunter. Jetzt stellt sich heraus: Zumindest die US-Börsenaufsicht dürfte das anders sehen.

Der Kontext: Finanzregulierung funktioniert in der USA anders als in Europa. Viele Krypto-Startups bewegen sich derzeit in einem Bereich rechtlicher Unsicherheit – vor allem, weil unklar ist, ob und welche Krypto-Assets von den Behörden als Finanzprodukte oder Wertpapiere eingestuft werden. Wer mehr dazu erfahren möchte: Zu diesem Thema habe ich vor einem Jahr ein Studiogespräch mit Morpher-CEO Martin Fröhler geführt, das hier nachgesehen und hier nachgelesen werden kann. Fröhler hat das Trading-Startup in den USA gegründet, aus regulatorischen Gründen aber nach Wien übersiedelt.

Ob die SEC überhaupt für ein Unternehmen zuständig ist, ist bei Krypto-Startups in vielen Fällen nicht zweifelsfrei klar. Stuft die SEC ein Asset als Wertpapier ein, ist dies auch noch kein Urteil – sie muss dann erst selbst klagen. So ist es etwa im Fall von Ripple geschehen: Die SEC wirft dem Unternehmen vor, mit dem Verkauf seiner Kryptowährung XRP unerlaubte Wertpapierverkäufe getätigt zu haben. Der Rechtsstreit zieht sich mittlerweile bereits rund eineinhalb Jahre dahin. 

Wie lange es im Fall von Nate Chastain dauern wird, bis ein Urteil vorliegt, ist noch nicht absehbar. Rechtlich gesehen wirft die SEC dem früheren OpenSea-Produktmanager zwei Delikte vor – Geldwäsche und Telekommunikationsbetrug (Letzteres, weil der mutmaßliche Betrug im Internet begangen wurde). Für beide gilt eine theoretische Höchststrafe von 20 Jahren. Unabhängig vom konkreten Fall zeigt die Angelegenheit aber jedenfalls, dass die SEC durchaus ein Auge auf NFTs hat.


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Open Source und KI: “Es geht nicht darum, zu den Guten zu gehören”

Nachlese. Die Nutzung von Open-Source-Modellen eröffnet Unternehmen auch im KI-Bereich weitreichende Möglichkeiten. Es gibt dabei aber auch einiges zu bedenken. Darüber und mehr diskutierten in Folge 5 von "No Hype KI" Stephan Kraft von Red Hat, Florian Böttcher von CANCOM Austria, Natalie Ségur-Cabanac von Women in AI und Patrick Ratheiser von Leftshift.One.
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“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM AustriaIBMITSVMicrosoftNagarroRed Hat und Universität Graz.

Kollaborativ, transparent, frei zugänglich und nicht profit-orientiert – mit Open-Source-Software wird eine Reihe von Eigenschaften assoziiert. Und oftmals stehen bei der Nutzung ethische Überlegungen im Zentrum. Dabei gibt es auch ganz praktische Gründe, die für eine Verwendung durch Unternehmen sprechen – auch bei der Implementierung von KI-Anwendungen, ist Stephan Kraft, Community Advocate & Business Development OpenShift & Application Services bei Red Hat, überzeugt. In Folge fünf der Serie “No Hype KI” diskutierte er dieses und weitere Themen mit Florian Böttcher, Solution Architect bei CANCOM Austria, Natalie Ségur-Cabanac, Policy Lead bei Women in AI und Patrick Ratheiser, Gründer & CEO von Leftshift.One.

“Thema ein Stück weit aus dieser emotionalen, moralisierenden Ecke herausholen”

“Ich will das Thema ein Stück weit aus dieser emotionalen, moralisierenden Ecke herausholen”, sagt Stephan Kraft. Für Red Hat als weltweit führenden Anbieter für Open-Source-Lösungen für Unternehmen gehen die Argumente für eine Nutzung nämlich weit darüber hinaus. “Es geht nicht darum, Open Source als Selbstzweck zu sehen, um zu den Guten zu gehören”, so der Experte. Tatsächlich sei die Verwendung von Open Source gerade bei der Etablierung von KI im Unternehmen für Startups und KMU eine wichtige Weichenstellung.

Offenheit, um Diskriminierung entgegenzuwirken

Auch Natalie Ségur-Cabanac sieht Open Source als “Key Technology” im KI-Bereich. Für “Women in AI” spiele die Offenheit eine zentrale Rolle: “Diese Offenheit braucht es, um Diskriminierung entgegenzuwirken.” Open Source verbessere den Zugang für Frauen zur Technologie, die Abbildung von Frauen in den Daten und es vergrößere die Möglichkeiten in der Forschung. Man müsse aber auch aufpassen, ob Software wirklich so offen sei, wie behauptet, sagt sie bezogen auf die aktuellen Diskussionen rund um OpenAI, das sich – ursprünglich als offenes Projekt gestartet – zum profitorientierten Unternehmen entwickelte. Es brauche auch eine klare Definition, was “open” sei.

Masse an Möglichkeiten

Leftshift.One-Gründer Patrick Ratheiser betont auch die schiere Masse an Möglichkeiten, die Open Source bietet. “2021 hatten wir weltweit Zugriff auf circa 5.000 Open-Source-Modelle. Jetzt sind es bereits mehr als eine Million.” Die Nutzbarkeit sei also klar gegeben, zudem biete die Technologie eine gewisse Unabhängigkeit und werde über ihre Vielfalt zum Innovationstreiber.

Ist Open Source immer die beste Lösung?

Doch bedeutet das, dass Open Source immer die optimale Lösung ist? Ratheiser sieht das differenziert: “Es ist ganz wichtig zu erkennen, was der Kunde braucht und was in dem Fall gerade notwendig ist. Egal, ob es nun On-Premise, in der Cloud, Open Source oder Closed Source ist.” Florian Böttcher von CANCOM Austria pflichtet hier bei: “Wir setzen genau so auf hybrid.”

Datenstruktur im Hintergrund ist entscheidend

Ein Thema, bei dem bei Open Source Vorsicht geboten ist, spricht Natalie Ségur-Cabanac an. Besonders wichtig sei es bei KI-Anwendungen, eine gute Datenstruktur im Hintergrund zu haben. “Die Verantwortung, dass ein Modell mit sauberen Daten trainiert worden ist, liegt bei den Anbietern. Bei Open Source verschwimmt das ein bisschen. Wer ist wofür zuständig? Das ist eine Herausforderung für die Compliance zu schauen, wo man selbst verantwortlich ist und wo man sich auf einen Anbieter verlassen kann.”

Compliance: Großes Thema – mehr Sichereheit mit professioneller Unterstützung

Stephan Kraft hakt hier ein. Genau aus solchen Gründen gebe es Unternehmen wie Red Hat, die mit ihrem Enterprise-Support für Open-Source-Lösungen die Qualitätssicherung auch im rechtlichen Bereich übernehmen. “Das ist ein ganz wichtiger Teil unseres Versprechens gegenüber Kunden”, so Kraft. Unbedacht im Unternehmen mit Open Source zu arbeiten, könne dagegen in “Compliance-Fallen” führen, pflichtet er Ségur-Cabanac bei.

Das sieht auch Patrick Ratheiser als Thema bei Leftshift.One: “Unsere Lösung ist Closed Source, wir setzen aber im Hintergrund Open Source ein. Wichtig ist, dass wir dem Kunden Compliance garantieren können.” Stephan Kraft empfiehlt Unternehmen bei der Open-Source-Nutzung: “Man kann nicht immer gleich die neueste ‘bleeding edge’-Lösung nehmen sondern sollte etwas konservativer herangehen.”

Infrastruktur: Gut planen, was man wirklich braucht

Unabhängig davon, ob man nun Open Source oder Closed Source nutzt, braucht es für die Nutzung von KI die richtige Infrastruktur. “Es kommt natürlich auf den Use Case an, den ein Unternehmen umsetzen will. Da sind die Anforderungen an die Infrastruktur sehr unterschiedlich”, grenzt Florian Böttcher ein. CANCOM Austria unterstützt seine Kunden in genau der Frage. Anwendungen wie das Training von KI-Modellen würde aus gutem Grund kaum in Österreich umgesetzt. “KI ist sehr stromhungrig und entwickelt viel Hitze. Das ist schwierig für ein eigenes Data-Center im Unternehmen, gerade wenn man die Strompreise in Österreich ansieht”, so Böttcher.

“Rechenleistungs-Hunger” von KI könnte sich in Zukunft verringern

Wichtig sei es letztlich, sich als Unternehmen sehr klar darüber zu sein, was man umsetzen wolle. “Danach, welche Software-Lösung man für seinen Use Case einsetzen muss, richtet sich auch die Infrastruktur”, so Böttcher. Er erwarte aber auch, dass die KI-Modelle im nächsten Entwicklungsschritt effizienter werden und der “Rechenleistungs-Hunger” sich verringere.

Patrick Ratheiser ergänzt: “Es ist grundsätzlich eine Kostenfrage.” Unternehmen müssten sich sehr gut überlegen, ob sie ein eigenes LLM (Large Language Model) betreiben und dieses sogar selbst trainieren wollen, oder lieber doch eine Usage-basierte Lösung wählen. Er sehe bei österreichischen Unternehmen – auch bei größeren – eine klare Tendenz zur zweiten Variante. “Es lässt sich deutlich schneller einrichten, ist kalkulierbarer und auch viel schneller skalierbar”, erklärt Ratheiser.

Etwa im Forschungsbereich sei es jedoch wichtig und notwendig, auch eigene LLMs und die damit verbundene Infrastruktur zu betreiben. Doch auch die Möglichkeit von hybriden Lösungen biete sich an. “Man kann mittlerweile auch Teile in der Cloud lassen und Teile On-Premise. Man kann etwa nur ein datenschutzsicheres LLM selbst betreiben”, erklärt der Experte, der auch bei der Wahl der genutzten Modelle einen hybriden Ansatz empfiehlt: “Man braucht nicht für alle Use Cases das neueste Modell. Manchmal braucht man überhaupt kein LLM.”

Datenschutz: Einige Herausforderungen bei LLMs

Stichwort: Datenschutz. Hier schafft die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) im KI-Bereich besondere Herausforderungen, weiß Natalie Ségur-Cabanac, die vorab betont: “Ich persönlich halte die DSGVO für ein gutes Regulierungswerk, weil sie sehr viel Spielraum gibt. Ich sage immer: Datenschutz ist sehr komplex, aber nicht kompliziert.” Konkret seien etwa der Grundsatz der Zweckbezogenheit, also dass man Daten nur für konkrete Zwecke einsetzen darf, und dass man sie minimierend einsetzen muss, relevant für den KI-Bereich. “Da haben wir schon einen Konflikt, weil man ja [bei LLMs] erst einmal schaut, was man aus möglichst vielen Daten machen kann”, so die Expertin.

Ist KI rechtlich innerhalb der EU sogar per se in einem Graubereich?

Auch Transparenzbestimmungen – sowohl in der DSGVO als auch im AI-Act der EU – seien zu beachten. “Wenn ich KI verwende, muss ich auch wissen, was drinnen ist”, fasst Ségur-Cabanac zusammen. Ist KI also rechtlich innerhalb der EU sogar per se in einem Graubereich? “Nein, das glaube ich nicht. Aber man muss seine Hausaufgaben schon gut machen”, sagt die Expertin. Wichtig sei daher auch die im Rahmen des EU-AI-Acts eingeforderte KI-Kompetenz in Unternehmen – im technischen und rechtlichen Bereich.

KI-Kompetenz als zentrales Thema

Patrick Ratheiser stimmt zu: “Neben der Technologie selber sind bei unseren Kunden die Mitarbeiter ein Riesen-Thema. Man muss sie nicht nur wegen dem AI-Act fit bekommen, sondern es geht darum, sie wirklich auf die Anwendungen einzuschulen.” Wichtig seien dabei auch die Kolleg:innen, die sich bereits mit dem Thema auskennen – die “Pioniere” im Unternehmen. “AI Literacy ist sicherlich das Thema 2025 und in nächster Zeit. So, wie wir gelernt haben, mit dem Smartphone umzugehen, werden wir es auch mit generativer KI lernen”, so Ratheiser.

“Einfach einmal ausprobieren”

Stephan Kraft ergänzt: Neben einer soliden Datenbasis und der notwendigen Kompetenz brauche es bei KI – gerade auch im Bereich Open Source – noch etwas: “Einfach einmal ausprobieren. Es braucht auch Trial and Error. Das ist vielleicht oft das Schwierigste für CFOs und Geschäftsführer.” Dieses Ausprobieren sollte aber innerhalb eines festgelegten Rahmens passieren, damit die KI-Implementierung gelingt, meint Natalie Ségur-Cabanac: “Unternehmen brauchen eine KI-Strategie und müssen wissen, was sie mit der Technologie erreichen wollen.” Auch sich mit den zuvor angesprochenen rechtlichen Anforderungen – Stichwort Compliance – zu beschäftigen, komme zeitlich erst nach der Festlegung der Strategie.


Die gesamte Folge ansehen:

Die Nachlesen der bisherigen Folgen:

Folge 1: “No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?

Folge 2: “Was kann KI in Gesundheit, Bildung und im öffentlichen Sektor leisten?

Folge 3: “Der größte Feind ist Zettel und Bleistift”: Erfolgsfaktoren und Herausforderungen in der KI-Praxis”

Folge 4: KI-Geschäftsmodelle: “Wir nutzen nur einen Bruchteil dessen, was möglich ist”


Die Serie wird von brutkasten in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung unserer Partner:innen produziert.

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