13.08.2021

Crypto Weekly #20: DeFi-Hacker auf Rückzug, US-Senat gegen Krypto-Vorschlag

Diese Woche in den Schlagzeilen: Der Hacker, der 600 Mio. Dollar erbeutete - aber mittlerweile fast alles zurückgegeben hat. Aus der US-Politik kommt weiter Gegenwind für die Krypto-Branche. Außerdem: Neuigkeiten von Cardano, Ripple, Blocktrade - und Lionel Messi.
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Bitcoin, Ethereum, XRP
© Foto: WorldSpectrum/Pixabay

Wie immer starten wir unseren Rückblick auf die wichtigsten News und Kursbewegungen der Krypto-Woche mit einem Blick auf…

…die Kurstafel:

NameKurs7-Tages-Performance
BitcoinBTC46.400 Dollar+15%
EthereumETH3.200 Dollar+18%
Binance CoinBNB400 Dollar+21 %
CardanoADA2 Dollar+49 %
XRPXRP1,04 Dollar+42 %
DogecoinDOGE0,27 Dollar+38 %
PolkadotDOT22 Dollar+16%
UniswapUNI30 Dollar+20 %
Alle Daten sind von coinmarketcap.com und am Stand von Freitagnachmittag/Kursveränderungen gegenüber Freitagnachmittag der Vorwoche

Bitcoin und Ethereum erreichten höchsten Stand seit Mai

Die Aufwärtsbewegung am Kryptomarkt der beiden Vorwochen hat sich weiter fortgesetzt: Bitcoin hielt sich seit vergangenem Freitag durchgehend über der 40.000-Dollar-Marke und stieg am Mittwoch bis auf 46.735 Dollar – und damit auf den höchsten Stand seit Mai. Ethereum wiederum zeigte sich nach dem London Hard Fork ebenfalls weiter stark. Der Kurs überschritt am vergangenen Samstag erstmals seit Mai wieder die Marke von 3.000 Dollar.

Starke Woche auch für Cardano und XRP

Massive Kursanstiege unter den größeren Coins verzeichneten daneben vor allem Cardano (ADA) und die Ripple-Kryptowährung XRP. Bei ADA dürfte es vor allem eine Ankündigung von Cardano-Gründer Charles Hoskinson gewesen sein, die den Kurs angetrieben hat. Der frühere Mitgründer von Ethereum stellte in Aussicht, dass demnächst ein Zeitpunkt für den Alonzo Hard Fork genannt werden würde. Mit diesem Upgrade soll es möglich werden, Smart Contracts auf der Cardano-Blockchain auszuführen.

Bei Ripple wiederum ist der Rechtsstreit mit der US-Börsenaufsicht zwar weiter offen. Allerdings hat das Unternehmen zuletzt einige neue Partnerschaften abgeschlossen: Nachdem vor zwei Wochen der Start eines Geldtransfer-Projekts für philippinische Migranten in Japan angekündigt worden war, wurde diese Woche ein ähnliches Projekt präsentiert, bei dem es um Geldtransfers von Südkorea nach Thailand geht.

Poly-Network-Hacker auf Rückzug

Kommen wir aber nun von den Kursbewegungen zu den wichtigsten Nachrichten der Woche. Eine davon war besonders spektakulär: Die Cross-Chain-Plattform Poly Network wurde gehackt – und dabei wurden rund 600 Mio. US-Dollar entwendet. Zur Einordnung: Nach Zahlen von CipherTrace sind es zwischen Jänner und Juli 2021 insgesamt 474 Mio. US-Dollar gewesen, die im Bereich Decentralized Finance (DeFi) durch Betrügereien oder Hacks gestohlen wurden. Beim Poly-Network-Hack wurde also eine größere Summe erbeutet als bei allen übrigen DeFi-Hacks und -Scams zwischen Jänner und Juli kombiniert.

Schon wenige Stunden nach dem Hack am Montag teilte die Blockchain-Sicherheitsfirma SlowMist mit, den Hacker identifiziert zu haben. Man habe sowohl E-Mail- als auch IP-Adresse herausfinden können. Wenig später deutete der Hacker dann auch schon den Rückzug an: In einer an eine Transaktion angehängte Botschaft behauptete er, es ginge ihm nicht ums Geld und er würde die gestohlenen Token möglicherweise zurückgegeben.

Schritt für Schritt geschah dies dann tatsächlich. Am Donnerstagvormittag bestätigte Poly Network zunächst, dass bereits Krypto-Assets im Wert von 342 Mio. Dollar zurückgeflossen seien. Am Abend folgte dann die Nachricht, dass mittlerweile fast die gesamte Summe zurückgegeben worden sei. “Nur” Tether-Stablecoins (USDT) im Wert von 33 Mio. haben demnach noch gefehlt – diese waren von Tether in Reaktion auf den Hack eingefroren worden. Den Hacker bezeichnete Poly Network in den Nachrichten als “Mr White Hat” – ein Begriff, der für ethische Hacker verwendet wird, die keine bösen Absichten verfolgen.

Aber war der Hack von Anfang an so angelegt – um Schwachstellen im Protokoll zu offenzulegen? Oder war dies einfach die naheliegende Ausrede, nachdem sich abgezeichnet hatte, dass der Hacker bald identifiziert werden würde? Diese Frage bleibt zumindest vorerst offen. Klar ist aber: Sowohl DeFi- und Krypto-Kritiker als auch Befürworter können sich durch die Episode bestätigt fühlen: Erstere, weil es schon wieder zu einem Hack kam – noch dazu zu einem in einer solchen Größenordnung. Zweitere dagegen können argumentieren, dass der Hacker zwar das Geld erbeutet hatte – letztlich aber nichts damit anfangen konnte und die Transparenz von blockchain-basierten Systemen es sehr schwierig macht, solche Diebstähle erfolgreich durchzuführen.

US-Senat stimmte gegen Krypto-Kompromissvorschlag

Der Hack kam übrigens zu einem nicht ganz optimalen Zeitpunkt: Denn die Kryptobranche steht in den USA gerade politisch unter Druck. Wie berichtet, ist im US-Senat ein massives Infrastrukturpaket beschlossen worden. Zur Gegenfinanzierung soll an verschiedenen Steuer-Stellschrauben gedreht werden – die auch die Kryptobranche betreffen. Für die sollen strengere Steuer-Meldepflichten kommen. Betreffen soll dies eigentlich nur Krypto-Broker, die Daten ihrer Kundinnen und Kunden künftig direkt an die Behörden übermitteln sollen.

Aber: Weil der Begriff “Broker” in dem Entwurf schwammig definiert ist, fürchten viele, dass auch völlig andere Akteure betroffen sein könnten – wie etwa Miner, Anbieter von Wallets oder sogar Entwickler von Blockchain-Protokollen. Unterschiedliche Abgeordnete arbeiteten daher Abänderungsanträge aus – um die Definition nachzuschärfen. Schließlich wurde ein Kompromissvorschlag eingebracht, der jedoch scheiterte. Er hätte nur einstimmig beschlossen werden können – ein Abgeordneter stimmte aber dagegen, weil er seinen eigenen Abänderungsantrag, der mehr Gelder fürs Militär vorgesehen hätte, ebenfalls nicht durchgebracht hatte.

Kommt das Gesetz in der aktuellen Form, könnte dies die US-Kryptobranche potenziell schwer beschädigen, befürchten viele. Aufgrund der rechtlichen Unsicherheit könnten möglicherweise sogar Krypto-Unternehmen ins Ausland abwandern. Ist aber mit dem Beschluss im Senat nun bereits aller Tage Abend? Nein, denn jetzt kommt der Entwurf erst noch ins Repräsentantenhaus. Auch dort kann es noch zu Abänderungsanträgen kommen. Zuletzt hat etwa die kalifornische Abgeordnete Anna Eshoo (Demokraten) die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, in einem offenen Brief aufgefordert, die relevante Stelle zu überarbeiten.

Lionel Messi erhält Krypto-Zahlung von Paris St. Germain

Kommen wir zu erfreulicheren Nachrichten: Die Krypto-Community konnte diese Woche einen weiteren Promi in ihren Reihen begrüßen: Fußball-Superstar Lionel Messi. Der ist kürzlich vom FC Barcelona zu Paris St. Germain gewechselt – und hat dabei ein finanzielles Willkommenspaket erhalten, das laut Reuters auf 25 bis 30 Mio. Euro geschätzt wird. Einen Teil davon bekam Messi in clubeigenen Krypto-Token, dem Paris Saint-Germain Fan Token, ausbezahlt. Wie hoch dieser Anteil war und wieviele Token Messi damit hält, wurde nicht öffentlich gemacht. Der Club selbst sprach gegenüber Reuters von einer “großen Zahl”.

Der Schritt war zuallererst wohl eine gelungene PR-Maßnahme für den Token: Diesen hat PSG bereits Anfang 2020 eingeführt – in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Socios.com, das auch Token für zahlreiche andere europäische Spitzenvereine wie Juventus Turin oder Atletico Madrid umgesetzt hat. Viele kennen Socios auch von deren eigenem Token, Chiliz. Der Kurs des PSG-Tokens war übrigens im Vorfeld des Messi-Transfers stark gestiegen – zuletzt gab er jedoch wieder deutlich nach.

Kryptobörse Blocktrade holt 22 Mio. Euro über Crowdinvesting

Und auch News mit Österreich-Bezug gab es diese Woche: Die Kryptobörse Blocktrade mit Sitz in Luxemburg hat unter Führung von CEO Bernhard Blaha eine Crowdinvesting-Finanzierungsrunde abgeschlossen, an der sich 6.000 private Investoren aus 33 Ländern beteiligt haben. Blaha war einer der Gründer des Wiener Startups Herosphere. Er ist in der österreichischen Startup-Szene unter anderem auch als Vorstandsmitglied der Digital Assets Association Austria (DAAA) bekannt und berät das Krypto-Startup Coinpanion. Mit dem Geld will Blocktrade nun “ein komplettes Ökosystem rund um digitale Assets aufbauen“, wie Blaha sagte. Mehr dazu gibt’s in unserem Artikel.

Disclaimer: Dieser Text sowie die Hinweise und Informationen stellen keine Steuerberatung, Anlageberatung oder Empfehlung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar. Sie dienen lediglich der persönlichen Information. Es wird keine Empfehlung für eine bestimmte Anlagestrategie abgegeben. Die Inhalte von brutkasten.com richten sich ausschließlich an natürliche Personen.

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Rituale, Rituale der Startup-Welt, Ritual, Howard, Factinsect, Hadia, Storebox, Instahelp, monkee, Dental Armor, Coinpanion
(c) Hello Again/zVg/Hadia/Die Abbilderei/Storebox/schon nice gmbh/Victor Malyshev - (o.v.l.) Franz Tretter von Hello Again, Romana Dorfer von Factinsect, Anna Lauda von Hadia, Bernadette Frech von Instahelp/ Johannes Braith von Storebox, Saad Wohlgennannt von Dental Armor und Martin Granig von monkee.

Dieser Artikel ist im brutkasten-Printmagazin von Dezember 2024 erschienen. Eine Download-Möglichkeit des gesamten Magazins findet sich am Ende dieses Artikels.


Ein Pythonkopf aus Stein ragt aus der Dunkelheit hervor. In Kreisen angeordnete, farbenfrohe Speerspitzen verzieren den kalten Höhlenboden; manche davon stammen aus Hunderte Kilometer entfernten Gegenden. Am Ende der Höhle erstreckt sich ein kleiner, versteckter Raum, der Platz für eine Person bietet; üblicherweise versteckt sich ein Schamane darin und spricht zu seinem Stamm, sodass es scheint, die steinerne Schlange selbst lasse donnernde Worte erklingen.

Diese Verehrung des majestätischen Reptils fand vor rund 70.000 Jahren in der Kalahari-Wüste am Fuße der Tsodilo Hills im heutigen Botswana statt. Dies hat im Jahr 2012 die Archäologin Sheila Coulson herausgearbeitet und, so heißt es, damit das älteste wissenschaftlich belegte Ritual der Welt entdeckt.

Seitdem haben sich Rituale in Gesellschaften im Großen und Kleinen gehalten und weiterentwickelt – von religiösen Gepflogenheiten über politisches Zeremoniell bis hin zu privaten, sich wiederholenden Gewohnheiten sind sie in tausendfacher Weise etabliert. Das Küssen des Balls im Sport, das Aufstehen mit dem „richtigen Fuß“, Salz über die Schulter werfen, auf Holz klopfen, Dinge nicht verschreien, Braut und Bräutigam nicht vor der Hochzeit sehen, zu bestimmten Jahreszeiten fasten, den Jahreswechsel laut feiern oder die zum Ritual gewordene Morgen-Rou­tine wiederholen.

Spiritualität und Ordnung

All dies lässt sich komprimiert und per Definition in zwei Bedeutungen unterteilen: in eine spirituelle Handlung und in ein „wiederholtes, immer gleichbleibendes, regelmäßiges Vorgehen nach einer festgelegten Ordnung“. Exakt diese Ordnung (also die zweite Definition) ist es, die auch manchen Startup-Gründer:innen dabei hilft, den stressigen Joballtag zu bewältigen, Klarheit zu schaffen und Erfolge zu erreichen.

Sohlen und Poster

So zeigt sich etwa Johannes Braith vom österreichischen Scaleup Storebox als großer Anhänger davon, sich klare Ziele zu setzen und diese zu visualisieren.

„Dabei halte ich es für wichtig, einerseits eine große Vision zu definieren und diese in kleinere Meilensteine herunterzubrechen“, sagt er. „Diese verhältnismäßig kleinen Meilensteine sind leichter zu erreichen, greifbarer und man kann entsprechend auch früher Erfolge verbuchen. Das Wichtigste ist, konstant dranzubleiben. Erfolg ist kein Sprint, sondern ein Marathon.“

Das Visualisieren definierter Ziele wurde bereits früh als Ritual bei Storebox eingeführt: Im Office des Logistikunternehmens prangen Vision und Werte als Poster an der Wand und OKRs (Objectives and Key Results) werden in Echtzeit mittels Soll/Ist-Vergleich auf Bildschirmen angezeigt.

Zudem gibt Braith noch eine weitere Besonderheit aus seiner Ritualwelt preis: „Habe ich ein Etappenziel für mich definiert, schreibe ich es mir auf die Sohlen meiner Schuhe“, sagt er. „Das hilft mir, mich daran zu erinnern, dass jeder kleine Schritt zählt.“

Der Knopf des Erfolgs

Franz Tretter, Gründer des Kundenbindungs-Startups Hello Again, nutzt Rituale dazu, um Ziele und Kultur in seinem Team zu verankern. Dazu gehört ein „Global Success Button“, der bei jedem neuen Kunden gedrückt wird, mit anschließender Feier im Büro. Mitarbeiter:innen, die remote arbeiten oder unterwegs sind, werden per Mail oder Smartphone ebenso informiert; „einfach, damit man Bescheid weiß“, sagt Tretter.

Auch etwas namens „Howard 1000“ gehört zum regelmäßigen Ritual des Linzer Teams dazu. Dabei handelt es sich um eine Wand bestehend aus 1.000 Kästchen mit einer besonderen Bedeutung. „Wir haben diese aufgebaut, als wir 120 Kunden hatten. Mit jedem Kunden, den wir gewonnen haben, haben wir ein Logo hinzugefügt und haben nun knapp 900 Kästchen voll“, erklärt Tretter.

Und zu guter Letzt sind bei Hello Again die „Compliment Cards“ ein weiteres internes Ritual: „Wertschätzung ist total wichtig bei uns“, erklärt Tretter. „Wir haben eigene Kärtchen beim Eingang, da schreibt man gelegentlich etwas Nettes drauf und legt es am Abend Kollegen auf den Tisch. Die freuen sich am nächsten Morgen.“

An diesen beiden Beispielen bemerkt man bereits eine kleine Gemeinsamkeit, die zwischen den Zeilen mitschwingt: Wiederkehrendes, etwas Konstantes ist nicht bloß eine Orientierungshilfe für Startup-Gründer:innen, sondern kann als einer von mehreren Bausteinen eines spezifischen Mindsets gesehen werden; eines Mindsets, das von einem ruhigen Leadership-Skill zeugt und deutlich zeigt, dass manchmal das wilde Gefüge in einem selbst sowie auch das Äußere, das sich unter Mitarbeitenden am Arbeitsplatz entwickelt, gepflegt werden muss.

Gemeinschaft fördern

Das weiß auch Anna Maria Lauda von Hadia, einem Wiener Verein, der weibliches Unternehmertum in Afghanistan fördert. Ihr hilft eine tägliche zehnminütige Meditation, den Tag entschleunigt, entspannt und fokussiert zu beginnen.

„Dadurch kann ich klarere Prioritäten setzen und produktiver arbeiten“, sagt sie. „Früher lag mein Schwerpunkt vor allem auf individuellen Praktiken wie dem Selbstmanagement und der strikten Zeitplanung durch To- do-Listen. Doch im Laufe meiner Reise als Gründerin habe ich erkannt, dass Flexibilität und der wertvolle Austausch mit dem Team genauso entscheidend sind. Heute schätze ich Rituale, die nicht nur den persönlichen Fokus stärken, sondern auch das Gemeinschaftsgefühl fördern.“

Daher veranstaltet Lauda wiederkehrende Onlinemeetings mit ihren Weberinnen in Afghanistan. „Regelmäßige Check-ins mit den Frauen sind inspirierend und motivierend. Allzu leicht verliert man in der Hektik des Alltags den Bezug zu den Menschen, für die man arbeitet. Und diese Gespräche erinnern mich daran, was unser gemeinsames Ziel ist und wie viel wir schon erreicht haben“, sagt sie.

Saad Wohlgenannt, Gründer und CEO des Zahn-Startups Dental Armor und der Kryptobörse Coinpanion, hatte im Lauf der Zeit verschiedene Rituale, die er jedoch mittlerweile fast alle ab- gelegt hat; darunter eine wöchentliche „Rückschau“, um zu überlegen, was er besser machen könnte, oder Journaling (Anm.: Blick nach innen mit schriftlicher Aufzeichnung, was in einem vorgeht).

Heute plant er an jedem Geburtstag, was er im kommenden Jahr erreichen möchte. Meistens setzt sich der Founder dabei ein monetäres Ziel für sein Business sowie ein paar persönliche Ziele, wie etwa einen neuen Sport zu erlernen, ein Land zu bereisen oder ein bestimmtes Problem zu lösen.

„Die wichtigsten Rituale, die mir langfristig helfen, meine Ziele zu erreichen, haben meistens den Effekt, mich kurzfristig vom Arbeiten abzuhalten“, sagt er. „Zum Beispiel beginne ich meinen Tag mit ein paar Mobility-Übungen, Liegestützen, Klimmzügen und einer kalten Dusche – erst danach schaue ich in meine E-Mails und starte richtig durch. Ab 20.30 Uhr ist mein Handy auf ‚Nicht stören‘, und dann bin ich nur noch schwer erreichbar.“

Drei und nicht mehr

Romana Dorfer beschäftigt sich mit ihrem Startup Factinsect damit, die Fülle an Fake News im Netz aufzulösen und User:innen gesicherte Informationen zur Verfügung zu stellen. Sie selbst hat sich früher oft viele, unspezifische und große Ziele vorgenommen, die jedoch innerhalb eines Tages kaum zu erreichen waren. Dabei waren Fortschritte nur schwer messbar und am Ende des Tages wurde kein Ziel erledigt, wie sie gesteht. Dadurch ist oft das Gefühl entstanden, wenig erreicht zu haben.

Heute greift sie maximal auf drei Vorhaben pro Tag zurück. „Der Vorteil ist, dass ich fast immer alle Ziele für den Tag erreiche und dadurch meine Motivation steigt. Meistens arbeite ich dann noch an weiteren Themen“, sagt Dorfer.

Bei Martin Granig, Gründer der Spar-App monkee und Vater einer siebenjährigen Tochter, sehen die Morgen oftmals chaotisch aus. Um dem entgegenzuwirken, hat er eine Morgenroutine entwickelt: „Ich stehe meist 30 Minuten früher auf. Das gibt mir die Gelegenheit, mich in Ruhe im Bad fertig zu machen“, sagt er. „Während des Zähneputzens mache ich ein paar Übungen, um den Kreislauf in Schwung zu bringen, bevor ich Frühstück für meine Tochter und Kaffee für meine Frau und mich zubereite. So habe ich noch ein paar ruhige Momente für mich, bevor der Trubel beginnt.“

Am Ende seines Arbeitstags führt der Gründer einen kurzen Check-in durch und klärt für sich, was er heute schaffen möchte, was er tatsächlich geschafft hat und was er noch anpassen muss.

„Das hilft mir, mein Time-Boxing im Kalender zu optimieren, gerade für die Aufgaben, die zwar wichtig sind, aber erst in der Zukunft anstehen“, erklärt er. „Ich habe gelernt, dass es notwendig ist, solche Dinge bewusst zu planen, bevor sie von den dringenden, aber weniger wichtigen Aufgaben verdrängt werden.“

Raus aus der Bubble

Für Granig gibt es zudem noch ein persönliches Highlight der Woche: Freitagabend-Basketball. „Das mag zwar kein typisches Gründer-Ritual sein, aber für mich ist es essenziell. Es hilft mir, Stress abzubauen, den Kopf frei zu bekommen und in einer entspannten Atmosphäre mit Freunden zu lachen. Danach starte ich erfrischt ins Wochenende – und am Montag wieder voller Energie in die neue Woche“, so der Tiroler, der früher oft von „dringenden Dingen“ stark getrieben war, die dazu führten, dass wichtige strategische Aufgaben oftmals zu kurz kamen.

„Man arbeitet in so einem Fall zu viel ‚in the business‘ statt ‚on the business‘“, sagt er. „Heute habe ich meine Timeboxing-Routine deutlich verbessert, damit genau diese wichtigen Dinge nicht untergehen. Früher musste ich auch keine Rücksicht auf Familie und Kind nehmen. Das hat sich natürlich geändert, und ich musste Wege finden, trotz all der Verantwortung auch noch Zeit für mich zu schaffen. Daher meine Morgenroutine und mein Freitagabend-Basketball. Dort geht es einfach nur ums Spielen und um entspannte Gespräche über deutlich unkompliziertere Dinge als Startups, Karriere oder Business. Das tut gut und gibt mir Energie.“

Ankerpunkte fürs Wesentliche

Ähnlich ergeht es Instahelp-Founderin Bernadette Frech. Für die Gründerin des Grazer Health-Startups sind Rituale bewusste Ankerpunkte, um den Fokus auf dem Wesentlichen zu halten – im Beruf wie im Privatleben.

„Eines der wichtigsten Rituale habe ich mit meinen Kindern: Jeden Morgen beginnen wir den Tag mit einer vollen Minute Umarmung, ohne Worte, nur Nähe. Das stärkt unsere Bindung und gibt uns einen liebevollen Start in den Tag“, sagt Frech. „Abends reflektieren wir gemeinsam: Beim Rückenkraulen sprechen wir über Belastendes, bei der kitzligen Fußmassage teilen wir schöne oder lustige Momente und bei der Kopfmassage besprechen wir, wofür wir dankbar sind und was uns gut gelungen ist.“

Ambition vs. Balance

Auch bei ihr haben sich Rituale über die Jahre verändert und sich immer wieder ihren Lebensumständen angepasst. Früher, als berufliche Ambitionen im Vordergrund standen, hatten Frechs Rituale viel mit persönlicher Effizienz und beruflicher Zielerreichung zu tun. Heute, als dreifache Mama und Unternehmerin, haben sich die Prioritäten verschoben.

„Es geht mir jetzt viel stärker darum, eine Balance zwischen Karriere und Familie zu finden, ohne den Fokus auf meine eigene mentale Gesundheit zu verlieren“, erklärt sie. Das Ritual mit ihren Kindern sei ein Beispiel dafür, wie sich Rituale an neue Lebensphasen anpassen.

„Früher hätte ich vielleicht nicht gedacht, dass eine Umarmung am Morgen oder ein Ritual vor dem Schlafengehen so kraftvoll sein könnten. Heute sind es genau diese Momente, die mich erden und mir und meinen Kindern Energie geben“, erzählt sie. „Was sich jedoch nie geändert hat, ist meine wöchentliche psychologische Beratung. Sie ist seit Jahren eine Konstante, die mich sowohl beruflich als auch persönlich auf Kurs hält, auch wenn sich die Themen im Laufe der Zeit wandeln.“

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