01.09.2023

So weitreichend ist das Grayscale-Urteil wirklich

Crypto Weekly #113: Die US-Börsenaufsicht hat rechtswidrig gehandelt, als sie den Antrag des Vermögensverwalters Grayscale auf einen Bitcoin-ETF abgelehnt hat, urteilte diese Woche ein Gericht. Was steckt dahinter?
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👩🏻‍⚖️ Warum die Ablehnung eines Bitcoin-ETFs von Grayscale laut einem Urteil rechtswidrig war… 

Diese Woche gab es vor allem eine große Story in der Branche - und wieder einmal ist es ein Gerichtsurteil aus den USA. Der Vermögensverwalter Grayscale befindet sich in einem Rechtsstreit mit der US-Börsenaufsicht, der Securities and Exchange Commission (SEC). 

Ausnahmsweise für die Kryptobranche geht es darum nicht um die Frage, ob irgendwelche Token nach US-Recht als Wertpapiere einzustufen sind. Sondern um einen Bitcoin-ETF - einen börsengehandelten Fonds, der in Bitcoin investiert. Auch das ist ein Thema, das in der Vergangenheit viel Aufmerksamkeit bekam. Hintergrund: Der weltgrößte Vermögensverwalter BlackRock hat im Juni in den USA einen Antrag auf einen Bitcoin-ETF eingereicht (siehe Crypto Weekly #104).

Bisher sind in den USA ausschließlich Bitcoin-Futures-ETFs genehmigt worden, nie aber Bitcoin-Spot-ETFs. Der Unterschied: Erstere investieren in Bitcoin-Futures, also in Finanzprodukte, die den Bitcoin-Preis nachbilden. Zweitere würden direkt in Bitcoin selbst investieren.

Und damit sind wir jetzt auch schon beim Thema: Auch Grayscale hatte schon vor längerer Zeit einen Antrag bei der Börsenaufsicht auf einen Bitcoin-ETF eingereicht. Auf einen Spot-ETF, wohlgemerkt. 

Grayscale betreibt jetzt schon einen Bitcoin-Fonds, den sogenannten Grayscale Bitcoin Trust, der aber nicht an der Börse gehandelt wird. Diesen wollte das Unternehmen in einen ETF, also einen börsengehandelten Fonds, umwandeln. Die Börsenaufsicht lehnte den Antrag ab. Grayscale zog vor Gericht.

Nun bekam das Unternehmen recht: “Die Kommission hat es versäumt, angemessen zu erklären, warum sie die Notierung von zwei Bitcoin-Futures-ETPs genehmigt hat, nicht aber den von Grayscale vorgeschlagenen Bitcoin-ETP”, heißt es in dem Urteil vom Dienstag. "In Ermangelung einer kohärenten Erklärung ist diese ungleiche regulatorische Behandlung gleicher Produkte unrechtmäßig." ETP steht in diesem Fall für Exchange Traded Product.

Was das Urteil jedoch nicht bedeutet: Dass der Antrag genehmigt ist. Er muss nur noch einmal geprüft werden. Da könnte die Börsenaufsicht dann zu einem anderen Ergebnis kommen. Oder aber sie kommt zum selben Ergebnis - dafür müsste sie aber andere Argumente anführen. 

🫣 …und was dies jetzt für die Börsenaufsicht bedeutet

Für die Börsenaufsicht ist die Angelegenheit zumindest einmal peinlich. Seit Monaten liegt sie im Clinch mit mehr oder weniger der gesamten US-Krypto-Branche. Und das zweite Mal innerhalb weniger Wochen fiel nun ein Urteil in einem vielbeachteten Prozess nicht so aus, wie sich die Behörde das gewünscht hätte. 

Klar, das Urteil im Fall Ripple vom Juli war sicherlich weniger eindeutig als die ersten euphorischen Reaktionen aus der Krypto-Szene vermuten hatten lassen. Die Richterin gab in Teilen Ripple recht - in Teilen aber auch der Börsenaufsicht. Die Frage, ob und unter welchen Umständen Ripples Kryptowährung XRP nach US-Recht als Wertpapier einzustufen ist und wann nicht, ist weiterhin nicht geklärt (siehe Crypto Weekly #108)

Aber dennoch: Die Börsenaufsicht hat sich mit ihrer Rechtsansicht im XRP-Fall eben nicht vollständig durchgesetzt. Und es ist ein äußerst prominenter Fall.

Jetzt gibt es also erneut ein Urteil, das nicht so ausgefallen ist, wie von der Behörde erwünscht. Das Grayscale-Urteil ist dabei noch ungünstiger für die SEC, als jenes im Ripple-Fall. Denn zur Begründung führt das Gericht explizit an, dass die Börsenaufsicht ihre Entscheidung nicht angemessen begründen konnte. Konkret geht es dabei um die Frage, warum sie Bitcoin-Futures-ETFs genehmigte - Bitcoin-Spot-ETFs aber nicht. 

Und dass das Gericht dies bemängelt, ist bitter für die Behörde: Die vorgebrachten Argumente für die Entscheidung werden ja wohl die besten sein, die sie hat. Es ist auszuschließen, dass sie überzeugendere Begründungen bewusst zurückgehalten hat. Aber klarerweise hat die Börsenaufsicht (wie auch Grayscale) die Möglichkeit, Berufung einzulegen. 

Natürlich kann sie auch ihre Argumente nachschärfen - oder tatsächlich neue Begründungen anführen. Aber angesichts dieses Urteils wird sie sich sehr genau überlegen müssen, welche das sein könnten. Und sich dann sehr sicher sein müssen, dass diese auch halten.

Am Donnerstagabend gab es dann eine Nachricht in einer verwandten Angelegenheit: Die Börsenaufsicht teilte mit, dass sie mehr Zeit benötige, um mehrere ausständige Anträge auf Bitcoin-Spot-ETFs zu bearbeiten - darunter jene von BlackRock, Invesco und Galaxy Digital. Die Entscheidungen werden demnach nicht vor Oktober fallen. Zum weiteren Vorgehen hinsichtlich des Grayscale-ETFs äußerte sich die Börsenaufsicht noch nicht.

📈 Wie der Markt auf das Urteil reagiert hat

Am Kryptomarkt zogen die Kurse unmittelbar nach Bekanntwerden des Urteils an. Bitcoin beispielsweise stieg innerhalb weniger Minuten von unter 26.000 US-Dollar auf fast 28.000 Dollar. Eine solche Marktreaktion ist keine große Überraschung, sollte aber auch nicht überinterpretiert werden. Der Markt reagiert oft schnell auf Schlagzeilen - ohne die Meldungen (oder in diesem Fall: das Urteil) dahinter im Detail analysiert zu haben. 

Weder in die eine noch in die andere Richtung ist die allererste Marktreaktion also notwendigerweise besonders aussagekräftig. Für den Bitcoin-Kurs ging es in den folgenden Tagen dann wieder leicht abwärts. Auch das ist typisch nach einer solchen Marktreaktion. 

Nachdem dann am Donnerstagabend bekannt wurde, dass die SEC für einige andere Bitcoin-Spot-ETF-Anträge noch mehr Zeit benötige, gab der Kurs weiter nach. Zuletzt lag er mit rund 26.000 US-Dollar wieder ungefähr am Niveau wie vor dem Grayscale-Urteil.

Unabhängig von der Kursreaktion lässt sich aber sicherlich sagen: Das Urteil ist definitiv ein Erfolg für die Krypto-Branche und eine Niederlage für die Börsenaufsicht.


Disclaimer: Dieser Text sowie die Hinweise und Informationen stellen keine Steuerberatung, Anlageberatung oder Empfehlung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar. Sie dienen lediglich der persönlichen Information. Es wird keine Empfehlung für eine bestimmte Anlagestrategie abgegeben. Die Inhalte von brutkasten.com richten sich ausschließlich an natürliche Personen.

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“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


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