19.10.2020

Mehr Stress, weniger Boni: Gute Mitarbeiter könnten in der Coronakrise untreu werden

Das Gehalt ist in der Coronakrise oft nicht gleich stark gewachsen wie die Arbeitsbelastung. Demnach fürchten Arbeitgeber, dass ihre Fachkräfte sich anderweitig umsehen könnten.
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Fachkraft verlässt Unternehmen während Corona wegen Boni, Stress und Gehalt
Wenn die besten Mitarbeiter das Unternehmen verlassen, kann das eine Lücke hinterlassen. (c) Adobe Stock / Elnur

Durch die Coronakrise sorgen sich Unternehmen vermehrt, Mitarbeiter mit wertvollen Schlüsselqualifikationen – also die berühmten “Fachkräfte” – zu verlieren: 86 % der Führungskräfte weltweit sind besorgt, qualifizierte Mitarbeiter nicht langfristig binden zu können. Für mehr als ein Drittel der besorgten Arbeitgeber (36 %) sind jüngste Gehaltskürzungen oder zumindest die fehlende Aussicht auf eine baldige Gehaltserhöhung die Ursache. Dies zeigt die aktuelle Arbeitsmarktstudie des Personaldienstleisters Robert Half.

Größtenteils stabile Gehälter, aber Boni sinken

Emine Yilmaz, Vice President Permanent Services bei Robert Half © Robert Half

“Die Verunsicherung am Arbeitsmarkt ist groß. Dennoch gibt es auch gute Nachrichten”, sagt Emine Yilmaz, Vice President Permanent Brands bei Robert Half: “Die Gehälter bleiben trotz Corona weitestgehend stabil. Viele Unternehmen haben darüber hinaus neue Benefits eingeführt, die ihre Mitarbeiter hauptsächlich bei Remote Work unterstützen sollen.”

Laut der neuen Gehaltsübersicht 2021 des Personaldienstleisters für Österreich werden in diesem Jahr keine Veränderungen am Gehalt vorgenommen. Trotz Wirtschaftskrise werden auch in diesem Jahr Boni ausgezahlt. Bei jedem Zweiten (52 %) gibt es laut Studie keine Veränderung bei den Zusatzzahlungen. 38 % der Befragten kündigen allerdings an, dass die Bonuszahlungen 2020 niedriger ausfallen als im Vorjahr.

Verunsicherung durch Sparmaßnahmen

Diese durch die Pandemie hervorgerufenen Einsparmaßnahmen verunsichern Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen. Fast die Hälfte (41 %) der befragten Unternehmen fürchtet, dass Mitarbeiter in Schlüsselpositionen von anderen Firmen abgeworben werden könnten.

Viele Arbeitnehmer sind während der Pandemie aufgrund von Überstunden und der Übernahme von mehr Verantwortung an ihre Grenzen gestoßen.

Emine Yilmaz, Vice President Permanent Brands bei Robert Half

“Die Mitarbeiter sind das wertvollste Kapital der österreichischen Unternehmen, sowohl um kurzfristig die Krise zu meistern als auch um langfristiges Unternehmenswachstum zu sichern”, sagt Yilmaz: “Viele Arbeitnehmer sind während der Pandemie aufgrund von Überstunden und der Übernahme von mehr Verantwortung an ihre Grenzen gestoßen. Das ist ihnen in den vergangenen Monaten bewusst geworden, sodass sie beginnen, ihre persönlichen Karriereprioritäten zu überdenken.“

Viele Unternehmen reagieren bereits auf diese Entwicklung, indem sie seit Beginn der Coronakrise zusätzliche Benefits anbieten. Darunter fallen Zuschüsse für die Büroausstattung, Unterstützung im Bereich der psychischen Gesundheit, zusätzlicher Urlaub oder Unterstützung im Bereich der externen Kinderbetreuung.

Remote Work hat Auswirkungen auf das Gehalt

Telearbeit und Home-Office wirken sich auch auf das Gehaltsniveau aus. Da immer mehr Arbeitnehmer von zu Hause aus arbeiten, beeinflusst ihr Standort zunehmend die Gehaltshöhe. Laut der Arbeitsmarktstudie von Robert Half orientiert sich das Einstiegsgehalt in erster Linie am Standort des neuen Mitarbeiters (32 %) und zu 28 % an dem des Unternehmens. Bei 37 % der Befragten ist es eine Mischung aus beiden Standorten. Dies wird auch in Österreich sichtbar.


Tipp: Neue Mitarbeiter – und neue Jobs – findet man unter anderem auch auf der Jobplattform des brutkasten.


„Trotz der aktuellen Arbeitsplatzverluste werden österreichische Unternehmen auch 2021 neue Mitarbeiter einstellen, denn die Auswirkungen sind nicht in allen Branchen gleichermaßen zu spüren. Es besteht eine große Nachfrage nach neuen Talenten, vor allem im Finance- und IT-Bereich“, sagt Emine Yilmaz: „Nach wie vor ist es für viele Unternehmen schwer, passende Mitarbeiter zu finden, die sie benötigen, um ihre Geschäftsprioritäten zu unterstützen. Dazu gehören Mitarbeiter im Accounting, Controlling oder als Projektmanager. Fachkräfte mit gefragten Skills wissen, dass Sie immer noch gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Daher müssen Arbeitgeber auch weiterhin wettbewerbsfähige Gehälter und Zusatzleistungen anbieten. Nur so können sie Top-Kandidaten binden und auch zukünftig finden.“

„Darüber hinaus gibt es eine deutliche Verschiebung bei den Soft Skills. Agilität, Kreativität und Kommunikation haben an Bedeutung gewonnen, da sie Belastbarkeit und Flexibilität der Mitarbeiter unter Beweis stellen. Diese Fähigkeiten sind in diesen herausfordernden Zeiten besonders wertvoll“, so Yilmaz weiter.

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Wiener-Börse-CEO Christoph Boschan
Wiener-Börse-CEO Christoph Boschan | Foto: brutkasten / Wiener Börse (Hintergrund)

Die neue EU-Kommission steht. Hierzulande laufen dagegen nach wie vor die Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS mit ungewissem Ausgang. Währenddessen kommt nicht nur Österreich nicht aus der Rezession heraus und auch die Prognosen bleiben tendenziell negativ. Begleitet wird das Szenario von einer Häufung an dramatischen Appellen und Forderungen nach umfassenden Änderungen in der Wirtschaftspolitik.

Wie steht es wirklich um Österreich und die EU? Was sind nun die drängendsten Maßnahmen? brutkasten geht diesen Fragen gemeinsam mit führenden Köpfen der heimischen Innovationsszene nach, darunter etwa FFG-Geschäftsführerin Henrietta Egerth, mit PlanRadar-Co-Founder Sander van de Rijdt und mit Storebox-Co-Founder Johannes Braith.

Zum Thema Kapitalmarkt haben wir nun bei Christoph Boschan, CEO der Wiener Börse, nachgefragt.


brutkasten: Die Regierungsverhandlungen befinden sich in der entscheiden Phase. Was sind die wichtigsten Maßnahmen, die in Österreich umgesetzt werden sollten, um Kapitalmarkt und Börse zu stärken?

Christoph Boschan: Die schnellste und einfachste Maßnahme wäre die Wiedereinführung der Behaltefrist für Wertpapiere bzw. die Einführung eines Vorsorgedepots. Das lag alles fix fertig auf dem Tisch und stand im letzten Regierungsprogramm.

Gewichtiger wäre eine bessere Abstimmung des Pensionssystems auf den Kapitalmarkt, also eine teilweise Veranlagung der ersten Säule am Aktienmarkt. Da spreche ich übrigens nicht mit dem reinen Blick durch die “Kapitalmarkt-Brille”. Das würde zugleich den Staatshaushalt entlasten und die Pensionsfinanzierung nachhaltig absichern und Geld für die Innovations- und Wachstumsfinanzierung bereitstellen.

Sie haben in einem brutkasten-Studiotalk im September gefordert, “zentrale, mächtige, große Kapitalsammelstellen zu errichten”. Was genau verstehen Sie darunter, beziehen Sie sich primär auf Pensionsfonds oder verstehen Sie das Konzept breiter?

In der teilweisen Veranlagung der ersten Säule am Kapitalmarkt liegt tatsächlich das größte Potenzial, ein bis zwei Prozent machen hier auf einige Jahre gesehen bereits viel aus. Die zweite Säule könnte mit einer verpflichtenden betrieblichen Vorsorge gestärkt werden. Oder man kreiert einen Staatsfonds nach norwegischem Vorbild.

Abseits davon gibt es in Österreich 330 Mrd. Euro an niedrigverzinstem privatem Kapital, die nicht nur keine Rendite abwerfen, sondern den Unternehmen auch bei der Innovationsfinanzierung fehlen. Die Liste an Möglichkeiten ist lang, wie auch jene der schon existierenden Blaupausen in Europa.

Welche Maßnahmen bräuchte es konkret? Welche dieser Schritte können in Österreich gesetzt werden und welche nur auf europäischer Ebene?  

Die entscheidenden Schalthebel sind tatsächlich bei den Nationalstaaten. Vorlagen, die für den österreichischen Anwendungsfall angepasst werden können, gibt es genug. Norwegen mit dem Staatsfonds, Schweden mit der teilweisen Veranlagung der Pensionen am Kapitalmarkt, die Schweiz mit der verpflichtenden betrieblichen Altersvorsorge. In Deutschland kommt nun das Vorsorgedepot mit steuerbegünstigter Wertpapierveranlagung. Alles, was eine zu befürwortende Harmonisierung betrifft, etwa beim Gesellschafts-, Insolvenz- und Steuerrecht, ist auf EU-Ebene zu lösen.

Stichwort EU-Ebene. Sie sprechen auch oft von der “unvollendeten Kapitalmarktunion”. Was müsste aus Ihrer Sicht geschehen, um diese Kapitalmarktunion zu vollenden?

Das deckt sich mit den zuvor diskutierten Ansätzen, die jedoch in der langen Liste der – grundsätzlich zu befürwortenden – Ziele der Kapitalmarktunion nur unzureichend adressiert werden können, da derzeit die großen Kapitalsammelstellen nur durch die Mitgliedsstaaten geschaffen werden können. Ohne große Kapitalsammelstellen werden wir die europäische Konkurrenzfähigkeit nicht entscheidend ankurbeln können.

Inwiefern können Kapitalreserven in privaten Altersvorsorgesystemen oder Pensionsfonds als „Treibstoff“ für tiefe und liquide Märkte dienen? 

Indem sie in börsennotierte Unternehmen investieren. Damit schaffen wir die besagten großen Liquiditätspools bzw. Kapitalsammelstellen. Die Unternehmen haben somit eine umfassendere Kapitalquelle für Innovation und Wachstum. Das erklärt auch, warum wir in Europa mit Abwanderung von Listings in Richtung USA zu kämpfen haben. Wachstumsorientierte Unternehmen gehen dorthin, wo sie potenziell das meiste Kapital bekommen können.

Wenn wir wollen, dass das nächste Google, Meta oder Amazon aus Europa kommt, müssen wir hier anpacken. Volkswirtschaften mit entwickelten Kapitalmärkten wachsen schneller und erholen sich rascher von Krisen.

Sie haben bereits angesprochen, dass die nun scheidende Regierung die Wiedereinführung der Behaltefrist für Aktien im Regierungsprogramm vereinbart hatte, ohne sie dann tatsächlich umzusetzen. Für wie wichtig – verglichen mit anderen Möglichkeiten, Anreize zu schaffen – wäre diese Maßnahme, um die private Vorsorge über die Börse attraktiver zu gestalten?

Ich bin immer dafür, Individuen zu ermächtigen und zu stärken und genau das macht die Behaltefrist. Die Befreiung von der KESt (Kapitalertragssteuer) für die langfristige Altersvorsorge ist als Anreiz nicht zu unterschätzen. Sie ist längst überfällig.

Versteuertes Arbeitseinkommen wird in Unternehmen investiert, diese schütten mit Körperschaftsteuer besteuerten Gewinn aus, auf den nochmal 27,5 Prozent geltend werden. Diese steuerliche Eskalation ist immens. Wer vorausschauend agiert und für sein Alter vorsorgt, sollte dringend entlastet werden.

Sie vertreten mit der Wiener Börse die österreichische Nationalbörse. Aktuell kursieren einige Vorschläge, die einen anderen Bereich, nämlich den vorbörslichen Kapitalmarkt betreffen und diese attraktiver machen sollen, etwa die Schaffung eines Dachfonds, der in bestehende Venture-Capital-Fonds investiert, oder einen Beteiligungsfreibetrag für Business Angels und andere private Kapitalgeber. Wie blicken Sie darauf?

Ich halte Ansätze, die Innovation, junges Unternehmertum und Wachstum fördern immer für begrüßenswert. Von jungen Unternehmen, die am Beginn ihrer Reise mit genügend Kapital ausgestattet werden, wird in weiterer Folge auch die Börse, die am oberen Ende der Finanzierungsstufen steht, profitieren.


Aus dem Archiv: Christoph Boschan im brutkasten-Studiotalk (September 2024):


Aus dem brutkasten-Printmagazin: Warum ein Börsengang nicht nur etwas für Großkonzerne ist


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AI Summaries

Mehr Stress, weniger Boni: Gute Mitarbeiter könnten in der Coronakrise untreu werden

  • Durch die Coronakrise sorgen sich Unternehmen vermehrt , Mitarbeiter mit wertvollen Schlüsselqualifikationen zu verlieren: 86 % der Führungskräfte weltweit sind besorgt, qualifizierte Mitarbeiter nicht langfristig binden zu können.
  • Laut der neuen Gehaltsübersicht 2021 des Personaldienstleisters für Österreich werden in diesem Jahr keine Veränderungen am Gehalt vorgenommen.
  • 38 % der Befragten kündigen allerdings an, dass die Bonuszahlungen 2020 niedriger ausfallen als im Vorjahr.
  • Diese durch die Pandemie hervorgerufenen Einsparmaßnahmen verunsichern Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen.
  • Fast die Hälfte (41 %) der befragten Unternehmen fürchtet, dass Mitarbeiter in Schlüsselpositionen von anderen Firmen abgeworben werden könnten.
  • Viele Unternehmen reagieren bereits auf diese Entwicklung, indem sie seit Beginn der Coronakrise zusätzliche Benefits anbieten.

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  • 38 % der Befragten kündigen allerdings an, dass die Bonuszahlungen 2020 niedriger ausfallen als im Vorjahr.
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