14.07.2022

Continuum: Startup holt 12 Mio Dollar, um Massenkündigungen “humaner” zu machen

Das HR-Startup Continuum greift den Negativ-Trend Massenkündigungen in seinem Angebot auf. Der CEO hat damit persönliche Erfahrungen.
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(c) Adobe Stock - and.one

Massenkündigungen sind immer eine unangenehme bis katastrophale Angelegenheit für alle Beteiligten – drüber dürfte Konsens herrschen. Dennoch kann man es richtig oder falsch machen. Davon ist man jedenfalls beim US-amerikanischen HR-Startup Continuum überzeugt. Und CEO Nolan Church meint gegenüber dem US-Magazin TechCrunch, es sei “wirklich nicht so schwierig, es richtig zu machen”.

Massenkündigungen: Es geht auch anders als bei better.com

Dafür, wie man es falsch macht, hat er natürlich auch ein Beispiel parat: better.com. Dort warf der CEO Ende des vergangenen Jahrs 900 Leute via Zoom raus und machte damit weltweit Negativ-Schlagzeilen. Es sei aber nicht nur der Video-Call problematisch gewesen, erklärt Church: “Der CEO hat über sich selbst gesprochen und es gab keine individuelle Kommunikation. Es war ein totales Desaster”.

Und wie soll man es richtig machen? Der Continuum-Gründer bringt hierbei selbst Erfahrung mit. Er war 2020 Chief People Officer beim Unternehmen Carta, als dieses Corona-bedingt 16 Prozent der Belegschaft – rund 160 Leute – kündigte. Carta CEO Henry Ward habe dabei die komplette Verantwortung für die Kündigungen übernommen, das sei extrem wichtig gewesen, sagt Church.

Erfahrungen von Tesla, Snap und Twitch

Nun will er gemeinsam mit dem Continuum-Team dieses und weitere Learnings an betroffene Unternehmen weitergeben, um Massenkündigungen “humaner” zu machen. Das Versprechen: Innerhalb von 48 Stunden werden Führungsteams mit HR-Expert:innen verbunden, die zuvor bereits die gleiche Situation gemeistert haben. Diese helfen dann bei der Ausarbeitung eines Kommunikationsplans für das Unternehmen und einer Diversitäts- und Auswirkungsanalyse und bei der tatsächlichen Durchführung der Entlassungen. Under diesen Expert:innen sind ehemalige HR-Führungskräfte von Unternehmen wie Tesla, Snap oder Twitch.

Continuum CEO: 20.000 Dollar für Service sind “sehr geringen Kosten”

Dazu bietet Continuum noch ein Reihe weiterer HR-Services rund um die Massenkündigungen an, etwa die Ausarbeitung einer Kompensationsstrategie. Das ganze lässt sich das Startup gut bezahlen. Unternehmen bis 100 Personen zahlen 10.000 US-Dollar, Unternehmen zwischen 100 und 250 Mitarbeiter:innen zahlen 20.000 US-Dollar. Darüber wird der Preis individuell verhandelt.

“Wir sprechen hier von sehr geringen Kosten, um Marke, Ruf und die zukunftsorientierte Kultur eines Unternehmens aufrechtzuerhalten”, meint Church gegenüber TechCrunch. Einige VCs hat Continuum damit jedenfalls bereits überzeugt. In seiner Series A-Finanzierungsrunde holte sich das 2020 gegründete Startups 12 Millionen US-Dollar.

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Andreas Hladky | (c) PwC Österreich

Als vor über 20 Jahren das Internet das Licht der Welt erblickte, erkannten amerikanische Manager und Unternehmer rasch das volle Potential der Technologie. Mit einem Heimmarkt von 300 Millionen Kunden, einem milliardenschweren Innovationscluster an Unternehmen und Universitäten und dem notwendigen unternehmerischen Mindset machten sich einzelne Visionäre an die Arbeit.

Das Ergebnis kennen wir: jeden Abend verschieben wir mit unseren Daumen und Zeigefingern Wertschöpfung von Europa nach Amerika – wenn wir auf Amazon Waren bestellen, Netflix oder Disney+ Serien auf unseren Apple-Geräten genießen, durch Facebook, Instagram oder LinkedIn scrollen und parallel dazu WhatsApp Nachrichten senden. Europa? Kaum dabei.

TED AI Vienna Konferenz

Vierundzwanzig Jahre später fand nun am vergangenen Wochenende unter Teilnahme führender internationaler Köpfe die TED AI Vienna Konferenz in Wien statt. Sie begann mit einem kritischen Statement von KI-Legende Sepp Hochreiter, der von einem besorgniserregenden Innovationsumfeld in Europa sprach und davon berichtete, wie Unternehmen dem Umgang mit KI ebenso skeptisch gegenüberstünden wie ehemals dem Web und europäische Erfindungen anderswo aufgegriffen und ökonomisch erfolgreich gemacht werden.

Diese Beobachtung teilten und teilen viele Mitglieder und Teilnehmer der österreichischen Innovationscommunity in den nachfolgenden Sessions und informellen Gesprächen rund um die TED AI, egal ob in Unternehmen oder Startups, jung oder alt, in der Forschung oder der Praxis: wir sind gerade dabei, den nächsten technologischen Innovationssprung aussitzen zu wollen.

Europas Wohlstand in Gefahr

Europa genießt immer noch die Ernte einer beispiellosen und mittlerweile jahrhundertealten Erfolgsgeschichte: Innovationen vorwiegend des 19 Jahrhunderts ermöglichten einen Siegeszug in so gut wie allen Branchen und Bereichen. Seit vielen Jahrzehnten schon wird dieser Erfolg nur mehr verwaltet, optimiert und adaptiert: ein wenig Wachstum hier, ein paar Prozent Umsatzplus dort, ein wenig Margenoptimierung oder anorganisches Wachstum – fertig. Das eigene Geschäftsmodell radikal zu hinterfragen, geschweige denn neu zu erfinden ist nicht Teil der Aufgabe. Und genau dieser Umstand – der Fokus europäischer Entscheidungsträger in Politik und Unternehmer auf risikooptimiertes Vorankommen bedroht unseren Wohlstand nun in zunehmendem Maße.

Neue Technologien als Bedrohungspotential?

Bei genauer Betrachtung klingt hohl, womit wir uns in Europa schmücken, wenn wir etwa bei neuen Technologien sofort über deren Bedrohungspotential diskutieren und uns daran machen, ebendieses zu zähmen noch ohne selbst überhaupt überzeugende, skalierbare und wertschöpfungsorientierte Lösungen gebaut zu haben (oder bauen zu können), die unseren europäischen Werten entsprechen. Regulatorik ist wichtig und wir können stolz darauf sein, in Europa die Gefahren neuer Technologien zu erkennen und rechtzeitig mitigieren zu wollen. Aber Regulatorik ersetzt und ermöglicht nicht per se die milliardenschweren Industrien, die in den USA, Asien und teilweise auch schon Afrika entstehen und dort Wohlstand und Wertschöpfung sichern.

Wir brauchen Investitionen

Die TED AI in Wien hat uns vor Augen geführt, dass hohe Investitionen in Forschung, Entwicklung, für Unternehmen und Standorte dringend notwendig sind, um ein Umfeld zu schaffen, dass auch nur annähernd im Wettbewerb bestehen kann. Auch wenn wir es kaum wahrnehmen wollen: Daten werden immer öfter ganze Branchen und Geschäftszweige ersetzen und je länger wir uns dieser Erkenntnis gegenüber abwartend verhalten, umso mehr Wertschöpfung, umso mehr Arbeitsplätze, umso mehr Wettbewerbsfähigkeit wird verloren gehen. Auf eine neue Steinzeit zu hoffen oder zu glauben, dass wir als Freilichtmuseum des Planeten Innovationsleistung ersetzen können, ist keine Strategie. TED AI hat uns die Zukunft gezeigt; sie anzunehmen – das ist unsere Aufgabe.


Andreas Hladky ist Partner bei PwC Österreich und Leiter des Bereichs Digital Consulting. Mit seinem Team unterstützt er Unternehmen in allen Branchen bei der digitalen Transformation. Als Gründer eines führenden Beratungsunternehmens für den digitalen Wandel und erfahrener Keynote Speaker ist er Experte für Geschäftsmodell-Innovationen.

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