23.05.2024
FORSCHUNG & WIRTSCHAFT

BioNTech-Co-Founder: „Innovationsabwanderung kompromittiert die Zukunft Europas“

Interview. Der Österreicher Christoph Huber ist Co-Founder und Mitglied im Aufsichtsrat von BioNTech. Im exklusiven brutkasten-Interview spricht er über die Zusammenarbeit von Forschung und Wirtschaft, die Risikoaversität in Europa und die Erfüllung, die er durch seine Arbeit empfindet.
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Christoph Huber, Co-Founder und Mitglied des Aufsichtsrats von BioNTech (c) WKÖ/Marek Knopp
Christoph Huber, Co-Founder und Mitglied des Aufsichtsrats von BioNTech (c) WKÖ/Marek Knopp

Christoph Huber ist ein Mitbegründer von BioNTech und seit 2008 Mitglied des Aufsichtsrates. Huber verfügt über mehr als 50 Jahre Berufserfahrung in der Hämatologie, Onkologie und Immunologie. Von 1990 bis 2009 war er Vorsitzender der Abteilung für Hämatologie und Onkologie an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz und ist seit 2009 emeritierter Vorsitzender der Abteilung für Hämatologie und Onkologie. Huber war außerdem Mitbegründer der Ganymed Pharmaceuticals AG, heute eine Tochtergesellschaft von Astellas. Er erwarb seinen Doktortitel an der Universität Innsbruck. brutkasten hat mit ihm im Rahmen der FTI-Konferenz „Starke Forschung – Starker Standort“ der Wirtschaftskammer Österreich gesprochen.


brutkasten: Was braucht es aus Ihrer Sicht, damit die Kombination aus Forschung und Wirtschaft gut funktioniert?

Christoph Huber: Es braucht Menschen auf beiden Seiten, es braucht wertvolle Inhalte und es braucht die Bereitschaft dieser beiden komplementären Komponenten voneinander zu lernen und sich auf ein gemeinsames Ziel zu einigen. Das ist trivial, aber nicht einfach. Die Lebenserfahrung in diesem Gebiet ist, dass beide Seiten denken, sie sind die Wichtigere (lacht).

Derjenige, der die Sendung und den Inhalt trägt, hat verständlicherweise eine sehr hohe Meinung von der Bedeutung, aber die Professionalität, das umzusetzen, ist meistens nicht ausreichend. Die Wirtschaft weiß, dass sie Unternehmertum und das Kapital kontrolliert. Daher denkt sie häufig, dass sie die Einzigen sind, die wirklich wichtig sind. Man muss sich gegenseitig prüfen, ob es der Andere wirklich kann und Wert ist. Aus diesem Prozess entsteht häufig eine wirkliche Zusammenarbeit, welche die Entwicklung der Idee und deren Umsetzung bis zu Produkten für Menschen verwirklicht.

Sehen Sie Europa aktuell auf einem guten oder eher einem schlechtem Weg?

Europa ist reich an Personen, Ideen und Patenten. Allerdings ist es viel weniger erfolgreich in der Umsetzung und in der Sicherung der Wertschöpfung.

Wie kann man denn aus Ihrer Sicht die Wertschöpfung in Europa sichern?

Der absolut entscheidende Punk zwischen früher Förderung und Exit-Deals, die tödliche Zone, ist, wo man auf Risikokapital angewiesen ist. Die Bereitschaft und Stärke des Risikokapitals in den USA ist im Vergleich zu Europa erschütternd groß. Pro Kopf gibt es vier- bis siebenmal mehr Risikokapital in den USA. Das zusammen mit einer höheren Risikobereitschaft ist dafür verantwortlich, dass zahllose hochrangige Patente der Spitzenforschung viel weniger in Europa genutzt werden. Es wandert schlichtweg ab – eigene Lebenserfahrung. Ich habe viele Unternehmen mitbegründet, BioNTech beispielsweise. Wo sind wir an die Börse gegangen? In den USA. Warum? Weil wir es mussten.

(c) WKÖ/Marek Knopp

Muss die EU mehr Geld investieren um den Wirtschaftsstandort zu schützen?

Die Schwäche der Kapitalmärkte ist nicht meine Kompetenz. Ich lerne von Experten, dass eine wesentliche Komponente das Fehlen von Pensionsfonds im Trilliardenbereich ist. Deutschland und Österreich haben zum Beispiel keine wertgedeckten Pensionsfonds in signifikantem Umfang. Das schwächt die Kapitalmärkte. Zusätzlich fehlt das Mindset, das ist aber eine Erziehungsfrage. Als Drittes ist die Optimierung von inneruniversitären Strukturen zu nennen. Diese beinhaltet Ausbildung, die Kultur für Spinoffs und die Begünstigung von Forschungstransfers. Hier sind beachtliche Fortschritte gemacht worden, aber es gibt noch viel zu tun. So kann in Europa eine bleibende Heimstätte für Innovationsträger und für deren Umsetzung werden.

Welche Anreize kann man bei Unternehmen schaffen, damit sie mehr Geld in F&E investieren?

Soweit ich von Kennern lerne, und das weiß ich auch aus eigener Erfahrung, ist die Optimierung der Rahmenbedingungen für Risikokapital eine wichtige Maßnahme. Dies ist grundsätzlich möglich. Die Schwierigkeit liegt darin, dass es politisch nicht opportun ist. Damit gewinnt man keine Wähler. Die Folgen sieht man erst nach längeren Zeiträumen, als Legislaturperioden von Regierungen darstellen. Es ist aber überhaupt keine Frage, dass das internationale und nationale Risikokapital bei steuerlicher oder anderer Begünstigung eher zur Verfügung steht. Kapital kennt keine Grenzen. Hauptsache, die Idee ist vom Inhalt und den Rahmenbedingungen attraktiv.

Müssen europäische Unternehmen verstärkt zusammenarbeiten, um sich im globalen Wettstreit um Risikokapital gegen internationale Konkurrenz wie die USA und China langfristig behaupten zu können?

Es ist überhaupt keine Frage, dass Innovationsabwanderung von weiten Bereichen des Wirtschaftslebens die Zukunft Europas entscheidend kompromittiert. Denken Sie beispielsweise an Deutschland. Es war einmal die Pharmaschmiede Europas. Denken Sie an den Informationstechnologiesektor. Wo steht Europa dort heute? Ich könnte diese Liste weiter fortsetzten, das ist beunruhigend und bekümmerlich. Es ist nicht allein bekümmerlich wegen der Wirtschaft, sondern auch wegen des Selbstbewusstseins und des Mangels an Umsetzungserfolgen.

Umsetzungserfolge verleihen einem Flügel. Ich kann Ihnen sagen, in einem langen Leben habe ich wenige so beglückende Erlebnisse gehabt, wie die Zulassung von Medikamenten, die man von der Entdeckung der Zielstrukturen bis zur Prüfung in den Markt erfolgreich durchgestanden hat. Wenn man plötzlich weiß, dass ein Medikament das Leben von schwerkranken Menschen verlängern kann, das ist ein wunderbares Erlebnis.

Dieses Erlebnis teilt man mit Anderen und prägt Regionen. Aus solchen Erlebnissen entstehen Silicon Valleys. Daraus werden beherrschende Technologien und Innovationszentren, welche die Welt neu gestalten. Das fehlt Europa aktuell. Wir müssen das wieder haben, denn es kommt in weiten Bereichen aus Europa.

Christoph Huber bei der FTI-Konferenz „Starke Forschung – Starker Standort“ der WKÖ
(c) WKÖ/Marek Knopp

Dafür braucht es junge Menschen. Muss man mehr in Bildung investieren oder ist es eher das Mindset, wie man zum Gründen steht und vielleicht auch, wie man mit Misserfolgen umgeht?

Alles davon ist wichtig. Mir fällt auf, dass Wissensinhalte, die unser Leben entscheidend prägen, wie Wirtschaftsbildung oder Gesundheit, nicht ausreichend vermittelt werden. Ein Teil ist die frühe Erziehung einschließlich der Elternhäuser. Ein zweiter Teil ist die Innovationsgeneration und der Innovationstransfer an Universitäten. Die europäischen Universitäten waren sehr stark geprägt von einem Elfenbeinturmdenken.

Grundlagenforscher haben die Umsetzung und das Kommerzielle als ethisch und grundsätzlich bedenklich empfunden. Die Frage ist, wer hat die Bewertung vorzunehmen? Ist das ein wissenschaftsinternes Sakrament oder ist das eine gesellschaftliche Frage? Wenn die Gesellschaft und ihr Interesse im Vordergrund einer solchen Bewertung steht, dann muss auf die Umsetzung von Produkten für den Menschen ein wesentliches Augenmerk gelegt werden.

In Universitäten bedeutet das, dass die gesamte universitäre Ordnung, das Wertschätzen von Erfolgen nicht nur auf Impactfaktoren sondern auch auf Inhalt und Umsetzung ausgerichtet werden muss. Hier ist eine Kultur zu festigen, die in einigen Universitäten in diesem Land nicht mehr vorhanden ist. Es gibt also einen breiten Katalog an Faktoren, welche eine Gesellschaft beeinflussen kann.

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Der neue NanoPro VT (c) UpNano

Dank der 2PP-3D-Technologie (Zwei-Photonen-Polymerisation) kann UpNano hochpräzise Strukturen im Mikro- und Nanobereich drucken. Dadurch wird die Herstellung großer Mengen von bislang nicht realisierbaren Mikroteilen für industrielle Produktionsprozesse möglich. Darüber hinaus bietet das Unternehmen die Möglichkeit, lebende Zellen für biologische Anwendungen zu drucken – brutkasten berichtete.

Mit dem neuen NanoPro VT führt UpNano nun ein vollständig integriertes, auf 2PP-Technologie basierendes Servicemodell ein. Dieses Angebot stellt laut eigenen Angaben den „weltweit ersten Service für die Serienfertigung von 2PP-3D-gedruckten Mikroteilen“ dar.

NanoPro ermöglicht hohe Skalierung von industriellen Mikroteilen

Die präzise Fertigung von Prototypen mittels 2PP-3D-Druck hat die Entwicklungsprozesse in zahlreichen Industrien transformiert. Allerdings gab es bisher immer einen entscheidenden Nachteil: Die langen Produktionszeiten. Mit der Einführung des NanoPro-Services möchte UpNano genau dieses Problem lösen. Das Angebot soll neue Möglichkeiten in der Skalierung und Massenfertigung industrieller Mikroteile eröffnen. Dabei setzt NanoPro auf ein effizientes und kostensparendes Verfahren, um die Produktion von Polymer-Kleinteilen mit 2PP-3D-Druck zu skalieren.

Zum Launch äußert sich UpNano-CEO Bernhard Küenburg: „Wir sind sehr stolz darauf, unseren Kunden mit der Nutzung dieses Hochleistungsdruckers den allerersten voll integrierten Service für die Produktion von Mikroteilen, die bisher nicht produzierbar waren in industriellen Mengen anbieten zu können. […] Ob Prototyping, Batch- oder Serienproduktion – wir bieten maßgeschneiderte Lösungen bis hin zur weltweiten Auslieferung“.

Hohe Leistungsfähigkeit

Das patentierte Drucksystem NanoPro VT erlaubt eine Leistungsfähigkeit von 32 Megavoxel (Millionen Volumenpixel) pro Sekunde. Laut CTO Peter Gruber eröffnet dies die Möglichkeit, „Millionen identischer Teile zu drucken – oder eine gleiche Anzahl mit individuellen Merkmalen. Dazu bietet der NanoPro VT eine Detailauflösung von unter 100 nm. Auch die Möglichkeit, 200 mal 200 Millimeter große Substrate vollflächig zu bedrucken ist bislang einzigartig“.

Mit der Einführung des integrierten NanoPro-Services können Nutzer:innen der NanoOne-Serie ihre Designs nun nahtlos in die Serienfertigung überführen. Erste Schritte wie die Designerstellung und das Drucken von Prototypen werden dabei intern durchgeführt, wobei Kund:innen während des gesamten Prozesses von eine:r Expert:in unterstützt werden. CEO Küenburg hebt hervor, dass Kund:innen durch diesen Service „keinen Reinraum, keine Post-Processing-Geräte und auch in keine eigene Messtechnik oder Qualitätskontrolle für den 2PP 3D-Druck investieren müssen“.

UpNano will Produktionsprozesse beschleunigen

Das Wiener Startup UpNano positioniert sich als High-Tech-Unternehmen mit Fokus auf die Entwicklung, Produktion und Vermarktung hochauflösender 3D-Drucker. Dabei bietet UpNano seinen Kund:innen ein umfassendes Gesamtpaket aus Hardware, Software und optimierten Druckmaterialien, um die Fertigung von polymeren Mikroteilen zu ermöglichen. Seit seiner Gründung im Jahr 2018 verfolgt das Unternehmen das Ziel, Produktionsprozesse zu beschleunigen, die Detailauflösung kontinuierlich zu verbessern und das verfügbare Material-Portfolio stetig zu erweitern.

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