05.08.2021

Neobroker BUX: So startet man richtig an der Börse

Nils-Hendrik Höcker ist Deutschland- und Österreich-Chef des niederländischen Neobrokers BUX. Wir haben mit ihm über die wichtigsten Aspekte bei der Geldanlage, über Kritik an Neobrokern und über Kryptowährungen gesprochen.
/artikel/bux-so-startet-man-richtig-an-der-boerse
Nils-Hendrik Höcker, BUX
Nils-Hendrik Höcker ist Chef für Deutschland und Österreich bei BUX. | Foto: BUX

Neobroker, die kostengünstiges und einfaches Investieren ermöglichen wollen, erleben insbesondere seit dem vergangenen Jahr einen Boom. In Österreich mischt neben Bitpanda und Trade Republic dabei auch das niederländische Unternehmen BUX mit. 2014 gegründet, war es mit seiner App “BUX X” zunächst auf sogenannte Contract for Differences (CFDs) spezialisiert – einem spekulativen und durchaus kontroversen Finanzinstrument, das hauptsächlich für kurzfristiges Trading eingesetzt wird.

Mittlerweile liegt der Schwerpunkt jedoch woanders: Mit der App “BUX Zero” will der Neobroker vor allem auf Kundinnen und Kunden abzielen, die einen längerfristigeren Investment-Ansatz verfolgen. Über die App kann in Aktien und ETFs investiert werden – auch über Sparpläne. Seit vergangenem Sommer ist “BUX Zero” in Österreich verfügbar. Derzeit stehen rund 1.500 Aktien und etwa 50 ETFs zur Auswahl. Das Angebot soll in den nächsten Monaten jedoch stark ausgeweitet werden.

Mit “BUX Crypto” gibt es daneben noch eine weitere App – diese ermöglicht, wie der Name schon sagt, Investments in Kryptowährungen. Bis Jahresende sollen die drei Apps zusammengeführt werden. BUX hat über 500.000 Kunden und ist neben Österreich und den Niederlanden auch in Deutschland, Frankreich und Belgien aktiv. Im April hat das Unternehmen eine 80 Mio. US-Dollar schwere Finanzierungsrunde abgeschlossen, bei der unter anderem der chinesische Internetkonzern Tencent investierte. Der brutkasten hat mit Nils-Hendrik Höcker, dem Chef für Deutschland und Österreich bei BUX, gesprochen.

brutkasten: Für wen ist “BUX Zero” geeignet?

Nils-Hendrik Höcker: “BUX Zero” ist für jeden geeignet, der auf eine einfache und kostengünstige Art an der wirtschaftlichen Entwicklung teilhaben möchte, indem er in Aktien und ETFs investiert. Wir sehen aber eindeutig, dass wir bei der jüngeren Generation beliebter sind – vor allem bei den Millennials und der Generation Z. Die sind die stärkste Gruppe in unserem AnlegerInnen-Portfolio.

Insbesondere seit dem vergangenen Jahr haben viele junge Menschen angefangen, sich mit Geldanlage zu beschäftigen und in Aktien zu investieren. Welche Gründe sehen Sie dafür?

Da sehe ich vor allem zwei Gründe. Einerseits wird vielen Menschen bewusst, dass die Rente in ihrer jetzigen Form für uns alle nicht reichen wird und der Aktienmarkt eine auskömmliche Möglichkeit ist, eine signifikante Rendite zu erzielen, die einem wiederum hilft, diese Rentenlücke zu schließen.

Der zweite Grund ist, dass die Problematik mit dem Niedrigzinsumfeld immer mehr Menschen bewusst wird. Wenn man arbeitet, Geld verdient und dann sieht, dass es am Konto einfach keine Bewegung gibt, entsteht ein Bewusstsein, dass man selber etwas machen muss. Deshalb beschäftigt sich jetzt eine höhere Anzahl an jungen Menschen mit dem Thema Börse.

Welches Wissen braucht man, um sinnvoll selbst anlegen zu können?

Das ist meine persönliche Meinung, aber ich glaube, man muss sich erst seine eigene Haltung zu Geld klarmachen. Welche Stellenwert hat Geld im eigenen Alltag und welche emotionale Bindung hat man dazu? Wenn man das geklärt hat, kann man definieren, welche finanziellen Möglichkeiten man hat. Kann ich mir überhaupt leisten, monatlich eine Summe X zur Seite zu legen? Das ist ein wichtiger erster Schritt.

Dann muss man Wissen aufbauen. Wir unterstützen unsere Anlegerinnen und Anleger über ein Wissenszentrum, das auf unserer Website verfügbar ist. Dort erklären wir zum Beispiel die Grundlagen des Investierens, wie ETFs funktionieren, stellen Nachrichten zur Verfügung – und zwar in einer einfachen und übersichtlichen Form. Die Informationsfülle im Internet ist jetzt besser als vor 5 oder 10 Jahren. Es gibt auch Quellen, die man meiden sollte, aber die kann man selber sehr schnell erkennen.

Allerdings muss man schon Zeit mitbringen. Und es scheitert bei vielen Menschen tatsächlich an der Zeit, die sie investieren müssen. Ohne geht es nicht. Am Anfang muss man sich ein Stück weit damit beschäftigen, aber später ist es nicht so, dass man jeden Tag fünf Stunden für die Börse aufwenden muss.

BUX ist ein Unternehmen, das mit “BUX X” ursprünglich aus einem Bereich kommt, der für kurzfristig orientiertes Trading steht. Bei “BUX Zero” dagegen steht eher langfristiges Investieren im Mittelpunkt. Wie sehen Sie den Unterschied zwischen den beiden Ansätzen?

Trading ist etwas, das man täglich oder jeden zweiten Tag macht. Wer ein Trader sein möchte, der hat einfach einen ganz anderen zeitlichen Aspekt und eine andere Informationstiefe. Das ist schon die höhere Disziplin. Aber ein langfristiges Sparen oder Anlegen bedarf nicht dieser intensiven Beschäftigung. Es gibt so viele Produkte, die man täglich nutzt – Facebook, Snap, Apple. Sollte man sich dann nicht auch überlegen, ob man an der wirtschaftlichen Entwicklung dieser Unternehmen teilhaben möchte?

So simple Fragen kann man sich stellen und dann kann man sich selber sehr schnell entscheiden, ob man in diese Unternehmen investieren möchte – oder auch in ETFs, die diese Themenbereiche abdecken, bespielsweise das Thema Digitalisierung. So muss man sich auch nicht in der Tiefe mit einzelnen Unternehmen beschäftigen. Dieser Schritt ist einfacher als man es sich vorstellt.

Ich merke aber auch aus privaten Gesprächen, dass diese Verknüpfung ganz wenige Menschen machen. Woran das liegt? Keine Ahnung. Für viele heißt Börse noch immer: Spekulation, Charts, Trendlinien, “Börse vor 8” oder negative Komponenten wie “Wolf of the Wall Street”. Das ist aber nicht mehr ansatzweise die Realität. Man muss kein Chartanalyst sein, um gute Renditen mit Sparplänen an der Börse zu bekommen.

ETFs, die beispielsweise Aktienindizes wie den S&P-500 oder den MSCI World nachbilden, haben wegen ihrer breiteren Streuung grundsätzlich ein geringeres Risiko als Einzelaktien. Sind ETFs für Einsteiger also das am besten geeignete Instrument oder kann es auch sinnvoll sein, mit Einzelaktien zu starten?

Ich würde in der Tat Sparpläne und ETFs empfehlen. Da kann man niederschwellig anfangen und bekommt ein Gefühl für die App und auch für die Börse selbst. Dazu kommen die Preise der Aktien. Eine Tesla-Aktie liegt zum Beispiel bei über 700 Dollar. Das ist für einen Neuling schon eine ganz schöne Summe. Und man muss da auch erst einmal die Frage stellen, ob man überhaupt mit solchen Beträgen starten möchte – wenn nicht, ist man mit ETF-Sparplänen besser bedient.

Neobroker wie BUX verzeichnen gerade ein enormes Wachstum. Gleichzeitig gibt es aber auch Kritik – am Angebot, an den Geschäftsmodellen oder an den Apps, von denen manchmal gesagt wird, dass sie Menschen dazu verleiten würden, mehr zu traden als sinnvoll sei. Was antworten Sie auf diese Kritik?

Die Mehrheit jener, die diese Kritik äußern, gehören einer Branche an, die merkt, das ihre Marktanteile schwinden. Das kommt aus der Richtung etablierter Spieler. Da gibt es auch viel Lobbyismus in der Kritik. Das ist auch OK, so läuft eben der Markt. Aber die Diskussion ist aus dieser Richtung getrieben.

Es wird beispielsweise immer wieder gesagt, dass Neobroker, weil sie weniger Börsenplätze anbieten, schlechtere Preise haben. Das hat die Stifung Warentest für Deutschland widerlegt. Vielleicht müssten diejenigen, die das kritisieren, auch ihre eigenen Geschäftsmodelle ein wenig überdenken und sich die Frage stellen, warum ein Trade nur mit mindestens 1.000 Euro funktioniert, weil sonst die Gebühren die Rendite aufessen. Das ist ein Fehler im System.

Und was Sie sagen zum Gamification-Vorwurf – also dass Trading-Apps Geldanlage spielerisch erscheinen lassen und somit dazu verleiten, häufiger zu handeln als gut für die Kundinnen und Kunden wäre?

Wir haben bei BUX keinen Gamification-Ansatz. Bei uns wird Börse nicht als Spiel gesehen und das sehen auch unsere User nicht so. Diese Kritik ist eher daraus getrieben, dass es bei einem US-Anbieter Confetti-Regen gab, wenn man eine Aktie kauft. Daher kommt das, aber das hat man aufgebauscht. Das ist ein gesteuertes Thema.

Ich will aber gar nicht viel über Konkurrenten sprechen. Für uns kann ich sagen, dass wir versuchen, Geldanlage einfach zu machen. Aber einfach bedeutet nicht Gamification. Wir bauen zum Beispiel gerade an einem Feature, das besonders volatile Aktien kennzeichnet. Das ist etwas im Sinne der User. Nicht jede App ist gleich ein Game und gute User Experience ist mehr als das.

Wenn sich Anlegerinnen und Anleger für einen Broker entscheiden, spielt es natürlich eine Rolle, welches Geschäftsmodell dahintersteckt. BUX erhebt bei manchen Ordertypen Gebühren – wie funktioniert das genau und gibt es darüber hinaus weitere Gebühren?

Wir haben drei Ordertypen. Bei zwei davon, der “Market Order” und der “Limit Order”, erheben wir aktuell eine Gebühr von einem Euro pro Trade, sowohl beim Kauf als auch beim Verkauf. Die “Zero Order” ist dagegen gebührenfrei. Gleichzeitig haben wir explizit für auf an US-Börsen gelisteten Aktien eine Gebühr von 0,25 Prozent für den Wechselkurs. Mit diesen Gebühren verdienen wir unter anderem Geld.

Allerdings arbeiten wir derzeit an Mehrwertdiensten, die nur gegen Gebühr verfügbar sind. Die sind aber so geplant, dass jemand, der diese Funktionen nicht nutzen möchte, im Kernprodukt nach wie vor traden kann. Er wird dann nicht in ein Freemium-Modell geschoben, das einen einschränkt.

Bei einer “Market Order” kaufe ich eine Aktie sofort zum aktuell bestmöglichen Preis. Bei einer “Limit Order” setze ich einen Höchstpreis fest, den ich für eine Aktie bereit bin zu bezahlen – oder einen Mindestpreis, wenn ich verkaufe. Wie genau unterscheidet sich die “Zero Order” davon?

Die “Zero Order” ist eine Konstruktion, mit der wir alle einem Tag getätigten Orders bündeln und an einem Markt platzieren. Dadurch haben wir eine ganz günstige Kostenstruktur, die es uns ermöglicht, dass wir unseren Kunden diese Orders ohne Gebühren verfügbar machen können.

Die “Zero Order” ist provisionsfrei und wird zwischen 16 und 17 Uhr zu dem in dem Moment gültigen Preis im Markt ausgeführt. Wenn man sie nach diesem Zeitpunkt erstellt, wird sie erst am Folgetag ausgeführt. Wir haben aber eine Funktion, die dazu führt, dass, wenn die Differenz zu hoch ist – weit über vier Prozent – eine Order nicht ausgeführt wird. Bei VW ging es beispielsweise in dem Moment, in dem der Dieselskandal publik wurde, sehr schnell runter. In so einem Fall würde die Order dann nicht ausgeführt werden, denn das wäre ja zum Nachteil des Kunden.

Im Bereich der Investment-Apps hat BUX einige Konkurrenten, auch am österreichischen Markt. Warum soll ich als Anleger BUX nutzen anstatt beispielsweise Bitpanda?

Ich respektiere jeden Marktspieler und gratuliere jedem zu seinem Erfolg. Jeder hat in der Regel seine Daseinsberechtigung. BUX und Bitpanda haben, was die User Experience angeht, ein ähnliches Level. Bei der Produktauswahl haben wir unser Krypto-Angebot in einer eigenen App, “BUX Crypto”. Das wird sich bis zum Jahresende ändern, dann sind auch alle Asset-Klassen über eine App verfügbar.

Am Ende geht es um die Frage, wer die beste Kundenerfahrung hat, wer das bessere Produkt und wer die bessere Auswahl hat. In manchen Bereichen sind wir gleich gut, in manchen besser, in manchen vielleicht sogar schlechter.

Unabhängig von anderen Unternehmen glaube ich aber, dass wir eine Sache sehr gut machen – und zwar den Bereich des Wissenstransfers, wie wir unsere User aufklären. Da werden in den kommenden Monaten auch noch einige interessante Dinge kommen. Das sind Aspekte, die wir etwas anders machen als andere, und mit denen wir einen Mehrwert bieten.

Sie haben die “BUX Crypto”-App angesprochen. Über diese kann man aktuell in 17 Kryptowährungen investieren. Welche Rolle sehen Sie für diese Assetklasse?

Zwei Dinge sind klar: In irgendeiner Form werden sich Kryptowährungen mittel- und langfristig am Markt etablieren. Welche das sein werden und in welcher Form das passieren wird, das wird sich noch zeigen. Werden sie ein Wertaufbewahrungsmittel sein, werden sie eine Zahlungslösung sein? Aktuell sind wir von einem Zahlungsmittel noch weit weg, weil die Komplexität zu hoch und die Verbreitung noch zu gering ist. Mit der Wertaufbewahrung ist es angesichts der Volatilität auch so eine Sache. Aber beides wird sich erst zeigen müssen.

Bei BUX sehen wir es so, dass Kryptowährungen eine Assetklasse sind, die an Relevanz gewinnt. Etablierte Unternehmen und Staaten beschäftigen sich mit dem Thema. Und gleichzeitig gibt es eine immer höhere Skepsis gegenüber der aktuellen Geldpolitik. Wir haben Niedrigzinsen und davon profitieren eben andere Assetklassen. Kryptowährungen bieten da auch eine zusätzliche Alternative. Letztlich muss aber ein Anleger oder eine Anlegerin selbst entscheiden, ob er oder sie sich mit dem Thema beschäftigen will.

Disclaimer: Dieser Text sowie die Hinweise und Informationen stellen keine Steuerberatung, Anlageberatung oder Empfehlung zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar. Sie dienen lediglich der persönlichen Information. Es wird keine Empfehlung für eine bestimmte Anlagestrategie abgegeben. Die Inhalte von brutkasten.com richten sich ausschließlich an natürliche Personen.

Deine ungelesenen Artikel:
vor 8 Stunden

KI in Gesundheit, Bildung und öffentlichem Dienst: „Chancen nutzen, Risiken minimieren”

Nachlese. Was kann Künstliche Intelligenz in den Bereichen Gesundheit, Bildung und im öffentlichen Sektor leisten? Welche Chancen und Risiken bringt Künstliche Intelligenz mit sich? Wie lässt sich ihr Potenzial verantwortungsvoll nutzen, ohne ethische Leitlinien zu überschreiten? Diese und viele weitere Fragen stehen im Fokus der zweiten Folge von „No Hype KI“.
/artikel/no-hype-ki-folge-2
vor 8 Stunden

KI in Gesundheit, Bildung und öffentlichem Dienst: „Chancen nutzen, Risiken minimieren”

Nachlese. Was kann Künstliche Intelligenz in den Bereichen Gesundheit, Bildung und im öffentlichen Sektor leisten? Welche Chancen und Risiken bringt Künstliche Intelligenz mit sich? Wie lässt sich ihr Potenzial verantwortungsvoll nutzen, ohne ethische Leitlinien zu überschreiten? Diese und viele weitere Fragen stehen im Fokus der zweiten Folge von „No Hype KI“.
/artikel/no-hype-ki-folge-2
Diskussionsrunde der Folge 2: Harald Herzog, Moritz Mitterer, Carina Zehetmaier, Bernd Konnerth, Markus Fallenböck (c) brutkasten

„No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM AustriaIBMITSVMicrosoftNagarroRed Hat und Universität Graz.


Gut zwei Jahre ist es her, dass ChatGPT einen Hype rund um generative KI-Modelle auslöste. Doch es stellen sich auch viele kritische Fragen beim Einsatz von KI – besonders in sensiblen Bereichen. Klar ist: Künstliche Intelligenz bietet viele Vorteile und vereinfacht komplexe Prozesse. Gleichzeitig wirft sie jedoch auch Herausforderungen und Ängste auf, mit denen man sich kritisch auseinandersetzen muss.

Was KI in den Bereichen Gesundheit, Bildung und im öffentlichen Sektor leisten kann, diskutierten in der zweiten Folge „No Hype KI”:

  • Bernd Konnerth (Microsoft Österreich | Public Sector Lead)
  • Carina Zehetmaier (Women in AI Austria | Präsidentin)
  • Harald Herzog (Österreichische Gesundheitskasse | Leiter Digitalisierung und Innovation)
  • Moritz Mitterer (ITSV | Aufsichtsratsvorsitzender)
  • Markus Fallenböck (Universität Graz | Vizerektor für Personal und Digitalisierung).
Du willst bei "No Hype KI" am Laufenden bleiben?

Trag dich hier ein und du bekommst jede Folge direkt in die Inbox!

Menschenzentrierter Ansatz im Mittelpunkt

Künstliche Intelligenz ist schon längst Teil unseres Alltags – ob bewusst oder unbewusst. Und obwohl KI bereits in vielen Lebensbereichen der Österreicher:innen präsent ist, bleibt die Skepsis bei vielen groß. Laut Carina Zehetmaier ist es daher ein besonders wichtiger Faktor, dass man jeder einzelnen Person KI näher bringt, sodass mehr Vertrauen in die Technologie entsteht: „Derzeit gibt es noch viele Ängste rund um KI. Aber es gibt auch noch gewisse Schwachstellen wie zum Beispiel das Halluzinieren, oder auch Vorurteile, die in den Systemen drinnen sind und widergespiegelt werden können. Es ist relevant, dass man sich hier von Anfang an mit den kritischen Fragenstellungen auseinandersetzt“.

Hierbei müsse an vorderster Stelle die öffentliche Hand hohe Standards setzen – vor allem aus menschenrechtlicher Sicht. Zehetmaier befürwortet in diesem Zusammenhang den AI Act, der klare gesetzliche Rahmenbedingungen schafft. „Die öffentliche Hand ist der direkte Adressat der Grund- und Menschenrechte“, sagt sie.

Ein weiterer wichtiger Punkt von Zehetmaier ist die Notwendigkeit, marginalisierte Gruppen nicht zu übersehen. Man müsse sich bemühen, geschlechtsspezifische und andere Vorurteile in Datensätzen zu vermeiden. „Wir wissen auch, dass Automatisierung den Gender-Pay-Gap öffnet anstatt schließt, das heißt, da müssen wir aktiv und gezielt gegensteuern“.

Verantwortungsvolle KI bedeute, aktiv an den Daten und Algorithmen zu arbeiten. Nur so könne sichergestellt werden, dass KI-Anwendungen nicht nur technologisch effizient, sondern auch ethisch und gesellschaftlich verantwortungsvoll gestaltet werden.

Responsible AI: Inklusivität, Fairness, Datenschutz

Dass die Anwendung von generativer KI nicht bloß Kosten senken soll, sondern den Menschen Nutzen bringen muss, ist auch für Bernd Konnerth von Microsoft klar. „Wir setzen auf Responsible-AI-Standards, bei denen es um Inklusivität, Fairness, Datenschutz und all diese Themen geht. Das sind Leitplanken in unserer Produktentwicklung“, sagt der Public Sector Lead von Microsoft Österreich.

Von der Unternehmenstransformation bis hin zum öffentlichen Dienst sei ein breites Umschulungsprogramm notwendig, um Ängste abzubauen: Es sei wichtig, „Umgebungen zu schaffen, die es Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglich machen, mit der Technologie zu interagieren, um den Berührungsängsten entgegen zu wirken”.

Universität Graz startete UniGPT für Mitarbeitende

Was Bildung angeht, betont Markus Fallenböck von der Universität Graz die Bedeutung einer breiten Wissensvermittlung. Es gehe nicht nur um Spezialist:innen für KI, sondern vor allem um die große Masse an Mitarbeitenden, die einen “sinnvollen Umgang mit KI erlernen” müssen: „Je mehr Wissen wir in die Bevölkerung kriegen, umso mehr können wir Chancen nutzen und Risiken minimieren“.

Die Universität Graz hat dazu eine eigene Micro-Credential-KI gestartet, um Studierenden ein Grundwissen zu KI zu vermitteln: “Das ist ein abgeschlossenes Studienpaket, das man in jedes Studium integrieren kann und das gerade in einer Pilotphase ist”, erläutert Fallenböck. Das Paket lasse sich in jedes Studium integrieren. “Da ist die Idee, dass in ein paar Jahren jeder Bachelor-Studierende, der in Graz einen Abschluss macht, ein Grundwissen hat zu KI-Bereich, Technik, Wirtschaft, Recht, Ethik”.

Für die eigenen Mitarbeiter:innen hat die Universität Graz im Mai 2024 außerdem den Chatbot UniGPT gestartet. Bereits mehrere hundert Mitarbeiter:innen wurden dafür bereits eingeschult. “Da sitzt die Universitätsprofessorin neben der Sekretariatskraft und beide interessieren sich für KI und werden es in ihrem Arbeitsalltag gut einsetzen”, schildert Fallenböck seine Eindrücke.

Über die eigenen Mitarbeitenden will die Universität Graz Wissensvermittlung aber auch in die Bevölkerung tragen. Dazu hat sie im Oktober etwa erstmals den Technology Impact Summit zum Thema KI in Graz veranstaltet. “Weil natürlich auch wichtig ist, dass wir die breite Öffentlichkeit mit dem Thema erreichen. Je mehr Wissen wir in die Bevölkerung kriegen, umso mehr, können wir auch das Chancennutzen und Risikominimieren wirklich schaffen”, erläutert Fallenböck.

ITSV: Künstliche Intelligenz im Gesundheitssystem

 Die ITSV wiederum steuert und koordiniert die IT-Aktivitäten der österreichischen Sozialversicherung – und beschäftigt sich schon länger mit dem KI-Thema. Aufsichtsratsvorsitzender Moritz Mitterer erzählt im Talk, dass das Unternehmen bereits 2018 mit der Erprobung von KI-Lösungen begonnen habe. In einem geschützten Umfeld wurden dabei erste Erfahrungen gesammelt, bevor die Systeme in den Echtbetrieb übergingen. Dieser schrittweise Ansatz habe wesentlich dazu beigetragen, das Vertrauen in KI-Modelle im Unternehmen zu stärken.

Besonders bei sensiblen Daten, wie etwa Gesundheitsdaten, ist die Gefahr von Missbrauch ein zentraler Risikofaktor. Mitterer erläutert die Bedeutung von Transparenz und Nachvollziehbarkeit: „Man muss Patientinnen und Patienten mitnehmen, indem man entsprechend strenge Regeln hat und Compliance hat. Und indem man offen damit umgeht, falls doch was sein sollte“.

KI schafft Abhilfe bei steigendem Leistungsaufkommen bei ÖGK

Die ITSV arbeitet dabei unter anderem für die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK). Harald Herzog von der ÖGK erläutert, dass das steigende Leistungsaufkommen – etwa wachsende Fallzahlen, steigende Lebenserwartung, mehr Konsultationen – nach neuen Wegen verlangt: „Würden wir die Prozesse so weiterspielen wie bisher, bräuchten wir mehr Personal“, so Herzog. „Unsere Aufgabe ist es effizient zu arbeiten und alle technischen Möglichkeiten der KI auszunutzen“.

KI könne hier unterstützen, etwa bei der Wahlarztkostenerstattung. Ziel sei es, einen Großteil der Fälle automatisiert abwickeln zu können. Laut Herzog geht es aber nicht darum, den persönlichen Kontakt zu ersetzen, sondern lediglich zu ergänzen.

Zusätzliches Wirtschaftswachstum von bis zu 18 Prozent durch KI-Nutzung

Auch die öffentliche Verwaltung steht vor Herausforderungen, etwa aufgrund der Pensionierungswelle oder des Fachkräftemangels. Künstliche Intelligenz könnte dabei eine Rolle spielen. Bernd Konnerth von Microsoft Österreich sagt: „Künstliche Intelligenz kann eine Antwort sein – vielleicht nicht die Einzige, aber sie hat sehr viel Potenzial durch die Automatisierung wiederkehrender Tätigkeiten, viel Nutzen zu stiften“.

Aktuell befinde sich Österreich erst am Anfang, dieses Potenzial auszuschöpfen. Konnerth verweist auf eine Studie, dass Österreich ein Wirtschaftswachstum von bis zu 18 Prozent erzielen könnte, wenn das ganze Potenzial von KI ausgeschöpft werde.

Ausblick: KI-Nutzung in fünf Jahren

Wo steht der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in fünf Jahren? „Ich hoffe, dass wir nicht mehr über die Technologie reden müssen, so wie wir heute auch nicht mehr über Strom sprechen, sondern dass sie einfach da ist“, so Microsoft-Experte Konnerth.

Carina Zehetmaier wiederum blickt auf die EU als Werteunion. In fünf Jahren solle man sehen, dass Österreich und Europa es geschafft haben, einen wertebasierten, menschengerechten KI-Einsatz umzusetzen. Für Österreich könne sich hier eine besondere Chance bieten, so Zehetmaier. Das Land könne sich als Vorreiter für einen vertrauenswürdigen, menschenzentrierten Umgang mit KI etablieren. Es gehe darum, „den menschenzentrierten Ansatz im Einklang mit Werten und Grundrechten umzusetzen“.

KI birgt enormes Potenzial

Die Diskussionsrunde ist sich einig, dass KI in sensiblen Arbeitsfeldern längst keine ferne Zukunftsvision mehr ist, sondern bereits eine zentrale Rolle darstellt. Die Chancen sind enorm – von effizienteren Verwaltungsprozessen über eine präzisere Gesundheitsversorgung bis hin zu einer gerechteren Bildung. Doch um diese Möglichkeiten zu nutzen, braucht es breites Verständnis, klare Regeln, vertrauenswürdige Technik und einen sensiblen Umgang mit Daten.


Folge nachsehen: No Hype KI – Was kann KI in den Bereichen Gesundheit, Bildung und im öffentlichen Sektor leisten?

Hier gehts es zur Nachlese von Folge 1: „No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?”


Die Serie wird von brutkasten in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung unserer Partner:innen produziert.

Die Partner von No Hype KI
Die Partner von No Hype KI

Toll dass du so interessiert bist!
Hinterlasse uns bitte ein Feedback über den Button am linken Bildschirmrand.
Und klicke hier um die ganze Welt von der brutkasten zu entdecken.

brutkasten Newsletter

Aktuelle Nachrichten zu Startups, den neuesten Innovationen und politischen Entscheidungen zur Digitalisierung direkt in dein Postfach. Wähle aus unserer breiten Palette an Newslettern den passenden für dich.

Montag, Mittwoch und Freitag

AI Summaries

Neobroker BUX: So startet man richtig an der Börse

AI Kontextualisierung

Welche gesellschaftspolitischen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Neobroker BUX: So startet man richtig an der Börse

AI Kontextualisierung

Welche wirtschaftlichen Auswirkungen hat der Inhalt dieses Artikels?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Neobroker BUX: So startet man richtig an der Börse

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Innovationsmanager:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Neobroker BUX: So startet man richtig an der Börse

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Investor:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Neobroker BUX: So startet man richtig an der Börse

AI Kontextualisierung

Welche Relevanz hat der Inhalt dieses Artikels für mich als Politiker:in?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Neobroker BUX: So startet man richtig an der Börse

AI Kontextualisierung

Was könnte das Bigger Picture von den Inhalten dieses Artikels sein?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Neobroker BUX: So startet man richtig an der Börse

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Personen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Neobroker BUX: So startet man richtig an der Börse

AI Kontextualisierung

Wer sind die relevantesten Organisationen in diesem Artikel?

Leider hat die AI für diese Frage in diesem Artikel keine Antwort …

Neobroker BUX: So startet man richtig an der Börse