30.05.2019

Wie sich die “Erlebnis-Ökonomie” auf Branding und Marketing auswirkt

Mirco Pasqualini ist Head of Design bei der international renommierten Werbeagentur Ogilvy & Mather, die rund 500 Büros mit 24.000 Mitarbeitern weltweit unterhält. Für den brutkasten hat er erläutert, warum Branding im Zeitalter der "Experience Economy" völlig neu gedacht werden muss.
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Brand-Building
(c)Martin Pacher / der brutkasten

Ogilvy & Mather zählt zu den weltweit renommiertesten Werbeagenturen. Sie wurde im Jahr 1948 von keinem geringeren als dem legendären britischen Werbetexter David Ogilvy in New York gegründet. Er gilt als Vater der modernen Werbung des 20. Jahrhunderts und hat eine Vielzahl an heute zu Klassikern gewordenen Werbeslogans geschaffen – unter anderem für Guinness, Schweppes oder Rolls Royce. Mittlerweile hat sich die Werbeagentur zu einem der größten Agenturnetzwerke mit rund 500 Büros und 24.000 Mitarbeitern weltweit entwickelt.

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Zeitalter der Experience Economy

Seit 2014  hat der gebürtige Italiener Mirco Pasqualini bei Ogilvy & Mather die Position des “Head of Design” inne. In seiner Arbeit beschäftigt er sich unter anderem mit “Branding” und dessen Bedeutung im Zeitalter der Experience-Economy. Der Begriff  Experience-Economy – im Deutschen Erlebnis-Ökonomie – wurde erstmals 1998 von den beiden amerikanischen Wissenschaftlern Joseph Pine und James Gilmore verwendet.

Der Begriff umschreibt die These, dass sich die Wirtschaft in den letzten drei Jahrzehnten von einer Dienstleistungsökonomie zu einer Erlebnisökonomie entwickelt hat. In der neuen Wirtschaftsära müssen Unternehmen demnach nicht nur qualitativ hochwertige Produkte produzieren, sondern dafür sogen, dass den Kunden mit dem Produkt auch ein unvergessliches Erlebnis geboten wird.

Branding ganzheitlich denken

Pasqualini, der sich in seinem 2019 erschienen Buch “Agencies & Brands in the Experience Economy mit dieser Thematik auseinandersetzt, argumentiert, dass Marketing im Zeitalter der “Erlebnis-Ökonomie” völlig neu gedacht werden muss. “Jeder, der im Bereich Marketing und Kommunikation arbeitet, hat in den letzten Jahren einen rasanten Wandel seiner Tätigkeit erlebt. Die Etablierung der Erlebnis-Ökonomie hat alles verändert, was wir bisher über Marketing wussten”, so Pasqualini. Um erfolgreich Branding zu betreiben, bedarf es laut ihm eines interdisziplinären Zugangs, der Produktdesign, die Analyse von Daten und Customer-Relationship-Management miteinander verschmelzen lässt.

Erlebnisse schaffen und emotionalisieren

Wie er weiters betont, müssen Unternehmen vor dem Hintergrund der Erlebnis-Ökonomie in der Lage sein, für die Kunden rund um die Produkte bzw. Dienstleistungen unvergessliche Erlebnisse zu schaffen. Sie müssen emotionalisieren, um sie schlussendlich auch verkaufen zu können. Dies treffe laut Pasqualini nicht nur im B2C-, sondern auch auf den B2B-Bereich zu. In Folge dessen ist es für den Unternehmenserfolg maßgeblich entscheidend, alle Komponenten schon am  Beginn des Produktionsprozessen zu berücksichtigen.

Produkt dem Erlebnis unterordnen

Pasqualini geht sogar soweit, dass Unternehmen ihr Produkt dem Erlebnis unterordnen müssten. “Große Unternehmen, wie Apple gehen nicht mit einem neuen Produkt auf den Markt, weil dieser danach fragt, sondern weil dieses Produkt lediglich den Zweck erfüllt, ein gewisses Erlebnis zu ermöglichen.”


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Lanbiotic, Neurodermitis
(c) Oliver Wolf - Patrick Hart und Katrin Susanna Wallner von Lanbiotic.

Das Grazer Startup Lanbiotic stellt medizinische Hautpflege-Produkte mit lebensfähigen Bakterien speziell für die von Neurodermitis geplagte Haut her. Dabei verwenden die beiden Gründer:innen Patrick Hart und Katrin Wallner den zum Patent angemeldeten Bakterienstamm “Lactococcus Lanbioticus“.

Lanbiotic: “Skalierung als neue Normalität”

“Mit unseren probiotischen Hautanwendungen bringen wir gesundheitsfördernde Bakterien direkt auf die Haut, um die natürliche Balance des Hautmikrobioms wiederherzustellen und Hautprobleme gezielt an der Ursache zu bekämpfen”, erklärt Wallner.

Das letzte Jahr fühlte sich für die Gründerin an, als sei ein Traum nicht nur wahr, sondern sogar übertroffen worden. Andererseits sei es eine “neue Normalität” an der Skalierung des Unternehmens zu arbeiten.

“Wir haben weitere Produkte mit unserem einzigartigen Bakterienstamm ‘Lactococcus Lanbioticus’ entwickelt, um umfassender auf die Bedürfnisse von Menschen mit zu Neurodermitis neigender Haut eingehen zu können. Neu hinzugekommen sind Flora Bath und Flora Sun”, erklärt Wallner.

Flora Bath ist ein spezieller Badezusatz, der für Menschen entwickelt wurde, die großflächig oder an der Kopfhaut von Ekzemen betroffen sind – ein Bereich, in dem Pflegecremen oft an die Grenzen ihrer Praktikabilität stoßen.

“Der Fokus liegt wie immer bei Lanbiotic auf der Ergänzung des Hautmikrobioms, also ‘der lebende Teil’ der natürlichen Schutzbarriere der Haut, die den gesamten Körper bedeckt, mit probiotischen Bakterien”, so Wallner weiter. “Eine Ausgewogenheit des Hautmikrobioms ist, wie auch im Darm, entscheidend, um die Gesundheit der Haut zu bewahren und Beschwerden zu lindern.”

Flora Sun hingegen ist ein weiteres Produkt, das auf die besonderen Herausforderungen empfindlicher Haut unter UV-Strahlung eingeht. Studien hätten gezeigt, dass das Hautmikrobiom die natürliche Fähigkeit der Haut verbessern kann, mit den Effekten – und häufig auch Schäden – durch Sonneneinstrahlung umzugehen.

EHI-Siegel für Onlineshop

“Parallel dazu haben wir auch international expandiert: Der Eintritt in den deutschen Markt war ein großer Schritt, der mit der Anpassung unserer Produktions- und Logistikkapazitäten verbunden war, um langfristig weitere internationale Märkte beliefern zu können. Unser Webshop wurde außerdem mit dem EHI-Siegel zertifiziert, um unseren Kund:innen einen sicheren und vertrauenswürdigen Einkauf zu ermöglichen.”

Auch das Team wuchs 2024, zudem konnte durch zahlreiche Medienauftritte und Messeteilnahmen Aufmerksamkeit für die eigenen Produkte und die Marke gewonnen werden.

“Als weiteres Highlight wurden wir von der Apothekerkammer mit unserer Fachfortbildung akkreditiert, was Apotheker dazu motiviert, unsere Fortbildungen zu besuchen und mehr über das noch recht ‘nischige’ Thema Hautmikrobiom zu erfahren”, sagt Wallner.

Neue Märkte im Fokus

Aktuell arbeitet das Startup intensiv daran, Lanbiotic als Unternehmen und Marke weiterzuentwickeln, strategisch zu positionieren und zu skalieren. Das oberste Ziel ist es, die Lebensqualität von Menschen mit Neurodermitis über ihre mikrobiombasierten Produkte zu verbessern.

“Wir möchten Lanbiotic in weiteren Märkten etablieren, insbesondere natürlich in Ländern, wo die Prävalenz für Neurodermitis hoch ist. Dafür arbeiten wir an effizienten Marketingprozessen, um unsere Markenbekanntheit zu steigern, und bauen unsere Vertriebsstrukturen aus”, erklärt die Founderin. “Um diesen Schritt bestmöglich zu unterstützen, suchen wir gezielt nach vertrauenswürdigen Partnern für den internationalen Vertrieb, die unsere Werte und Qualitätsansprüche teilen. Die Kooperationen sollen es uns ermöglichen, unsere Produkte nachhaltig in weiteren europäischen und außereuropäischen Ländern anzubieten und das Thema Hautmikrobiom international bekannter zu machen.”

Daneben optimiert das Team Produktionsprozesse, um der wachsenden Nachfrage nachkommen zu können. In der Produktentwicklung liegt dabei der Fokus auf der Entwicklung weiterer wissenschaftsbasierten probiotischen Pflegeprodukten, die speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Neurodermitis und empfindlicher Haut zugeschnitten sind. Dazu steht man intensiv mit Industrie und Spitzenforschung in Kontakt.

Lanbiotic: Strukturen und Prozesse schaffen

Intern sei man vor allem stark mit dem Aufbau der Organisation beschäftigt. Man arbeitet daran, Strukturen und Prozesse zu schaffen, die das Wachstum langfristig stützen können. Ziel sei es, eine gesunde Organisation aufzubauen, die den Expansions- und Innovationszielen gerecht werde und das Unternehmen flexibel in die nächsten Entwicklungsstufen führt.

Lanbiotic wurde in der Vergangenheit unter anderem auch von der Austria Wirtschaftsservice (aws) unterstützt. So absolvierte das Unternehmen den aws First Incubator und erhielt über aws Innovationsschutz eine Förderung, um sein geistiges Eigentum zu schützen. Später folgte eine Preseed- und Seed-Förderung über aws Innovative Solutions. Mit diesem Seed-Förderprogramm unterstützt die aws innovative Gründungsideen, die über die Unternehmensgrenzen hinaus einen positiven gesellschaftlichen Impact bewirken. Der Fokus liegt auf skalierbaren Geschäftsmodellen. Im Fall von Lanbiotic war die Förderung essentiell, um die Produktentwicklung und Markteinführung zu finanzieren und sich allgemein zu professionalisieren.

“Eine bessere Förderung als aws Seed Innovative Solutions könnte es derzeit, meiner Meinung nach, für uns nicht geben”, sagt sie. “Es handelt sich um einen nicht rückzahlbaren Zuschuss von 400.000 Euro, der für unterschiedlichste Aktivitäten in der Markteinführung und Produkteinführung verwendet werden kann. Naturgemäß ist das Programm sehr kompetitiv, aber wenn man für die Finanzierung ausgewählt wird, hat man wirklich einen gewaltigen Booster, um ein nachhaltiges Unternehmen aufzubauen.”

Die weiteren Ziele von Lanbiotic

Im Allgemeinen habe ihnen das Programm bereits jetzt weit mehr gebracht als Geld. “Ich empfand den Bewerbungsprozess per se als wertvolle Erfahrung, um mir unser Business Model noch einmal ganz genau anzusehen und unsere Ziele zu definieren”, präzisiert die Grazerin. “Dass wir sie jetzt so scheinbar ‘locker’ übertreffen konnten, ist natürlich die Draufgabe.”

Durch die positive Resonanz der stetig wachsenden Stammkundenbasis sieht sich Wallner in ihrer Mission bestätigt. “Wir wissen aber auch, dass viele Menschen Lanbiotic noch nicht kennen und Neurodermitis in vielen Ländern nach wie vor ein großes Problem darstellt”, sagt sie. “Daher wollen wir gezielt skalieren, den Umsatz und Gewinn steigern, innerhalb und außerhalb Europas expandieren und unser Produktportfolio weiter diversifizieren.”

In Sachen Umsatzentwicklung wird Lanbiotic 2024 das gesetzte Umsatzziel voraussichtlich verdoppeln, wie Wallner erzählt. “Unser für 2025 gestecktes Ziel ist ambitioniert, aber wir sind zuversichtlich, dass wir hier wieder gute Arbeit leisten. Aktuell haben wir einen sechsstelligen Nettoumsatz erreicht, und dank der Unterstützung durch die aws Seed-Förderung werden wir auch heuer, wie jedes Jahr seit unserer Gründung, noch profitabler sein.”


* Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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