17.06.2021

Morpher-CEO Fröhler: So kann Europa zur führenden Blockchain-Macht werden

Europa hat im Blockchain-Bereich Vorteile gegenüber den USA. Allerdings braucht es jetzt weitere Schritte, erläuterte Morpher-CEO Martin Fröhler im brutkasten-Finance-Talk.
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Martin Fröhler von Morpher im Talk bei brutkasten Finance
Martin Fröhler von Morpher im Talk bei brutkasten Finance | Foto: brutkasten

Die größten Internetunternehmen der Welt kommen heute aus den USA oder aus China – nicht aber aus Europa. Dass es in der Vergangenheit Versäumnisse gegeben hat, lässt sich wohl kaum bestreiten. Aber wie gut ist Europa aufgestellt, wenn es um Zukunftstechnologien geht, deren Adaption bei der breiten Masse noch bevorsteht – etwa ganz konkret bei Blockchain? Dieser Frage sind wir in einem brutkasten-Finance-Talk mit Martin Fröhler nachgegangen. Fröhler ist Cofounder und CEO von Morpher, einem Startup, das im Bereich Decentralized Finance (DeFi) aktiv ist – und damit in einem der Bereiche innerhalb der Kryptobranche, in denen gerade besonders viel Innovation passiert. Wir haben das Unternehmen im brutkasten-Magazin #12 portraitiert, der Artikel ist auch online verfügbar.

Gegründet wurde Morpher 2018 im Silicon Valley. Operativ ist das Startup aber mittlerweile in Wien beheimatet. Dies ist kein Zufall: Für Blockchain-Unternehmen hat Europa schon jetzt klare Vorteile gegenüber den USA, sagt Fröhler. Um zur globalen Führungsmacht im Blockchain-Bereich aufzusteigen, braucht es allerdings weitere Maßnahmen.

“Wir haben Morpher schon bewusst als US-Firma aufgesetzt”, sagt Fröhler im Talk. Das Unternehmen sei eine Delaware-C-Corporation – was international das attraktivere Vehikel sei, um Venture Capital aufzunehmen. “Aber es war dann bereits ein paar Wochen nach der Ideenfindung klar, dass wir operativ nicht aus den USA, sondern aus Europa heraus tätig werden wollen”. Schon im Oktober 2018 wurde daher eine Tochtergesellschaft in Wien gegründet, in der das operative Geschäft liegt.

Blockchain-Regelwerk in Europa klarer definiert als in USA

Der Grund dafür: In Europa ist die Blockchain-Regulierung nach Aussage von Fröhler “wesentlich genauer definiert als in den USA und das ist genau das, was Unternehmer suchen – ein klares Regelwerk, innerhalb dessen sie operieren können”. Die Kapitalmarktgesetze, anhand derer in den USA beurteilt wird, ob ein Blockchain-Protokoll oder ein digitaler Token als Finanzinstrument einzustufen ist, seien teilweise 80 Jahre oder älter. Wird ein Token aber als Finanzinstrument eingestuft, hat das aber weitreichende Folgen: Beispielsweise hat dann nur mehr ein geringer Prozentsatz der US-Bürger überhaupt die Möglichkeit, in den Token zu investieren.

In Europa dagegen ist der Regelwerk laut Fröhler wesentlich klarer definiert: Die Richtlinie MiFID 2 gilt in der gesamten EU und legt fest, ob ein Token ein Finanzinstrument ist oder nicht. “Dadurch gibt es für Unternehmen bis zu einem gewissen Grad Rechtssicherheit und das ist ein wesentlicher Standort-Vorteil für Europa”, sagt Fröhler. In den USA hänge es viel stärker davon ab, wie ein Richter einen Fall interpretiere.

Zwei Jahre regulatorische Testphase für Blockchain-Startups

Perfekt ist die regulatorische Situation aber auch in Europa nicht, wie Fröhler weiter ausführt: “Das Regelwerk ist zwar klar, aber es ist leider nicht so freundlich ausdefiniert wie es sein sollte, um tatsächlich Weltmarktführer zu werden”. Doch was bräuchte es dafür? Fröhler schlägt beispielsweise eine sogenannte “Grace Period” vor: Blockchain-Unternehmer sollen dabei 2 Jahre Zeit bekommen, um in Abstimmung mit den Regulierungsbehörden neue Geschäftsmodelle direkt am Markt ausprobieren zu können. Am Ende des Zeitraums soll das Unternehmen dann Feedback von der Behörde erhalten, ob das Geschäftsmodell in Einklang mit den geltenden Bestimmungen ist.

So könnte man vermeiden, dass ein Startup vorab hundertausende Euro für das Einholen von Rechtsmeinungen ausgeben müsse, sagt Fröhler. Auch schwebe dann kein ständiges Risiko über dem Startup, von den Regulierern abgedreht zu werden – was auch bei der Aufnahme von Venture Capital hinderlich sei, wie der Morpher-CEO weiter ausführt.

Womit wir auch schon beim nächsten Punkt sind, der sich in Europa noch verbessern muss – und zwar der Verfügbarkeit von Venture Capital. Dass die Risikokapital-Szene in Europa wesentlich weniger stark ausgeprägt ist als in den USA, ist nach Einschätzung von Fröhler in weiteres Hindernis für den Erfolg europäischer Blockchain-Startups mit globalen Ambitionen. “Das ist auch einer der Gründe, warum Morpher nach wie vor gerne eine US-Firma ist. Der Zugang zu Risikokapital ist dort einfach ein anderer”, sagt Fröhler. Dies treffe vor allem auf Anschlussfinanzierungen zu: “Es gibt Business Angels, es gibt Seed-Investments, aber alles, was darüber hinausgeht, wird schon schwierig”. Eine Series-A-Runde in Europa mit einem europäischen Investor abzuschließen, sei wesentlich herausfordernder als dasselbe in den USA zu machen.

Allerdings gibt es Alternativen: “Blockchain-Startups sind in der einzigartigen Situation, dass sie das Glück haben, weltweit Kapital aufstellen zu können – über einen Token-Verkauf, ein Initial Coin Offering oder ein Initial Exchange Offering”, führt der Morpher-CEO aus. So gebe es eine geringere Abhängigkeit von Risikokapitalgebern als bei Startups in anderen Technologiebereichen.

Qualifizierte Zuwanderung erleichtern

Als kein größeres Problem erachtet es Fröhler dagegen, Fachkräfte nach Österreich zu bringen: “Wenn man eine Firma hat, die ausreichend Zugang zu Kapital hat und kompetitive Gehälter zahlen kann, kann man auch sehr gute Blockchain-Entwickler nach Österreich bringen”. Das Land punkte in dieser Hinsicht sehr mit der hohen Lebensqualität. Verbesserungsbedarf gibt es aber durchaus noch: Der Prozess mit der Rot-weiß-rot-Card für qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland sei “momentan sehr mühsam”. Österreich könnte sich einen Standortvorteil herausarbeiten, wenn es qualifizierten Zuzug erleichtere.

Abseits aller regulatorischen und gesetztlichen Vorgaben sieht Fröhler aber noch einen anderen wichtigen Aspekt: Das Mindset in Europa – speziell in Österreich und Deutschland – sei noch “entwicklungsbedürftig, um es höflich auszudrücken”. Unternehmerisches Risiko sei nicht in den Köpfen verankert – und auch nicht, dass es keine Schande ist, als Unternehmer zu scheitern. Zudem werde Finanzbranche häufig als etwas “abgrundtief Böses” gesehen – ohne dass berücksichtigt werde, dass es dort viele Möglichkeiten gibt, Wertschöpfung zu betrieben. “Das Mindset in Europa ist ein sehr konservatives und wir als Österreicher sind bei Finanzdingen noch einmal konservativer als wir das ohnehin schon bei Innovationen sind”, sagt der Morpher-CEO. Er sieht vor allem zwei Möglichkeiten, in dieser Hinsicht Dinge positiv zu beeinflussen: Einerseits über öffentliche Kommunikation, etwa sachliche Berichterstattung in den Medien zu Kryptothemen – und anderseits über Finanz- und Technologiebildung.

Wird aber Europa die notwendigen Schritte, um zur führenden Blockchain-Macht zu erwerden, auch tatsächlich ergreifen? Fröhler selbst ist hier zurückhaltend: “Ich halte es leider für nicht sehr wahrscheinlich und befürchte, dass Europa eine große Chance verpassen wird”. Es gebe sehr viel Skepsis unter den Regierenden und unter Bankern. Auch sehr Europa generell nicht für schnelle Entscheidungsprozesse bekannt. Allerdings: “Von dem Fundament, das wir heute setzen, wird die Wirtschaft in 20 Jahren zehren – oder eben nicht”.

Der vollständige Talk mit Martin Fröhler zum Nachsehen:

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Bitpanda.ai - Das Bitpanda-Gründungsteam (v.l.) Christian Trummer, Paul Klanschek und Eric Demuth © Bitpanda
Das Bitpanda-Gründungsteam (v.l.) Christian Trummer, Paul Klanschek und Eric Demuth | © Bitpanda

Schon im Mai verkündete das Wiener Unicorn Bitpanda die Eröffnung eines Standorts in Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Darauf folgten Kooperationen mit einer Bank und einem Krypto-Anbieter in der Region. Nun gab der Krypto-Broker den Erhalt einer “grundsätzlichen Genehmigung” durch die Virtual Assets Regulatory Authority (VARA) in Dubai bekannt.

Von “ausschließlich B2B-Sparte”…

Mit dem Erhalt der Lizenz dürften sich auch die Pläne von Bitpanda – oder deren offizielle Kommunikation – geändert haben. Noch im Mai hieß es gegenüber brutkasten zum Dubai-Standort nämlich noch explizit: “Es geht hier jedoch ausschließlich um eine Präsenz unserer B2B-Sparte Bitpanda Technology Solutions. Wir wollen unsere Infrastruktur Banken und anderen Akteuren der Finanzwirtschaft aus der Region anbieten, da wir in der jüngeren Vergangenheit vermehrt Nachfrage und Interesse aus der Region erfahren haben. Der Fokus von Bitpanda als Gruppe bleibt jedoch weiterhin auf Europa gerichtet.”

… zu “auch B2C-investoren”

In der heutigen Aussendung zur VARA-Genehmigung liest es sich nun ganz anders. “Nach Erhalt der Betriebslizenz wird Bitpanda sowohl B2B-Kunden als auch B2C-Investoren in den VAE eine breite Palette von Produkten und Dienstleistungen bereitstellen.” Man werde in den Vereinigten Arabischen Emiraten als “Bitpanda Broker MENA DMCC” operieren und “damit erstmals Märkte außerhalb Europas erschließen”.

Bitpanda-Gründer Demuth: Dubai als “strategische Ausgangsbasis für internationale Expansion”

In einem Statement spricht auch Bitpanda-Co-Founder und Co-CEO Eric Demuth die (B2C-)Expansionspläne deutlich an: “In Europa haben wir uns den Ruf als vertrauenswürdigste und am stärksten regulierte Plattform für digitale Vermögenswerte erarbeitet. Jetzt weiten wir dieses bewährte Modell weltweit aus, wobei Dubai und die VAE als strategische Ausgangsbasis für unsere internationale Expansion dienen. Die Möglichkeiten sind immens und wir sind in einer einzigartigen Position, um sie zu nutzen – sowohl als Europas führender Krypto-Broker als auch als Top-Infrastrukturanbieter im Bereich der digitalen Vermögenswerte.”

Betonung der Compliance für Bitpanda auch außerhalb Europas zentral

Auch in den Märkten außerhalb Europas will Bitpanda mit der Betonung der Einhaltung sämtlicher regulatorischer Vorgaben punkten. “Die Tatsache, dass VARA in weniger als acht Monaten eine grundsätzliche Genehmigung erteilt hat, spiegelt die Stärke des fortschrittlichen Regulierungsrahmens von VARA und das unerschütterliche Engagement von Bitpanda für Compliance und Innovation wider”, kommentiert Fabian Reinisch, General Counsel von Bitpanda. “Seit über einem Jahrzehnt zeigen wir, dass ein Compliance-First-Ansatz der einzige Weg zu nachhaltigem und verantwortungsvollem Wachstum in unserer Branche ist. Jetzt weiten wir diesen Ansatz auf Märkte außerhalb Europas aus”, so Reinisch.

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