13.08.2018

Blockchain-Bullshit

Die ersten Blätter sind leicht bräunlich verfärbt. Der Wind wird stärker und die Luft wird kühler. Der Sommer der Blockchain ist vorbei. Winter is coming.
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Blockchain-Bullshit

Bitcoin ist ohne Zweifel disruptiv. Auch wenn heute noch der Preis auf Null fällt: Bitcoin und die Ideen, die dahinter stehen, haben die Welt verändert. Es ist eine dieser Technologien, die so gut sind, dass sie alle, denen ihr Potenzial rechtzeitig klar wurde, reich gemacht haben. Das war der Frühling der Blockchain, als ein Laptop gereicht hat um Bitcoin zu minen.

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Sobald eine Idee wie Bitcoin die ersten Krisen übersteht und einen Zweifler nach dem anderen eines Besseren belehrt, hat das – nachvollziehbarerweise – zur Folge, dass sich immer mehr Leute für dieses “neue Ding” interessieren. Die Idee setzt dann neue Triebe an, die von InvestorInnen sorgfältig mit Geldregen begossen werden, in der Hoffnung auf eine ergiebige Ernte. Ethereum, IOTA oder Monero beispielsweise haben Probleme und Potenziale in der ursprünglichen Bitcoin-Blockchain entdeckt und bauen auf diesen Entdeckungen auf (und bringen im Gegenzug ihre eigenen Probleme mit).

Wenn es jetzt Sommer wird, dann haben die meisten dieser Triebe schon beträchtliche Wurzeln geschlagen und manche tragen auch schon pralle Früchte. In dieser Zeit, im technologischen Hochsommer, wenn die Sonne am hellsten strahlt und alles blüht und gedeiht, dann ziehen dunkle Wolken auf, die ersten Boten des bevorstehenden Winters. Es sind Wolken der Gattung cumulus coenum tauri, zu Deutsch: Bullshit-Wolken.

Es sind Gewitterwolken. Sie bringen meist trockene Gewitter aus falschen Versprechungen, ungerechtfertigter, euphorischer Hysterie und unqualifizierter Logorrhoe mit sich. Oder wie man in der Blockchain-Welt sagt: “ICO“.

“Die Anwendungsgebiete sind schier unendlich”

Falsche Versprechungen sind in der Welt der modernen Technologie – oder zumindest in deren medialen Echo – an der Tagesordnung. Von künstlicher Intelligenz über Quantencomputation bis hin zum längst von der Realität eingeholten Hype rund um Chatbots – sobald eine neue Innovation in den richtigen Kreisen publik wird, setzt eine Art Automatismus ein, der diese Innovation mit dem frühen Internet vergleicht und zur neuen Zukunft der Menschheit erklärt. Speziell die Blockchain ist ein fantastisches Beispiel dafür, wie man eine brilliante Idee durch die Phrasen wie “die Anwendungsgebiete sind schier unendlich” auf dem Foltertisch des technologischen Halbwissens zu einem unbrauchbaren Frankenstein-Monster verstümmeln kann.

“Die Anwendungsgebiete der Blockchain sind keineswegs unendlich.”

Die Anwendungsgebiete der Blockchain sind nämlich keineswegs unendlich. Es sind nicht einmal viele. Es sind eigentlich sehr wenige. Bitcoin ist angetreten um eine spezifische Sammlung an Problemen zu lösen. Von diesen Problemen hat sie einige gut, aber andere nicht (wirklich) gelöst. Beispielsweise ist Bitcoin nicht anonym, zumindest nicht so wie ursprünglich intendiert und ihr Anwendungsbereich ist auch nicht der tägliche Zahlungsverkehr, wie ursprünglich intendiert.

Die echten Use-Cases der Blockchain

Nüchtern betrachtet ist die Blockchain nichts anderes als eine Methode um (Interaktions-)Daten langfristig zu speichern, eine Datenbank. Sie tut das mit den drei wichtigen Charakteristika ImmutabilityDecentralisation und Trustlessness. Diese Charakteristika sind allerdings nicht das eigentlich revolutionäre an der Blockchain. Das eigentlich revolutionäre an der Blockchain ist, dass sie das wirtschaftliche Prinzip der Knappheit – so wie wir es aus der “echten” Welt kennen – in die digitale Welt überträgt (das ist der Moment, an dem man gerne das Buzzword “Double-Spending-Problem” verwendet).

Was sind also die Use-Cases für eine Datenbank, wo knappe Güter und deren BesitzerInnen aufgelistet werden, die dezentral gespeichert werden muss (oder sollte), deren Daten nicht mehr verändert werden können, und bei deren Verwendung ich den anderen involvierten Parteien nicht vertrauen muss? Viel kann bei einem derart konkret definierten Anforderungsprofil eigentlich nicht übrig bleiben. Das tut es auch nicht.

Nach dem Ausschlussprinzip

Zunächst einmal fallen durch den Halbsatz über das Vertrauen schon alle Anwendung der Blockchain weg, wo haptische Güter auf der Blockchain gehandelt werden. Sobald ich darauf vertrauen muss, dass die richtige Anzahl (und Qualität, etc.) von Gütern in die Blockchain eintragen werden, ist die ganze Operation nicht mehr trustless und die Blockchain somit nur noch ein reines Gimmick.

Viele Blockchains lösen Probleme, die bereits (mehrfach) digital gelöst sind, noch einmal mit Blockchain. Dahinter mögen zwar nachvollziehbare und edle Motive stecken, aber ob die Online-Stromabrechnung und die Parkpickerl-App im Hintergrund über SQL oder eine Blockchain laufen, das wird denjenigen EndnutzerInnen, die bei beidem nicht wissen, was es ist, herzlich egal sein. Hauptsache es funktioniert, und das tut es ohne Blockchain auch.

Das Charakteristikum der Immutability ist per se nichts Gutes, es gibt Bereiche in der analogen und digitalen Welt, in denen es wichtig oder teilweise sogar essentiell ist, dass Daten verändert werden können. Beispielsweise wenn ein Fehler gemacht wurde. Oder stellen Sie sich vor, Sie werden zu Unrecht verurteilt und es würde in einer Blockchain gespeichert, stellen Sie sich vor jemand würde Sie besachwalten lassen, obwohl Sie komplett bei Verstand sind. Auch wenn das alles revidiert würde: Auf der Blockchain wäre es ewig. Eine dezent unangenehme Vorstellung.

Was übrig bleibt

Bitcoin. Vielleicht nicht buchstäblich und ausschließlich Bitcoin, aber als Sammelbegriff für “digitale Werteinheiten”. Die Anwendungsgebiete der Blockchain sind weitaus weniger, als Viele es in den Wirren des aktuellen Bullshit-Gewitters ausmachen können. Allerdings werden die falschen Versprechungen irgendwann in sich zusammenfallen und die Tokens, die einmal jeder haben musste und jetzt keiner mehr haben will in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Dann werden die Investorenquellen einfrieren und der ganze Kreislauf kommt zum erliegen. Es wird einen Winter geben.

Dieser dauert so lange, bis sich ein neuer Trieb durch die Schneedecke kämpft. Etwas Neues, tatsächlich Innovatives. Bei künstlicher Intelligenz war dieser Trieb die Wiederentdeckung der Deep Learning Algorithmen im Jahre 2012. Es war Tauwetter und seitdem haben sich die verhaltenen kleinen Bäche aus InvestorInnengeldern zu reissenden Flüssen entwickelt. Das könnte auch der Blockchain passieren, aber zuerst muss sie es durch den Winter schaffen.

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CTO Sebastian Baron, CEO Simon Valverde, Co-Founderin Helene Herrmann (c) Twine

Künstliche Intelligenz vereinfacht uns das Leben in vielen Bereichen und könnte uns in mancher Hinsicht sogar ersetzen. Bald wird KI möglicherweise in der Lage sein, menschliche Emotionen zu erkennen und nachzuahmen. Doch kann KI auch zwischenmenschliche Beziehungen einschätzen und für uns sogar das „Perfect Match“ finden?

Dieser Herausforderung nimmt sich Gründer und CEO Simon Valverde mit seinem PsyTech-Startup Ascalon an. Zusammen mit Kommiliton:innen entwickelte er während des Studiums die App Twine, die auf einer Matching-AI basiert. Durch die Verbindung von Psychologie und KI soll Twine Menschen zusammenbringen, die wirklich gut zueinander passen. Im Interview mit brutkasten gibt Simon Valverde einen Einblick in die Möglichkeiten, die sich hinter PsyTech verbergen.

Twine fokussiert sich auf Hobbys und Interessen

Die Entstehungsgeschichte von Twine begann in einem Studentenwohnheim in Salzburg, entstanden aus der Frustration, keine:n passende:n Partner:in für bestimmte Aktivitäten gefunden zu haben. Jede:r kennt das Problem: Man will ein Hobby oder Interesse teilen, aber im eigenen Umfeld findet sich niemand. Außerdem fiel dem Freundeskreis auf, dass Menschen generell immer weniger soziale Beziehungen eingehen würden.

Seit Oktober dieses Jahres kann das zehnköpfige Team aus Psychologie- und Data-Science-Studierenden oder -Absolvent:innen nun endlich sein Produkt präsentieren: Twine ist eine App, über die man durch gemeinsame Interessen und Freizeitaktivitäten neue Leute kennenlernen kann – „ohne Aufwand und mit der Gewissheit, dass man sich versteht“.

Hinter Twine steckt ein eineinhalb Jahre lang optimiertes Matching-AI-Modell. Sein Ziel war es, einen “Algorithmus zu entwickeln, der Leute zueinander bringt, die zueinander passen“, erklärt CEO Simon Valverde.

KI soll zwischenmenschliche Beziehungen verstehen

Das Besondere an Twine: Die Matches basieren auf psychologischen Erkenntnissen und werden mithilfe von KI ausgewählt. Das zugrunde liegende KI-Modell funktioniert wie folgt: Bei der Anmeldung beantwortet man einen Fragebogen, auf dessen Basis ein persönliches Charakterprofil erstellt wird. Dazu werden Informationen über die Persönlichkeit und Interessen der jeweiligen Person erhoben. Vor allem die Erwartungen und Bedürfnisse sind nach den Erkenntnissen der Sympathieforschung entscheidend für die zwischenmenschlichen Beziehungen. „Persönlichkeitsmerkmale müssen in Beziehungen gar nicht perfekt übereinstimmen,“ erklärt Valverde, der selbst Psychologie, Data Science und Wirtschaft in Salzburg studiert hat.

Die KI lernt kontinuierlich dazu: sie verarbeitet die Fragebögen sowie das Verhalten, die Interaktionen und das Feedback der Nutzer:innen, um immer besser zu erkennen, welche Eigenschaften und Erwartungen zusammenpassen. Bei einem Match erhält man einen individualisierten Text, der erklärt, warum die andere Person gut zu einem passt.

Das Twine-Team arbeitet aktuell an neuen Funktionen für die App. Zukünftig wird es möglich sein, eine ganze Gruppe für gemeinsame Aktivitäten zu finden oder die bestehende Freundesgruppe zu erweitern. Durch den Vergleich mit bestehenden Freundschaften soll die KI künftig noch besser verstehen, wie zwischenmenschliche Beziehungen funktionieren.

Startup möchte mit psychologischem KI-Modell in B2B-Bereich

Twine verzeichnet bereits erste Erfolge: Seit dem Start am 1. Oktober zählt die Matching-App 300 aktive Nutzer:innen, vorwiegend aus der Boulder-Community in Salzburg.

Aktuell wird das Projekt noch aus eigenen Mitteln finanziert, doch das Team hofft auf Investoren, um die Matching-KI weiter zu verbessern. „Diese App ist jedoch nur ein erster Schritt, um Social-AI-Modelle in einem realen Umfeld zu testen und weiterzuentwickeln,“ erklärt Valverde. Twine konzentriert sich derzeit vor allem auf den Customer-Proof und die Datensammlung, um das KI-Modell für den B2B-Bereich zu optimieren. Das langfristige Ziel sei es, einer KI das “soziale Judgement eines Psychologen” anzutrainieren. Diese Fähigkeit könne in vielen Bereichen Anwendung finden, etwa bei der Suche nach passenden Mitarbeiter:innen. Langfristig plant das Startup Ascalon, diese psychologischen KI-Modelle im B2B-Sektor zu monetarisieren.

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