05.04.2022

Bitpanda-HR-Chefin: “Wir sind keine Maschinen. Wir können nicht 24/7 auf Hochtouren laufen”

Unbegrenzter Urlaub für 1.000 Mitarbeiter:innen – die HR-Chefin von Bitpanda erklärt im Interview was das bedeutet und wie es funktioniert.
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Lindsay Ross übernimmt die Position des Chief Human Resources Officer bei Bitpanda
Lindsay Ross ist Chief Human Resources Officer bei Bitpanda | Foto: Bitpanda

Das Wiener Krypto-Unicorn Bitpanda hat mit einer ungewöhnlichen Work-Life-Balance-Maßnahme aufhorchen lassen: 1.000 Mitarbeiter:innen können soviel Urlaub nehmen, wann sie wollen. Die 25 gesetzlichen Tage, die es in Österreich gibt, gelten auch bei Bitpanda, wie HR-Chefin Lindsay Ross im Interview mit brutkasten erklärt – on top gäbe es aber so viele Urlaubstage, wie Mitarbeiter:innen benötigen, um sich zu erholen. Gleichzeitig gibt es für Mitarbeiter:innen, die gerade Eltern geworden sind, 20 Wochen bezahlte Elternzeit – unabhängig vom Geschlecht und Familienmodell. Im Interview erklärt Ross, wie das funktioniert und warum beide Maßnahmen wichtig sind.

brutkasten: Bitpanda bietet seit April unbegrenzten Urlaub – was war der Grund für diese Änderung?

Lindsay Ross: Die letzten zwei Jahre waren für uns bei Bitpanda eine wichtige Zeit, um darüber nachzudenken, wie wir arbeiten und wie wir unsere Teams am besten unterstützen können, unabhängig davon, von wo aus sie arbeiten. Es ist uns zunehmend klar geworden, dass sich die Art und Weise, wie wir zu arbeiten gewohnt sind, verändert hat. Deshalb investieren wir kontinuierlich in Wachstum, Gesundheit, Zufriedenheit und Freiheit unserer Mitarbeiter:innen, während wir gemeinsam an der Weiterentwicklung der Fintech-Branche arbeiten. Ein Baustein davon ist, dass wir allen 1.000 unserer hart arbeitenden Pandas unbegrenzten, voll bezahlten Jahresurlaub gewähren, weil wir wissen, dass wir uns schnell bewegen, uns stark auf den Impact und nicht auf die Anzahl der Arbeitsstunden konzentrieren (was anders ist als in vielen Unternehmen) und die Messlatte bei Bitpanda hoch liegt. Dieser Ansatz stellt sicher, dass unsere Mitarbeiter:innen die Freiheit und Flexibilität haben, ihr persönliches Gleichgewicht zwischen Arbeit und Privatleben zu finden und sich richtig aufzuladen, um ihr Bestes zu geben. Bitpanda ist das erste österreichische Unternehmen seiner Größe, das so viel Flexibilität bietet.

Es gibt Unternehmen, in denen ähnliche Regelungen dazu geführt haben, dass Arbeitnehmer weniger Urlaub nehmen. Außerdem muss der unbegrenzte Urlaub nicht im selben Jahr verbraucht werden, wie das ja bei begrenzten Urlaubstagen ist, und kann z. B. bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses nicht ausgezahlt werden. Wie geht ihr mit diesen Nachteilen um?

Ross: Die gesetzlichen 25 Urlaubstage gelten wie in allen anderen österreichischen Unternehmen auch bei Bitpanda. Auf dieser gesetzlich vorgeschriebenen Basis bauen wir auf und bieten “on top” unlimitierte Urlaubstage. Die Mitarbeiter:innen tragen durch unsere neuen Regelung keine Nachteile. Sie können die vorgeschriebenen 25 Urlaubstage und noch mehr bei uns in Anspruch nehmen. Um es klar zu sagen: Wir sind keine Maschinen. Wir können nicht 24/7 auf Hochtouren laufen. Wir sind Menschen, und wir brauchen Pausen. Das ist zu unserem eigenen Vorteil, denn Arbeitgeber:innen, die sich für ein Umfeld einsetzen, das die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben fördert, haben weniger Fehlzeiten, eine höhere Produktivität und ein loyales, produktives Team. Mitarbeiter:innen müssen sich erholen, egal wie schnell das Unternehmen wächst. Bei unserer ersten Recharge Break im Jahr 2021 ging es genau darum: Unsere Mitarbeiter:innen konnten sich wirklich zurückziehen und abschalten, ohne die typische “Angst, etwas zu verpassen” oder den Druck, immer noch “dabei zu sein”. Dieses Jahr gehen wir noch einen Schritt weiter und veranstalten zwei spezielle Recharge Breaks, um den Teams den dringend benötigten Schwung zu geben.

Gibt es für den unbegrenzten Urlaub Regeln – zum Beispiel eine Fair-Use-Policy?

Ross: Wie der Name schon sagt: Es gibt keine Grenzen. Es ist jedoch wichtig, dass sich Mitarbeiter:innen mit ihren Kolleg:innen und Teamleiter:innen abstimmen, um Erwartungen zu definieren und einen kontinuierlichen Betrieb zu gewährleisten. Auf diese Weise können Teammitglieder flexibel arbeiten, wie, wann und wo es ihnen am besten passt.

Bitpanda führt auch 20 Wochen Elternzeit ein – unabhängig vom Familienmodell für Mütter und Väter. Ist das eine symbolische Geste, da es ohnehin unbegrenzten Urlaub gibt?

Ross: Das ist nicht symbolisch. Es geht darum, neue Eltern und Bezugspersonen besser zu unterstützen. Die Pandemie hat die Herausforderungen, mit denen Familien, die Babys und Kinder betreuen, konfrontiert sind, ins Rampenlicht gerückt und sogar noch verschärft. Es ist uns wichtig, unseren Teammitgliedern die Möglichkeit zu geben, ihre beruflichen und privaten Verpflichtungen miteinander zu vereinbaren. Deshalb gehen wir noch einen Schritt weiter, und Bitpanda hat seinen Urlaub auf 20 Wochen bezahlte Freistellung für alle neuen Eltern durch Geburt, Leihmutterschaft oder Adoption erhöht – unabhängig vom Status des Betreuers oder der Betreuerin.

Welche Rolle spielt die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei Bitpanda?

Ross: Das neue, umfassende Benefit-Paket von Bitpanda ist ein weiterer Schritt auf dem Weg, unseren Mitarbeiter:innen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeit und familiären Aufgaben zu ermöglichen. Generell werden viele neue Eltern ohne Maßnahmen wie flexible Arbeitszeiten und Familienunterstützung nicht in der Lage sein, ins Berufsleben zurückzukehren und dort erfolgreich zu sein.

Die Startup-Szene ist für lange Arbeitstage bekannt – wie kann man unterstützen, dass Mitarbeiter:innen ein Gleichgewicht zwischen Engagement und Spaß an der Arbeit und einem gesunden Maß an Entspannung finden?

Ross: Wir ermutigen jedes einzelne Teammitglied, darüber nachzudenken, wie es am besten ein gesundes Gleichgewicht zwischen Beruf und Privatleben herstellen kann. Bei einer guten Work-Life-Balance geht es weniger darum, die Stunden des Tages gleichmäßig zwischen Arbeit und Privatleben aufzuteilen. Vielmehr geht es darum, die Flexibilität zu haben, Dinge zu erledigen und im Berufsleben etwas zu bewirken, während man noch Zeit und Energie hat, sein Privatleben zu genießen. Es mag Tage geben, an denen man länger arbeitet, um später in der Woche Zeit für andere Aktivitäten zu haben. Genau darum geht es – jedem und jeder Einzelnen die Freiheit und Flexibilität zu geben, das zu tun, was für sie oder ihn am besten ist.

DisclaimerDie Bitpanda GmbH ist mit 3,9849 % an der Brutkasten Media GmbH beteiligt.

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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer)
Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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Die Partner von No Hype KI
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