04.05.2016

Bereits Gesellschafter einer GesbR ohne es zu wissen?

Viele Gründer wissen nicht, dass Sie bereits ein Unternehmen gegründet haben. Denn die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GesbR) ist die erste Rechtsform, die ein Start-Up automatisch per Gesetz hat, sobald bestimmte Schritte gesetzt wurden. Christoph Schmid von CMS in Österreich wirft einen genauen Blick darauf, wie Gründer ungewollte Rechtsfolgen vermeiden können.
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Managing Corporate Lifecycles by Ichak Kalderon Adizes (Santa Barbara, CA: Adizes Institute Publications, 1999)

Ja, es ist möglich bereits in der Garage eines Freundes Gesellschafter eines Unternehmens zu werden. Und nochmals ja, dies auch dann, wenn nichts unterschrieben wurde. Laut Adizes© Corporate Lifecycle wird das frühste Stadium eines Unternehmens „Courtship“ genannt. Bei diesem sinngemäßen „Balzverhalten“ geht es darum sich zusammenzuschließen, um eine gemeinsame unternehmerische Idee zu verfolgen und umzusetzen – dies ist jedoch bereits die Geburtsstunde des Unternehmens. Gesetzliche Regelungen, Rechtsfolgen und -tipps können für Gründer in dieser Phase von ganz entscheidender Bedeutung sein.

Willkommen in der GesbR

Ganz egal ob Sie gemeinsam mit Freunden die Idee geboren haben, eine neuartige App zu entwickeln oder ein Getränk auf den Markt zu bringen, Sie haben tatsächlich bereits dann ein Unternehmen gegründet, sobald Sie sich mit zumindest einer weiteren Person durch Vertrag zusammenschließen, um „mit einer bestimmten Tätigkeit einen gemeinsamen Zweck zu verfolgen“. Gerade für Nicht-Juristen ist dabei wohl verwunderlich, dass der Terminus „Vertrag“ keineswegs das Erfordernis eines Schriftstückes bedeutet. Ein solcher Vertrag kann nämlich auch völlig formfrei, also auch mündlich und theoretisch einfach durch ein entsprechendes Verhalten geschlossen werden. Anders gesagt, sind weder eine Unterschrift noch eine schriftliche Ausfertigung dieses Vertrages nötig. Vielmehr wurde oder wird bereits zum Zeitpunkt der übereinstimmenden Willenserklärungen, gemeinsam unternehmerisch tätig zu werden, ein Unternehmen gegründet.

Sofern keine andere Rechtsform gewählt wurde, gibt es für ein solches formfrei gegründetes Unternehmen sogar ein eigenes – wenn auch nicht rechtsfähiges (d.h. nicht fähig selbst Träger von Rechten und Pflichten zu sein) – Rechtskonstrukt: die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GesbR). Schon die Gründung dieser GesbR zieht beträchtliche Rechtsfolgen nach sich, die in Österreich seit 2015 speziell im GesbR-Reformgesetz klarer als davor geregelt sind.

Gute Freunde – strenge Rechnung

Bereits in dieser allerersten Unternehmensphase empfiehlt es sich jedoch, den Umfang und die Rahmenbedingungen der Tätigkeit möglichst genau festzulegen und dies auch schriftlich festzuhalten. Auch wenn es in dieser Phase normal ist, dass alles auf einmal erledigt werden muss, Rollen noch nicht klar verteilt sind und das Umsetzen der unternehmerischen Idee im Vordergrund steht, sollte man sich Zeit nehmen, um klare Vereinbarungen für das gemeinsame unternehmerische Handeln zu treffen. Denn für alles, das nicht vereinbart wird, gelten sonst gesetzliche Regelungen, ob es Ihnen gefällt oder nicht bzw. ob Sie diese kennen oder nicht.

Natürlich erscheinen zu diesem Zeitpunkt wirtschaftliche Überlegungen für das Produkt, Markteintritt und Finanzierung am wichtigsten und man denkt typischerweise an alles andere als zukünftigen Streit unter den Gesellschaftern, dennoch sollten Sie versuchen potenzielle Konflikte zu antizipieren. Auch wenn anfänglich unter Gründern meist euphorische Stimmung herrscht und dieser „Entrepreneurial Spirit“ nicht getrübt werden soll, ist es besonders wichtig, von Vornherein Klarheit zu schaffen was Beteiligung und Gewinnausschüttung, Vermögenseinbringung, Vertretung nach außen, Haftung oder auch Aufnahme und Ausscheiden von Gesellschaftern betrifft.

It’s all about the money

Um als Unternehmen tätig zu werden, benötigen Sie Startkapital. Wenn Sie selbst Kapital einbringen, ob als Bareinlage oder als Sacheinlage (z.B. ein Fahrzeug), wird dieses zum Gesellschaftsvermögen. Durch die fehlende Rechtsfähigkeit einer GesbR gehört das Gesellschaftsvermögen jedoch nicht der Gesellschaft, sondern den Gesellschaftern. Als Gesellschafter sind Sie also ein sogenannter Miteigentümer von körperlichen Sachen, die in die Gesellschaft eingebracht wurden. Dies bedeutet auch, dass Sie, sobald Sie etwas einbringen, über die Sache als Ganzes nicht mehr alleine verfügen können. Sachenrechtlich gesehen könnten Sie zwar über Ihren sogenannten ideellen Miteigentumsanteil allein verfügen, schuldrechtlich betrachtet dürfen Sie dies allerdings im Innenverhältnis gegenüber Ihren Mitgesellschaftern nicht. Ein Beispiel: Wenn Sie zu 50% am Unternehmen beteiligt sind, können Sie theoretisch Ihren 50% Anteil an einer eingebrachten Immobilie verpfänden. War diese Verpfändung allerdings nicht von den Mitgesellschaftern genehmigt, machen Sie sich damit gegenüber den anderen Gesellschaftern haftbar. Für Verfügungen braucht es also die Zustimmung aller Gesellschafter – es sei denn, dies wurde anders geregelt.

Für unkörperliche Sachen (z.B. Geldforderungen) gilt Gesamthandeigentum. Dieses unterscheidet sich vom Miteigentum insofern, als dass es keine ideellen Anteile gibt. Verfügungen können auch hier nur alle Gesellschafter gemeinsam treffen.

Es gibt aber auch die Möglichkeit Vermögen derart in die Gesellschaft einzubringen, das man als Gesellschafter weiterhin alleiniger Eigentümer bleibt und die Gesellschaft diese eingebrachten Sachen lediglich nutzen darf. Eine weitere Option wäre eine Regelung, wonach man Eigentümer der eingebrachten Sache bleibt, diese jedoch im Innenverhältnis der Gesellschaft wirtschaftlich wie Eigentum der Gesellschafter zu behandeln ist.

Gründer aufgepasst: Seien Sie also bei Einbringungen von Sachen in das Unternehmen vorsichtig und stellen Sie klar, ob Sie lediglich den Gebrauch oder die ganze Sache in das Gesellschaftsvermögen einbringen möchten. Denn wird keine Regelung getroffen, wird gemäß
§ 1180 Abs. 1 ABGB vermutet, dass die Sache ins Miteigentum der Gesellschafter übergegangen ist bzw. Forderungen den Gesellschaftern zur gesamten Hand zugeordnet werden. Wenn Sie ihr Eigentum an einer eingebrachten Sache nicht verlieren möchten, ist dies entsprechend zu vereinbaren.

Das der GesbR gewidmete Gesellschaftsvermögen wird auch als Sondervermögen bezeichnet und ist vom Privatvermögen der einzelnen Gesellschafter zu trennen. Wie über dieses verfügt werden darf, sollte tunlichst klar vereinbart werden, denn durch unbefugte Entnahmen (z.B. Geldentnahmen) können Sie im schlimmsten Fall sogar strafrechtlich belangt werden (z.B. wegen Veruntreuung). Sofern nicht anders vereinbart, sind Verfügungen im Einklang mit allen anderen Gesellschaftern zu treffen.

Wer darf die GesbR nach außen vertreten?

Zuallererst ist hier zu erwähnen, dass es grundsätzlich möglich ist, dass Sie als Gesellschafter durch das Handeln anderer Gesellschafter verpflichtet werden, das Unternehmen rechtswirksam nach außen zu vertreten – auch wenn dies gegen Regeln im Innenverhältnis gegenüber den Mitgesellschaftern verstößt. Ein solcher Verstoß kann zwar Schadenersatzpflichten auslösen, ist aber im Innenverhältnis gegenüber dem pflichtwidrig handelnden Gesellschafter geltend zu machen. Geschäfte mit außenstehenden und gutgläubigen Dritten sind dennoch gültig. So können Sie dieses Geschäft zwar nicht mehr rückgängig machen, allerdings durchaus den pflichtwidrig handelnden Gesellschafter belangen.

Grundsätzlich geht das Gesetz davon aus, dass sich bei der GesbR die Geschäftsführungsbefugnis mit der Vertretungsbefugnis im Außenverhältnis deckt. Im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gilt seit der jüngsten GesbR-Reform Alleinvertretungsbefugnis mit Widerspruchsrecht jedes anderen Gesellschafters. Dritte dürfen auf die Einzelvertretungsbefugnis jedes Gesellschafters vertrauen – es sei denn, der Mangel der Vertretungsbefugnis war ihnen bekannt oder hätte ihnen auffallen müssen. Daraus ergibt sich nun für jeden Gesellschafter die Gefahr, aus Alleingängen eines anderen Gesellschafters verpflichtet zu werden. Umgekehrt könnten auch Sie als Gesellschafter jederzeit Geschäfte abschließen, die andere Gesellschafter mitverpflichten.

In Summe bedeutet dies: Sollten Sie Ihre Befugnis überschreiten, können Sie im Nachhinein gegenüber einem Dritten nicht geltend machen, dass Sie ja zum Abschluss des Geschäfts gar nicht befugt gewesen wären. Gleichzeitig können gegen Sie Schadenersatzforderungen Ihrer Mitgesellschafter entstehen.

Vorsicht Pflichten!

Mit der bewussten oder auch unbewussten Gründung einer GesbR übernehmen Sie gegenüber Mitgesellschaftern eine Mitwirkungs-, Interessenwahrungs- und Gleichbehandlungspflicht. Erstere heißt für alle Gründer sich bewusst zu sein, dass Untätigkeit im Unternehmen Folgen haben kann. Zweitere wiederum meint, dass mit dem Handeln die Interessen der Gesellschaft zu wahren sind und Gesellschafter einem Wettbewerbsverbot unterliegen. Sind Gesellschafter zum Beispiel bereits im gleichen Geschäftsbereich wie die GesbR tätig, ist sicherzustellen, dass dies allen Gesellschaftern von Beginn an bekannt ist, und zu vereinbaren, dass Sie Ihre sonstigen Tätigkeiten weiter ausüben.

Ansonsten wäre eine Situation denkbar, die zu Rechtsverletzungen führen kann. Geht ein Gesellschafter einer GesbR einer hauptberuflichen Tätigkeit nach und beschließt nach Gründung, eine gemeinsame Geschäftsidee lieber im Rahmen dieser unselbständigen Tätigkeit für seinen Arbeitgeber umzusetzen, entsteht hier ein Schaden für die GesbR und die Interessen der anderen Gesellschafter sind verletzt. Ein derartiges Verhalten könnte den Ausschluss aus der GesbR mittels Klage und Schadenersatzforderungen der anderen Gesellschafter zur Folge haben – all dies wohlgemerkt auch dann, wenn einem nicht bewusst war, dass man bereits eine GesbR gegründet hat und dadurch Pflichten entstanden sind.

Als Gesellschafter einer GesbR kann man unter Umständen auch dazu verpflichtet werden, einen Nachschuss in das Gesellschaftsvermögen zu leisten, selbst wenn diese Nachschusspflicht nicht vereinbart war. Denn für den Fall, dass die Gesellschaft sonst nicht mehr fortführbar wäre, genügt ein Mehrheitsbeschluss der Gesellschafter zur Leistung eines Nachschusses. Hier überstimmte Gesellschafter können dann entweder freiwillig austreten oder mittels Klage der übrigen Gesellschafter ausgeschlossen werden.

Kündigung mit Folgen

Ein zweifelsohne unangenehmes Thema, über das sich allerdings besser früher als später Gedanken zu machen ist, betrifft Kündigungsrechte bzw. den Ausschluss von Gesellschaftern. Gerade im Lichte der neuen GesbR-Reform erhält dieses Thema besondere Brisanz. Nach neuer Rechtslage können Gesellschaftsverhältnisse lediglich zum Ende eines Geschäftsjahres unter Einhaltung einer 6-monatigen Kündigungsfrist gekündigt werden. Erleichternde Regelungen sind zwar zulässig, müssen aber natürlich vorab vereinbart werden.

Dabei hat bereits die Kündigung nur eines Gesellschafters grundsätzlich die Auflösung der Gesellschaft zur Folge. Allerdings können die verbliebenen Gesellschafter die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen. Dies verhindert, dass der kündigende Gesellschafter die Herausgabe des auf ihn entfallenden Teils des Realvermögens in natura erzwingen kann. Aus anderer Sicht betrachtet: Bei Kündigung ist nicht damit zu rechnen, dass man eingebrachte Sachen in natura wieder zurückbekommt. Nur unter Umständen wird der Wert in Geld erstattet. Diese Bewertung ist oft Gegenstand einer Streitfrage und wird vor Gericht im worst case von einem Sachverständigen vorgenommen, der sich in seinem Gutachten an unteren Mittelwerten orientiert.

Wie werden Sie unangenehme Gesellschafter wieder los?

Gerade bei Gesellschaftern, die lediglich aufgrund eines finanziellen Engagements in die Gesellschaft aufgenommen wurden, könnte sich diese Frage stellen. Denn möglicherweise tragen diese in weiterer Folge wenig zur Geschäftstätigkeit der Gesellschaft bei, blockieren mit Widersprüchen wichtige Geschäftsführungsmaßnahmen und verfolgen komplett andere Interessen als die übrigen Gesellschafter. Die Gesellschaft finanziert sich mittlerweile aber selbst, ist nicht mehr auf Finanzspritzen des unleidlichen Gesellschafters angewiesen und würde ein weit besseres Ergebnis erwirtschaften, wenn die Strategie der übrigen Gesellschafter verfolgt werden würde.

Solch lästige Gesellschafter können jedoch lediglich bei Vorliegen eines wichtigen Grundes mit einer gerichtlichen Klage ausgeschlossen werden. Vor diesem Hintergrund ist es ungemein wichtig, sich genau zu überlegen, mit wem man gemeinsam ein Unternehmen gründet. Denn die zwingende Prozessführung ist besonders für die übrigen Gesellschafter riskant und beschwerlich, wenn der auszuschließende Gesellschafter aufgrund seiner finanziellen Ressourcen im Prozess längeren Atem hat. Auch ist dabei zu beachten, dass ein Ausschluss auf diesem Weg auch nur mittels gemeinsamer Klage aller übrigen Gesellschafter möglich ist.

Wenn Sie die eben skizzierte unangenehme Situation vermeiden möchten, vereinbaren Sie, wann ein Ausschluss eines Gesellschafters möglich sein soll. Im Speziellen empfiehlt es sich, den Prozesszwang vertraglich abzubedingen.

Kurz zusammengefasst

Sie befinden sich durchaus schon in einer gesetzlich klar geregelten Unternehmensform, auch wenn Sie sich dessen noch gar nicht richtig bewusst sind. Bereits ab dem Zeitpunkt, in dem Sie mit Ihren Partnern beschließen gemeinsam „mit einer bestimmten Tätigkeit einen gemeinsamen Zweck zu verfolgen“ sind Sie Gesellschafter einer GesbR.

Um bösen Überraschungen vorzubeugen, sollten Sie schon zu Beginn grundsätzliche Regelungen hinsichtlich

  • (Gewinn-) Beteiligung bzw. Ausschüttung
  • Vermögenseinbringung
  • Geschäftsführung und Vertretung nach außen
  • Arbeitsleistung
  • Nebengeschäfte
  • Haftung
  • Aufnahme/Ausscheiden von Gesellschaftern

vereinbaren. Am besten schriftlich in Form eines grundsätzlichen Gesellschaftsvertrages, selbst wenn Sie sich vielleicht noch keine fundierte juristische Beratung leisten können.

Schließlich geht es bei allen diesen Themen darum, gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Für vieles, das nicht vereinbart ist, greifen ansonsten gesetzliche Regelungen, die Ihnen später unter Umständen zur Last fallen. Für Gründer gilt: „Vorbeugen ist weit besser als heulen und heilen.“

Autor: Christoph Schmid ist Associate bei CMS Wien, [email protected]

Rückfragen:
Gregor Famira, Partner und Ansprechpartner für Startups bei CMS in Wien, [email protected]

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Also doch Blau-Schwarz. Nach dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und Neos und dem Rücktritt von Karl Nehammer als ÖVP-Chef und Bundeskanzler starten nun Koalitionsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP. Vor allem im Ausland wird auf die Aussicht auf einen Bundeskanzler Herbert Kickl mit Besorgnis reagiert. Auch im Inland sind sehr viele Menschen, die nicht die FPÖ gewählt haben, nicht glücklich damit.

Viele wirtschaftspolitische Überschneidungen

Eine relativ breite Zustimmung für Blau-Schwarz gibt es allerdings laut Medienberichten im Wirtschaftsflügel der ÖVP. Das hat gute Gründe, denn bei vielen von der ÖVP im Wahlprogramm geforderten wirtschaftspolitischen Maßnahmen dürfte man mit der FPÖ deutlich leichter auf einen gemeinsamen Nenner kommen, als es mit der SPÖ der Fall gewesen wäre. Die starken Differenzen in diesem Bereich dürften auch einer der Hauptgründe für das Platzen der schwarz-rot-pinken Koalitionsverhandlungen gewesen sein – auch für die Neos, die sich mit der ÖVP allein gut einigen hätten können, nicht aber mit der SPÖ.

Gute Chancen für Konsens bei zentralen Startup-Politik-Anliegen

Blau-Schwarz – sofern diese Verhandlungen nicht ebenfalls scheitern – bedeutet somit auch für die Startup-Politik relativ gute Chancen auf die Umsetzung einiger zentraler Forderungen der Community. Die größten Anliegen wurden bekanntlich vergangenes Jahr im Papier “Vision 2030” veröffentlicht.

Beteiligungsfreibetrag: Eigentlich Einigkeit, aber Sparpaket könnte zum Dealbreaker werden

Drei zentrale Forderungen hat die ÖVP explizit in ihr Wahlprogramm aufgenommen: Den Dachfonds, den Beteiligungsfreibetrag und die Reform des Wagniskapitalfondsgesetzes. Bei der FPÖ fanden sich diese zwar nicht explizit im Wahlprogramm, eine Einigung scheint aber bei allen drei realistisch. So hieß es vom “Bürgerbüro Team Kickl” auf brutkasten-Anfrage vor der Wahl, man wünsche sich “rechtliche Anpassungen für Risikokapitalgeber, etwa in Form von steuerlichen Begünstigungen” – sowohl für den Beteiligungsfreibetrag als auch für die Reform des Wagniskapitalfondsgesetzes im Sinne der Startup-Community ist damit die Tür geöffnet. Der wegen des Budget-Lochs angesagte Sparkurs könnte jedoch eine Steuerbegünstigung für Investor:innen gegenüber der breiten Bevölkerung schwer argumentierbar machen.

Dachfonds: Unterschiedliche Ansichten, aber Chance auf Einigung

Etwas schwieriger könnte eine prinzipielle Einigung beim Dachfonds werden. Von der FPÖ hieß es vor der Wahl auf brutkasten-Anfrage, Österreich müsse “rasch einen Venture-Capital-Fonds einrichten, der dabei hilft, die schwierigen Anfangsphasen für heimische Neugründungen im Technologiebereich zu bewältigen”. Das wäre ein Gegenmodell zum geforderten Dachfonds, der als “Fund of Funds” nur in Fonds investiert und auch nicht staatlich finanziert, sondern nur organisiert wird. Dass die FPÖ sich hier umstimmen lässt, scheint zwar gut möglich – denn bei den Freiheitlichen dürfte aus ideologischer Sicht nichts gegen das Dachfonds-Modell sprechen.

Die FPÖ ist aber freilich durch ihren Mandate-Überhang in der besseren Verhandlungsposition und könnten auch versuchen, ihr Modell durchzubringen. Wenn das Thema denn überhaupt wichtig genug für die verhandelnden Parteien ist – letztlich kann mit einer gewissen Sicherheit angenommen werden, dass startup-politische Maßnahmen von keiner Seite zur Koalitionsbedingung gemacht werden.

Lohnnebenkosten-Senkung: Ein Wille, aber im Budget-Loch womöglich kein Weg

Auch bei einer Reihe nicht startup-spezifischer, aber durchaus startup-relevanter wirtschaftspolitischer Maßnahmen könnten Blau und Schwarz gut zusammenfinden. Zu nennen wäre hier etwa eine Senkung der Lohnnebenkosten, die prinzipiell beide Parteien in ihren Wahlprogrammen hatten. Hier könnte allerdings einmal mehr die Notwendigkeit rigider Sparmaßnahmen aufgrund der budgetären Situation einen Strich durch die Rechnung machen. Zwar gibt es bei den beiden Parteien einen Konsens, ausgaben- und nicht einnahmenseitig sparen zu wollen. Doch auch wenn man sich darauf einigt, keine Steuern erhöhen oder einführen zu wollen, sind Steuer- und Abgabensenkungen im großen Stil, wie es bei der Lohnnebenkostensenkung (oder etwa auch bei einer Senkung der Körperschaftssteuer, wo ebenfalls Konsens besteht) der Fall wäre, wohl ob der notwendigen Gegenfinanzierung momentan schwer umzusetzen.

Bürokratieabbau: Wohl mehr Ausnahmen als Maßnahmen

Der Bürokratieabbau ist ein weiteres Thema, bei dem FPÖ und ÖVP – geht man nach den Wahlprogrammen – gut zusammenpassen. Tatsächlich scheint die ÖVP bei diesem Thema aber ziemlich selektiv zu sein, wie Medienberichte zu Konflikten zwischen Pink und Schwarz in den geplatzten Koalitionsverhandlungen nahelegen. Mächtige Blöcke innerhalb der Partei wie die Landesorganisationen, die Beamtengewerkschaft und der Wirtschaftsbund verhindern demnach Bürokratieabbau-Maßnahmen in ihren jeweiligen Bereichen. Die FPÖ wiederum dürfte definitiv nicht für einen weiteren Wegfall von Notariatspflichten zu haben sein, ebenso wenig, wie für weitere Erleichterungen bei der Rot-Weiß-Rot-Karte. Unterm Strich ist das Potenzial in dem Bereich also eingeschränkt.

Nachhaltigkeit im Out

Und es gibt auch einige Bruchlinien zwischen FPÖ und ÖVP, die sich auf die Startup-Politik auswirken könnten. Zu nennen wären hier neben der bereits genannten Rot-Weiß-Rot-Karte etwa die Differenzen in der EU-Politik. Ebenso könnte die Anti-Klimaschutz-Politik der FPÖ Auswirkungen auf Startups haben, etwa im Bereich Förderungen, die im Zuge der Sparmaßnahmen ohnehin auf der Abschussliste stehen dürften. Nachdem ein signifikanter Anteil der Startups in den vergangenen Jahren Nachhaltigkeit zu einem der Kernziele erhoben hat, könnte hier generell eine nicht förderliche Gesetzgebung zum Problem werden.

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