21.08.2019

Zehn Jahre myAbility: Es gibt noch immer viel zu tun

Im vergangenen Jahr ist die Arbeitslosenquote von Menschen mit Behinderung zwar gesunken, dennoch liegt sie über dem restlichen Österreich-Durchschnitt. Manche Unternehmen preschen aber vor - und profitieren von den motivierten Mitarbeitern.
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myAbility
Gregor Demblin hat 2009 mit der Arbeit an myAbility begonnen. (c) Lukas Ilgner

Helen hat eine Sehbehinderung und ist auf Jobsuche. Vor zehn Jahren wäre sie auf herkömmliche Jobbörsen angewiesen gewesen. Sie hätte, um ein Jobinterview zu bekommen, ihre Behinderung verschwiegen – denn viele Menschen glauben noch, dass sie durch ihre Behinderung nicht arbeitsfähig ist.

+++myAbility: “Menschen mit Behinderung sind Leistungsträger”+++

Heute hat sich die Situation im Vergleich zu früher zumindest in manchen Punkten verbessert. Menschen wie Helen finden auf Plattformen wie myAbility.jobs mehrere passende Stellenausschreibungen von Unternehmen, die keine Berührungsängste gegenüber Menschen mit Behinderung haben. Die entsprechenden HR-Verantwortlichen sind durch diverse Awareness-Schulungen für das Thema sensibilisiert worden. Helen erhält die Unterlagen in digitaler Form, so dass ihr Screenreader sie vorlesen kann. Und wenn sie den Job bekommt, dann wird der Arbeitsplatz an ihre Bedürfnisse angepasst – etwa durch einen besonders großen PC-Bildschirm mit ausreichend viel Kontrast.

Die Quadratur des Kreises

Gregor Demblin skizziert Beispiele wie jenes von Helen, um zu zeigen, wie der Arbeitsmarkt heute auf Menschen mit Behinderung reagieren kann. Er hat vor zehn Jahren gemeinsam mit Wolfgang Kowatsch die inklusive Jobplattform Career Moves (jetzt myAbility.jobs) für Menschen mit Behinderung geschaffen, 2014 gründete das Duo myAbility: Eine Unternehmensberatung mit der sozialen Mission, aus der Wirtschaft heraus eine chancengerechte und barrierefreie Gesellschaft zu schaffen.

+++ Behinderung als Chance und wirtschaftliches Potenzial +++

“Unser Projekt war die Quadratur des Kreises”, sagt Demblin zum zehnjährigen Jubiläum: “Wir versuchten, Geld von den Unternehmen dafür zu bekommen, dass wir ihnen die vermeintlich schlechtesten Mitarbeiter bringen.” Doch der Erfolg gibt ihm Recht: Inzwischen hat myAbility mit 200 Großunternehmen strategisch zusammen gearbeitet, 30.000 Jobangebote für Menschen mit Behinderung veröffentlicht und über 6000 Führungskräfte mit Sensbilisierungsmaßnahmen und Schulungen erreicht.

Schwierige Lage am Arbeitsmarkt

Trotz all dem ist die Lage am Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung nach wie vor schwierig. Die Arbeitslosenquote sogenannter begünstigt behinderter Menschen – also laut Definition mit einem Grad an Behinderung von mehr als 50 Prozent –  ist zwar von 9 Prozent im Jahr 2017 auf 8,1 Prozent  im Vorjahr gesunken. Damit lag sie jedoch immer noch über der gesamten Arbeitslosenquote (2017: 8,5 Prozent, 2018: 7,7 Prozent).

+++Exoskelett: MyAbility-Founder holt bionischen Anzug nach Österreich+++

Parallel dazu ist die Beschäftigung begünstigt behinderter Menschen 2018 um 2,4 Prozent gestiegen und lag damit über dem allgemeinen Beschäftigungswachstum. Allerdings waren 2018 nur 56,3 Prozent der begünstigt Behinderten erwerbstätig, was deutlich unter der Erwerbstätigkeitsquote in der Gesamtbevölkerung liegt.

Insgesamt leben in Österreich rund 1,7 Millionen Menschen mit Behinderung. Nur ein Bruchteil von ihnen hat den Begünstigtenstatus, nämlich 110.741. Der überwiegende Teil hat keinen – sei es, weil die formellen Voraussetzungen nicht erfüllt sind oder weil Betroffene ihn nicht beantragt haben. Im Jahr 2018 machte die Gruppe der Menschen mit Begünstigtenstatus oder gesundheitlichen Vermittlungseinschränkungen 24 Prozent aller Arbeitslosen aus.

Behinderteneinstellungsgesetz und Ausgleichstaxe

Theoretisch sind Unternehmen, die mehr als 25 Mitarbeiter haben, laut dem Behinderteneinstellungsgesetz verpflichtet, pro 25 Mitarbeiter mindestens einen Menschen mit Behinderung einzustellen. Kommen sie dieser Verpflichtung nicht nach, so müssen sie eine sogenannte Ausgleichstaxe zahlen. Je nach Betriebsgröße sind dies im Jahr 2019 zwischen 262 und 391 pro Monat und offener Pflichtstelle.

+++Mehr Tipps und News zu Human Resources im HR-Channel des brutkasten+++

“Aktuell sind in Österreich 16.095 Betriebe ausgleichstaxenpflichtig”, sagt Johannes Kopf, Vorstandsmitglied des AMS Österreich: Davon haben 11.366 Betriebe keine einzige Person mit Behinderung beschäftigt. Zugleich verweist Kopf darauf, dass das AMS von myAbility die Idee “geklaut” habe, dass Unternehmen bewusst nach Mitarbeitern mit Behinderung suchen können: “Wir haben aktuell fast 3.300 freie Stellen, bei denen extra darauf hingewiesen wird, dass Menschen mit Behinderung gerne aufgenommen werden.”

Das sei erstens auf die Bewusstseinsbildung durch Unternehmen wie myAbility zurück zu führen, zweitens aber auch auf den Fachkräftemangel: In dem folgenden Informationsvideo weist das AMS Arbeitgeber darauf hin, dass sie sehr wohl die richtigen Experten am Arbeitsmarkt finden können, wenn sie bereit sind, diverse Vorurteile abzubauen – sei es bezüglich Geschlecht, Alter, Nationalität oder eben einer Behinderung.

Umdenken bei den Unternehmen

Zugleich findet bei diversen Unternehmen ein Umdenken statt – zum Beispiel bei der REWE Group. Caroline Wallner-Mikl, Disability Managerin bei der österreichischen REWE Group, betont dabei auch, dass diese Strategie nicht nur Selbstzweck ist, sondern auch einen unternehmerischen Mehrwert bietet: Mitarbeiter mit Behinderung haben im Durchschnitt eine längere Betriebszugehörigkeit als andere Mitarbeiter und gehen generell sehr motiviert an ihren Job heran. Mehr dazu erläutert sie gemeinsam mit Gregor Demblin im nachfolgenden Video-Interview mit dem brutkasten.

Live-Talk mit myAbility und REWE Group

Interview mit Gregor Demblin von myAbility und Caroline Wallner-Mikl von der REWE Group über die Job-Situation für Menschen mit Behinderungen.

Gepostet von DerBrutkasten am Mittwoch, 21. August 2019


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GemeinsamErleben-CEO Alexander Lendl | (c) GemeinsamErleben

200 Millionen Seitenaufrufe pro Monat, mehr als 1.000 Neuregistrierungen pro Tag, 20.000 monatlich organisierte Aktivitäten und nun insgesamt mehr als eine Million Mitglieder – diese Zahlen veröffentlichte das 2019 gegründete Wiener Scaleup Synexit nun über seine Freizeit- und Sport-Plattform GemeinsamErleben.

“Kampf gegen die Einsamkeit” im Zentrum

Über die Plattform werden in 70 “Themen-Communities” gemeinsame Aktivitäten organisiert, wobei die Teilnehmer:innen sich dazu nicht vorher kennen müssen. In der Kommunikation von GemeinsamErleben ist klar: Im Zentrum steht der “Kampf gegen die Einsamkeit”. Damit schaffe man auch gesellschaftlichen Mehrwert. Und das Angebot sei gerade in den anstehenden Feiertagen wichtig. “Niemand sollte die Festtage alleine verbringen müssen”, wird CEO Alexander Lendl in einer Aussendung zitiert. “Es ist an der Zeit, das Thema Einsamkeit zu enttabuisieren und offen darüber zu sprechen.”

Übernahme des größten Mitbewerbers im DACH-Raum 2021

Das Konzept scheint – folgt man den Zahlen – aufzugehen. Man zeige, “dass auch Startups im Bereich des sozialen Miteinanders skalieren können”, heißt es vom Unternehmen. Synexit hat 2021 den größten deutschen Mitbewerber Spontacts vom Medienkonzern ProSiebenSat.1 für einen nicht genannten Betrag übernommen – brutkasten berichtete und Lendl war damals in Video-Talk zu Gast.

GemeinsamErleben “stellt Weichen” für weitere Internationalisierung

Seitdem baute GemeinsamErleben seine Kund:innenbasis im DACH-Raum deutlich aus – die Zahl der monatlichen Neuregistrierungen habe sich in der Zeit um mehr als 1.000 Prozent gesteigert, heißt es vom Scaleup. Mittlerweile würde man auch bereits “die Weichen für eine Internationalisierung in neue Sprachregionen” über den DACH-Raum hinaus stellen. Zudem stehe ein großes Plattform-Update bevor.

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