27.03.2023

Ganz ehrlich: Mein Bargeldexperiment läuft schlecht

Wille alleine reicht nicht - und die Alternativen sind leider sehr verlockend. Ich zahle öfter mit Bargeld, aber als Erfolg kann ich das Experiment bisher nicht bezeichnen.
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brutkasten-Kolumnist Niko Jilch vor Euro-Geldscheinen
brutkasten-Kolumnist Niko Jilch | Foto: brutkasten/Adobe Stock

Vor einigen Monaten habe ich mir selbst öffentlich eine Challenge gestellt: Bargeld. Immer und überall. Warum? Weil ich es kann, weil es viele gute Gründe für Bargeld gibt. Privatsphäre, Geschwindigkeit und Kosten – um nur drei zu nennen. Und weil auch Freiheit etwas ist, das man nutzen muss. Sonst verliert man es.

Nun, es ist Zeit für einen Zwischenbericht.

Hand aufs Herz: Es läuft schlecht, mein Bargeldexperiment. Da gibt es nichts dran zu beschönigen. Ich kenne alle Argumente. Ich weiß, dass Geschäfte und Lokale draufzahlen, wenn ich „Karte bitte“ sage. Dass da Firmen mitverdienen und noch dazu meine Daten abschöpfen. Aber trotzdem schaffe ich kaum einen Tag ohne Karte bzw. Handy zu zücken.

Woran liegt das? Einerseits Gewohnheit. Es ist ein bisschen wie beim großen Neujahrsvorsatz, mehr Sport zu machen. Ein paar Wochen gehts gut, da Konzentration und Motivation stimmen. Dann kommt mal was dazwischen. Dann nochmal. Und bald ist der Vorsatz verschwunden. Es geht ja auch ohne. Oder?

Das zweite Problem: Kartenzahlung ist einfach so super praktisch – und da vor allem die Apple Pay Handyvariante. Machen wir uns nichts vor: Das Handy hat man wirklich immer und überall dabei. Und die Bezahlung per Apple Pay funktioniert wirklich gut – außer man erwischt einen dieser kleinen, weißen SumUp-Kästen, die manche Geschäfte nutzen. Dann braucht es einen Schamanen sowie einen rituellen Regentanz, um die Zahlung durchzubekommen. Aber das alleine reicht auch nicht für den Sieg des Bargelds.

Griff zum Bargeld nicht mehr so simpel

Ich habe nachgedacht und das Problem gefunden: Da man dank Handy auch die Geldbörse zuhause lassen kann, ist der Griff zum Bargeld nicht mehr so simpel wie früher. Scheine und Karten leben in der Börse gemeinsam, abgesehen vom Trip zum Bankomaten ist es eine reine Frage der Vorliebe, womit man bezahlt. Aber dank Handy kann ich auf die Geldbörse verzichten. Und das kommt an beim Mann, der nur begrenzt Zeug mit sich rumschleppen kann oder will. Klar, alles würde sich ändern, wenn die Männerhandtaschen aus der Zeit meines Opas ein Comeback feiern. Aber so bleibt mir: Bargeld in der Hosentasche.

Und das funktioniert auch. Bis man den Überblick verliert, wo wieviel Geld steckt. Oder eine Hose anzieht, wo plötzlich kein Bargeld drinnen ist.

Bargeld macht Teuerung stärker bewusst

Mir ist schon klar, dass alles nur eine Frage des Willens ist. Besonders brutal ist es, wenn man in einem Café landet, wo nur mit Bargeld gezahlt werden kann. Von denen gibt es in Wien noch viele. Da wird einem die eigene Unfähigkeit, sein Verhalten zu ändern, schonungslos aufgezeigt.

Und dann gibt es noch ein Problem. Die Teuerung. Diese verdammte Teuerung. Das Leben wird so rasant teurer, dass eine “normale” Geldsumme kaum ausreicht. Man rennt ständig zum Bankomaten, um wieder abzuheben. Klar, ich gebe wahrscheinlich zu viel Geld aus. Und Bargeld zeigt hier seine Stärke – immerhin fällt mir die Inflation zumindest auf. Aber ist das alleine ein Argument?

Lösung: Bitcoin und Lightning

Es gibt natürlich eine Lösung: Bitcoin und Lightning-Network. Die beste Form von digitalem Bargeld, die man sich vorstellen kann. Und das nutze ich auch, wo ich kann. Aber im Alltag ist es sicher noch nicht angekommen.

Also bleibt, sich die Niederlage einzugestehen. Oder einen neuen Anlauf zu starten. Nun, während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich in einem Kaffeehaus in Leipzig und habe die Gesamtsumme von null Euro in der Geldbörse. Aber hey, immerhin ist die Geldbörse im Gepäck. Noch ist nicht aller Tage Abend. Aber es wird schon dunkel.

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(c) Adobe Stock - Axel Bueckert

Ein Startup-Studio nach Vorbild von Rocket Internet sollte es werden. Acht Startups in vier Jahren aufzubauen lautete der Plan in Zahlen des Wiener Startup-Studios Trive Studio. Und die Zeichen standen gut. Es war Jänner 2022, die Boomphase seit Ende 2020 war in vollem Gange und niemand sollte ahnen, dass diese mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine ein jähes Ende finden würde.

“Es gab noch nie eine bessere Zeit, um etwas zu gründen. Denn aktuell passen alle Rahmenbedingungen, man muss es nur tun”, sagte Trive Studio-Gründer Martin Sirlinger damals zum offiziellen Start im brutkasten-Interview. Das erste Startup des Studios – Emma Wanderer – war bereits einige Monate zuvor gelauncht worden.

Liquidation von Holding-Gesellschaft trive studio GmbH & Co KG

Doch keine drei Jahre später ist es mit dem “ersten Vollblut-Startup-Studio Österreichs”, wie Sirlinger es damals nannte, vorbei. Die trive studio GmbH & Co KG, die als Holding-Gesellschaft fungiert hat und namhafte Investoren, darunter Hansi Hansmann, an Bord hatte, wird liquidiert.

Unter der Hand gegenseitige Kritik nach Konkursen und Übernahme

Die Bilanz: Zwei Startups wurden gegründet, in ein weiteres investiert. Von diesen drei Startups wurde eines verkauft, die beiden anderen mussten Konkurs anmelden. Begleitet wurden diese Vorgänge von Kritik an Sirlinger und der Arbeit von Trive Studio – immer unter der Hand. Von Trive Studio gab es auf brutkasten-Anfrage kein öffentliches Statement dazu. Ein geplantes Interview kam nicht zustande. Fest steht: Zumindest einige der involvierten Akteur:innen gingen nicht im Guten auseinander.

Pluz Care lebt weiter, Emma Wanderer kürzlich neu gestartet

Dabei leben im Trive Studio geschaffenen Ideen auf die eine oder andere Weise weiter. Emma Wanderer startete kürzlich mit dem alten Gründer:innen-Team und einem neuen Konzept erneut. Pluz Care, das zweite im Studio gegründete Startup, besteht als Teil des Wiener Startups Teledoc, von dem es 2023 übernommen wurde, weiter. Doch Sirlingers Anfang 2022 formuliertes Ziel, zu “beweisen, dass das Studio-Modell als Assetklasse für Investor:innen sehr spannend sein kann und in der Lage ist, mit dem klassischen VC-Modell mitzuhalten”, kann wohl als gescheitert angesehen werden.

Statement von Trive-Studio-Gründer Martin Sirlinger

Edit: Nach Veröffentlichung dieses Artikels erhielt brutkasten ein Statement von Trive-Studio-Gründer Martin Sirlinger, das folgend im Wortlaut wiedergegeben wird:

“Die Liquidation der trive studio GmbH & Co KG ist der letzte Schritt eines geordneten Rückzugs. Er erfolgt aufgrund der Nichterreichung unserer gesetzten Ziele. Diese Maßnahme ist leider ebenso notwendig wie unausweichlich.

Das Studio-Modell per se zu kritisieren, trifft zu kurz. Externe Faktoren, wie etwa die Verschlechterung der makroökonomischen Lage, als auch interne Entwicklungen waren im Nachhinein betrachtet wesentlich ausschlaggebender.

Alle Beteiligten haben aus meiner Sicht ihr Bestes gegeben und es sind auch gute Dinge passiert, auf die man in Zukunft aufbauen kann.”

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