08.06.2015

Bald befindet sich in “unserem letzten Hemd” kein Bargeld, sondern Plastik

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Ist Europa bald komplett bargeldlos?

Man kennt das doch. Dieses leicht anwidernde Gefühl, wenn man vom Supermarkt-Kassierer ein Cent-Stück ausgezahlt bekommt, das vor Abnützung schwarz ist, aber trotzdem grüne Stellen hat, die aussehen, als würde es schimmeln. Manch einer mag sich dann wünschen, mit Karte bezahlt zu haben.

Österreich und Deutschland sind europaweit – so scheint es zumindest – die letzten Widerstandsnester in Sachen Bargeldabschaffung. Nirgendwo anders wird die Diskussion darüber emotionaler geführt, nirgendwo anders ist der Protest dagegen gleichmäßiger verteilt als in diesen beiden Ländern. Hier herrscht das Motto vor: nur über meine Leiche!

Im Rest Europas schaut die Sache schon anders aus: Vor allem im skandinavischen Raum ist Bargeld bereits heute schon so gut wie abgeschafft – und das, ohne dass das jemand gefordert hätte. Schweden gilt neben Dänemark und den Niederlanden diesbezüglich als Vorreiterland. Dort ist es Usus, dass selbst das Bier im Wirtshaus mit Plastikgeld bezahlt wird, zahlreiche Läden nehmen grundsätzlich kein Bargeld an und Selbstbedienungskassen, an denen man en passant mit dem Handy bezahlt, gehören zum Alltag. Gut, das ist auch das Land, in dem jeder vom anderen weiß, wie viel er verdient, und wo man jederzeit in die Steuerunterlagen des Nachbarn Einsicht nehmen kann. Undenkbar für Österreich, undenkbar für Deutschland.

In Nordeuropa verzichten immer mehr Menschen freiwillig auf Bargeld. In vielen Ländern gibt es Obergrenzen für Bargeldzahlungen. Europa steuert auf eine bargeldlose Gesellschaft zu.

Aber auch in anderen Ländern gibt es Bestrebungen, den Bargeldfluss einzudämmen. Belgien, Italien, Spanien und demnächst auch Frankreich haben restriktive Bestimmungen darüber, bis zu welchem Betrag man bar bezahlen darf. Selbst in der Schweiz und auch in der Slowakei ist das bereits seit Jahren geregelt. Eigentlich, so geht aus einer Erhebung der Europäischen Zentralbank aus dem Jahr 2013 mit Zahlenmaterial aus dem Jahr 2011 hervor, zählen nur noch Griechenland und Rumänien mit Quoten jenseits der 90 Prozent zu den Europameistern in Sachen Bargeldzahlung. Deutschland und Österreich haben sich präventiv schon mal nicht an der Studie beteiligt.

Mehr noch: Für Österreich gab es bis vor Kurzem nicht einmal einen Hauch an Information zu dem Thema. Zwar hortet die österreichische Nationalbank Unmengen an Statistiken in puncto Zahlungen, so wirklich schlau wird daraus allerdings keiner. „Wenn jemand Geld von seinem Konto behebt, können wir lediglich darüber mutmaßen, was in weiterer Folge damit geschieht“, heißt es dazu fast schon entschuldigend. Konkret bedeutet das, dass man keine Ahnung hat, wo die Summen landen. Gut möglich, dass jemand seine Kopfkissen damit aufpolstert, ebenso möglich, dass er es für schlechte Zeiten und die Enkelkinder zur Seite legt, oder es eben auch für irgendwelche krummen Dinger verwendet. Absurderweise scheint also ausgerechnet Bargeld das letzte anarchistische Refugium einer ansonsten durch und durch reglementierten Welt zu sein.

Was man aktuell weiß, ist, dass sich in Europa etwa 1,02 Billionen € an Banknoten in Umlauf befinden. Dazu kommen rund 25 Milliarden € in Form von Münzen. Das ist insofern beachtlich, als man annimmt, dass jeder Europäer durchschnittlich bloß 100 € an Bargeld mit sich trägt. Zwischen 20 und 25 Prozent dieser Summe, so die Schätzung, werden außerhalb der Eurozone gebunkert. Wo genau, ist unklar.

Mitte Mai dieses Jahres haben sich zwei Professoren der Wirtschaftsuniversität Wien erstmals seit Bestehen der Zweiten Republik an eine Studie in Sachen Zahlungsverhalten der Nation gewagt. Aus dieser geht hervor, dass 25 Prozent der Österreicher ihr Geld am Bankschalter abheben, weitere 35 Prozent bevorzugen, mit Bankomatkarte zu bezahlen, mehr als 50 Prozent immer noch Bargeld den Vorzug geben und ärmere, wenig gebildete und ältere Personen eine Aversion gegen Kartenzahlung haben.

Des Weiteren sollte man aus volkswirtschaftlicher Sicht Beträge über zehn Euro besser bargeldlos begleichen, und – wenn man öfters zur Karte greift – würde das in Summe zwischen 150 und 300 Millionen Euro an Einsparungen bringen. Der Grund: Personal-, Sach- und Transportkosten sind bei Bargeldzahlungen höher als bei der Bezahlung mit Karte.

So verursacht nämlich die Bargeldzahlung Mehrkosten in Höhe von 1,2 Milliarden Euro, die Bankomatkartenzahlung indes schlägt mit lediglich 150 Millionen Euro zu Buche. Die Studie wurde im Auftrag der Plastikgeldindustrie erstellt, die beiden Verfasser versichern allerdings glaubhaft, dass sie zu keinem anderen Ergebnis gekommen wären, selbst wenn der Papst höchstpersönlich selbige finanziert hätte.

Warum fordern Top-Ökonomen dann die Abschaffung des Bargelds? Denn etwas mehr Wertschätzung hätte sich der Ökonom Peter Bofinger, einer der fünf deutschen Wirtschaftsweisen, durchaus erwarten können. 
Schließlich hat er nur das gefordert, was bereits seit Jahren im US-amerikanischen Raum viel offenherziger diskutiert wird: nämlich die Abschaffung des Bargelds. Kenneth Rogoff und Lawrence Summers zählen zu den prominentesten Befürwortern einer bargeldlosen Gesellschaft. Ersterer ist Harvard-Professor und Ex-Chefökonom des Internationalen Währungsfonds (IWF), Zweiterer war unter Bill Clinton Finanzminister und wäre um ein Haar unter Barack Obama Chef der US-Notenbank geworden, hätte er nicht in letzter Minute seine Kandidatur zurückgezogen.

Das, was dagegen spricht, liegt auf der Hand: maximale und deshalb zu viel Transparenz und Kontrolle, Manipulationsanfälligkeit etwa durch Hacker und Instabilität des Systems an sich. Ein Stromausfall oder ein Defekt könnte binnen Sekunden eine auf virtuelles Geld fixierte Gesellschaft zum Erliegen bringen.
Bargeld hingegen steht als Zahlungsmittel jedem Menschen zur Verfügung: ohne Vertrag, ohne Bindungsfrist, ohne Datenspur.

Peter Bofinger hat an sich die Situation richtig erkannt. Europa fürchtet sich derzeit vor allem und jedem. Also lautet das Hauptargument sinngemäß auch: Verbrechen jeglicher Natur könnten mit der Abschaffung des Bargelds ad absurdum geführt werden. Aber ist das tatsächlich so? Drogendealer, Schwarzarbeiter-Beschäftiger, Entführer, Wirtschaftskriminelle und andere Gesetzesbrecher haben längst schon Wege gefunden, ihrem „Business“ relativ entspannt und unbeschadet nachzugehen. Und das würden sie auch in Zukunft und ganz ohne Bargeld tun. Alternativen gibt es genug, Gutscheinsysteme, Edelmetalle oder Diamanten sind da nur einige Beispiele. 
Bleiben also noch die restlichen Argumente für eine Abschaffung des Bargelds. Und die haben zweifelsohne etwas für sich. Das Bargeld soll, idealerweise im gesamten EU-Raum, den Nachbarländern und den USA, abgeschafft werden, damit Staat und Banken den Zinssatz deutlich unter null, also in den Negativbereich drücken können. Das würde bedeuten, dass jeder, der Ersparnisse auf dem Konto hat, einen bestimmten Prozentsatz pro Jahr als eine Art Lagerungsgebühr bezahlen muss. Bei einem derartigen Szenario ist allerdings davon auszugehen, dass Menschen ihr Geld vor dem Zugriff der Banken in Sicherheit bringen, also abheben und daheim horten würden. Schlimmstenfalls könnte dadurch sogar eine Bankenkrise ausgelöst werden. Und das ist der einzige Grund, weshalb man vorher das Bargeld abschaffen muss. Der erhoffte Effekt wäre in dem Fall, dass Menschen so quasi zum Konsum gezwungen werden, also ihr Geld unters Volk bringen würden, was wiederum die Konjunktur ankurbeln würde.

Der Grundgedanke, der sich dahinter verbirgt, ist an sich nicht falsch. Geld muss arbeiten, um einen Mehrwert zu bringen. Das tut es aber seit geraumer Zeit nicht mehr. Ein gutes Beispiel dafür ist der Finanzmarkt, der, völlig losgelöst von jeglicher volkswirtschaftlichen Relevanz, gleichsam im eigenen Saft brät, allerdings von Politik und Banken zum Tabu erklärt wurde. 
Ganz anders verhält es sich hingegen mit den an sich nicht gebundenen monetären Ressourcen der Bevölkerung. Könnten Sparschwein und Co. geknackt werden, würde das zweifelsohne relevante Impulse auslösen. Mit gutem Zureden hat man es jahrelang vergeblich versucht, jetzt wird die Zwangsbeglückungs-Keule ausgepackt. Und die ist vermutlich schneller da, als uns lieb ist. 
Vielleicht sollte man sein Geld schnell noch in lukrative Immobilien oder andere beständige Projekte anlegen…

Quelle: Wirtschaftsblatt

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(c) Mercedes-Benz - Bernadette Frech, CEO von Instahelp.

“Unser Wert ist nicht abhängig von Leistung oder Produktivität. Gerade bei High-Performern sind Stigmen rund um mentale Gesundheit immer noch stark zu spüren und erschweren es, eine Balance zwischen Leistung und Gesundheit zu finden. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass wir immer noch gehemmt sind, über unsere Emotionen zu sprechen. Dabei können ausgelebte Emotionen beflügelnd und erfüllend sein – und zwar alle. Weil Selfcare mehr ist als Meditation, haben wir uns gefragt, wie man Leistung mit Gesundheit vereinbaren kann. Und wie erkennt man überhaupt, ob man selbst Gefahr läuft, die eigene Psyche aufs Spiel zu setzen?” Das sind die Fragen, die Mercedes-Benz und Instahelp, konkreter CEO und Testimonial Bernadette Frech, im Rahmen ihrer gestarteten Mental Health-Initiative zum Diskurs stellen und beantworten möchten.

Instahelp und das Burn-on

Dies wollen die Grazer Startup-Gründerin und der deutsche Automobilhersteller tun, indem sie dieses Thema nicht bloß kurzfristig und in ein paar Minuten ergründen, sondern Fakten aufbereiten und sich mit jenen High-Performern austauschen, die so oft mit der Gefahr mitlaufen, auszubrennen.

Die Komplexität von Mental Health ist vielen in der Startup-Szene nicht erst seit der Gründung von Instahelp bekannt, auch nicht durch das gefühlte Erstarken von Enttabuisierung, was die psychische Komponente von Innovator:innen betrifft, sondern es ist etwas, dass ironischerweise durch den Begriff “Burn-out” den Weg in die Mitte der Gesellschaft gefunden hat. Man kennt ihn, man weiß, dass er zum Felde der mentalen Gesundheit gehört und man akzeptiert Personen, die offen damit umgehen, als mutig.

Was man allerdings bei diesem, nennen wir es neuem Verständnis für das, was früher als Schwäche oder Faulheit bezeichnet wurde, nicht gewahr ist, ist ein anderer Begriff, der vor dem Ausbrennen kommt. Als Testimonial erwähnt Bernadette Frech in diesem Video die Worte “Burn-On” – ein Zustand der chronischen Überbelastung, ohne dabei zusammenzubrechen.

Emotionen als Treiber

Weiters nennt sie Wut einen “Treiber für positive Veränderung”, plädiert dafür, sich mit positiven wie negativen Emotionen auseinanderzusetzen, sie zu managen und Coping-Strategien zu entwickeln. Oder anders gesagt und dem gemeinsamen Motto treu: einen “Sense of Self” zu entwickeln.

“Als CEO von Instahelp freue ich mich total, als Testimonial für die aktuelle Mercedes-Benz Österreich Kampagne die Stimme für Mental Health zu sein”, sagt Frech zu ihrer Rolle in der neuen Initiative. “Mit der von Mercedes-Benz Österreich initiierten Kampagne ‘Sense of Self’ gilt es, Stigmen um mentale Gesundheit hinter uns zu lassen. Gründer:innen sind typische High-Performer. Gerade deswegen sind sie von mentalen Gesundheitsproblemen betroffen. Sie gehen Risiken ein, arbeiten unter Unsicherheit, erleben sozialen Druck und sind oft mit Scheitern konfrontiert. Ein mental starkes Mindset kann hier helfen. Wir möchten mit der Initiative auch Gründer:innen dabei helfen, ihren ‘Sense of Self’ zu finden.”

Interessierte können mehr über die Mercedes-Instahelp-Initiative im Rahmen des Fifteen Seconds Festivals von 5. bis 7. Juni in Graz erfahren, wo beide Partner das Thema “Balance zwischen Leistung und Gesundheit” etwas mehr in den Mittelpunkt der Startup-Szene rücken wollen.

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