09.05.2019

Collaboration: “Zwischen Startups und Mittelständlern ist es oft viel einfacher”

Über das Programm aws Industry-Startup.Net werden Startups mit KMU und Großunternehmen vernetzt. Davon profitierten auch das Startup AC Rädler und der Mittelständler pewag engineering GmbH.
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aws Industry-Startup.Net: Startup AC Rädler kooperiert mit Mittelständler pewag engineering
(c) AC Rädler: Gründerin Sigrun Rädler mit Mitarbeitern
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Das Wiener Startup AC Rädler bewegt sich in einem Feld, mit dem Normalverbraucher wohl wenig anfangen können. Das Team um Gründerin Sigrun Rädler hat ein neuartiges Gerät zur mechanischen Rohrbündelwärmetauscherreinigung entwickelt. Ein sehr spezialisiertes Nischenprodukt, will man da auf den ersten Blick meinen. Doch tatsächlich ist der globale Markt nicht zu vernachlässigen. Denn viele Industriebetriebe sind auf Rohrbündelwärmetauscher – vereinfacht: Geräte, die Wärme von einem Flüssigkeitskreislauf, auf einen anderen übertragen –  angewiesen. In Raffinerien kommen üblicherweise 200 bis 800 davon parallel zum Einsatz. Und eine regelmäßige Reinigung ist für den Betrieb unabdingbar.

+++ FFG und aws: “Der Förderdschungel wird oftmals herbeigeredet” +++

Neuartige Alternative

“Derzeit sind vorwiegend zwei Methoden im Einsatz: Die chemische Reinigung und die Reinigung mittels Hochdruck. Wir reinigen mit unserem RTC-(Rädler Tubecleaning-)Gerät mechanisch mit einem wassergekühlten Bohvorgang. Die Rohrbeläge werden dabei rohrblank zermalen, was viele Vorteile mit sich bringt”, erklärt Gründerin Sigrun Rädler. Punkten will AC Rädler einerseits mit Ressourcenschonung. So ist nach Angaben des Unternehmens der Wasserverbrauch bei der Hochdruckreinigung rund 30 Mal, der Energieverbrauch sogar rund 70 Mal höher als mit dem Gerät des Startups. Bei der chemischen Reinigung kommen Umwelt- und potenziell gesundheitsschädliche Chemikalien zum Einsatz.

Fünf Mal schnellere Rohrbündelwärmetauscherreinigung

Auch ist die bohrende Methode im Gegensatz zur Hochdruckreinigung relativ leise, deutlich weniger gefährlich und es entstehen keine schädlichen Aerosole durch aufgewirbelte giftige Rohrbeläge. Es können damit Rohr-Verblockungen entfernt werden, was mit Hochdruck nur teilweise, mit chemischer Reinigung gar nicht möglich ist. Das vielleicht stärkste Argument nennt Rädler im Gespräch mit dem brutkasten zuletzt: “Unsere Methode ist bei harten und sehr harten Belägen fünf Mal schneller als die Hochdruckreinigung”. Nun will man mit AC Rädler sukzessive den großen Markt der Rohrbündelwärmetauscherreinigung erobern. Zunächst als Dienstleister mit den vorhandenen Geräten, in weiterer Folge über Mietpauschale für Bedarfsträger für weitere Geräte und dem damit verbundenem Support.

Startup trifft Mittelständler

Helfen könnte dabei eine Partnerschaft, die bereits für den Schritt zur Serienreife ausschlaggebend war. “Als wir begonnen haben, mit AC Rädler zusammenzuarbeiten, hatten sie bereits einen funktionierenden Prototypen. Es gab aber noch einiges an Optimierungsbedarf, etwa in den Bereichen Sicherheit und Benutzerfreundlichkeit”, erzählt Andreas Stugger, Geschäftsführer des internationalen Sondermaschinen- und Anlagenbau-Spezialisten pewag engineering mit Sitz in Kapfenberg in der Obersteiermark. Das Unternehmen ist Teil der pewag Group, die vor allem als Weltmarktführer im Bereich (Schnee-)Ketten bekannt ist, wo aber auch seit mehr als 30 Jahren Automatisierungslösungen für Kunden weltweit realisiert werden. Gemeinsam baute man zwei weitere, allen geltenden Normen entsprechende Prototypen.

aws Industry-Startup.Net als “Türöffner”

Zustande gekommen ist die Partnerschaft über das Programm aws Industry-Startup.Net bei dem Startups mit KMU und Großunternehmen vernetzt werden. Man fungiere dabei als “Türöffner”, heißt es von der aws. Dabei war es Sigrun Rädler zunächst eigentlich darum gegangen, Kapital aufzustellen. “Wir bauen quasi täglich Prototypen. Wir waren also für eine Partnerschaft prädestiniert”, erzählt Andreas Stugger. Helfen konnte man mit Know-How, Ressourcen und Mentoring. Zwecks Kapitalbeschaffung suchten pewag Engineering und AC Rädler dann gemeinsam um eine aws tec4market-Förderung für das Projekt an und bekamen den Zuschlag. tec4market ist ein Zuschussprogramm, dass KMU mit spannenden Technologien auf dem Weg zur Internationalisierung unterstützen soll.

Gezielte KMU-Startup-Vernetzung

Für das Industry-Startup.Net-Programm der aws müssen sich Startups bzw. Industrie-Betriebe lediglich einmalig registrieren. “Wir screenen die Unternehmen und stellen den Kontakt her, wenn Potenzial für eine Kooperation besteht”, erklärt Jasmin Moradzadeh, aws Projektmanagerin. Besonders sei dabei, dass man sich gezielt auch an kleinere Industrie-Unternehmen richte. “Dadurch finden über uns Unternehmen zusammen, die sonst kaum eine Chance hätten, aufeinander zu stoßen. pewag Engineering und AC Rädler sind ein gutes Beispiel dafür”, sagt Moradzadeh.


aws Industry-Startup.Net ist heute und morgen auch mit einem Stand am Pioneers Festival vertreten.


Auf dem Weg zur langfristigen Partnerschaft

Dabei zeige sich, dass es eine Kooperation zwischen Startups und Mittelständlern oft viel einfacher funktioniere, als zwischen Startups und Konzernen. “Bei einem kleineren Industrie-Betrieb sind die Wege kürzer, Startups verhandeln hier direkt mit dem Geschäftsführer. Das hilft enorm”, sagt die aws-Projektmanagerin. Oft entstehen dabei langfristige Partnerschaften. Eine solche können sich auch Andreas Stugger und Sigrun Rädler vorstellen. “Wir bekommen laufend neue Anfragen und konnten uns bereits bei mehreren größeren Aufträgen, etwa mit einer großen Raffinerie in Deutschland, beweisen”, erzählt die Startup-Gründerin. Vorwiegend über die Umsätze aus dem Dienstleistungs-Geschäft will man nun laufend weitere Geräte für den größeren Rollout finanzieren.

“Unterschiedliche Unternehmensgröße steht nur vermeintlich im Weg”

Und die dürften wohl bei Pewag Engineering produziert werden. “Wir haben im ersten Projekt bereits grundsätzlich kostendeckend gearbeitet. Das Ziel ist aber natürlich, dass AC Rädler dauerhaft zu einem guten Kunden von uns wird”, sagt Andreas Stugger. Generell beurteilt er die Zusammenarbeit sehr positiv. “Der Schlüssel ist sicher die Kooperation auf Augenhöhe mit gegenseitigem Vertrauen. Die unterschiedliche Unternehmensgröße steht bei solchen Projekten nur vermeintlich im Weg”. Er sei daher offen für weitere Kooperationen mit Startups, sagt Stugger. Eine mit dem Wiener AI-Startup craftworks sei etwa schon auf Schiene.

⇒ pewag engineering

⇒ AC Rädler

⇒ aws Industry-Startup.net

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Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer)
Doris Lippert (Microsoft | Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung) und Thomas Steirer (Nagarro | Chief Technology Officer) | Foto: brutkasten

“No Hype KI” wird unterstützt von CANCOM Austria, IBM, ITSV, Microsoft, Nagarro, Red Hat und Universität Graz


Mit der neuen multimedialen Serie “No Hype KI” wollen wir eine Bestandsaufnahme zu künstlicher Intelligenz in der österreichischen Wirtschaft liefern. In der ersten Folge diskutieren Doris Lippert, Director Global Partner Solutions und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Österreich, und Thomas Steirer, Chief Technology Officer bei Nagarro, über den Status Quo zwei Jahre nach Erscheinen von ChatGPT.

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„Das war ein richtiger Hype. Nach wenigen Tagen hatte ChatGPT über eine Million Nutzer”, erinnert sich Lippert an den Start des OpenAI-Chatbots Ende 2022. Seither habe sich aber viel geändert: “Heute ist das gar kein Hype mehr, sondern Realität“, sagt Lippert. Die Technologie habe sich längst in den Alltag integriert, kaum jemand spreche noch davon, dass er sein Smartphone über eine „KI-Anwendung“ entsperre oder sein Auto mithilfe von KI einparke: “Wenn es im Alltag angekommen ist, sagt keiner mehr KI-Lösung dazu”.

Auch Thomas Steirer erinnert sich an den Moment, als ChatGPT erschien: „Für mich war das ein richtiger Flashback. Ich habe vor vielen Jahren KI studiert und dann lange darauf gewartet, dass wirklich alltagstaugliche Lösungen kommen. Mit ChatGPT war dann klar: Jetzt sind wir wirklich da.“ Er sieht in dieser Entwicklung einen entscheidenden Schritt, der KI aus der reinen Forschungsecke in den aktiven, spürbaren Endnutzer-Bereich gebracht habe.

Von erster Begeisterung zu realistischen Erwartungen

Anfangs herrschte in Unternehmen noch ein gewisser Aktionismus: „Den Satz ‘Wir müssen irgendwas mit KI machen’ habe ich sehr, sehr oft gehört“, meint Steirer. Inzwischen habe sich die Erwartungshaltung realistischer entwickelt. Unternehmen gingen nun strategischer vor, untersuchten konkrete Use Cases und setzten auf institutionalisierte Strukturen – etwa durch sogenannte “Centers of Excellence” – um KI langfristig zu integrieren. „Wir sehen, dass jetzt fast jedes Unternehmen in Österreich KI-Initiativen hat“, sagt Lippert. „Diese Anlaufkurve hat eine Zeit lang gedauert, aber jetzt sehen wir viele reale Use-Cases und wir brauchen uns als Land nicht verstecken.“

Spar, Strabag, Uniqa: Use-Cases aus der österreichischen Wirtschaft

Lippert nennt etwa den Lebensmittelhändler Spar, der mithilfe von KI sein Obst- und Gemüsesortiment auf Basis von Kaufverhalten, Wetterdaten und Rabatten punktgenau steuert. Weniger Verschwendung, bessere Lieferkette: “Lieferkettenoptimierung ist ein Purpose-Driven-Use-Case, der international sehr viel Aufmerksamkeit bekommt und der sich übrigens über alle Branchen repliziert”, erläutert die Microsoft-Expertin.

Auch die Baubranche hat Anwendungsfälle vorzuweisen: Bei Strabag wird mittels KI die Risikobewertung von Baustellen verbessert, indem historische Daten zum Bauträger, zu Lieferanten und zum Bauteam analysiert werden.

Im Versicherungsbereich hat die UNIQA mithilfe eines KI-basierten „Tarif-Bots“ den Zeitaufwand für Tarifauskünfte um 50 Prozent reduziert, was die Mitarbeiter:innen von repetitiven Tätigkeiten entlastet und ihnen mehr Spielraum für sinnstiftende Tätigkeiten lässt.

Nicht immer geht es aber um Effizienzsteigerung. Ein KI-Projekt einer anderen Art wurde kürzlich bei der jüngsten Microsoft-Konferenz Ignite präsentiert: Der Hera Space Companion (brutkasten berichtete). Gemeinsam mit der ESA, Terra Mater und dem österreichischen Startup Impact.ai wurde ein digitaler Space Companion entwickelt, mit dem sich Nutzer in Echtzeit über Weltraummissionen austauschen können. „Das macht Wissenschaft zum ersten Mal wirklich greifbar“, sagt Lippert. „Meine Kinder haben am Wochenende die Planeten im Gespräch mit dem Space Companion gelernt.“

Herausforderungen: Infrastruktur, Daten und Sicherheit

Auch wenn die genannten Use Cases Erfolgsbeispiele zeigen, sind Unternehmen, die KI einsetzen wollen, klarerweise auch mit Herausforderungen konfrontiert. Diese unterscheiden sich je nachdem, wie weit die „KI-Maturität“ der Unternehmen fortgeschritten sei, erläutert Lippert. Für jene, die schon Use-.Cases erprobt haben, gehe es nun um den großflächigen Rollout. Dabei offenbaren sich klassische Herausforderungen: „Integration in Legacy-Systeme, Datenstrategie, Datenarchitektur, Sicherheit – all das darf man nicht unterschätzen“, sagt Lippert.

“Eine große Herausforderung für Unternehmen ist auch die Frage: Wer sind wir überhaupt?”, ergänzt Steirer. Unternehmen müssten sich fragen, ob sie eine KI-Firma seien, ein Software-Entwicklungsunternehmen oder ein reines Fachunternehmen. Daran anschließend ergeben sich dann Folgefragen: „Muss ich selbst KI-Modelle trainieren oder kann ich auf bestehende Plattformen aufsetzen? Was ist meine langfristige Strategie?“ Er sieht in dieser Phase den Übergang von kleinen Experimenten über breite Implementierung bis hin zur Institutionalisierung von KI im Unternehmen.

Langfristiges Potenzial heben

Langfristig stehen die Zeichen stehen auf Wachstum, sind sich Lippert und Steirer einig. „Wir überschätzen oft den kurzfristigen Impact und unterschätzen den langfristigen“, sagt die Microsoft-Expertin. Sie verweist auf eine im Juni präsentierte Studie, wonach KI-gestützte Ökosysteme das Bruttoinlandsprodukt Österreichs deutlich steigern könnten – und zwar um etwa 18 Prozent (brutkasten berichtete). „Das wäre wie ein zehntes Bundesland, nach Wien wäre es dann das wirtschaftsstärkste“, so Lippert. „Wir müssen uns klar machen, dass KI eine Allzwecktechnologie wie Elektrizität oder das Internet ist.“

Auch Steirer ist überzeugt, dass sich für heimische Unternehmen massive Chancen eröffnen: “Ich glaube auch, dass wir einfach massiv unterschätzen, was das für einen langfristigen Impact haben wird”. Der Appell des Nagarro-Experten: „Es geht jetzt wirklich darum, nicht mehr zuzuwarten, sondern sich mit KI auseinanderzusetzen, umzusetzen und Wert zu stiften.“


Folge nachsehen: No Hype KI – wo stehen wir nach zwei Jahren ChatGPT?


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