14.03.2023

Klimaforschung: Kürzere Arbeitszeiten könnten dem Klima helfen

Eine Arbeitszeitverkürzung könnte sich positiv auf das Klima auswirken und Menschen ein "klimafreundliches Leben" ermöglichen, sagen Wissenschaftler:innen der "Scientists for Future" aus Österreich. Sie berufen sich auf den Bericht des Austrian Panel on Climate Change (APCC).
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(c) Adobestock

“Derzeit ist es schwierig, in Österreich klimafreundlich zu leben”, sagt Ernest Aigner, Lektor an der Wirtschaftsuniversität Wien, bei einem Pressegespräch der “Scientists for Future” zum Thema Arbeitszeitverkürzung. Dieser Satz ist das zentrale Ergebnis eines rund 700 Seiten langen Berichts, an dem 79 Wissenschafter:innen und er beteiligt waren.

Die Forscher:innen des Berichts, bei dem alle Lebensbereiche auf ihre Klimafreundlichkeit überprüft wurden, weisen darauf hin, dass wir uns weniger damit beschäftigen sollten, wie klimafreundlich Einzelne leben. Stattdessen sei es notwendig, klimafreundliche Strukturen zu schaffen.

Ein Beispiel dafür sind Arbeitsstrukturen. Wie und wie viel wir arbeiten, wirke sich auf das Klima aus, so die Wissenschafter:innen. Diese Faktoren würden bei der Diskussion rund um kürzere Arbeitszeiten (auch) eine Rolle spielen.

Der Faktor Arbeit

“Viele Teile des Erwerbsarbeitslebens sind nicht mit einem klimafreundlichen Leben zu vereinbaren“, sind sich die drei Wissenschafter:innen, die beim Pressegespräch der Scientists for Future anwesend waren, einig. Um das zu ändern, brauche es „rasche und umfassende“ Maßnahmen.

Konkret gehe mit einer Transformation für ein klimafreundliches Leben einher, den Energie- und Ressourcenverbrauch „massiv“ zu reduzieren. Überproduktion oder die geplante Kurzlebigkeit von Produkten, seien deshalb nicht mehr tragbar. Diese Reduktion von Überproduktion führe schlussendlich zu sinkenden Produktionskapazitäten.

In manchen Industrien, wie der Stahl-, Zement- oder der Energiewirtschaft seien „umfangreiche“ Veränderungen zu erwarten. “Gelingt es Unternehmen nicht, Emissionen zu reduzieren, kann Arbeit wegfallen“, so Aigner. Um Arbeitsplätze zu sichern, sei ein möglicher Weg, die Arbeit durch entsprechende Arbeitsmarktpolitik ausgeglichener zu verteilen.

Der Faktor Zeit

“Klimafreundliches Leben braucht vor allem Zeit – eine Arbeitszeitverkürzung bietet hier eine Chance”, stellt Barbara Smetschka, Leiterin des Instituts für soziale Ökologie an der BOKU Wien, fest. Sie beschäftigt sich seit Jahren mit CO2-Fußabdrücken und es zeigt sich: Wer mehr Zeit statt Geld hat, wird wahrscheinlich auch weniger konsumieren.

Ein wesentliches Problem sei, dass uns Zeitdruck beispielsweise zu schnellerer Mobilität, einem wesentlichen Faktor für hohe Emissionen, dränge. „Weiterhin ist in Österreich der dominante Wegzweck die Erwerbsarbeit“, so Aigner. Studien aus England hätten außerdem gezeigt, dass kürzere Arbeitswochen Emissionen senken können.

Derzeitige Strukturen der Erwerbsarbeit fördern beispielsweise, den Urlaub aus Zeitmangel so intensiv wie möglich zu gestalten und mit dem Flugzeug an das andere Ende der Welt zu fliegen. Kürzere Arbeitszeiten hingegen würden den Zeitwohlstand erhöhen. “So nehmen sich Menschen eher Zeit, langsamer und weniger weit zu reisen oder Erholungszeit im Alltag zu schaffen”, schildert Dominik Klaus, Forscher am Institut für Health, Economics and Policy an der Wirtschaftsuniversität Wien.

Der Faktor Gesundheit und der “Work-spend Cycle”

Ausufernde Arbeitszeiten können laut den Wissenschafter:innen zu mehr Arbeitsstress, Leistungsdruck oder mangelndem Sinnempfinden führen. All das wirkt sich auch auf unsere Gesundheit aus. “Das sind Dinge, die einfach Zeit benötigen und schwer mit einem 40-Stunden-Job plus Überstunden vereinbar sind”, so Klaus.

Laut Dominik Klaus streben wir vor allem danach, viel Einkommen durch Erwerbsarbeit zu erwirtschaften. Dieses würden wir dann hauptsächlich dafür verwenden, um sämtliche unserer Bedürfnisse durch Käufe von Dienstleistungen und Produkten zu befriedigen, statt uns um diese zu kümmern.

In der Wissenschaft wird dieses Phänomen als “Work-spend Cycle” benannt. Es komme vor allem in wohlhabenden Ländern, wie Österreich, vor. In Kombination mit einem hohem Einkommen kann es dazu führen, dass wir mehr konsumieren.

Der Faktor Einkommen

Mit einer Arbeitszeitverkürzung allein sei das Klima- und Biodiversitätsproblem aber nicht gelöst. Denn vor allem die Höhe des Einkommens entscheidet darüber, wie umweltfreundlich wir uns verhalten.

“Insgesamt wissen wir aus der Forschung, dass der stärkste Indikator für den ökologischen Fußabdruck das Einkommen ist”, so Klaus. Mehr Einkommen führe demnach dazu, dass wir uns mehr beheizten Wohnraum, mehr Flugreisen oder sonstige Konsumgüter leisten können.
„Es ist sehr deutlich zu sehen, dass Arbeitszeitverkürzungen bei vollem Lohnausgleich zu starken Rebound Effekten führen können“, betont Klaus.

Damit ist gemeint, dass die gewonnene Zeit für ressourcenintensivere Tätigkeiten verwendet wird. Statt einer Flugreise im Jahr, könne man sich mit höherem Einkommen mehrere Flugreisen leisten. Hier sei weitere Forschung nötig, um solchen Rebound-Effekten entgegenzuwirken.

Der Faktor Gemeinschaft

Es gäbe laut den Wissenschafter:innen viele Aktivitäten, die weniger Ressourcen und Energie verbrauchen. “Spazieren gehen, Lesen, Spielen im Park, Musik machen, miteinander Reden, da fällt uns sicher etwas ein”, zählt Smetschka auf. Mehr Zeit für Gemeinschaftsaktivitäten hätte demnach auch das Potential zu einem höheren Gerechtigkeitsempfinden, zu mehr Sicherheit und zu mehr gesellschaftlicher Teilhabe zu führen.

Es gäbe noch einen weiteren Aspekt, der die Gemeinschaft stärken könne. Besonders in gut bezahlten Tätigkeiten gäbe es ein hohes Maß an Überstunden. „Hier wäre eine Umverteilung sozial verträglich“, erklärt Smetschka. Es würde daher nicht nur dem Klima, sondern auch der Gesellschaft helfen, wenn mehr Leute in diesen gut bezahlten Tätigkeiten arbeiten. Dann würden jene mit derzeit viel Einkommen ihre Freizeit nicht mehr so einfach mit Konsum kompensieren können.

Wünsche nach Arbeitszeitverkürzungen würden aber nur in jenen Bereichen funktionieren, die ohnehin gut entlohnt sind. Menschen in prekärer Beschäftigung oder mit geringem Einkommen bräuchten das Geld. “Insofern werden bei sämtlichen Modellen, die wir diskutieren, Sicherungsmechanismen mitgedacht. Das heißt, es wird immer auch überlegt, wie man trotzdem ein existenzsicherndes Einkommen garantieren kann.”

Der Faktor Geschlechtergerechtigkeit

Wichtig sei, dass im Zuge dieser Transformation, Arbeit sozial gerecht verteilt wird. Arbeitsstunden, aber auch bezahlte und unbezahlte Arbeit würden so gleichmäßig auf alle verteilt werden. Das sei auch eine Chance, denn derzeit sei das vor allem in Bezug auf die Geschlechtergerechtigkeit nicht der Fall.

„Die derzeit ungleiche Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit für die gesellschaftlich notwendige Versorgung anderer Menschen ist in Österreich noch stark von geschlechtlicher Arbeitsteilung geprägt”, so Smetschka. Diese Situation führe oft zu Mehrfachbelastung. Diese würde die Möglichkeiten zum klimafreundlichen Leben nehmen und Beschleunigung oder Druck in der Erwerbsarbeit erhöhen.

“Das ist natürlich kein Automatismus. Geschlechtergerechtigkeit kommt nicht automatisch mit kürzeren Arbeitszeiten”, so Smetschka. Dafür brauche es weitere Überlegungen, Sensibilisierung und Anreize. Als Beispiel für Sensibilisierungsmaßnahmen nennt die Wissenschafterin die Initiative „Ganze Männer machen halbe-halbe“, die 1995 von der damaligen Frauenministerin Helga Konrad initiiert wurde.

Ein Beispiel für ein gerechteres Arbeitszeitmodell sei das Optionszeitenmodell, welches von mehreren Universitäten entwickelt wurde. Menschen hätten dabei das Recht auf eine neunjährige Auszeit vom Berufsleben. Die gewonnene Zeit könne genutzt werden, um Kinder zu betreuen, Menschen mit Betreuungsbedarf zu pflegen oder sich selbst fort zu bilden.


Hintergrund:

Die Erkenntnisse in Bezug auf Arbeit stammen aus dem APCC (Climate Change Centre Austria) Special Report für ein klimafreundliches Leben. Dieser wurde in den letzten beiden Jahren von 80 Wissenschafter:innen verfasst, 250 Expert:innen haben mitgewirkt uns insgesamt wurden 2000 Literaturquellen bewertend zusammengefasst. Auch Stakeholder wie die Industriellenvereinigung oder die Arbeiterkammer wurden miteinbezogen.

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Syncraft HQ
Syncraft Standort in Schwaz, Tirol (c) Syncraft

Der europäische Green-Deal verpflichtet alle EU-Länder, den Klimawandel bis 2050 mit Netto-Null-Treibhausgasemissionen zu bekämpfen. Auch Unternehmen müssen deshalb nachhaltig werden.

Ein großer Teil der heimischen Treibhausgasemissionen entsteht jedoch nach wie vor in der Energiegewinnung. Hier möchte das Tiroler Scaleup Syncraft ansetzen. Mit Firmensitz in Schwaz, konzentriert sich das Unternehmen auf den Bau sogenannter Rückwärtskraftwerke. Doch was genau steckt hinter diesem Konzept? brutkasten hat dazu mit Syncraft gesprochen.

“Wollen nachhaltigen Beitrag zur Lösung des Klimaproblems leisten”

Kohlekraftwerke benötigen fossile Kohle, um Energie zu erzeugen. Dabei wird jedoch sehr viel CO2 in die Atmosphäre ausgestoßen. Syncrafts Rückwärtskraftwerke kehren diesen Prozess um. Die Kraftwerke wandeln ungenutztes Wald-Restholz in Energie um, doch das bei der Verbrennung entstandene CO2 wird in Kohle gespeist. Dabei spricht das Unternehmen von “grüner Kohle”.

Die Kohle speichert rund 30 Prozent des im Holz enthaltenen CO2 dauerhaft. Das Endprodukt kann anschließend in Baumaterialien wie Beton verwendet werden. Ebenfalls kann die Kohle zur Defossilisierung weiterverwertet werden, indem sie in anderen Industrien fossile Kohlenstoffe ersetzt.

Bereits 2016 zeigte eine Studie der FH Vorarlberg das Potenzial von Holzkohle als Kohlenstoffsenker. Diese sogenannte „grüne Kohle“ dient nicht nur als effektiver CO2-Speicher, sondern findet in verschiedensten Bereichen Anwendung – von der Landwirtschaft bis hin zur Bauindustrie. Syncraft möchte dieses Wissen nutzen, um seine Technologie kontinuierlich zu verbessern. Aufklärung und Forschung rund um die Einsatzmöglichkeiten von grüner Kohle, auch bekannt als „Biochar“, haben sich mittlerweile zu einem zentralen Bestandteil des Geschäftsmodells entwickelt.

„Unser Ziel ist es, einen nachhaltigen Beitrag zur Lösung des Klimaproblems zu leisten“, sagt Syncraft-Gründer Marcel Huber. Huber hat 2007 einen Schwebefestbettvergaser an der Hochschule MCI Innsbruck entwickelt – die patentierte Technologie, auf welcher das Unternehmen ruht. Zwei Jahre später gründete Huber Syncraft als Spin-off. 2014 gingen die ersten Rückwärtskraftwerke in Südtirol und Vorarlberg in Betrieb. Bis heute realisierte Syncraft mehr als 40 Rückwärtskraftwerke – unter anderem in Kroatien, Italien und Japan.

Neue Anlage in Gänserndorf

Mit rund 60 Mitarbeitenden konzentriert sich Syncraft auf die Kernbereiche des Kraftwerksbaus, der Forschung & Entwicklung, des Vertrieb und der Verwaltung. Der neue Firmensitz in Schwaz wurde 2024 eröffnet und soll ausschließlich mit erneuerbaren Energiequellen laufen.

Zu den jüngsten Erfolgen zählt die Eröffnung eines Rückwärtskraftwerks in Gänserndorf, Niederösterreich. Die Anlage versorgt das Fernwärmenetz mit 750 kW Wärme und speist 500 kW Elektrizität ins öffentliche Netz ein.

Darüber hinaus konnte Syncraft den Energy Globe Austrian Award 2024 in der Kategorie Wasser gewinnen. Wasser deshalb, da die Kohle auch dafür verwendet wird, um Abwasser zu reinigen, sagt das Unternehmen. Mit dem Projekt “Smarte Abwasserreinigung mittels Pulverkohle” konnten sich Syncraft gegen rund 300 andere Umweltprojekte durchsetzen.

Offen für Investor:innen

Syncraft hat sich mittlerweile zu einem profitablen Scaleup entwickelt. Seit der Gründung wirtschaftet das Unternehmen laut eigener Aussage mit den gleichen Gesellschaftern. Da Syncraft als Spin-off an der Hochschule MCI Innsbruck entstanden ist, zählt dazu auch MCI selbst.

Für die Zukunft hat sich Syncraft das Ziel gesetzt, sich noch weiter zu entwickeln und weiter zu wachsen. “Sollte uns also in Zukunft ein interessantes Investitionsangebot erreichen, werden wir uns dieses auf jeden Fall genauer anschauen”, so das Unternehmen.

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