08.09.2016

Anteile – die neue Währung

Das Wertvollste, das ein Startup in der Anfangsphase zu bieten hat, sind Anteile am Unternehmen. Bei Verhandlungen mit Investoren kann es schnell zu einem Interessenskonflikt kommen.
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(c) fotolia.com - sdecoret: Wer bekommt wie viel von der Torte?

Bei den ersten Gesprächen mit Kapitalgebern haben es Gründer nicht sehr einfach: Am liebsten möchte man gar keine Anteile hergeben, ist aber auf das Geld des Investors angewiesen. Keine gute Ausgangsbasis, denn Gründer und Investor sollten sich auf Augenhöhe begegnen.

Der Unternehmer Neil Rimer hat schon vor einiger Zeit in einem offenen Brief Jungunternehmer kritisiert. “Vor allem Erstgründer sind naiv, was Fundraising betrifft”, sagt der Gründer des Risikokapitalgebers Index Ventures. Häufig seien sie zu kurzsichtig und würden in einem frühen Stadium zu viele Anteile hergeben, ohne die Auswirkungen auf die nächste Finanzierungsrunde zu berücksichtigen.

Die teuerste Währung

“Die teuerste Währung eines Gründers sind Anteile” meint auch Rechtsanwalt und Business Angels Philipp Kinsky. In der Regel erhält ein Business Angel zwischen fünf und 45 Prozent Anteile am jungen Unternehmen. Kinksy sieht positiv, dass der Investor direkt am Unternehmen beteiligt ist: “Da gibt es jemanden, der an der Zukunft des Unternehmens interessiert ist, aber dessen Objektivität als Berater aufrgrund des geringen Beteiligungsprozentsatzes nicht gefährdet ist.”

Trotzdem ist Vorsicht geboten, denn wächst das Unternehmen schnell, befindet sich der Gründer bald erneut auf Investorensuche – und dann kann es schwierig werden. EC1 Capital beteiligt sich an Startups in Series-A-Runden, den ersten nennenswerten, größeren Finanzierungsrunden.

Redaktionstipps

“Man muss verstehen, worum es bei Venture Capital geht: Alles dreht sich um groß skalierbares Geschäft”, meint Julian Carter, Mitgründer des britischen Investmentfonds. Um an Investorengeld zu kommen, müsse ein Startup beweisen, dass es “expandieren und das auf einem großen Markt replizieren kann”. Carter warnt unerfahrene Unternehmer davor, “zu schnell zu viel vom Unternehmen an opportunistische Investoren abzugeben”. EC1 beteilige sich in einer Seed-Runde zu 20 bis 25 Prozent an einem Unternehmen. “Wenn du davor schon die Hälfte hergegeben hast, kannst du gar nicht so schnell schauen, und deine Anteile sind im einstelligen Bereich.”

Der Zeitpunkt entscheidet

Doch ein neuer Trend macht sich bemerkbar: Gründer, die sich davor scheuen, Anteile herzugeben. “Nur dann, wenn du in frühen Phasen bereit bist, Unternehmensanteile an Investoren abzugeben, schaffst du es, das Momentum zu wahren. Wenn sich Gründer immer nur mit sehr kleinen Beträgen zur nächsten Finanzierungsrunde weiterschleppen, geht oft operativ nichts  weiter”, sagt Kinsky.

Das kann sogar zum Scheitern führen, wenn das Startup dadurch weniger schnell wächst. Rimer rät daher in seinem Brief den Gründern, die richtigen Fragen zu stellen: “Sei dir bewusst, wie viel du brauchst, von wem du das Geld bekommst und was deine Investoren dafür bekommen.” Außerdem rät er davon ab, dutzende Business Angels gleichzeitig ins Boot zuholen. Je weniger Anteilseigner ein Mitspracherecht haben, desto einfacher wird es später sein. Natürlich sollten die ersten Menschen, die an die Idee geglaubt und in sie investiert haben, dafür belohnt werden. Das bedeute aber nicht, “dass sie einem beim Fundraisng in der Zukunft im Wege stehen.”

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Storebox-CEO und Cofounder Johannes Braith
Storebox-CEO und Cofounder Johannes Braith | Foto: brutkasten

Die neue EU-Kommission steht. Hierzulande laufen dagegen nach wie vor die Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS mit ungewissem Ausgang. Währenddessen kommt nicht nur Österreich nicht aus der Rezession heraus und auch die Prognosen bleiben tendenziell negativ. Begleitet wird das Szenario von einer Häufung an dramatischen Appellen und Forderungen nach umfassenden Änderungen in der Wirtschaftspolitik.

Wie steht es wirklich um Österreich und die EU? Was sind nun die drängendsten Maßnahmen? brutkasten geht diesen Fragen gemeinsam mit führenden Köpfen der heimischen Innovationsszene nach.

Storebox-Co-Founder und -CEO Johannes Braith sieht im brutkasten-Interview auch Chancen, die die Krise biete, formuliert aber konkrete Maßnahmen, die dazu nun auf politischer Seite ergriffen werden müssten.


brutkasten: Düstere Prognosen und drastische Appelle stehen aktuell in der Wirtschaftsberichterstattung an der Tagesordnung. Wie beurteilst Du die Situation? Ist sie wirklich so dramatisch?

Johannes Braith: Ich beobachte die Großwetterlage natürlich laufend. Allerdings halte ich es für gut, wenn man sich in seinen daily Operations als Founder nicht zwangsläufig beunruhigen lässt. Gerade Startups sind es gewohnt Krisen zu managen bzw. mit ihnen umzugehen. In manchen Fällen kann dadurch sogar etwas Positives entstehen. Denn Krisen erzwingen oft Veränderungen, welche wiederum oft Chancen beinhalten.

Aber natürlich finde ich es beunruhigend, dass wir, was unsere Wettbewerbsfähigkeit in Europa angeht, so dramatisch den Anschluss verlieren. Ich hoffe, dass der steigende Schmerz dazu führt Regulierungen abzubauen und ein neues Selbstverständnis hinsichtlich Wirtschaft, Startups und Technologie einkehrt.

Welche gesamtwirtschaftlichen Maßnahmen sollten in Österreich möglichst schnell umgesetzt werden? Was muss unbedingt ins Regierungsprogramm?

Das Thema ist leider ziemlich mühsam, da sehr, sehr gute Vorschläge seit langer Zeit am Tisch liegen, die allerdings nicht umgesetzt wurden. Ein wichtiger Punkt ist es bestimmt, Risikokapitalgeber zu incentivieren – Stichwort Beteiligungsfreibetrag.

Noch wichtiger wäre es allerdings die Steuern auf Arbeit deutlich zu reduzieren. Wir sind in einer Zeit, in der wir die Extrameile gehen müssen. Das sollte auch belohnt werden. Man könnte z.B. Überstunden steuerlich freistellen, Pensionisten incentivieren, wenn sie in der Rente arbeiten möchten – eventuell gänzlich steuerfrei, oder man kann über Modelle nachdenken, mit denen man Vollzeitarbeit nicht nur ermöglicht (Kinderbetreuung) sondern eventuell auch belohnt.

Generell stelle ich mir die Frage, wie Menschen den Sinn in ihrer beruflichen Tätigkeit wieder zurückerlangen können. In vielen Gesprächen und Beobachtungen sehe ich, dass die Leistungebereitschaft extrem abgenommen hat. Ob das immer durch politische Maßnahmen geheilt werden kann, bezweifle ich. Ich halte viel von Selbstbestimmung und Eigenverantwortung.

Und was sollte die neue EU-Kommission unbedingt sofort angehen?

Regulierung massiv abbauen. Ich bin mit Storebox mittlerweile in sechs Ländern und mehr als 200 Städten operativ tätig. Es kann ja nicht sein, dass wir gefühlt hunderte unterschiedliche Regulierungen vorfinden, die das Prosperieren von Unternhemen extrem erschweren.

Was wären konkret für euch als Scaleup die wichtigsten Schritte auf nationaler und EU-Ebene?

Die Lohnkosten senken, Regulierungen massiv reduzieren und die Zuwanderung hochqualifizierter Personen massiv erleichtern.

Was bräuchte es, damit die Wiener Börse bzw. zumindest eine europäische Börse für einen IPO eines Scaleups wie Storebox attraktiv ist?

Große Anschlussfinanzierungen müssen in Europa mit europäischem Kapital getätigt werden, um ab einer gewissen Stage als logischen Schritt einen IPO auch in einem europäischen Heimatmarkt zu forcieren.

Aktuell wird nicht nur im Zusammenhang mit Börsengängen die Standortattraktivität stark diskutiert. War Abwanderung aus Europa für euch jemals ein Thema?

Aktuell noch nicht. Ich lebe sehr gerne in Österreich und sehe nicht alles nur negativ. Wir leben in einem tollen Land mit vielen Möglichkeiten, toller Infrastruktur und einigermaßen stabilen Verhältnissen. Die Verwaltung dieses Zustands wird allerdings nicht ausreichen. Es muss gestaltet werden, um den Standort attraktiv zu halten.

Bitte eine Prognose: Abhängig von den Entscheidungen, die in nächster Zeit getroffen werden – was ist das Worst- und was das Best-Case-Szenario für Europa?

Das Worst-Case-Szenario: Die EU zerfällt in unterschiedliche Lager, weil es nicht möglich war, Interessen zu alignen und die großen Hebel zu betätigen. Geopolitisch wäre das eine absolute Katastrophe!

Das Best-Case-Szenario: Die Wettbewerbsfähigkeit wird durch radikale Maßnahmen wieder hergestellt. Die Menschen spüren eine deutliche Entlastung, haben Perspektiven und glauben an eine bessere Zukunft. Europa wächst weiter zusammen und bleibt ein starker und wichtiger globaler Player.

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