Amabrush: “Mit so einer starken Resonanz hätten wir nicht gerechnet”
Nach 23 Tagen auf Kickstarter steht das Zahnreinigungstool Amabrush bei mehr als 988.000 Euro. CEO Marvin Musialek erzählt im Interview, wie überrascht er über den riesigen Erfolg ist und wie viel Vorbereitung eine solche Kampagne braucht.
Amabrush bedeutet “I’m a brush” in umgangssprachlichem Englisch. Der Name lässt unsere Zahnbürste dem Nutzer mitteilen, was deren genaue Funktion ist. Dadurch ist es möglich, gleich mit dem Namen zu klären, um was es sich bei dem, auf dem ersten Blick etwas komisch aussehenden Gerät, handelt.
Wie fühlt es sich an, wenn das Produkt bei Kickstarter und in den internationalen Medien so gut ankommt?
Auf der einen Seite natürlich sehr gut, weil die harte und anstrengende Vorarbeit belohnt wird. Vor allem wird diese Arbeit durch das Interesse der Nutzer und Unterstützer belohnt, weil man sieht, dass die eigene Idee nicht nur ein Hirngespinst ist, sondern tatsächlich von vielen Menschen gebraucht und gewollt ist. Auf der anderen Seite ist es jetzt natürlich auch mit einer großen Verantwortung verbunden, diese Geräte termingerecht zu liefern.
Habt ihr mit einer solchen Resonanz gerechnet?
Nein, nicht wirklich. Also wir haben schon mit einer guten Resonanz gerechnet, da wir bereits im Vorfeld das Interesse von mehreren tausend Subscribern über unsere Pre-Kickstarter-Webseite geweckt haben. Aber mit so einer starken Resonanz hätten wir nicht gerechnet! Wir dachten, wir müssten wesentlich mehr Aufklärungsarbeit zu unserer Kampagne betreiben, da es sich hierbei ja eigentlich um ein gänzlich neues Produkt handelt. Sprich, wir können nicht mit mehr Features oder einem billigeren Preis, oder höherer Qualität gegenüber der Konkurrenz überzeugen, sondern nur mit dem Konzept als Ganzes. Wir haben unseren Subscribern auch eine Startuhrzeit angegeben und eine Stunde vor dieser Uhrzeit auf den Launch-Button bei Kickstarter geklickt, damit wir noch ein bisschen Zeit haben, das Dashboard und weiteres einzurichten. Allerdings kam schon innerhalb der ersten 30 Sekunden die erste Bestellung ein, und danach hat es nicht mehr aufgehört. Um 17:00 Uhr (unsere offizielle Startzeit) hatten wir nicht einmal die Möglichkeit, unsere Subscriber zu informieren, wir kamen erst 15 Minuten später dazu.
Könnt ihr auch bei dieser Nachfrage den Zeitplan halten?
Unser Zeitplan lässt sich auch mit der hohen Nachfrage sehr gut einhalten. Es ist sogar eher so, dass bei einer hohen Nachfrage unsere Produktionspartner eher bereit sind, unsere Produkte zeitiger und qualitativer zu produzieren. Auch gibt es ja gewisse Mindestabsatzmengen ab denen erst produziert wird. Und Skonti sowie Vorzüge gibt es obendrein, wenn man vorab zahlt. Das können wir nun gewährleisten und können dadurch zumindest einen Stressfaktor minimieren.
Produziert ihr selbst, oder lasst ihr produzieren? Und wo?
Wir produzieren gemeinsam mit Produktionspartnern in Österreich, Deutschland und den USA. Das gewährleistet Qualität sowie kurze Transport- und Entwicklungszeiten für Amabrush. Aber die Aufteilung ist eigentlich klar: “Entwicklung innerhalb, Produktion außerhalb”.
Ihr habt Förderungen erhalten und Investoren an Bord. Wie viel Kapital habt ihr bislang aufgenommen? Was für einen Anteil hältst du an Amabrush?
Wir haben kleine Förderungen in verschiedenen Formen erhalten. Einerseits habe ich mit der AWS impulse XS die bereits vorhandenen Prototypen weiter entwickeln können. Unser Büro wurde auch für ein Jahr lang zu einem Mindestpreis durch die WAW unterstützt, die FFG hat mir mit dem Projekt.Start ein wenig bei der Recherche-Arbeit geholfen und die WKO hilft mir auch im Bezug auf Lohnnebenkosten. Allerdings waren das sehr kleine Förderungen, weswegen ich den Löwenanteil der Entwicklungskosten sowie Gehälter und externe Kosten von Anfang an selbst tragen musste. Klassische Investoren sind noch nicht an Bord, da ich seit Beginn an mein ganzes verdientes Geld immer gleich in Amabrush gesteckt habe, um solange wie möglich Bootstrappen zu können. Eine Kickstarter Kampagne war schon immer geplant. Ich halte momentan alle Anteile an Amabrush, werde aber meinen ersten zwei Mitarbeitern Anteile abgeben, da sie die Umsetzung meiner Idee stark unterstützt haben.
Gibt es schon Kooperationen für den Vertrieb? Sind in den letzten Tagen viele Anfragen hereingekommen?
Ja, die Anfragen sind enorm. Wir bekommen noch immer laufend Emails, plus Facebook-Nachrichten, und Backer-Nachrichten auf Kickstarter selbst, was alles in allem sicher ohne Übertreibung mehr als 1.000 Nachrichten pro Tag ausmacht. Hier ist es sehr schwierig, die Spreu vom Weizen zu trennen, da sich auch etliche “Vertriebsspezialisten” oder “Marketingexperten” oder sonstige Personen melden, die ganz klar eher an der Marge als an dem Produkt interessiert sind. Unser Plan ist es, 2018 den Offline-Vertrieb aufzubauen. Momentan konzentrieren wir uns auf Online-Only, da wir hier die Menschen sehr gut, breit und detailliert über Amabrush aufklären können. Aber Offline wird sicher ein ganz starker Fokus werden in nächster Zeit.
Wann und warum ist der Entschluss für den Standort in San Francisco gefallen?
Wir sind momentan in San Francisco, da es hier wesentlich einfacher ist, mit Herstellern und Spezialisten in Kontakt zu treten. Hier gibt es keine klassischen “Assistenz-Absagen” auf ungewöhnliche Anfragen, hier antwortet oft der Chef selbst und ist stets bemüht, auch jede noch so unseriöse oder naive Anfrage zu beantworten. Weiters war von uns immer geplant, eine Crowdfunding-Kampagne zu starten, und hier kommt man eher mit Mitarbeitern von Kickstarter oder Indiegogo in Kontakt als irgendwo sonst auf der Welt. Aber unser Hauptstandort ist momentan noch Wien, wo auch die Geräte zum Großteil entwickelt werden.
Ein Tipp für Founder, die eine Kickstarter-Kampagne planen: Was ist außer einem überzeugenden Produkt noch wichtig?
Puh, der wichtigste Tipp, den ich vielleicht geben kann, ist wahrscheinlich Vorbereitung. Klingt vielleicht blöd, aber ich habe mich zirka fünf Monate auf die Kampagne vorbereitet. Ich wollte alles von Anfang an richtig machen und es gibt sehr sehr viel zu beachten, sehr sehr viele Tipps und Tricks, und sehr sehr vieles. das man falsch machen kann. Und ich möchte auch sagen, dass selbst mit der vielen Vorarbeit noch etliche Fehler gemacht wurden.
Carbon Cleanup: Wie ein Linzer Startup die Kohlefaserindustrie revolutionieren möchte
Das Linzer Startup Carbon Cleanup hat sich auf das Recycling von Kohlenstofffasern aus Industrieabfällen spezialisiert. Wir haben mit Gründer und CEO Jörg Radanitsch über die weiteren Wachstumsschritte und eine neue Kooperation mit KTM Technologies gesprochen.
Carbon Cleanup: Wie ein Linzer Startup die Kohlefaserindustrie revolutionieren möchte
Das Linzer Startup Carbon Cleanup hat sich auf das Recycling von Kohlenstofffasern aus Industrieabfällen spezialisiert. Wir haben mit Gründer und CEO Jörg Radanitsch über die weiteren Wachstumsschritte und eine neue Kooperation mit KTM Technologies gesprochen.
Die Verwendung von Kohlefaser in der Industrie hat in den letzten Jahren stark zugenommen – insbesondere in Bereichen wie der Luft- und Raumfahrt, dem Automobilbau und der Windenergie. Kohlefaser überzeugt durch ihre hohe Festigkeit bei geringem Gewicht, doch ihre Herstellung ist ressourcenintensiv und teuer. Ein großes Problem stellt der hohe Verschnitt bei der Produktion dar: In der Industrie landen im Durschnitt bis zu 30 Prozent der Rohstoffe im Abfall. Diese Materialverluste sind nicht nur ökonomisch ineffizient, sondern auch aus ökologischer Sicht problematisch, da Kohlefaser biologisch nur schwer abbaubar ist.
Carbon Cleanup setzt auf KI
Das 2020 gegründete Linzer Startup Carbon Cleanup rund um Gründer Jörg Radanitsch hat sich diesem Problem angenommen und zum Ziel gesetzt, Kohlenstofffasern aus Industrieabfällen aufzubereiten und wiederverwendbar zu machen. Konkret hat das Startup eine mobile Aufbereitungsanlage entwickelt, um Carbonfasern direkt vor Ort beim Kunden aufzubereiten.
Zum Herzstück der Anlage gehört nicht nur die mechanische Aufbereitung der Kohlenstofffasern. Im Hintergrund läuft auch eine Software, die eine KI-gestützte visuelle Erkennung der zugeführten Rohstoffe ermöglicht.
“Wir haben ein KI-generiertes Datenblatt entwickelt, das automatisch die Charakteristika von eingehendem Material erkennt und den Wert des Rezyklats bestimmt“, so Radanitsch. “Bevor das Material in unsere Anlage kommt, wissen wir schon, welche mechanischen Eigenschaften es haben wird. Das ist entscheidend für die Qualität und den Marktwert des Endprodukts.”
Entwicklung der zweiten Generation an Anlagen
Während die erste Anlage des Unternehmens für R&D-Zwecke dient und über eine Kapazität von 30 Tonnen pro Jahr verfügt, konnte das Unternehmen über den Sommer eine zweite Anlage in Betrieb nehmen. „Unsere zweite Anlagengeneration ist im August fertiggestellt worden. Die Produktionskapazität ist dreimal so hoch wie bei unserer ersten Anlage. Damit sind wir jetzt in der Lage, deutlich mehr und auch verschiedene Kompositabfälle zu verarbeiten.“
Besonders stolz ist Radanitsch auf die gestiegene Materialqualität: „Das neue Aggregat ist viel stärker, was uns mehr Flexibilität bei der Verarbeitung der Materialien gibt. Wir können jetzt eine Vielzahl an Abfällen effizienter recyceln, was die Qualität der Produkte erheblich verbessert.“
Ein wichtiger Baustein für den Erfolg von Carbon Cleanup war die Unterstützung durch die Austria Wirtschaftsservice (aws). “Das Seed-Financing der Austria Wirtschaftsservice hat uns erlaubt, nicht nur unsere Forschung und Entwicklung voranzutreiben, sondern auch in Marketingaktivitäten zu investieren, die für uns als Hardware-Startup besonders wichtig sind“, erklärt Radanitsch.
Luftfahrtindustrie und Kooperation mit KTM Technologies
Eine der spannendsten Entwicklungen bei Carbon Cleanup ist der Einsatz ihrer recycelten Materialien im 3D-Druck, besonders in der Luftfahrtindustrie. “Wir liefern im Tonnenmaßstab Kunststoffgranulate, die mit unserer Rezyklatfaser verstärkt sind. Diese werden in großen 3D-Druckern verwendet, um Formen zu bauen, die dann für die Produktion von Flugzeugteilen genutzt werden”, so der Gründer.
Zudem arbeitet Carbon Cleanup mit dem österreichischen Motorradhersteller KTM zusammen. Gemeinsam arbeiten beide Unternehmen an einem geschlossenen Materialkreislauf, bei dem Post-Consumer- und Post-Industrial-Abfälle von KTM Technologies recycelt und für die Herstellung neuer Bauteile genutzt werden. Spezifisch handelt es sich um das Recycling der Teile des Rennmodells “X-Bow GT2”, dessen Rahmen zu 100 % aus Carbonfasern besteht. Durch Unfälle entsteht eine große Menge an beschädigtem Material, das normalerweise als Abfall betrachtet wird. Mit der Partnerschaft von KTM und Carbon Cleanup wird dieses Material zurück in den Kreislauf gebracht.
“KTM Technologies war von Anfang an ein Vorreiter. Sie testen unsere recycelten Materialien bereits erfolgreich in ihren Motorrädern“, betont Radanitsch.
Das Besondere an dieser Kooperation ist das sogenannte Closed-Loop-Material, das zu 100 Prozent aus dem Abfallstrom von KTM Technologies besteht. „Die Herausforderung ist, die Materialien zirkulär zu sammeln und in die Produktion zurückzuführen. Das Sammeln und die Qualität sind dabei entscheidend. Aber wir haben gezeigt, dass wir sogar leistungsfähigere Materialien aus Abfall herstellen können”, so der Gründer.
Die nächsten Schritte von Carbon Cleanup
Das Geschäftsmodell von Carbon Cleanup basiert derzeit auf zwei Einnahmequellen: Zum einen bietet das Unternehmen Kunden einen Recycling-Service an, bei dem diese für die umweltgerechte Entsorgung des Materials bezahlen. Dafür wurde eine eigene Logistikstruktur aufgebaut. Zum anderen werden die Faserverbundkunststoffe an weitere Abnehmer verkauft. Derzeit liefert das Startup 98 Prozent der aufbereiteten Granulate ins Ausland. “Für eingehendes Material sind die Hauptmärkte neben Österreich vor allem Deutschland und Italien. Der Materialzufluss ist für uns derzeit jedoch kein Engpass, sodass wir gezielt das für uns passende Material auswählen können”, so der Gründer abschließend.
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