05.08.2024
STUDIE

Alternative Proteine: Diese Technologien konnten die größten Investitionen an Land ziehen

Die Investitionen in europäische Unternehmen für Lebensmittel auf Basis von Pflanzen, Fermentation und Kultivierung lagen im ersten Halbjahr 2024 bei 289 Millionen Euro. Das Good Food Institute Europe (GFI) gibt einen Überblick darüber, wie sich das Kapital auf unterschiedliche Technologien aufteilt.
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(c) LikeMeat

Alternative Proteine sind eine Antwort auf die drängenden Herausforderungen der traditionellen Fleischproduktion, wie Umweltbelastungen, Tierschutz und Ressourcenverbrauch. Zahlreiche innovative Startups in Europa – darunter auch in Österreich – arbeiteten in den letzten Jahren intensiv daran, unterschiedliche Technologien in diesem Bereich voranzutreiben.

Dazu zählen im Prinzip drei Ansätze: Pflanzenbasierte Proteine, gewonnen aus Soja, Erbsen und Weizen; Fermentation, bei der Mikroorganismen Proteine produzieren, oder das kultivierte Fleisch, auch bekannt als In-vitro-Fleisch.

Good Food Institute Europe (GFI) hat nun erhoben, wie viel Investitionen europäische Unternehmen mit den jeweiligen Technologien im ersten Halbjahr 2024 an Land ziehen konnten.

Größere Investitionen im Bereich Fermentation

Im Bereich Fermentation, in dem Mikroorganismen für die Herstellung von innovativen Lebensmitteln eingesetzt werden, konnten europäische Unternehmen in den ersten sechs Monaten 2024 Investitionen in Höhe von 164 Millionen Euro einwerben – deutlich mehr als die 100 Millionen Euro, die im gesamten Jahr 2023 in diesem Bereich investiert wurden.

Davon entfielen 115 Millionen Euro auf Biomassefermentation (zum Beispiel die Herstellung von Mykoprotein mithilfe von Pilzen) und 49 Millionen Euro auf Präzisionsfermentation (zum Beispiel die Herstellung von echten Ei- und Milchproteinen mithilfe von Hefe). In Österreich beschäftigt sich beispielsweise das Wiener Startup Fermify mit der Skalierung dieser Technologie und konnte dafür 2023 eine Seedrunde in Höhe von sechs Millionen Euro abschließen (brutkasten berichtete).

Viele der Unternehmen im Bereich Fermentation verwenden laut GFI das Geld, um die Skalierung und den Aufbau der Infrastruktur zu unterstützen, die es braucht, um ihre Produkte der Markteinführung näherzubringen.

45 Millionen Euro im Bereich kultiviertes Fleisch in Europa 

Bei kultiviertem Fleisch geht es um das Ziel, Fleisch mithilfe von tierischen Zellen herzustellen, das im Prinzip nicht von dem Fleisch zu unterscheiden ist, das wir heute essen. In diesem Bereich lagen die Investitionen laut GFI in Europa im ersten Halbjahr 2024 bei 45 Millionen Euro – das ist etwas weniger als die Hälfte der 106 Millionen Euro, die im gesamten Jahr 2023 auf diesen Bereich entfielen. Auch im Bereich kultiviertes Fleisch floss ein erheblicher Anteil der Investitionen in die Skalierung der Produktion, insbesondere die 40 Millionen Euro, die das niederländische Unternehmen Mosa Meat einwerben konnte.

79 Millionen Euro im Plantbased-Bereich 

Im Bereich pflanzenbasierter Lebensmittel konnten die europäischen Unternehmen in den ersten Monaten 2024 Investitionen in Höhe von 79 Millionen Euro einwerben. Ein Vergleich mit dem Jahr 2023 ist laut GFI im Fall des Plantbased-Sektors nicht sinnvoll, da die Investitionstätigkeit im vergangenen Jahr mit 552 Millionen Euro zwar enorm hoch war, dies aber im Wesentlichen einem einzigen Unternehmen zuzuschreiben ist – der schwedische Hersteller von haferbasierten Milchalternativen Oatly konnte 2023 in zwei Deals 393 Millionen Euro einwerben. 

Auch wenn der Plantbased-Sektor nicht die enormen Finanzierungsrunden anzieht, die noch vor einigen Jahren zu verzeichnen waren, erhalten einzelne Unternehmen immer noch große Investitionen, wie das spanische Unternehmen Heura, das 40 Millionen Euro einwerben konnte, und das britische Unternehmen THIS, das 25 Millionen Euro anziehen konnte. 

Investitionstätigkeit branchenübergreifend zurückgegangen

Bei der Interpretation dieser Zahlen ist es laut GFI wichtig zu berücksichtigen, dass die Investitionstätigkeit 2023 branchenübergreifend zurückgegangen ist. Dazu heißt es in einer Aussendung: “Die wirtschaftliche Unsicherheit und die gestiegene Inflation haben dazu geführt, dass die globale Startup-Finanzierung über alle Branchen hinweg im vergangenen Jahr um 38 % zurückgegangen ist.”

Damit hätte das Abkühlen der Investitionstätigkeit im Bereich alternative Proteine im vergangenen Jahr den allgemeinen Trend infolge der angespannten Lage auf den weltweiten Märkten widergespiegelt.

Forderung nach mehr öffentlichen Förderungen für alternative Proteine

In der Gesamtschau zeige sich, dass private Investitionen nicht ausreichen, um den Sektor für alternative Proteine so schnell zu entwickeln, dass das ökonomische und ökologische Potenzial ausgeschöpft wird, und dass es auch öffentliche Investitionen in den Sektor braucht.

“Es braucht mehr öffentliche Förderung, um Geschmack, Textur und andere Produkteigenschaften weiter zu verbessern und um die Produktionskosten zu senken, sodass diese nachhaltigen Lebensmittel preislich auf Augenhöhe mit ihren tierischen Pendants kommen”, so Ivo Rzegotta, Senior Public Affairs Manager bei GFI Europe.


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Lanbiotic, Neurodermitis
(c) Oliver Wolf - Patrick Hart und Katrin Susanna Wallner von Lanbiotic.

Das Grazer Startup Lanbiotic stellt medizinische Hautpflege-Produkte mit lebensfähigen Bakterien speziell für die von Neurodermitis geplagte Haut her. Dabei verwenden die beiden Gründer:innen Patrick Hart und Katrin Wallner den zum Patent angemeldeten Bakterienstamm “Lactococcus Lanbioticus“.

Lanbiotic: “Skalierung als neue Normalität”

“Mit unseren probiotischen Hautanwendungen bringen wir gesundheitsfördernde Bakterien direkt auf die Haut, um die natürliche Balance des Hautmikrobioms wiederherzustellen und Hautprobleme gezielt an der Ursache zu bekämpfen”, erklärt Wallner.

Das letzte Jahr fühlte sich für die Gründerin an, als sei ein Traum nicht nur wahr, sondern sogar übertroffen worden. Andererseits sei es eine “neue Normalität” an der Skalierung des Unternehmens zu arbeiten.

“Wir haben weitere Produkte mit unserem einzigartigen Bakterienstamm ‘Lactococcus Lanbioticus’ entwickelt, um umfassender auf die Bedürfnisse von Menschen mit zu Neurodermitis neigender Haut eingehen zu können. Neu hinzugekommen sind Flora Bath und Flora Sun”, erklärt Wallner.

Flora Bath ist ein spezieller Badezusatz, der für Menschen entwickelt wurde, die großflächig oder an der Kopfhaut von Ekzemen betroffen sind – ein Bereich, in dem Pflegecremen oft an die Grenzen ihrer Praktikabilität stoßen.

“Der Fokus liegt wie immer bei Lanbiotic auf der Ergänzung des Hautmikrobioms, also ‘der lebende Teil’ der natürlichen Schutzbarriere der Haut, die den gesamten Körper bedeckt, mit probiotischen Bakterien”, so Wallner weiter. “Eine Ausgewogenheit des Hautmikrobioms ist, wie auch im Darm, entscheidend, um die Gesundheit der Haut zu bewahren und Beschwerden zu lindern.”

Flora Sun hingegen ist ein weiteres Produkt, das auf die besonderen Herausforderungen empfindlicher Haut unter UV-Strahlung eingeht. Studien hätten gezeigt, dass das Hautmikrobiom die natürliche Fähigkeit der Haut verbessern kann, mit den Effekten – und häufig auch Schäden – durch Sonneneinstrahlung umzugehen.

EHI-Siegel für Onlineshop

“Parallel dazu haben wir auch international expandiert: Der Eintritt in den deutschen Markt war ein großer Schritt, der mit der Anpassung unserer Produktions- und Logistikkapazitäten verbunden war, um langfristig weitere internationale Märkte beliefern zu können. Unser Webshop wurde außerdem mit dem EHI-Siegel zertifiziert, um unseren Kund:innen einen sicheren und vertrauenswürdigen Einkauf zu ermöglichen.”

Auch das Team wuchs 2024, zudem konnte durch zahlreiche Medienauftritte und Messeteilnahmen Aufmerksamkeit für die eigenen Produkte und die Marke gewonnen werden.

“Als weiteres Highlight wurden wir von der Apothekerkammer mit unserer Fachfortbildung akkreditiert, was Apotheker dazu motiviert, unsere Fortbildungen zu besuchen und mehr über das noch recht ‘nischige’ Thema Hautmikrobiom zu erfahren”, sagt Wallner.

Neue Märkte im Fokus

Aktuell arbeitet das Startup intensiv daran, Lanbiotic als Unternehmen und Marke weiterzuentwickeln, strategisch zu positionieren und zu skalieren. Das oberste Ziel ist es, die Lebensqualität von Menschen mit Neurodermitis über ihre mikrobiombasierten Produkte zu verbessern.

“Wir möchten Lanbiotic in weiteren Märkten etablieren, insbesondere natürlich in Ländern, wo die Prävalenz für Neurodermitis hoch ist. Dafür arbeiten wir an effizienten Marketingprozessen, um unsere Markenbekanntheit zu steigern, und bauen unsere Vertriebsstrukturen aus”, erklärt die Founderin. “Um diesen Schritt bestmöglich zu unterstützen, suchen wir gezielt nach vertrauenswürdigen Partnern für den internationalen Vertrieb, die unsere Werte und Qualitätsansprüche teilen. Die Kooperationen sollen es uns ermöglichen, unsere Produkte nachhaltig in weiteren europäischen und außereuropäischen Ländern anzubieten und das Thema Hautmikrobiom international bekannter zu machen.”

Daneben optimiert das Team Produktionsprozesse, um der wachsenden Nachfrage nachkommen zu können. In der Produktentwicklung liegt dabei der Fokus auf der Entwicklung weiterer wissenschaftsbasierten probiotischen Pflegeprodukten, die speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Neurodermitis und empfindlicher Haut zugeschnitten sind. Dazu steht man intensiv mit Industrie und Spitzenforschung in Kontakt.

Lanbiotic: Strukturen und Prozesse schaffen

Intern sei man vor allem stark mit dem Aufbau der Organisation beschäftigt. Man arbeitet daran, Strukturen und Prozesse zu schaffen, die das Wachstum langfristig stützen können. Ziel sei es, eine gesunde Organisation aufzubauen, die den Expansions- und Innovationszielen gerecht werde und das Unternehmen flexibel in die nächsten Entwicklungsstufen führt.

Lanbiotic wurde in der Vergangenheit unter anderem auch von der Austria Wirtschaftsservice (aws) unterstützt. So absolvierte das Unternehmen den aws First Incubator und erhielt über aws Innovationsschutz eine Förderung, um sein geistiges Eigentum zu schützen. Später folgte eine Preseed- und Seed-Förderung über aws Innovative Solutions. Mit diesem Seed-Förderprogramm unterstützt die aws innovative Gründungsideen, die über die Unternehmensgrenzen hinaus einen positiven gesellschaftlichen Impact bewirken. Der Fokus liegt auf skalierbaren Geschäftsmodellen. Im Fall von Lanbiotic war die Förderung essentiell, um die Produktentwicklung und Markteinführung zu finanzieren und sich allgemein zu professionalisieren.

“Eine bessere Förderung als aws Seed Innovative Solutions könnte es derzeit, meiner Meinung nach, für uns nicht geben”, sagt sie. “Es handelt sich um einen nicht rückzahlbaren Zuschuss von 400.000 Euro, der für unterschiedlichste Aktivitäten in der Markteinführung und Produkteinführung verwendet werden kann. Naturgemäß ist das Programm sehr kompetitiv, aber wenn man für die Finanzierung ausgewählt wird, hat man wirklich einen gewaltigen Booster, um ein nachhaltiges Unternehmen aufzubauen.”

Die weiteren Ziele von Lanbiotic

Im Allgemeinen habe ihnen das Programm bereits jetzt weit mehr gebracht als Geld. “Ich empfand den Bewerbungsprozess per se als wertvolle Erfahrung, um mir unser Business Model noch einmal ganz genau anzusehen und unsere Ziele zu definieren”, präzisiert die Grazerin. “Dass wir sie jetzt so scheinbar ‘locker’ übertreffen konnten, ist natürlich die Draufgabe.”

Durch die positive Resonanz der stetig wachsenden Stammkundenbasis sieht sich Wallner in ihrer Mission bestätigt. “Wir wissen aber auch, dass viele Menschen Lanbiotic noch nicht kennen und Neurodermitis in vielen Ländern nach wie vor ein großes Problem darstellt”, sagt sie. “Daher wollen wir gezielt skalieren, den Umsatz und Gewinn steigern, innerhalb und außerhalb Europas expandieren und unser Produktportfolio weiter diversifizieren.”

In Sachen Umsatzentwicklung wird Lanbiotic 2024 das gesetzte Umsatzziel voraussichtlich verdoppeln, wie Wallner erzählt. “Unser für 2025 gestecktes Ziel ist ambitioniert, aber wir sind zuversichtlich, dass wir hier wieder gute Arbeit leisten. Aktuell haben wir einen sechsstelligen Nettoumsatz erreicht, und dank der Unterstützung durch die aws Seed-Förderung werden wir auch heuer, wie jedes Jahr seit unserer Gründung, noch profitabler sein.”


* Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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