17.04.2019

Alpengummi nach 2Min2Mio-Auftritt: “Sich trauen ‘Nein’ zu sagen”

Investor Hans Peter Haselsteiner hatte nach dem Pitch von Claudia Bergero und Sandra Falkner bei "2 Minuten 2 Millionen" für 25,1 Prozent 150,000 Euro geboten. Die Alpengummi-Gründerinnen riskierten ein Gegenangebot, das der Bau-Tycoon verwarf. Geschäftsführerin Falkner erklärt, warum sie das Risiko in Kauf nahmen.
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Alpengummi, 2 Minuten 2 Millionen, Sandra Falkner, Claudia Bergero
(c) Gerry Frank - Die Gründerinnen von Alpengummi, Sandra Falkner und Claudia Bergero produzieren Kaugummi aus Harz und Bio-Bienenwachs.

Startups, die sich auf TV-Investoren-Suche begeben, müssen nicht nur ihre Nervosität überwinden, sondern eine zusätzliche Hemmung abstreifen. Die Jury auf dem Podest kann wie eine Wand wirken, die undurchdringlich erscheint. Da kann es passieren, dass Gründer eine bestimmte Grenze, die sie sich selbst gesetzt haben, übertreten und etwa weniger Kapital als benötigt akzeptieren oder mehr Anteile abgeben als geplant. Bei Alpengummi war dies anders.

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Gesucht: Passender Stratege

Dass der Deal schlussendlich gescheitert ist, hat die Gründerin nicht überrascht. “Wir wissen natürlich, dass es den Investoren in der Sendung, vor allem Haselsteiner, wichtig ist ein Mitsprachrecht (Anm.: 25,1 Prozent Anteile) zu haben. Dies wollten wir an dieser Stelle nicht hergeben”, sagt Falkner: “Wenn wir jemandem in dieser frühen Phase unseres Startups so viel Beteiligung zugestehen, dann möchten wir den bestmöglichen Investor, der strategisch zu uns passt und uns vor allem mit seiner Erfahrung aus der Lebensmittelbranche unterstützen kann”.

Zum eigenen Startup stehen

In der aktuellen Staffel der beliebten Startup-Show kommt es wiederholt vor, dass die Firmenbewertungen einzelner Gründer gelinde gesagt mit Kopfschütteln quittiert werden. Die ausgerufenen 1,3 Millionen Euro Unternehmenswert von Alpengummi trafen ebenfalls auf Unverständnis und wurden mit dem Angebot von Haselsteiner mehr als halbiert. “Die Bewertung war kein Fehler von uns. Sie war gut durchdacht und dazu stehen wir. Und das sollten Startups auch tun”, sagt Falkner.

Manchmal ‘Nein’ sagen

Die Gründerin mahnt ein, nicht nur eine Seite bei diesen Verhandlungen in Betracht zu ziehen. “Natürlich ist es schwierig, am Anfang zu zeigen, wie viel ein Unternehmen wert ist. Für Investoren gilt jedoch das Gleiche, wenn es um das Einschätzen geht. Besonders in einer Situation wie in der Show, wo man weder als teilnehmendes Startup noch als Investor die jeweils andere Seite, dessen Potential, die Arbeitsweise und Team-Fähigkeiten kennt”, meint Falkner und hat für pitchende Startups für eine derartige Situation Tipps parat: “Man muss sich gut vorbereiten, selbstbewusst sein und zu seiner Idee und dem Unternehmen stehen. Und wissen, wo seine Grenzen liegen und sich dann auch trauen, dementsprechend zu handeln. Was in manchen Fällen auch ‘Nein’ bedeutet”.

Förderung von Wirtschafsagentur für Alpengummi

Der “No-Deal-Auftritt” bei “2 Minuten 2 Millionen” scheint die beiden Founderinnen nicht zu bremsen. Direkt nach der Aufzeichnung sei ein Investor, der nicht in der Show involviert war, an die beiden Frauen herangetreten und habe sein Interesse bekundet, sagen sie. Zudem sei man mit dem REWE-StartupTicket von Markus Kuntke aus dem Studio spaziert.

“Zu dem Zeitpunkt hat sich viel bei uns getan. Wir waren besonders mit Produktentwicklung und Produktion für die REWE -Gruppe beschäftigt, sodass sich bis jetzt noch nichts Näheres in Sachen Investment ergeben hat”, sagt Falkner zum brutkasten. Jedoch hat das Startup von der Wirtschaftsagentur Wien eine Förderung in Höhe eines mittleren fünfstelligen Betrags für Maschinen und Produktion erhalten.

Markteintritt bei REWE-Gruppe

Zudem gibt es ab dem 17. April Alpengummi in allen Merkur-Märkten und 100 ausgewählten Billa-Filialen in ganz Österreich zu kaufen. “Parallel dazu haben wir einige Anfragen von Einzelläden sowie von der Drogeriekette ‘Prokopp Gewusst wie’ bekommen, bei der unsere Kaugummis auch ab dieser Woche in 20 Filialen aufliegen”, freut sich Falkner.

Die beiden Gründerinnen befinden sich weiterhin auf der Suche nach Kapital, haben aber die nächsten Schritte bereits im Sinn. “Das nächste Ziel ist erstmal, einen erfolgreichen Marktstart zu meistern. Danach suchen wir eine neue Produktionsstätte in Wien und starten eine Crowdfunding-Kampagne. Weiters sind wir dabei, unsere B2B-Schiene auszubauen, über die wir Goodies an Unternehmen verkaufen möchten. Ein weiteres Vorhaben für die etwas weitere Zukunft ist die Entwicklung von neuen Produkten. Zum Beispiel Kaugummis mit medizinischem Zweck”, so Falkner abschließend.

Redaktionstipps

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Storebox-CEO und Cofounder Johannes Braith
Storebox-CEO und Cofounder Johannes Braith | Foto: brutkasten

Die neue EU-Kommission steht. Hierzulande laufen dagegen nach wie vor die Regierungsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS mit ungewissem Ausgang. Währenddessen kommt nicht nur Österreich nicht aus der Rezession heraus und auch die Prognosen bleiben tendenziell negativ. Begleitet wird das Szenario von einer Häufung an dramatischen Appellen und Forderungen nach umfassenden Änderungen in der Wirtschaftspolitik.

Wie steht es wirklich um Österreich und die EU? Was sind nun die drängendsten Maßnahmen? brutkasten geht diesen Fragen gemeinsam mit führenden Köpfen der heimischen Innovationsszene nach.

Storebox-Co-Founder und -CEO Johannes Braith sieht im brutkasten-Interview auch Chancen, die die Krise biete, formuliert aber konkrete Maßnahmen, die dazu nun auf politischer Seite ergriffen werden müssten.


brutkasten: Düstere Prognosen und drastische Appelle stehen aktuell in der Wirtschaftsberichterstattung an der Tagesordnung. Wie beurteilst Du die Situation? Ist sie wirklich so dramatisch?

Johannes Braith: Ich beobachte die Großwetterlage natürlich laufend. Allerdings halte ich es für gut, wenn man sich in seinen daily Operations als Founder nicht zwangsläufig beunruhigen lässt. Gerade Startups sind es gewohnt Krisen zu managen bzw. mit ihnen umzugehen. In manchen Fällen kann dadurch sogar etwas Positives entstehen. Denn Krisen erzwingen oft Veränderungen, welche wiederum oft Chancen beinhalten.

Aber natürlich finde ich es beunruhigend, dass wir, was unsere Wettbewerbsfähigkeit in Europa angeht, so dramatisch den Anschluss verlieren. Ich hoffe, dass der steigende Schmerz dazu führt Regulierungen abzubauen und ein neues Selbstverständnis hinsichtlich Wirtschaft, Startups und Technologie einkehrt.

Welche gesamtwirtschaftlichen Maßnahmen sollten in Österreich möglichst schnell umgesetzt werden? Was muss unbedingt ins Regierungsprogramm?

Das Thema ist leider ziemlich mühsam, da sehr, sehr gute Vorschläge seit langer Zeit am Tisch liegen, die allerdings nicht umgesetzt wurden. Ein wichtiger Punkt ist es bestimmt, Risikokapitalgeber zu incentivieren – Stichwort Beteiligungsfreibetrag.

Noch wichtiger wäre es allerdings die Steuern auf Arbeit deutlich zu reduzieren. Wir sind in einer Zeit, in der wir die Extrameile gehen müssen. Das sollte auch belohnt werden. Man könnte z.B. Überstunden steuerlich freistellen, Pensionisten incentivieren, wenn sie in der Rente arbeiten möchten – eventuell gänzlich steuerfrei, oder man kann über Modelle nachdenken, mit denen man Vollzeitarbeit nicht nur ermöglicht (Kinderbetreuung) sondern eventuell auch belohnt.

Generell stelle ich mir die Frage, wie Menschen den Sinn in ihrer beruflichen Tätigkeit wieder zurückerlangen können. In vielen Gesprächen und Beobachtungen sehe ich, dass die Leistungebereitschaft extrem abgenommen hat. Ob das immer durch politische Maßnahmen geheilt werden kann, bezweifle ich. Ich halte viel von Selbstbestimmung und Eigenverantwortung.

Und was sollte die neue EU-Kommission unbedingt sofort angehen?

Regulierung massiv abbauen. Ich bin mit Storebox mittlerweile in sechs Ländern und mehr als 200 Städten operativ tätig. Es kann ja nicht sein, dass wir gefühlt hunderte unterschiedliche Regulierungen vorfinden, die das Prosperieren von Unternhemen extrem erschweren.

Was wären konkret für euch als Scaleup die wichtigsten Schritte auf nationaler und EU-Ebene?

Die Lohnkosten senken, Regulierungen massiv reduzieren und die Zuwanderung hochqualifizierter Personen massiv erleichtern.

Was bräuchte es, damit die Wiener Börse bzw. zumindest eine europäische Börse für einen IPO eines Scaleups wie Storebox attraktiv ist?

Große Anschlussfinanzierungen müssen in Europa mit europäischem Kapital getätigt werden, um ab einer gewissen Stage als logischen Schritt einen IPO auch in einem europäischen Heimatmarkt zu forcieren.

Aktuell wird nicht nur im Zusammenhang mit Börsengängen die Standortattraktivität stark diskutiert. War Abwanderung aus Europa für euch jemals ein Thema?

Aktuell noch nicht. Ich lebe sehr gerne in Österreich und sehe nicht alles nur negativ. Wir leben in einem tollen Land mit vielen Möglichkeiten, toller Infrastruktur und einigermaßen stabilen Verhältnissen. Die Verwaltung dieses Zustands wird allerdings nicht ausreichen. Es muss gestaltet werden, um den Standort attraktiv zu halten.

Bitte eine Prognose: Abhängig von den Entscheidungen, die in nächster Zeit getroffen werden – was ist das Worst- und was das Best-Case-Szenario für Europa?

Das Worst-Case-Szenario: Die EU zerfällt in unterschiedliche Lager, weil es nicht möglich war, Interessen zu alignen und die großen Hebel zu betätigen. Geopolitisch wäre das eine absolute Katastrophe!

Das Best-Case-Szenario: Die Wettbewerbsfähigkeit wird durch radikale Maßnahmen wieder hergestellt. Die Menschen spüren eine deutliche Entlastung, haben Perspektiven und glauben an eine bessere Zukunft. Europa wächst weiter zusammen und bleibt ein starker und wichtiger globaler Player.

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