23.07.2024
KRYPTO

Algorand: “Auswirkungen von Blockchain in entwickelnden Märkten viel größer”

Interview. Doro Unger-Lee ist Head of Education and Inclusion bei der Algorand Foundation. Im brutkasten-Interview spricht sie über das Potenzial der Blockchain-Technologie im Bereich der finanziellen Inklusion, über die nächsten Schritte bei Algorand und was sie als die drei wichtigsten Trends in den nächsten zwölf Monaten sieht.
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Doro Unger-Lee, Head of Education and Inclusion bei der Algorand Foundation, spricht auf der Austrian Blockchain Conference in Wien
Doro Unger-Lee, Algorand Foundation | Foto: Rafael Bittermann

Algorand ist eine Blockchain, die auf den Konsensmechanismus Proof of Stake setzt – das bedeutet, dass Transaktionen schneller und günstiger sind als bei Proof-of-Work-Blockchains wie Bitcoin. Kritiker:innen attestieren Proof-of-Stake-Blockchains die Gefahr einer stärkeren Zentralisierung und damit auch einer potenziell geringeren Widerstandsfähigkeit gegen Versuche, Blockchain-Transaktionen nachträglich zu ändern. Mit seinem Ansatz ist Algorand ähnlich positioniert wie etwa Ethereum, Solana, Cardano oder Avalanche.

Die Blockchain ist seit Juni 2019 live und hat auch ihren eigenen Token, ALGO. Dieser war im vorigen Bullenmarkt 2021 bis auf über zwei US-Dollar gestiegen. Im folgenden Kryptowinter ging es dann aber deutlich abwärts. Im vergangenen Herbst wurde der Token zwischenzeitlich bei unter zehn Cent gehandelt. Zuletzt stand der Kurs bei rund 15 Cent – womit er etwa ein Drittel höher liegt als noch vor einem Jahr. Gemessen an der Marktkapitalisierung liegt der ALGO-Token bei CoinGecko aktuell auf Platz 75 der größten Kryptowährungen der Welt.

Bei Algorand sieht man den Token-Kurs aber ohnehin nicht im Vordergrund. Stattdessen will man auf Anwendungsfälle in der realen Welt setzen. Doro Unger-Lee ist Head of Education and Inclusion bei der Algorand Foundation. Im Juni nahm sie als Speakerin an der vom Austrian Blockchain Center organsierten Austrian Blockchain Conference in Wien teil und sprach dort über das Potenzial von Blockchain im Bereich der finanziellen Inklusion.


brutkasten: Du hast auf der Austrian Blockchain Conference über Blockchain und Financial Inclusion gesprochen. Was sind die Vorteile von Blockchain-Lösungen in diesen Anwendungsfällen?

Doro Unger-Lee: Für mich ist es der Faktor der Transparenz, die Art und Weise, wie die Informationen dezentral gespeichert werden. Eine Frage, die mir oft gestellt wird, lautet: “Okay, warum verwenden wir nicht einfach mobiles Geld?” In Afrika zum Beispiel funktioniert alles über den Anbieter M-Pesa. Aber M-Pesa ist eine zentralisierte Einheit, und wenn sie ausfällt, bricht das ganze System zusammen.

Wenn man Blockchain-Technologie verwendet, werden die Informationen und Transaktionen dezentral gespeichert. Das ist viel sicherer. Die Aufzeichnungen sind außerdem unveränderlich, und sie sind einfach sehr transparent. Blockchain-Lösungen bieten also eine Menge Vorteile gegenüber zentralisierten Anwendungen.

Wie ist die Unique Selling Proposition (USP) von Algorand? Wie grenzt sich Algorand von anderen Blockchains ab?

Wir sind ein Layer-1-Blockchain-Protokoll. Wir haben eine Blockgeschwindigkeit von 2,8 Sekunden. Das ist superschnell. Es kostet fast nichts, eine Transaktion durchzuführen. Ich denke also, dass wir im Vergleich zu PayPal oder MoneyUnion sehr wettbewerbsfähig sind. 

Die sofortige Endgültigkeit von großer Bedeutung. 2,8 Sekunden sprechen für sich selbst, und 10.000 Transaktionen pro Sekunde sind ebenfalls unglaublich schnell. Wir haben kürzlich einen Werbespot gestartet, in dem einige unserer Führungskräfte und Community-Mitglieder bei einer Lebensmittelkette zu sehen sind. Sie nutzen Solana und müssen eine Menge Transaktionsgebühren zahlen oder die Transaktion wird einfach nicht durchgeführt. 

Wir sind seit 2019 live. Wir hatten nie eine Ausfallzeit. Wir haben die Transaktionsgebühren super günstig gehalten. Wir sind klimaneutral. Und wir sind Open Source. Jeder kann unseren Code und unser Netzwerk nutzen, um Transaktionen und Geschäfte zu tätigen.

Du hast jetzt Solana erwähnt. Welche Blockchains seht ihr als eure hauptsächlichen Konkurrenten? 

Für uns liegt der Schwerpunkt auf der Interoperabilität. Wir können es nicht durchhalten, wenn jeder in seiner eigenen kleinen Ecke sitzt und versucht, die Welt zu beherrschen. So funktioniert es einfach nicht.

Ich glaube, dass es für uns sehr wichtig ist, mit unseren Protokollen zusammenzuarbeiten. So sind wir zum Beispiel Teil der DeRec Alliance. Dabei handelt es sich um ein System zur Wiederherstellung von Passwörtern, das es viel einfacher macht, Konten sicher zu halten. Und dann arbeiten wir mit Hedera und Ripple zusammen. Für uns geht es also nur darum, zusammenzuarbeiten und das Blockchain-System insgesamt voranzubringen.

Was sind die nächsten Schritte bei Algorand, welche Punkte habt ihr auf eurer Roadmap? 

Was wir kürzlich gestartet haben, ist unser Cash-basierter Council für humanitäre Hilfe. Für diesen arbeiten wir mit WorldPay, Circle, dem Welternährungsprogramm, dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen und Mercy Corps zusammen – also mit großen Namen im Bereich der humanitären Hilfe und des Web3. Gemeinsam wollen wir blockchain-basierte Zahlungen für humanitäre Hilfe auf der ganzen Welt vorantreiben.

Wir haben mit HesabPay bereits gezeigt, dass es in Afghanistan sehr, sehr gut funktionieren kann. Aber die traurige Wahrheit ist, dass es noch viel mehr Regionen auf der Welt gibt – etwa Syrien, den Sudan oder den Libanon – in denen der Zugang zu Hilfe und Finanzdienstleistungen nicht möglich ist. 

Wir wollen also mit diesen großen Akteuren wie WorldPay und Circle zusammenarbeiten, um herauszufinden, wie wir On-Chain-Zahlungen für humanitäre Hilfe auf der Blockchain skalieren können – und dann diesen Ansatz weltweit verbreiten, um bedürftigen Menschen zu helfen.

Haben blockchain-basierte Lösungen in den erwähnten Teilen der Welt einen größeren Impact als im Westen?

Wir beide können zur Bank gehen und einfach Geld überweisen. Selbst wenn wir es ins Ausland schicken, kostet es ein paar Euro und ist keine große Sache. In anderen Regionen der Welt hat man diese Möglichkeit nicht – oder es fehlen einem die Mittel, um die eigene Identität nachzuweisen oder um hohe Transaktionsgebühren zu zahlen. 

Daher ist meine Antwort: Ja, die Auswirkungen von Blockchain-Technologie für Zahlungen sind in sich entwickelnden Märkten aktuell viel größer. Aber wenn wir in einem Land wie Afghanistan zeigen, wie Blockchain-Anwendungen erfolgreich funktionieren, ist es viel einfacher, dies dann auch auf die westliche Welt zu übertragen, wo wir es auch für andere Anwendungsfälle als für humanitäre Hilfe nutzen können.

Welche Rolle spielt die Entwicklung des Kryptomarkets und der Token-Kurse für Algorand?

Uns geht es darum, eine gute Technologie zu entwickeln, mit der sich wirklich sehr gute Anwendungen erstellen lassen. Zum Token-Preis kann ich mich nicht wirklich äußern. Wir sind gerade aus dem Bärenmarkt herausgekommen. Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass der Bärenmarkt dazu beigetragen hat, den Müll auszusortieren. 

Wenn das Geld fließt und es allen gut geht, kommen die Leute mit mittelmäßigen Ideen und mittelmäßiger Ausführung. Aber im Bärenmarkt hat es sich dann auf diejenigen reduziert, die wirklich an die Technologie glauben und weiter bauen wollen. Auch wir bei Algorand haben uns nicht aus dem Konzept bringen lassen, weiter gebaut und uns auf die Anwendungsfälle konzentriert, die in der realen Welt notwendig sind.

Regulierung ist gerade eines der großen Themen in der Kryptobranche – sei es in Europa mit MiCA oder in den USA mit dem Vorgehen der Börsenaufsicht gegenüber vielen Kryptounternehmen. Wie blickt Alogrand darauf?

Wir haben ein Auge darauf und versuchen auch Beziehungen zu den relevanten Akteur:innen aufzubauen. Ich berate beispielsweise eine parlamentarische Blockchain-Arbeitsgruppe in Großbritannien, um zu informieren, aber auch die Bedenken und Sorgen der Politiker:innen zu hören. Dann wissen wir, was sie benötigen und was sie wissen wollen, damit Blockchain angemessen reguliert wird. Wir können auch unsere Sorgen und Hoffnungen mitteilen und diese Wege des Dialogs offen halten. 

Regulierung spielt also eine wichtige Rolle. Aber ich denke, das wichtigste Mittel ist eine offene Kommunikation, das Aufrechterhalten von Kontakten, der Aufbau von Beziehungen und das wiederholte Erklären, was die Technologie leisten kann. 

Wie bist du selbst in den Blockchain-Bereich gekommen?

Ich bin also quasi durch die Hintertür zu Web3 gekommen. Ich habe lange Zeit in den USA und in Großbritannien im akademischen Bereich gearbeitet, in Bereichen wie neue Technologien, Data Science, theoretische Informatik oder dann auch Online-Gesundheitswissenschaft. 

Ich habe die Blockchain-Technologie zuerst durch die Kryptographie kennengelernt, die die wesentlichen Werkzeuge sind, die man zum Aufbau der Blockchain-Technologie braucht. Mein Blickwinkel kam also eher von der Forschungsseite. Als die Algorand Foundation dann ihre Partnerschaften mit Universitäten und den Aufbau dieser Bildungsprogramme in Angriff nahm, wurde ich für diese Aufgabe rekrutiert. Und dann wechselte ich mehr zu den allgemeinen sozialen Auswirkungen und der Inklusion.

Abschließend vielleicht noch ein kleiner Ausblick – was werden deiner Meinung nach die wichtigsten Entwicklungen im Blockchain-Bereich in den nächsten zwölf Monaten sein?

Zahlungen, dezentralisierte Identität und Lieferketten. Ich denke, das sind die drei Säulen. Blockchain für Lieferketten ist ein No-Brainer. Dezentralisierte Identitäten und Banking wiederum gehen Hand in Hand. Und Identität ist nicht nur für Banking, sondern auch für das Wahlrecht und andere Rechte, die jeder Mensch hat, wichtig.


Aus dem Archiv: AI trifft Blockchain – Kryptoökonomie-Professor Taudes im Talk

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Lalamu, Konkurs
(c) Lalamu

Zuerst eine Tonspur, dann das Video eines Gesichts (etwa auch auf einem Foto oder nicht allzu abstrakten Gemälde oder sogar auf einer Statue) aufnehmen – fertig. Die Aufnahmen werden vom Server mittels KI-basiertem Tool verarbeitet. Das Lip Sync-Video kommt nach ein paar Sekunden zurück und kann auf TikTok und Co gepostet werden. Das konnte das Produkt des Wiener Startups Lalamu.

Lalamu: Neben Lip-Sync auch B2B-Angebot

Die B2C-App, die in der Basis-Version kostenlos war und für die es mehrere Packages mit längerer Video-Dauer und ohne Werbung zu kaufen gab, war jedoch nicht der einzige Geschäftszweig. Lalamu wollte auch mit einem B2B-Angebot durchstarten. Konkret wandte man sich an Filmindustrie, Museen und Agenturen, die das AI-Algorithmus-basierte Tool des Startups für ihre Zwecke einsetzen sollten.

Mit diesen Vorhaben konnte man ein Investment ergattern: Das Wiener Unternehmen holte sich insgesamt 245.000 Euro von Investor:innen. Es wurde auch ins Microsoft for Startups-Programm aufgenommen, schaffte es mit der Lalamu Studio App in den Canva App Store mit mehr als 400.000 Usern und entwickelte schlussendlich die unabhängige Web-Platform lipsyncer.ai. Nun aber berichtet der Alpenländische Kreditorenverband (AKV) vom Konkurs des KI-Startups.

Konkurs eröffnet

“Die LaLaMu EntertAInment GmbH kann ihren laufenden Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen. Vom zuständigen Handelsgericht Wien wurde ein Konkursverfahren eröffnet”, heißt es dort.

Das sagt der Founder

Auf Anfrage erklärt Founder Matthias Spitzer, dass es in einer Zeit, in der das Startup Unterstützung gebraucht hätte, etwa für neue Developer, keine gegeben habe. Die Konkurrenz aus den USA (Runway und Sync Labs) hätten dagegen über die letzten Jahre mehrere Millionen US-Dollar an Investment erhalten.

“Das ist ein Genickbruch”, sagt Spitzer. “Da kommst du nicht mehr weiter.” Lalamu habe noch versucht mit Lipsyncer.ai “die Kurve zu kratzen”, habe die Videoqualität verbessert und optimiert, damit sie etwa bei Werbevideo-Vorproduktionen oder Erklärvideos zum Einsatz kommen kann. Doch leider hätten die vielen User:innen bloß den Free Modus-Bereich genutzt, wie der Founder erwähnt.

“Unser Umsatz hat es einfach nicht erlaubt, zu wachsen”, ergänzt Spitzer. “Wir wurden links und rechts überholt. Eigentlich waren wir ja eine Zeit lang im Sektor weltweit bekannt bzw. namhaft und spürten eine klare Bewegung nach vorne. Wir haben uns sehr erhofft mehr gesehen zu werden und eine großzügige Finanzspritze zu erhalten. Aber, was wirklich schade ist, keiner in Österreich hat sich getraut im großen Stil zu investieren.”

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