24.11.2016

5 Überlebenstipps für Fintech Gründer

Die Fintech-Szene boomt, gleichzeitig erlebt das Bankenwesen eine disruptive Entwicklung. Die Anzahl der Fintech Startups ist seit 2013 um 70 Prozent gestiegen. Ein attraktiver Markt, in dem viele junge Gründer große Chancen sehen. Trotzdem ist der Finanzsektor sehr sensibel und von gesetzlichen Regulierungen durchzogen. Damit Innovationen nicht gleich im Keim erstickt werden, haben wir fünf Ratschläge, um euer Fintech Startup langfristig am Leben zu halten. Von Yannick Decaumont.
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(c) fotolia.com-foxyburrow: FinTechs boomen am Markt.

Yannick Decaumont ist Managing Director von Paymill. Er hat das Scheitern eines Fintech Startups selbst miterlebt. Nach einer strategischen Insolvenzanmeldung im April 2016 ist der Finanzdienstleister nun wieder zurück im Geschäft. Yannick Decaumont gibt deshalb jungen Fintech Gründern Tipps mit auf den Weg, um gar nicht erst in dieses Worst Case Szenario zu geraten.

1. Ohne Banklizenz kein Business

Wer unabhängig Bankgeschäfte betreiben will, braucht nach der deutschen Gesetzeslage eine Banklizenz von einer zuständigen Behörde für Bankenaufsicht. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, kurz BaFin, stellt derartige Lizenzen aus. Klingt einfach – ist es aber nicht. Der Prozess, eine Banklizenz zu erhalten, kann mehrere Monate dauern. Die Forderungen der BaFin variieren je nach Geschäftsmodell. In der Kategorie „Alternative Bezahlmethoden“ greift etwa das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz. In diesem aufreibenden Verwaltungsprozess hat Paymill in der Vergangenheit die entscheidenden Schritte verpasst, um die Lizenzierung als Payment Facilitator zu erhalten.
Irland und Luxemburg sind zurzeit am besten geeignet, um ein Fintech anzumelden und eine Lizenzierung zu beantragen. In diesen beiden Ländern ist die Bankenindustrie sehr etabliert, die Lizenzierung ist darauf ausgerichtet, Aktivitäten im gesamten SEPA-Bereich zu ermöglichen. Die gesetzlichen Regulierungen erlauben im Heimatland zu arbeiten und dennoch das Geschäft über die Landesgrenzen hinaus auszubauen

2. Die Bank als Partner

Gerade junge Fintechs sind kaum in der Lage, die Anforderungen für eine BaFin-Lizenz im ersten Anlauf zu erfüllen. Eine Abhängigkeit von Banken ist daher oft unvermeidbar. Wenn ihr mit Banken oder anderen Abwicklern kooperiert, geht keine unüberlegten Forderungen ein. Einmal in einen Knebelvertrag eingestiegen, kann es lange dauern, bis es zu neuen Verhandlungen kommt. Aus diesem Grund sollten Unternehmer frühzeitig externe rechtliche Unterstützung hinzuziehen. Über eine Lizenz zu verfügen, wäre jedoch der Schlüssel um bessere Vertragsbedingungen mit den Banken auszuhandeln und mit anständigen Margen das Geschäft profitabel zu machen. Es ist kein großes Geheimnis: Als lizensierter Bank Partner trägt ein Fintech zwar das Risiko selbst, aber es profitiert auch gleichwertig. Meine Ansicht ist: Wo ein Risiko ist, ist auch eine Prämie. Dein Fintech-Durchbruch wird durch eine gute Vertragsstruktur kommen.

Redaktionstipps

3. Fintech gilt nicht mehr als blauer Ozean

Der FinTech Markt gilt nicht mehr als neu. Bei viel Konkurrenz reicht es nicht aus, sich nur auf dem Produkt auszuruhen. Wer den Wettbewerb gewinnen will, muss Alleinstellungsmerkmale entwickeln. Marketing Maßnahmen können hierbei sehr behilflich sein und eure USP’s in das richtige Licht rücken. Bei dutzenden etablierter Peer-to-Peer Lending Plattformen oder Payment-Anbietern, wird es für den Verbraucher schwer, zu selektieren. Letztlich kommt der Wettbewerber mit der innovativsten Vermarktungsstrategie am besten an.

4. Vertrauen und Transparenz

Bei Themen, die sich um Geld und die Finanzwelt drehen, fordern Verbraucher ein besonderes Maß an Glaubwürdigkeit. Dem aktuellen World Wide Fintech Report zu Folge, nimmt schon jeder zweite Bankkunde die Leistung eines Fintechs in Anspruch. In puncto Vertrauen sind die Nutzer jedoch skeptisch. In Europa gaben nur 16,1 Prozent der Befragten an, einem Fintech Angebot zu vertrauen. Was Fintechs also in Zukunft leisten müssen, ist mehr Transparenz. Nur so kann das Vertrauen der Kunden langfristig gewonnen werden. Die Handhabung von Datenschutz und Sicherheit sind Themen, die aktiv und offen kommuniziert werden müssen.

5. Der Nutzen für den Kunden

Egal, ob konventionelle Bank oder disruptives Fintech: Dem Kunden ist vor allem der Nutzen hinter der Idee wichtig. Prozesse im Bankwesen werden nur schleppend digitalisiert, viele Strukturen sind veraltet und befriedigen nicht mehr die Bedürfnisse einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft. Nutzer brauchen einen Mehrwert, eine Vereinfachung von bürokratischen Bankdienstleistungen. Gestaltet eure Innovation so benutzerfreundlich wie möglich und optimiert eure User-Experience, bevor ihr an den Markt geht. Das reicht von der Legitimation für ein Girokonto über Videochat bis hin zum einfach zu implementierenden Bezahldienst im E-Commerce.

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Lanbiotic, Neurodermitis
(c) Oliver Wolf - Patrick Hart und Katrin Susanna Wallner von Lanbiotic.

Das Grazer Startup Lanbiotic stellt medizinische Hautpflege-Produkte mit lebensfähigen Bakterien speziell für die von Neurodermitis geplagte Haut her. Dabei verwenden die beiden Gründer:innen Patrick Hart und Katrin Wallner den zum Patent angemeldeten Bakterienstamm “Lactococcus Lanbioticus“.

Lanbiotic: “Skalierung als neue Normalität”

“Mit unseren probiotischen Hautanwendungen bringen wir gesundheitsfördernde Bakterien direkt auf die Haut, um die natürliche Balance des Hautmikrobioms wiederherzustellen und Hautprobleme gezielt an der Ursache zu bekämpfen”, erklärt Wallner.

Das letzte Jahr fühlte sich für die Gründerin an, als sei ein Traum nicht nur wahr, sondern sogar übertroffen worden. Andererseits sei es eine “neue Normalität” an der Skalierung des Unternehmens zu arbeiten.

“Wir haben weitere Produkte mit unserem einzigartigen Bakterienstamm ‘Lactococcus Lanbioticus’ entwickelt, um umfassender auf die Bedürfnisse von Menschen mit zu Neurodermitis neigender Haut eingehen zu können. Neu hinzugekommen sind Flora Bath und Flora Sun”, erklärt Wallner.

Flora Bath ist ein spezieller Badezusatz, der für Menschen entwickelt wurde, die großflächig oder an der Kopfhaut von Ekzemen betroffen sind – ein Bereich, in dem Pflegecremen oft an die Grenzen ihrer Praktikabilität stoßen.

“Der Fokus liegt wie immer bei Lanbiotic auf der Ergänzung des Hautmikrobioms, also ‘der lebende Teil’ der natürlichen Schutzbarriere der Haut, die den gesamten Körper bedeckt, mit probiotischen Bakterien”, so Wallner weiter. “Eine Ausgewogenheit des Hautmikrobioms ist, wie auch im Darm, entscheidend, um die Gesundheit der Haut zu bewahren und Beschwerden zu lindern.”

Flora Sun hingegen ist ein weiteres Produkt, das auf die besonderen Herausforderungen empfindlicher Haut unter UV-Strahlung eingeht. Studien hätten gezeigt, dass das Hautmikrobiom die natürliche Fähigkeit der Haut verbessern kann, mit den Effekten – und häufig auch Schäden – durch Sonneneinstrahlung umzugehen.

EHI-Siegel für Onlineshop

“Parallel dazu haben wir auch international expandiert: Der Eintritt in den deutschen Markt war ein großer Schritt, der mit der Anpassung unserer Produktions- und Logistikkapazitäten verbunden war, um langfristig weitere internationale Märkte beliefern zu können. Unser Webshop wurde außerdem mit dem EHI-Siegel zertifiziert, um unseren Kund:innen einen sicheren und vertrauenswürdigen Einkauf zu ermöglichen.”

Auch das Team wuchs 2024, zudem konnte durch zahlreiche Medienauftritte und Messeteilnahmen Aufmerksamkeit für die eigenen Produkte und die Marke gewonnen werden.

“Als weiteres Highlight wurden wir von der Apothekerkammer mit unserer Fachfortbildung akkreditiert, was Apotheker dazu motiviert, unsere Fortbildungen zu besuchen und mehr über das noch recht ‘nischige’ Thema Hautmikrobiom zu erfahren”, sagt Wallner.

Neue Märkte im Fokus

Aktuell arbeitet das Startup intensiv daran, Lanbiotic als Unternehmen und Marke weiterzuentwickeln, strategisch zu positionieren und zu skalieren. Das oberste Ziel ist es, die Lebensqualität von Menschen mit Neurodermitis über ihre mikrobiombasierten Produkte zu verbessern.

“Wir möchten Lanbiotic in weiteren Märkten etablieren, insbesondere natürlich in Ländern, wo die Prävalenz für Neurodermitis hoch ist. Dafür arbeiten wir an effizienten Marketingprozessen, um unsere Markenbekanntheit zu steigern, und bauen unsere Vertriebsstrukturen aus”, erklärt die Founderin. “Um diesen Schritt bestmöglich zu unterstützen, suchen wir gezielt nach vertrauenswürdigen Partnern für den internationalen Vertrieb, die unsere Werte und Qualitätsansprüche teilen. Die Kooperationen sollen es uns ermöglichen, unsere Produkte nachhaltig in weiteren europäischen und außereuropäischen Ländern anzubieten und das Thema Hautmikrobiom international bekannter zu machen.”

Daneben optimiert das Team Produktionsprozesse, um der wachsenden Nachfrage nachkommen zu können. In der Produktentwicklung liegt dabei der Fokus auf der Entwicklung weiterer wissenschaftsbasierten probiotischen Pflegeprodukten, die speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Neurodermitis und empfindlicher Haut zugeschnitten sind. Dazu steht man intensiv mit Industrie und Spitzenforschung in Kontakt.

Lanbiotic: Strukturen und Prozesse schaffen

Intern sei man vor allem stark mit dem Aufbau der Organisation beschäftigt. Man arbeitet daran, Strukturen und Prozesse zu schaffen, die das Wachstum langfristig stützen können. Ziel sei es, eine gesunde Organisation aufzubauen, die den Expansions- und Innovationszielen gerecht werde und das Unternehmen flexibel in die nächsten Entwicklungsstufen führt.

Lanbiotic wurde in der Vergangenheit unter anderem auch von der Austria Wirtschaftsservice (aws) unterstützt. So absolvierte das Unternehmen den aws First Incubator und erhielt über aws Innovationsschutz eine Förderung, um sein geistiges Eigentum zu schützen. Später folgte eine Preseed- und Seed-Förderung über aws Innovative Solutions. Mit diesem Seed-Förderprogramm unterstützt die aws innovative Gründungsideen, die über die Unternehmensgrenzen hinaus einen positiven gesellschaftlichen Impact bewirken. Der Fokus liegt auf skalierbaren Geschäftsmodellen. Im Fall von Lanbiotic war die Förderung essentiell, um die Produktentwicklung und Markteinführung zu finanzieren und sich allgemein zu professionalisieren.

“Eine bessere Förderung als aws Seed Innovative Solutions könnte es derzeit, meiner Meinung nach, für uns nicht geben”, sagt sie. “Es handelt sich um einen nicht rückzahlbaren Zuschuss von 400.000 Euro, der für unterschiedlichste Aktivitäten in der Markteinführung und Produkteinführung verwendet werden kann. Naturgemäß ist das Programm sehr kompetitiv, aber wenn man für die Finanzierung ausgewählt wird, hat man wirklich einen gewaltigen Booster, um ein nachhaltiges Unternehmen aufzubauen.”

Die weiteren Ziele von Lanbiotic

Im Allgemeinen habe ihnen das Programm bereits jetzt weit mehr gebracht als Geld. “Ich empfand den Bewerbungsprozess per se als wertvolle Erfahrung, um mir unser Business Model noch einmal ganz genau anzusehen und unsere Ziele zu definieren”, präzisiert die Grazerin. “Dass wir sie jetzt so scheinbar ‘locker’ übertreffen konnten, ist natürlich die Draufgabe.”

Durch die positive Resonanz der stetig wachsenden Stammkundenbasis sieht sich Wallner in ihrer Mission bestätigt. “Wir wissen aber auch, dass viele Menschen Lanbiotic noch nicht kennen und Neurodermitis in vielen Ländern nach wie vor ein großes Problem darstellt”, sagt sie. “Daher wollen wir gezielt skalieren, den Umsatz und Gewinn steigern, innerhalb und außerhalb Europas expandieren und unser Produktportfolio weiter diversifizieren.”

In Sachen Umsatzentwicklung wird Lanbiotic 2024 das gesetzte Umsatzziel voraussichtlich verdoppeln, wie Wallner erzählt. “Unser für 2025 gestecktes Ziel ist ambitioniert, aber wir sind zuversichtlich, dass wir hier wieder gute Arbeit leisten. Aktuell haben wir einen sechsstelligen Nettoumsatz erreicht, und dank der Unterstützung durch die aws Seed-Förderung werden wir auch heuer, wie jedes Jahr seit unserer Gründung, noch profitabler sein.”


* Disclaimer: Das Startup-Porträt erscheint in Kooperation mit Austria Wirtschaftsservice (aws)

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