14.09.2021

“2 Minuten 2 Millionen”: Verfluchtes Plastik und schmackhafte Wiener Dirndln

In dieser Folge ging es um die Wiederverwendung von Plastik, einen Kornelkirschen-Likör und digitale Schulbücher. Zudem startete ein Startup einen Angriff auf Orthopäden.
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2 Minuten 2 Millionen, Damn Plastic, Insolaxy, Fix Bottle
(c) Puls 4/Gerry Frank - Victoria Neuhofer und Stephanie Sinko bei "2 Minuten 2 Millionen"
kooperation

Den Anfang bei “2 Minuten 2 Millionen” machte Andreas Grinschgl von Insolaxy. Mit seinem Startup zielt der Gründer auf ein Ende von Fußfehlstellungen ab. Dies soll mit seiner innovativen Schuheinlage gelingen.

Abdruck mittels Smartphone

Jeder Kunde und jede Kundin soll die Möglichkeit haben, diese an die persönlichen Druck- und Schmerzpunkte im Fuß anzupassen. Dafür kann direkt von Zuhause aus ein Fußabdruck mittels Smartphone gemacht werden, der danach die beanspruchte Haut analysiert. Die Daten werden in der Fertigung der Einlage berücksichtigt.

2 Minuten 2 Millionen
(c) Puls 4/Gerry Frank – Bei Insolaxy von Andreas Grinschgl können User einen Fußabdruck mittels Smartphone machen.

Zusätzlich bietet Grinschgl Einlagen für jede Schuhart im Handel an, die alle orthopädischen Aspekte beinhalten sollen. Bisher stecken 150.000 Euro Privatkapital in der Firma. Seine Forderung: 100.000 Euro für zehn Prozent Anteile.

Visualisierung

Nach dem Pitch führte der Gründer die Analyse mittels Smartphone und Frontkamera vor. Sobald der Fuß visualisiert worden ist, hat der User die Möglichkeit noch etwaige Schmerzpunkte anzugeben. Danach noch die Schuhgröße und die passende Einlage wird vorgeschlagen.

Neo-Investor Philip Maderthaner interessierte sich mehr für die Funktionsweise der App, als für das analoge Produkt. Er fragte nach der Stimmung von Orthopäden und, ob jene eher ablehnend oder mit offenen Armen seine Erfindung sehen würden. Grinschgl gab zu, dass Orthopäden keine “große Freude” mit ihm haben werden. Vor allem, wenn Kunden bemerken, dass sie sich viel Zeit ersparen, wenn sie auf Insolaxy zurückgreifen.

ÖNorm Z1259

Alle Fragen rund um Zahlen konnte der Gründer nach einer Art Kreuzverhör durch Maderthaner souverän beantworten. Bei dem erklärten Gegner von Apps, Hans Peter Haselsteiner, half das nichts. Er ging als erster. Was allerdings Grinschgl nicht davon abhielt, sich trotzdem dem Bau Tycoon zuzuwenden. Laut ihm wäre es der “ÖNorm Z1259” nach in der Baubranche Pflicht, dass, wenn jemand Einlagen braucht, die Firma es bezahlt. Geprüfte Einlagen seien gesetzlich verankert. Haselsteiner wollte das mit seinen Leuten besprechen und auf den Gründer zurückkommen.

Bieterschlacht bei “2 Minuten 2 Millionen”

Nachhaltigkeitsexperte Martin Rohla, fand die Geschichte des Gründers “toll”, das Produkt wäre allerdings weit weg von dem, was er mache. Nach dieser Absage ging auch Hotelier Bernd Hinteregger. Alexander Schütz sah eine falsche Bewertung des Startups, machte aber dennoch einen Vorschlag. Er bot 70.000 Euro für 25,1 Prozent.

Bevor der letzte TV-Investor ein Angebot abgeben konnte, rief Haselsteiner eine Bieterschlacht aus. Diesem Wunsch kam Maderthaner nach. Er wollte ebenfalls 25,1 Prozent haben, offerierte aber 100.000 Euro. Schütz rechnete zwar, besserte aber nicht nach. Grinschgl nahm Maderthaner sofort ins Boot. Deal für Insolaxy.

Verfluchtes Plastik bei “2 Minuten 2 Millionen”

Die nächsten bei “2 Minuten 2 Millionen” waren Victoria Neuhofer und Stephanie Sinko aus Salzburg. Die Gründerinnen sagen gemeinsam mit ihrem Geschäftskonzept von Damn Plastic überflüssigem Plastikmüll den Kampf an. Denn auch nach dem Verbrauch von Produkten mit Plastik ist der Stoff nicht vollständig abgebaut. In ihrem Unternehmen vereinen sie eigene und Franchise-Stores (bisher zwei), in denen sich über 2.000 regionale Artikel von 250 Startups finden.

(c) Puls 4/Gerry Frank – Victoria Neuhofer und Stephanie Sinko setzen gleich auf mehrere Geschäftsmodelle.

Dabei wird vor allem darauf geachtet, dass diese entweder Plastikmüll reduzieren oder die Produkte aus Plastikmüll bestehen. Die Kund:innen können somit passiv aktiv werden. Die Forderung der Salzburgerinnen: 200.000 Euro für zehn Prozent Anteile.

250.000 Euro Umsatz während Corona

Bisher besitzen Neuhofer und Sinko jene zwei Stores und konnten im Corona-Jahr mit einem davon eine Viertelmillion Euro Umsatz erwirtschaften. Nach einer detaillierten Erklärung der Geschäftsmodelle – neben den bisher genannten gehört eine Zertifizierung für Gastronomiebetriebe und Events dazu, sowie auch Consulting für Unternehmen, die etwas ändern wollen – meldete sich Daniel Zech von 7 Ventures.

Der Vorarlberger offerierte den Gründerinnen Verkaufsflächen in den Startup Villages in der Shopping City Süd und im Donauzentrum in Wien. Nach diesem Erfolg verabschiedete sich Haselsteiner als erster mit großem Lob. Als Schneider sich anschickte ihre Entscheidung kund zu tun, wurde sie jedoch von Neuhofer unterbrochen. Auf dem Seitentisch zwischen den Investorenstühlen lag ein Produkt für die Investorin, das ihr die Gründerinnen für Mediashop schmackhaft machen wollten. Ein Backpapier, Frischhaltefolie und Alu-Folie in einem, das einmal über einen Behälter gestülpt, abdichtet und mit dem man bei 200 Grad backen kann.

Danach meinte Schneider, dass sie sich gerne manche Produkte ansehe. Investieren würde sie aber nicht, da sie nicht helfen könne. Alexander Schütz bot nach dieser Absage ohne große Worte 60.000 Euro für zehn Prozent.

Weitere Angebote

Bernd Hinteregger überbot ihn anschließend und wollte mit 100.000 Euro für ebenfalls zehn Prozent einsteigen. Martin Rohla als letzter Juror fand das Konzept großartig. Er betonte, dass er bereits mit Swing Kitchen das Franchise-System kenne und bot 200.000 Euro für 25,1 Prozent.

Kein Mitspracherecht

Nach kurzer Beratung kehrten die Gründerinnen zurück und erklärten, dass sie nicht 25,1 Prozent abgeben würden. Neuhofer bezeichnete sich als Sturkopf, die weiß, was sie will und niemanden fragen wollen muss, um etwas durchzuziehen.

Dies sorgte bei den Investoren für Verwirrung und bei Rohla für Kopfschütteln, als Haselsteiner erklärte, dass Gründer und Gründerinnen mit einer Mehrheit operative Entscheidungen ja weiterhin treffen können. Eigentlich sollte Neuhofer das GmbH-Gesetz kennen, so der Bauherr.

Neues Angebot an Rohla

Jene bestand darauf, dass es sich bei 25,1 Prozent Anteile dennoch um ein Mitspracherecht handeln würde und sprach dann Hinteregger an, dessen Angebot sie gerne annehme. Rohla schlugen die Gründerinnen zehn Prozent Firmenanteile für 100.000 Euro vor. Der verneinte. Dennoch Deal mit Hinteregger für Damn Plastic.

Wirf die Hände in die Höh

Der nächste bei “2 Minuten 2 Millionen” war Bernhard Paulitsch, Erfinder der “Fix Bottle”. Dabei geht es um einen patentierten Tragegurt für Flaschen, Dosen und Becher, um die Hände freizuhaben. Es können Getränke von 0,33 bis zwei Liter befestigt werden.

Jeder Gurt ist individuell verstellbar und anpassbar. Durch einen eingebauten Klettverschluss und zusätzlichen Sicherheitsverschluss beim Tragegurt für Kinder, sei man bei einem möglichen Hängenbleiben stets geschützt. Er und CFO Markus Setschnagg, ehemaliger Business Incubation Manager im build! Gründerzentrum Kärnten, forderten unter anderem für die Expansion in die USA 150.000 Euro für 15 Prozent Beteiligung.

(c) Puls 4/ Gerry Frank – Philip Maderthaner beim Testen der Fix Bottle.

Bisher wurden 100.000 der Gurte verkauft. Man könne von der Produktionsseite her eine Million Stück im Monat problemlos liefern, erklärte Setschnagg neugierigen Juroren. Haselsteiner wollte dennoch nicht investieren, weil er beim Vertrieb nicht helfen könnte. Hinteregger folgte als nächster Investor ohne Angebot, so wie auch Alexander Schütz. Letzterer versprach aber ein paar Tausend Stück für seine Firma zu bestellen. Auch Rohla sah sich eher in der B2C-Welt beheimatet und nicht im B2B-Bereich, den die Gründer anstrebten. Zudem sei die Bewertung zu hoch. Maderthaner indes war zwar voll des Lobes, sah in sich aber auch nicht den richtigen Partner. Kein Deal für Fix Bottle.

SchuBu bei “2 Minuten 2 Millionen

Die vorletzten bei “2 Minuten 2 Millionen” waren Paul Klinkosch, Ulrich Müller-Uri und Hagen Wieshofer von SchuBu. Das EduTech hat sich zur Aufgabe gemacht Lehrplaninhalte digital aufzubereiten. Über eine Online-Plattform können Schüler und Lehrer digital auf Lehrinhalte zugreifen. Die Entwicklung des Prototyp erfolgte unter anderem mit Software-Experten und “Game Designern”. Bisher stecken rund eine Million Euro im Startup, in den nächsten Monaten sollen zwei weitere dazukommen. Klinkosch und Müller-Uri, die den Pitch hielten, machten am Ende ihrer Ausführungen kein konkretes Angebot, sondern stellten die Frage, wie viel die Investoren bereit wären zu investieren.

Dies verwirrte die Juroren kurzfristig, bis sich die Founder erklärten. SchuBu ist eine GmbH mit Sitz in Wien und verfügt über einen Investor, der bereits mit 500.000 Euro für 15 Prozent eingestiegen ist. Damals wäre man 3,3 Millionen Euro wert gewesen, einzig mit dem Prototyp. Heute betrage der Firmenwert zehn Millionen Euro.

Kein Digital-Investor

Ihr Startup benötige Kapital, um den Content weiter aufzubereiten. Nach diversen Verständnisfragen, was genau der Vorteil von SchuBu sei, ging Martin Rohla, da er aus Prinzip nicht in Digitales investiere. Da half auch das Argument nicht, dass die Handhabung von SchuBu einfacher sei, als jene der Konkurrenz, wie die Gründer erwähnten.

(c) Puls 4/ Gerry Frank – Das EduTech SchuBu bereitet Lerninhalte digital auf.

Hinteregger führte bei seinem Abschied die Lobeshymne fort, die sein Vorredner gestartet hatte, verabschiedete sich aber auch. Schneider hatte nicht verstanden, wie viel sie wofür investieren sollte und blieb auch ohne Deal-Vorschlag. Haselsteiner zeigte sich zwar überzeugt, dass die Idee von SchuBu die Zukunft sei, aber für ihn kein Geschäftsmodell. Er würde bei Bildung nicht verdienen wollen. Auch Schütz blieb am Ende ohne Angebot, wollte sich aber mit den Gründern zusammensetzen, um weitere Wege zu besprächen. Kein Deal für SchuBu.

Kolarik als Mentorin von Wiener Dirndl

Das Startup am Ende dieser “2 Minuten 2 Millionen”-Sendung hieß Wiener Dirndl. Raul Kalmar und Philipp Schmidt aus Wien haben einen Biofruchtlikör aus der Kornelkirsche entwickelt und wollen damit die erfolgreichste Spirituosenmarke Österreichs werden. Für dieses Vorhaben konnten sie sogar Gastronomin Elisabeth Kolarik (Luftburg) als Mentorin gewinnen. Der Likör wird in Österreich produziert und soll sowohl pur, als auch zum Mischen von Getränken passend sein. Bisher wurden vom Team rund insgesamt 120.000 Euro Umsatz erwirtschaftet. Die Forderung: 100.000 Euro für zehn Prozent.

(c) Puls 4/ Gerry Frank – Likör aus der Kornelkirsche von Wiener Dirndl.

Maderthaner störte sich an der Bewertung, erfuhr aber, dass Wiener Dirndl eine mündliche Zusage von einem Investor hätte. Winzer Leo Hillinger gab zu, dass ihm das Getränk schmeckte, auch dass das Design gelungen sei, aber auch ihm die Forderung nicht zusage. Bevor er noch etwas sagen konnte, schaltete sich Markus Kuntke zu. Der Trendmanager bot eine Kooperation an und wollte sich mit den Gründern treffen.

Drei Absagen und etwas Kleineres

Haselsteiner erklärte danach, dass er sich geschworen habe nie wieder in Getränke-Startups zu investieren. Schneider sah es ähnlich; während Schütz sich als Weintrinker deklarierte. Nach diesen drei Absagen kam dann erneut Hillinger zu Wort. Grundsätzlich fand der Winzer das Produkt gut, wollte aber wegen der Bewertung nicht mit dabei sein. Maderthaner hingegen schlug einen kleineren Deal vor. Er bot 50.000 Euro für fünf Prozent Anteile. Allerdings nur, wenn der erwähnte Investor auch tatsächlich bei der aufgerufenen Bewertung einsteigen würde. Deal fürs Wiener Dirndl.

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Konflikte, Konflikte in Unternehmen, Mediation, Mediator, ostal
(c) Stock.Adobe/gnublin - Es gibt verschiedene Arten von Unternehmenskonflikten.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der aktuellen Ausgabe unseres Jubiläum-Printmagazins – “Wegbereiter”. Eine Downloadmöglichkeit findet sich am Ende des Artikels.


Es war nur eine Bemerkung am Rande – doch sie schwillt an und gärt wie verfaulendes Obst. Und sie wird bleiben, wird weitere Verletzungen aufnehmen und wachsen; sich steigern, bis sie zum Problem und dann klar benennbar für alle zu einem fassbaren Begriff wird. Erst dann wird man es Konflikt nennen, obwohl der Beginn schon viel früher vollzogen war. Mit dieser einen Bemerkung am Rande.

Laut Definition im Duden ist ein Konflikt „das Aufeinanderprallen widerstreitender Auffassungen, Interessen oder eine ähnlich entstandene schwierige Situation, die zum Zerwürfnis führen kann“. Dies ist auch die allgemeine Auffassung im kollektiven Bewusstsein von Gesellschaften. Dabei wird aber oft übersehen, dass ein Konflikt je nach Bereich weitaus mehr Ebenen hat.

Für Jürgen Dostal, Konfliktexperte und Gründer von Proconsens.at, sind es im unternehmerischen Umfeld andere Dynamiken als im Privaten, die vor allem das Arbeitsklima massiv beeinflussen können. Personen fühlen sich seinen Erkenntnissen nach in ihren Werten oder im Handeln eingeschränkt oder gar gemobbt, während anderen oftmals gar nicht bewusst sei, dass es eine Art von negativer Interaktion gegeben hat. Da kann es zu interpersonellen oder gar IntergruppenKonflikten (Abteilungen, Teams) kommen, mit der möglichen Folge, sich gegeneinander auszuspielen – ohne die wahren Gründe für die Unstimmigkeiten zu thematisieren.

Die Konfliktarten

Passend dazu hat das HR-Startup Personio eine Unterteilung des Begriffs in verschiedene Punkte vorgenommen. Konflikte können in Unternehmen zwischen Mitarbeiter:innen gleicher Ebene (Kolleg:innen) entstehen, zwischen Führungskräften und Mitarbeitenden oder zwischen ganzen Teams bzw. Abteilungen. Das Konfliktmanagement unterscheidet daher zwischen einer ganzen Reihe von Konfliktarten.

Bei Sachkonflikten handelt es sich um unterschiedliche Auffassungen in Sachfragen, etwa um die beste Methode, eine Aufgabe zu erledigen, oder welches Feature als Nächstes in ein Produkt eingebaut werden soll.

Beziehungskonflikte nennt man den Zustand, wenn das zwischenmenschliche Verhältnis gestört ist. Sie fußen meist auf negativen Erlebnissen oder Vorurteilen und sind oft nur Ausdruck anderer, unterbewusster Konflikte. Missverständnisse in der Kommunikation sind eine weitere Konfliktart, in der beteiligte Parteien schlicht falsche Schlüsse aus dem Gesagten ziehen.

Ressourcenkonflikte nennt man es, wenn Mitarbeiter:innen die Verteilung der Unternehmensressourcen persönlich als ungerecht empfinden.

Bei Zielkonflikten wiederum prallen verschiedene Abteilungen aufeinander – etwa wenn eine mit Kürzungen zu hadern hat, die andere jedoch auf die Arbeit ihrer Kolleg:innen angewiesen ist, um Firmenziele zu erreichen (z. B. Development vs. Vertrieb).

Wertekonflikte sind indes geprägt von persönlichen Moralvorstellungen, die zu Zwistigkeiten führen können, wenn Führungskräfte oder die Belegschaft entgegen persönlicher Einstellungen handeln.

Die Studie „Konfliktkultur in Österreichs Unternehmen“, die Jürgen Dostal und sein Team mit 300 Teilnehmer:innen (66 Prozent Führungskräfte) ausgearbeitet haben, zeigt eines der Grundprobleme in unternehmensspezifischen Konfliktfällen: Leader subsumieren im Wesentlichen unterschiedliche Interessenslagen (77 Prozent) bzw. Interaktionen, bei denen sich mindestens zwei Akteur:innen beeinträchtigt sehen, als Konflikt. Nur 48 Prozent der Befragten folgen der Auffassung, dass ein Konflikt auch dann vorliegt, wenn sich von mehreren Personen lediglich eine beeinträchtigt sieht. Damit würden rund die Hälfte der Manager:innen spezielle Vorfälle wie Mobbing oder das „Getroffensein von Bemerkungen“ nicht als Konflikt ansehen – mit möglichen weitreichenden Folgen.

Was innen passiert, bleibt innen

Hier geht es, in anderen Worten, um Beispiele, in denen sich Personen durch vereinzelte Aussagen von Kolleg:innen oder Führungskräften irritiert fühlen und ihre Irritation nicht artikulieren; oder, falls doch, die Situation nicht als „Konflikt aus dem Inneren“ wahrgenommen wird. Ungelöste und unterbewusste (unerkannte) Konflikte beeinträchtigen das Arbeitsklima, weiß Dostal. Sie senken die Zufriedenheit am Arbeitsplatz und auch die Produktivität, erhöhen die Fluktuation im Team, erzeugen Stress und gefährden die Gesundheit (Anstieg der Krankenstände); was schlussendlich zu einer schlechteren Qualität im Unternehmen führt und stark dem Firmenimage schadet.

Konflikte
(c) Proconsens.at – Jürgen Dostal von Proconsens.at

„Dort, wo Konflikte bestehen, ziehen sich Menschen zurück“, sagt er, „mit negativen Auswirkungen. Spannend ist ja, dass über 60 Prozent unserer Befragten sagen, dass sie nicht mit entsprechenden Skills ausgestattet sind, um Konflikte zu lösen.“ Dabei wären es laut dem Mediator ganz einfache Kommunikationsfähigkeiten, die es braucht, um Probleme anzugehen. „Es ist nicht kompliziert“, führt Dostal weiter aus. „Man muss sich Zeit nehmen und kommunizieren. Es geht nicht darum, den Konflikt ‚wegzureden‘, sondern um ein aktives Zuhören und ein Verstehen, worum es den beteiligten Personen geht. Das Problem hier ist, dass jahrzehntelang Führungskräfte bestellt wurden, nicht um zu führen; sie wurden aus einer traditionellen Rolle des Expertentums heraus rekrutiert, aber ohne in Führungsskills zu investieren. Viele Gründe für Konflikte liegen jedoch spezifischer vergraben und brauchen Skills, um erkannt zu werden.”

Für Diana-Maria White, Rechtsanwältin, Verteidigerin in Zivil- und Strafsachen und Wirtschaftsmediatorin, sind Konflikte im Job-Kontext etwas „strukturell Normales, wie sie bereits im Oktober 2023 im brutkasten-Talk erklärte. Man gehe mit fremden Menschen eine Bindung ein, die man privat gar nicht kenne. „Die Eskalation des Konflikts kommt dann durch subjektive Befindlichkeiten“, sagte sie damals. „Er geht manchmal aus Nichtigkeiten los und schaukelt sich auf. Wenn der Konflikt verfestigt ist, bekomme ich ihn teilweise nicht mehr gelöst.“

Eskalationsstufen beim Konflikt

Der Konfliktforscher Friedrich Glasl beschreibt in diesem Sinne die Eskalation eines Konflikts in neun Stufen, die sich in drei Hauptphasen gliedern. Die erste Phase ist geprägt von gelegentlichen Spannungen bis hin zu heißen Debatten, in denen sich Streitende gegenseitig unter Druck setzen. Hier können dem Forscher zufolge Konflikte noch konstruktiv gelöst werden.

Die zweite Phase öffnet das Persönliche – das Ziel ist nun, den Konflikt zu gewinnen; dabei werden Werkzeuge wie Drohungen, Sanktionen und Machtspiele eingesetzt. In so einem Fall wird eine Partei als „Verlierer“ aus dem Konflikt scheiden, was zu einem zerrütteten Arbeitsklima und gestörtem Arbeitsverhältnis führt – mit Auswirkungen auf die Produktivität.

In der dritten und heftigsten Phase wollen alle Beteiligten einander nur noch schaden – und sie riskieren damit sogar den eigenen Untergang und den des ganzen Unternehmens. In Zahlen können laut Dostal 72 bis 75 Prozent aller Konflikte gelöst werden.

„Eine Führungskraft kann allerdings nur bis zur Eskalationsstufe 4 helfen, darüber braucht es Mediatoren“, sagt er. „Bei Stufe 7 bis 9 braucht es Expertenteams, da geht es nur mehr ums Vernichten des anderen.“

Für Dostal ist eine Unternehmensmediation unparteiisch und ermöglicht die Entwicklung eines Spektrums von Lösungsmöglichkeiten und Perspektiven mit den größtmöglichen Überschneidungen zwischen Streitenden.

„Wir sprechen unterschiedliche Sprachen, geben Worten unterschiedliche Bedeutungen mit, je nach Erfahrung, Werten, Alter, Hintergrund“, erklärt Dostal. „Am Arbeitsplatz, mit all dem Konkurrenzdenken, kann Emotion eine ganz riesige Rolle spielen. Mediatoren übersetzen, paraphrasieren und stellen die Umstände für die Parteien klarer dar. Es geht darum, ein besseres gegenseitiges Verständnis zu erzeugen.“

Ein ungelöster Konfliktfall

Der Konfliktexperte erinnert sich an einen Fall, der nicht gelöst werden konnte, um präziser zu erläutern, was Unternehmer:innen heute fehlt. Die Causa damals befasste sich mit der Auflösung eines Dienstverhältnisses eines jungen Mitarbeiters, der mehr als 50 Prozent Fehlzeiten zu Buche stehen hatte. Das Spannende an dem jungen Mann war sein Selbstbild, das jedoch nicht mit der Außenwahrnehmung übereinstimmte.

„Die Person hat gedacht, sie könne Dinge viel besser als die anderen, müsse nichts Neues lernen und sei zum Führen bestimmt“, erinnert sich Dostal. „Sie konnte aber nicht nachweisen, dass sie diese Dinge tatsächlich beherrscht.“

Der Mediator sieht in dem jungen Mann von einst ein typisches „Goldlöffelkind“, dem man ständig unreflektiert positives Feedback gegeben hatte – und damit die „Self Perception“ fütterte, fehlerfrei zu sein.

„Niemand agiert fehlerfrei“, betont Dostal. „Doch der junge Mann konnte Kritik nicht annehmen. Es war spannend zu beobachten, denn die Wahrnehmung des jungen Mitarbeiters ist seine persönliche Realität; und das müssen Arbeitgeber realisieren und lernen, mit Menschen umzugehen.

Konkret geht es öfter auch darum, gewisse Dinge aus der Vergangenheit einer Person zu kompensieren. Dazu muss man eine neue Art des Führens lernen. Als ‚Arschloch-Chef’ – Sternekoch Tim Raue hat den Begriff geprägt – hat man heute keinen Erfolg mehr. Es braucht keinen mehr, der brüllt, sondern einen, der konstruktives Feedback liefern kann; auch bei Menschen, die Schwierigkeiten haben, mit Kritik umzugehen.“

„Konflikte benötigen Reife“

Alles andere könne zu einer veritablen Persönlichkeitskrise führen, in der sich vor allem junge Personen verletzt zurückziehen. „Um Konflikte zu lösen, benötigt es Reife“, so Dostal. Eine Reife, über die Lisa Smith vom Lieferketten-Startup Prewave verfügt, ruft man sich ihre Worte aus dem November 2023 in Erinnerung: Ein Jahr zuvor war sie mit ihrem Scaleup in ein größeres Office gezogen und musste mit ihrem FlexDesk-System über 100 Leute unter einen Hut bringen.

„Da sind ein paar Sachen aufgekommen und wir haben versucht, aufeinander zuzugehen“, erzählte sie damals über den Firmenumzug. Für die Gründerin war es in diesen Konfliktsituationen wichtig, das Gespräch zu suchen und als ersten Schritt herauszufinden, was überhaupt passiert ist, so ihr Zugang: „In größeren Firmen wird das aber immer schwieriger. Wichtig ist, das Gegenüber zu verstehen, damit man konstruktiv zusammenarbeiten kann; um den gemeinsamen Blick auf den Weg in die Zukunft zu richten und den Konflikt zu begraben.“

Prewave hat in der Vergangenheit bei Streitfällen konkret die HR-Abteilung involviert und die Parteien zu direkten Gesprächen geladen. „So direkt wie möglich und nicht über die Team-Leads“, betonte Smith. „Wir überlegen uns immer, was eine rasche, pragmatische Lösung sein kann.“

Kämpfe und Warnzeichen

Weniger pragmatisch war ein anderes Beispiel aus Dostals Erlebnisrepertoire: Ein Unternehmen hatte es für eine gute Idee gehalten, konkurrierende Ziele zwischen den Abteilungen auszurufen, und hat die einzelnen Abteilungen gegeneinander ausgespielt. „Man wollte sehen, ob sie in der Lage sind, mehr Energie aufzubringen“, erinnert sich der Mediator. „Sie haben sich jedoch hart bekämpft; letztendlich gab es nur Stillstand.“

Deswegen sei es gemäß eines modernen Leaderships nicht nur essenziell, sich Konfliktlösungsskills, wie oben beschrieben, anzueignen, sondern auch auf Warnzeichen zu achten – wie es Personio in seiner Ausführung vorschlägt.

Warnzeichen sind: Mitarbeiter:innen reden nicht mehr miteinander. Sie äußern sich negativ und herablassend übereinander. Mitarbeitende zeigen in ihrer Mimik und ihrer Körpersprache Ablehnung. Sie missachten bewusst Entscheidungen oder Arbeitsanweisungen – und reagieren aggressiv; beim kleinsten Anlass gibt es Streit.

„Wenn Konflikte am Arbeitsplatz frühzeitig erkannt und konstruktiv behandelt werden, wirken sie sich durchaus positiv auf ein Unternehmen aus“, rät Personio. „Konflikte zeigen, wo Veränderungsbedarf besteht, und erhöhen den Druck auf die Beteiligten, zu handeln. Sie zwingen, sich im Konfliktmanagement mit möglichen Lösungen auseinanderzusetzen. Dabei werden oft neue, kreative Ansätze gefunden.“

Positiv sei, so Dostal, dass sich Führungskräfte und Mitarbeitende im DACH-Raum entsprechende Skills zur Konfliktlösung wünschen. „Es gibt eine hohe Bereitschaft, besser mit Konflikten umzugehen“, sagt er. „Wenn die Effektivität im Umgang mit Konflikten nicht besteht, führt dies zu schwerwiegenden Problemen, die in Unternehmen für weitaus höhere Kosten sorgen können, als wenn man Grundlagen schafft und Führungskräfte mit Konfliktlösungsskills ausstattet – und zwar mit jenen, die auch mit unterschiedlichen Werten, Emotionen und Hintergründen umgehen können.“


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